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Ende 2023 wurde in Russland die "internationale LGBT-Bewegung" als "extremistisch" eingestuft und verboten. Nun hat ein Gericht in Orenburg zwei junge Leute auf dieser Grundlage inhaftiert und erstmalig ein Strafverfahren eröffnet.

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Das Perfide an diesem Gesetz ist vor allem der Umstand, dass die „internationale LGBT-Bewegung“ als Gruppe im Sinne dieses Gesetzes überhaupt nicht existiert. Bereits in unserem Artikel zur Einführung des Gesetzes hatten wir mit Bezug auf die Deutsche Welle festgehalten, dass durch das Verbot auch kleine Organisationen und unpolitische Einrichtungen, die sich in ihren Gemeinden engagieren, in den Fokus geraten könnten. Es entsteht dabei die Gefahr, dass mit der Einstufung von LGBTIQ*-Personen als „pauschal extremistisch“ nicht-heterosexuelle Lebensweisen als politische Gefahr konstruiert werden (hier mehr dazu).

Mit dem nun eingeleiteten Strafverfahren gegen die Geschäftsführerin und den künstlerischen Leiter eines bei sexuellen Minderheiten beliebten Klubs namens "Pose" werden diese Befürchtungen nun untermauert. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, durchsuchte die Polizei das "Pose" am 9. März, nachdem der Klub durch eine Gruppe namens "Russische Gemeinde Orenburg" denunziert worden war. Weiter heißt es, dass sogar unter der "repressiven russischen Gesetzgebung" die Inhaftierung der beiden Mitarbeiter*innen nicht rechtens sei. Hinzu kommt, dass die Veröffentlichung der "nicht traditionellen sexuellen Orientierung" durch das Gericht die Angeklagten zusätzlichen Gefahren innerhalb des Gefängnisses aussetzen könnte.

Die FAZ kommt zu dem Schluss, dass mit diesem Verfahren nun weitere „sogenannte Gay-Clubs“ in Russland schließen werden, "da ihre Mitarbeiter riskieren, sogar für die bloße Arbeit dort verfolgt zu werden". Zumindest nach jetzigem Erkenntnisstand handelt es sich bei den Inhaftierten nicht um politische Aktivist*innen, sondern um Bürger*innen, die einen Klub betrieben und nicht der ideologisierten Norm entsprachen.

Damit spitzt sich die Lage im Land noch weiter zu. Mögliche Selbstzensur und Klubschließungen sind dabei nur ein Aspekt. Gleichzeitig macht es deutlich, wie wichtig es ist, gerade vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Krieges zwischen staatlichen bzw. nationalistischen Akteuren und der allgemeinen Bevölkerung eines Landes zu unterscheiden. Nur wenn das gelingt, wird deutlich, dass Hilfe und Solidarität nicht an die Ideologie einer politischen Führung gebunden sind. Das gilt auch für andere Staaten und Situationen. Konkret heißt das, wer sich im Land dazu entschließt, aktivistisch tätig zu werden, kann das tun; wer sich dagegen entscheidet und sich aus Angst um sich und seine Familie zurückzieht, hat ebenfalls alle Rechte dazu. Selbstzensur ist niemals die Verantwortung der Verfolgten. Damit ist eine Debatte über politisches Asyl für die Zukunft nicht ganz auszuschließen. Es bleibt aber offen, mit welchen Ressentiments diese geführt werden wird.

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Seitdem die internationale LGBTIQ*-Bewegung Ende November 2023 vom Obersten Gerichtshof in Russland als „extremistisch“ eingestuft wurde, hat sich die Situation für die queere Community im Land weiter verschlechtert. Das Urteil verbietet jegliche Form von LGBTIQ*-Aktivismus und schränkt damit die Handlungsfähigkeit von queeren Personen stark ein. Ein Monat nach dem Beschluss wird bereits deutlich, welche Auswirkungen das Verbot für die queere Gemeinschaft in Russland hat.

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Wie bereits in einem früheren Artikel auf echte-vielfalt.de betont wurde, ist das Fatale an dem Verbot die generelle Kriminalisierung von LGBTIQ*, da es sich nicht gegen eine bestimmte Organisation oder Gruppierung richtet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stellt fest, dass mit diesem pauschalen Verbot die Rechte auf Vereinigungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit sowie das Recht auf Nichtdiskriminierung verletzt werden.

So drängt das Verbot queere Aktivist*innen, die nochmals verstärkt mit politischer Verfolgung, Repressionen und Haftstrafen rechnen, in die Flucht. Denn die Teilnahme in oder Finanzierung von „extremistischen“ Organisationen kann bis zu zwölf Jahren Haftstrafe bedeuten. Allein das Tragen von Symbolen, die mit diesen Gruppierungen verbunden sind, kann bei wiederholtem Verstoß mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden.

Aber nicht nur Aktivist*innen müssen fatale Konsequenzen fürchten. Bereits nach der Verschärfung des Gesetzes zu „LGBTIQ* Propaganda“ im Jahr 2022 beklagte die junge Russin Yaroslava gegenüber CNN, dass ihre reine Existenz kriminalisiert werde. Als lesbische Mutter mit Kind würden sie und ihre Familie nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen propagieren. Durch das Gesetz würden Menschen und Familien wie sie in die Illegalität gedrängt werden. Mit der pauschalen Einstufung der LGBTIQ*-Bewegung als „extremistisch“ werden nicht-heterosexuelle Lebensweisen nun weitreichend als politische Gefahr konstruiert. So scheinen queere Personen generell zur Zielscheibe von Putins Regierung zu werden.

Das Urteil wirkt demnach in viele Lebensbereiche queerer Personen. Zusätzlich zur bereits durch das Propaganda-Gesetz veranlassten „Reinigung“ von Inhalten und Symbolen, die mit LGBTIQ* in Kunst und Kultur verbunden sind, kam es nur einen Tag nach Bekanntgabe des Verbots zu Razzien in queeren Clubs in Moskau. Unter dem Vorwand einer Anti-Drogen-Kontrolle habe die Polizei die Ausweise der Clubbesucher*innen kontrolliert und fotografiert. Nach Angaben von queer.de könnte dies als Einschüchterungsmaßnahme interpretiert werden. Das Eindringen der staatlichen Gewalt in die Räume von LGBTIQ* – womöglich waren auch private Partys von den Razzien betroffen – löst große Sorgen innerhalb der queeren Gemeinschaft aus.

Mit der rechtlichen Verschärfung wird auch eine Zunahme an queerfeindlicher Gewalt befürchtet. Bereits nach dem "Propaganda" -Gesetz, das ursprünglich im Jahr 2013 verabschiedet wurde, kam es zu einem Anstieg an Gewalttaten gegenüber LGBTIQ*. Ein ähnlicher Trend wird auch mit der neueren Entscheidung des Obersten Gerichtshofes befürchtet. Das gesamte Ausmaß des Urteils wird sich wohl noch abzeichnen.

Die Organisation Human Rights Watch fordert nun die Internationale Gemeinschaft auf, russische LGBTIQ*-Aktivist*innen zu unterstützen. Insbesondere EU-Mitgliedsstaaten müssten aufgrund der geographischen Nähe Visa bereitstellen, wenn diese aufgrund der Lage in Russland gezwungen sind zu fliehen.

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Mit dem Verbot gegen die internationale LGBTIQ*-Bewegung durch das Oberste Gericht Russlands erreicht die langjährige Entwicklung repressiver Gesetzgebung des Landes einen neuen traurigen Höhepunkt. Das Gericht gab dabei einem Antrag des Justizministeriums statt, wodurch die internationale LGBTIQ*- Bewegung als „extremistisch“ eingestuft wird.

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Begonnen hatte diese Entwicklung bereits 2013 mit der Unterzeichnung eines Gesetzes zum Verbot von „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" unter Minderjährigen. Im Juni 2022 fand dann eine Verschärfung statt, als das Gesetz für alle Altersstufen ausgeweitet wurde  und die Verbreitung jeglicher Inhalte verbot, die nach Ansicht der Behörden "nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen propagierten“. Echte Vielfalt berichtete über beide Entwicklung bereits in früheren Artikeln (hier und hier). Wie die Deutsche Welle (DW) zusammenfassend feststellt, mussten in der Folge „[…] viele Verlage, Buchhandlungen, Bibliotheken und Online-Kinos […] unter Androhung von Geldstrafen jegliche Erwähnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen […] entfernen“.

Aber auch große Konzerne wie TikTok und Facebook kamen nicht um Geldstrafen herum, als sie sich weigerten Inhalte zu löschen, die eine „Verzerrung traditioneller Werte“ darstellten. Allerdings muss an dieser Stelle der qualitative Unterschied zwischen einer Geldstrafe gegen TikTok von drei Millionen Rubel (etwa 51.000 Euro) und einer ähnlich hohen Geldstrafe gegen eine Buchhandlung oder Bibliothek etc. hingewiesen werden. Während es für erstere eine "symbolische Mahnung“ bedeuten mag, kann es für letztere bis zur existenziellen Bedrohung führen.

Wie die Tageschau bemerkt, sind die konkreten Auswirkungen des neuen Verbots bis jetzt allerdings noch nicht vollends abzuschätzen: „Das Verfahren, das hinter verschlossenen Türen stattfand, richtete sich nicht gegen eine bestimmte Organisation, sondern gegen einen Teil der russischen Gesellschaft.“ Wie die Deutsche Welle schreibt, wird am 10. Januar 2024 der Teil des Verbots, der Bezug auf "strukturelle Organisationen" nimmt, in Kraft treten. Maxim Olenitschew, Anwalt des Menschenrechtsprojekts "Perwyj otdel", befürchtet dazu im Interview mit der DW, dass damit alle Organisationen in Russland gemeint sein, die eine Verbindung zum Thema LGBTIQ* haben. Das Beispiel TikTok und Co. zeigt dahingehend, dass es gerade kleine Vereine und Organisationen sind, die sich in ihrer Gemeinde engagieren, auf die das Urteil besonders einschneidende Auswirkungen haben wird.

Nichtsdestoweniger wird die innerstaatliche Entwicklung ihre Symbolik auch über die Landesgrenzen hinaus entfalten. Laut Tagesschau inszeniert sich Russland mindestens seit Beginn des Ukrainekrieges „als moralisches Bollwerk gegen die angebliche Dekadenz des Westens und begründet sein Vorgehen insbesondere mit dem Schutz von Kindern.“ Eine Signalwirkung, die von den internationalen rechtspopulistischen Akteuren genaustens beobachtet wird. Die Interdependenzen zwischen nationaler Entwicklung als Signal an internationale Akteure haben wir am Beispiel USA - Uganda bereits thematisiert.

Interdependenz bedeutet allerdings auch, dass - egal aus welcher Richtung - Einmischung wirkt. Auch wenn das den Menschen und Vereinen vor Ort kurzfristig vermutlich wenig helfen wird, kann das Engagement von außen und das Schaffen von Zugang zu Informationen und Medien langfristig dennoch Hoffnung spenden.

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Ein Deutscher wird unter dem Vorwurf, Homosexualität zu bewerben, aus Russland abgeschoben. Die „Propaganda“ für „nicht-traditionelle“ sexuelle Beziehungen ist unter russischem Gesetz eine Straftat. Außerdem wurde er zu einer Geldstrafe von circa 1.700 Euro verurteilt.

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Offenbar habe der deutsche Staatsbürger versucht, online einen Mann kennenzulernen. Russische Medien berichten davon, dass er ihn zu sich ins Hotelzimmer eingeladen habe. Fraglich bleibt, inwiefern dies als „Propaganda“ für Homosexualität zu verstehen ist. Bereits Anfang April wurde das Gerichturteil beschlossen. Nun soll er über die Türkei nach Deutschland gebracht werden.

Die Rechte von LSBTIQ*-Personen sind in Russland stark eingeschränkt. Im Juni 2022 wurde ein seit 2013 bestehendes Gesetz verschärft, dass die „Werbung“ für Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit verbietet. Geld- sowie Haftstrafen können bei Verstößen folgen. Mit dem sogenannten „Gay Propaganda“ Gesetz werden queere Personen stark diskriminiert, in die Unsichtbarkeit und Illegalität gedrängt. Homo- und Queerfeindlichkeit kann öffentlich kaum mehr kritisiert werden, da Aktivist*innen mit hohen Repressionen rechnen müssen.

Auf Basis des Gesetzes wurde unter anderem auch vor kurzem die Social-Media Plattform TikTok zu einer Geldstrafe verurteilt. Allein eine positive Darstellung von nicht-heterosexuellen Beziehungen kann rechtlich verfolgt werden, auch in Filmen und Büchern. So müssen auch Streaming-Anbieter und Verlagshäuser mit Verboten, Einschränkungen und Strafen rechnen.

Wie echte vielfalt im Januar berichtete, wurden queere Personen auch zur Angriffsfläche in Putins diesjährigen Rede zur Lage der Nation. Das Feindbild des Westens würde traditionelle Werte zerstören. So wird der Ausbau von Rechten für Angehörige der LSBTIQ*-Community als Gefahr für die russische Bevölkerung konstruiert. Seit der Einführung des Gesetzes 2013 hat sich nach Angaben von Human Rights Watch die Situation für queere Personen verschlimmert. Unter anderem werden damit Vorurteile gegenüber homosexuellen Personen verstärkt und ein queerfeindliches Klima im Land geschürt.

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Nach einer Beschwerde der staatlich Kommunikationsaufsichtsbehörde Roskomnadsor, wurde die Videoplattform TikTok zu einer Geldstrafe von drei Millionen Rubel (etwa 51.000 Euro) verurteilt.

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Der Plattform wird vorgeworfen, „LSBTIQ* Propaganda“ verbreitet zu haben. Wie die Tagesschau berichtet, habe sich TikTok geweigert, die entsprechenden Inhalte zu löschen. TikTok wie auch anderen Medien wird vorgeworfen, „nicht-traditionelle Werte, LGBTQ, Feminismus und eine verzerrte Darstellung der traditionellen sexuellen Werte [zu] fördern“. Bereits im April hatte ein russisches Gericht Geldstrafen gegen TikTok und den Facebook-Mutterkonzern Meta verhängt. Auch damals lautete der Vorwurf „LSBTIQ* Propaganda“.

Seit 2013 ist in Russland das „Werben“ für homosexuelle Beziehungen vor Kindern verboten. Eine Ausweitung auch auf Erwachsene ist in Überlegung. Seit dem verschärften Ausbruch des Russland-Ukrainekrieges im Februar dieses Jahres hat Russland seinen Druck auf soziale Netzwerke und Plattformen wie TikTok noch einmal erhöht.

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Russische Gesetzgeber*innen haben vorgeschlagen, das bestehende Gesetz zur "Homosexuellen-Propaganda" noch in diesem Jahr auf Menschen aller Altersgruppen auszuweiten. Das bereits bestehende Gesetz wurde 2013 von Wladimir Putin unterzeichnet und verbietet jegliche "Werbung" für "nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen" unter Minderjährigen.

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Jeder, der im Rahmen dieses Gesetzes für schuldig befunden wird, kann zu hohen Geld- oder Haftstrafen verurteilt werden. Die Maßnahme sei bislang genutzt worden, um gegen LGBTQ+-"Befürworter*innen" vorzugehen, Kindern den Zugang zu inklusiver Literatur zu verwehren und Minderjährige daran zu hindern, LGBTQ-Inhalte auf Streaming-Plattformen anzusehen.

Alexander Khinshtein, Vorsitzender des Informationsausschusses der Staatsduma, beschloss nun, dass das Gesetz aus dem Jahr 2013 für Minderjährige "unzureichend" sei (Radio Free Europe/Radio Liberty). Er sagte, die Gesetzgeber*innen würden in Erwägung ziehen, die Gesetzgebung weiter voranzutreiben, um Darstellungen der LGBTQ+-Gemeinschaft für ein "Publikum aller Altersgruppen" in den Medien und online zu verbieten. "Wir schlagen vor, das Verbot dieser Art von Propaganda auf ein Publikum aller Altersgruppen auszuweiten (offline, in den Medien, im Internet, in den sozialen Medien und in den Kinos)", schrieb Khinshtein auf Telegram.

Nach den vorgeschlagenen Änderungen könnte jede Veranstaltung oder Handlung, die als Versuch der "Förderung der LGBTQ+-Gemeinschaft" angesehen wird, eine Geldstrafe nach sich ziehen, berichtete Reuters. Khinshtein sagte, sein Ausschuss werde die vorgeschlagenen Änderungen und sogar die Verhängung strengerer Strafen für Verstöße gegen das so genannte "Schwulen-Propaganda-Gesetz" prüfen, wenn er im Herbst wieder zusammentritt.

Der Sprecher des russischen Parlaments, Wjatscheslaw Wolodin, erklärte, das Land werde die Förderung "nicht-traditioneller Werte" verbieten, nachdem es seine Beziehungen zum Europarat, der wichtigsten Menschenrechtsorganisation des Kontinents, abgebrochen habe. "Forderungen, gleichgeschlechtliche Ehen in Russland zu legalisieren, gehören der Vergangenheit an", sagte Wolodin. "Die Versuche, unserer Gesellschaft fremde Werte aufzuzwingen, sind gescheitert." Russland hat sich im März aus dem Europarat zurückgezogen, nachdem das Land in die Ukraine einmarschiert war.

Die LGBTQ+-Lobbygruppe IGLA-Europe stufte Russland als eines der am wenigsten queer-freundlichen Länder Europas ein. Im diesjährigen "Rainbow Europe"-Index belegte Russland den 46. Platz von 49 europäischen Ländern - knapp vor Armenien, der Türkei und Aserbaidschan.

LGBTQ+ Russ*innen haben PinkNews berichtet, dass die Hoffnung auf Veränderungen im Land mit dem anhaltenden Krieg in der Ukraine geschwunden ist und viele aus dem Land geflohen sind, in der Hoffnung, anderswo eine bessere Zukunft zu finden. Maria - eine LGBT+-Aktivistin in Russland, deren Name zum Schutz ihrer Identität geändert wurde - sagte, dass queere Menschen erkannt hätten, dass, wenn das "System repressiv wird", dies wahrscheinlich bedeute, dass die Regierung "Minderheitengruppen, gefährdete Gruppen" angreifen werde: "Wir wissen nicht, ob wir morgen in einer Welt aufwachen, in der es wieder so ist wie vor den 90er Jahren, in der LGBT+-Beziehungen unter Strafe stehen und wieder kriminell sind. Ich glaube, die Menschen haben Angst davor, und deshalb gehen sie weg". Sie fühle sich manchmal "verzweifelt" und sagte, sie wisse nicht, ob sie glaube, dass es noch "möglich sei, eine LGBT+-Aktivistin in Russland zu sein".

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Die russische Regierung hat einen erfolglosen Versuch unternommen, eine der größten und bekanntesten LGBTQ-Rechtsgruppen des Landes zu schließen, doch Menschenrechtsaktivist*innen fürchten, dass weitere Versuche bevorstehen.

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Ein Gericht in St. Petersburg wies am Dienstag eine vom russischen Justizministerium eingereichte Klage ab, in der das Russische LGBT-Netzwerk beschuldigt wird, „LGBT-Ansichten“ zu verbreiten und sich an Aktivitäten zu beteiligen, die „traditionellen Werten“ zuwiderlaufen würden. Daher erklärten russische Beamte, sie wollten die Sphere Foundation, die juristische Gruppe, die die LGBTQ-Organisation betreibt, „liquidieren“. Sowohl das Russische LGBT-Netzwerk als auch die Sphere Foundation sind in Russland bereits als ausländische Agenten ausgewiesen.

Tanya Lokshina, stellvertretende Direktorin der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch, sagte die Entscheidung des Gerichts, nicht auf die Klage zu reagieren sei eine gute Nachricht für die unmittelbare Zukunft: „Ihr erster Schritt ist gescheitert, aber ich glaube nicht, dass sie aufgeben werden, denn das, was passiert ist, steht im Einklang mit dem anhaltenden, sehr beunruhigenden Trend, unabhängige Stimmen in Russland zu unterdrücken.“ Dabei seien Journalist*innen und LGBTQ-Aktivist*innen häufig Zielscheibe dieser staatlichen Bemühungen. Die russische Regierung sei nur bereit, Homosexuelle zu tolerieren, solange sie sich verborgen hielten. Denn auch wenn die Identifizierung als LGBTQ in Russland nicht mehr verboten ist, haben Gesetze wie das russische „Schwulenpropaganda“-Gesetz aus dem Jahr 2013 weiterhin Bestand. Dieses verbietet wie ähnliche spätere Gesetze in Ungarn und Polen die „Förderung nicht-traditioneller sexueller Beziehungen bei Minderjährigen“.

So argumentierte Lokshina, dass es sich bei der Klage „nicht um eine juristische Aktion“, sondern „um eine rein ideologische Aktion und einen unverhohlenen Akt homofeindlicher Zensur“ handele. Auch Igor Kochetkov, russischer LGBTQ-Aktivist und Gründer der Sphere Foundation, argumentierte, dass die Behauptungen in der Klage „eher ideologisch als rechtlich begründet“ seien: „Dies ist politische Verfolgung vom Feinsten. Und das Justizministerium versucht diesmal nicht einmal, dies zu verbergen“.

Das in St. Petersburg ansässige Russische LGBT-Netzwerk ist dafür bekannt, dass es Aktionen gegen die Anti-LGBTQ-Politik und -Aktionen des Landes anführt, darunter die schwulenfeindliche Säuberung in Tschetschenien, die 2017 landesweit Schlagzeilen machte. Seitdem wurden laut Human Rights Watch mindestens 140 schwule und bisexuelle tschetschenische Männer in der halbautonomen russischen Region misshandelt und inhaftiert. Das russische LGBT-Netzwerk verteidigte seine Mission in einer Erklärung gegenüber NBC News: „Wir weigern uns, aufzugeben und uns von der Regierung abschalten zu lassen; wir weigern uns, zu akzeptieren, dass die Unterstützung von LGBT+-Personen nicht der Idee der "Wohltätigkeit" entspricht, wie es in ihrer Behauptung heißt. LGBT+-Menschen sind Bürger dieses Landes wie jede andere gesellschaftliche Gruppe und verdienen die gleichen Rechte und Freiheiten“.

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Die Lage für LGBT-Personen und -Aktivist*innen in Russland verschärft sich zunehmend. Insbesondere die Politik der Regierung und die Russisch Orthodoxe Kirche haben Einfluss auf ein wachsendes homo- und transfeindliches gesellschaftliches Klima. Neben Gewalt gegen LGBT müssen LGBT-Aktivist*innen Angst vor Angriffen bei Auftritten in der Öffentlichkeit haben und ihre Arbeit wird durch rechtliche Kriminalisierung verunmöglicht.

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In der damaligen Sowjetunion gab es zunächst keine LGBT-Bewegung und war Homosexualität verboten. Im Zuge der Systemtransformation wurde 1993 Homosexualität entkriminalisiert und führte zu einem Entstehen der LGBT-Bewegung. In den letzten Zwanzig Jahren kam es dann in Russland zu einem Erstarken der Bewegung und der Gründung neuer LGBT-Organisationen. In einigen Bereichen wuchs die Akzeptanz gegenüber LGBT, zum Beispiel in Teilen der Medienlandschaft und in der Popkultur.

Trotzdem waren und sind die Einstellungen gegen LGBT-Personen in der Bevölkerung weiterhin negativ. Pride-Paraden oder Protestveranstaltungen riefen immer wieder starke homophobe Reaktionen hervor. Konservative Politik und Kirche fordern seit einigen Jahren die Bewahrung „traditioneller Werte“.  Die kulturellen Werte der Nation seien bedroht und müssten vor Einfluss des Westens geschützt werden. Die Zunehmende Ablehnung gegenüber LGBT führte schließlich 2013 zur Verabschiedung eines Gesetzes gegen „homosexuelle Propaganda“.  LGBT-Veranstaltungen und -Projekte werden seitdem unter dem Vorwand des Kinderschutzes verboten. Auch hatte das Gesetz eine Selbstzensur von Medien und weiteren Akteur*innen zur Folge, die ihre Berichterstattung oder Thematisierung von LGBT-Themen einschränkten. Eine weitere dramatische Konsequenz ist die Zunahme von Diskriminierung und Hassverbrechen gegenüber LGBT. In diesem Zusammenhang dient das Gesetz den homophoben Täter*innen unter anderem als Rechtfertigung. Die Opfer solcher Taten gehen aus Angst für weiterer Erniedrigung oder Gewalt oft nicht zur Polizei.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bestätigt in einem Bericht, dass das Gesetz die bestehende Feinseligkeit gegenüber LGBT verstärke und den Zugang zu Aufklärungs- und Hilfeangeboten, insbesondere für Jugendliche, blockiere.

Die russische Regierung verabschiedete außerdem weitere Gesetze, die insgesamt oppositionelle Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen in ihren Rechten einschränken und ihre Arbeit erschwerten. Auch die Verschärfung des Versammlungsrechtes gehört dazu.

Beispielhaft für die politische Verfolgung von LGBT-Aktivist*innen steht die Aktivistin Julia Tsvetkova. Die lesbische Feministin, Künstlerin und LGBT-Aktivistin ist wegen der Veröffentlichung von Zeichnungen mit feministischen und LGBT-Motiven Repressionen ausgesetzt, stand deswegen bereits unter Hausarrest und wurde zu Geldstrafen verurteilt. Wegen einer feministischen Zeichnung mit nackten Frauen wird sie nun beschuldigt, illegal Pornographie verbreitet zu haben. Ihr droht eine mehrjährige Haftstrafe in einem Straflager.  Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International stufen sie als politisch Verfolgte ein. In einem Interview mit der Zeitschrift Siegessäule sagte Julia zu ihrem Fall: „Für viele Menschen im Westen ist es schwer vorstellbar, dass man im 21. Jahrhundert angeklagt werden kann, weil man sagt, dass Frauenkörper schön und stark sind und den Frauen selbst gehören. Wenn ich verurteilt werden sollte, werde ich definitiv nicht aufgeben und meinen Fall zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen.“

Es ist nicht überraschend, dass eine zunehmende Zahl an LGBT-Personen auf Grund der beschriebenen Entwicklungen ins Ausland und auch nach Deutschland migriert. Der Verein Quarteera, ein Zusammenschluss russischsprachiger queerer Menschen in Deutschland, setzt sich unter anderem für sie ein. Außerdem engagiert sich die Initiative gegen Homophobie in der russischen Community in Deutschland.  

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“Women’s rights are at the forefront of security risks - and resistance.“ Mit diesem Einstieg eröffnet das Magazin Foreign Policy (FP) ein Thema, das ständige Gültigkeit hat, allerdings mit der Wahl Trumps und vor dem Hintergrund eines immer deutlicheren Rechtsrucks in Europa eine mediale Präsenz bekommen hat wie seit Langem nicht.

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Erst vor Kurzem hatten wir beispielsweise über die Anti LGBTIQ*-Gesetze in Georgien berichtet, die ebenso wie die Gesetze in Russland oder Ungarn auf ein Verbot einer angeblichen „Propaganda“ für gleichgeschlechtliche Beziehungen und LGBTIQ* abzielen. Dabei wird das Argument angeführt, „Kinder und Familie“ schützen zu wollen.

Wie Foreign Policy berichtet, arbeitet die Partei Georgischer Traum darauf hin, Tiflis an Moskaus Interessen auszurichten und sich damit immer stärker von Europa zu entfernen. Dem entgegen steht Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili – und das sei kein Zufall. Weiter heißt es: Weltweit spielen Frauen eine beeindruckende Rolle als Bollwerk gegen den Aufstieg des Autoritarismus. Die moldawische Präsidentin Maia Sandu stellt sich einer Flut russischer Desinformation entgegen. In Polen spielten Frauen eine entscheidende Rolle bei den Bemühungen, die rechtspopulistische PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) zu stürzen. In Hongkong sind Frauen weiterhin das praktische und normative Gesicht des Widerstands gegen die autoritäre Herrschaft Chinas.

Und schaut man sich die Diskurse der letzten Tage, Wochen, Monate und Jahrzehnte an, so lässt sich nicht leugnen, dass autoritäre, rechtspopulistische Strömungen ein Problem sind, das deutlich mit verzerrten Männlichkeitsbildern einhergeht.

Seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs 2022, das den US-amerikanischen Bundesstaaten die Regelung von Abtreibungsrechten überlässt, haben 13 republikanisch regierte Staaten Schwangerschaftsabbrüche weitgehend verboten; weitere vier schränken Abtreibungen stark ein. Noch während der Wahl am 6. November 2024 ließen laut Tagesschau zehn der fünfzig Bundesstaaten darüber abstimmen, die Abtreibungsrechte in ihre Verfassung aufzunehmen. In sieben Staaten kam es zu einer Mehrheit. „Schon vor der Wahl hatte es Volksabstimmungen zum Abtreibungsrecht in sieben US-Staaten gegeben. In allen setzten sich die Befürworter der Wahlfreiheit für Frauen durch.“

Mit dem vorwiegend konservativen Obersten Gerichtshof in den USA, einem Präsidenten Trump im Amt und dem ehrgeizigen Projekt 2025 im Rücken erscheint die Zukunft der individuellen Freiheitsrechte zunehmend unsicher. Gleichzeitig berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass Russland Bußgelder gegen Menschen verhängt, die öffentlich äußern, keine Kinder bekommen zu wollen – ein weiteres Beispiel für die Einschränkung persönlicher Entscheidungen durch autoritäre Politik.

Auch in Deutschland, wo am 1. November das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft trat, zeigt sich, dass Selbstbestimmung keineswegs selbstverständlich ist. Vielmehr bröckeln weltweit die Freiheiten, die lange als Errungenschaften moderner Demokratien galten. Wie Foreign Policy treffend formuliert, stehen dabei Frauen mit ihren Rechten und ihrem Körper an vorderster Front dieser Entwicklungen – als Projektionsfläche und Werkzeug autoritärer, männlicher Machtpolitik.

Angesichts dieser Entwicklungen müssen sich nicht nur Frauen und die LGBTIQ*-Gemeinschaft, sondern auch Männer – insbesondere jene, die sich als solche definieren – die drängende Frage stellen: Wo steht Deutschland und wohin führt der Weg am 23. Februar 2025?

Bild/Frauenzeichen: Freepik

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Nachdem bereits am 17. September das Gesetz für „Familienwerte und den Schutz von Minderjährigen“ vom georgischen Parlament verabschiedet wurde, ist es nun auch faktisch in Kraft getreten. Das Parlament in Georgien hatte das Gesetzespaket gegen die Verbreitung von Homosexualität bereits am 27. Juni auf den Weg gebracht - damals unter großem Protest der Opposition und der EU, von der es erst Ende 2023 als Beitrittskandidat aufgenommen wurde.

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Wie bereits die Gesetze in Russland oder Ungarn zielt auch dieses Gesetz auf ein Verbot einer angeblichen "Propaganda" für gleichgeschlechtliche Beziehungen und LGBTIQ* und soll dabei „Kinder und Familie“ schützen. Bereits vor zwei Wochen hatten wir die Situation in Georgien thematisiert.

Nach einem Abstimmungsboykott durch die Opposition und der Weigerung von Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili, das Gesetz zu unterzeichnen, trat das Gesetz Anfang Oktober mit der Unterzeichnung durch Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili in Kraft.

Surabischwili hatte zwar nicht unterzeichnet, jedoch ebenso kein Veto eingelegt. „Damit musste das Dokument [laut Angaben von Tagesschau und ZDF] nur noch vom Parlamentspräsidenten unterschrieben werden.“ Dieser begründete seine Entscheidung, so die Tagesschau, mit Verweis auf Angaben des Fernsehsenders Rustavi 2, mit den bereits bekannten und kruden Argumenten des Schutzes von „Familien und Kindern“.

Dass die EU den Status Georgiens als Beitrittskandidat zuvor wieder auf Eis gelegt hatte, scheint dabei wirkungslos verklungen zu sein. Damit ist nun auch offiziell der Weg bereitet für eine staatlich legitimierte Diskriminierung der LGBTIQ*-Gemeinschaft in Georgien.

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