Echte Vielfalt

Trans

Alex Mariah Peter aus Köln ist die erste trans Frau in der Geschichte von „Germanys next Topmodel“ (GNTM), die den Titel gewonnen hat. „Anders sein ist so viel normaler, als wir uns eigestehen“, sagte die 23-Jährige, die das Thema Inklusion in der Staffel kaum thematisierte. Dabei waren „Diversity“ und „Inklusion“ genau das, was GNTM dieses Jahr ins Zentrum rücken wollte. Zum Teil ist dies auch gelungen.

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Zweifellos hat sich etwas verändert: Frauen, die zuvor von GNTM ausgeschlossen wurden, wie trans Frauen, kurvige Frauen, kleine Frauen und geflüchtete Frauen, bekamen alle ihre Chance unter dem Rampenlicht. Allerdings lässt sich die Frage stellen, ob die jeweiligen Frauen auch die Möglichkeit hatten, hier mehr zu sein als das jeweilige Merkmal, dass sie „diverse“ macht. Ein Artikel der Zeit, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzt, betitelt einen seiner Absätze „Festgelegt auf die Fluchtgeschichte“: Er kritisiert, dass eine Kandidatin wie Soulin, die mit ihrer Familie aus Syrien flüchtete, vom Sender auf eine bestimmte Art und Weise inszeniert wurden, um dem*der Zuschauer*in einen individuellen Kampf zu liefern, dessen Sieg in einem Platz bei GNTM kulminiert – Soulin selbst spricht von einem Traum. Ohne der Kandidatin davon etwas absprechen zu wollen, muss hier jedoch angebracht werden, dass sie allein gar nicht fähig sein kann, die komplexe Realität von Flucht zu repräsentieren – genauso wenig wie Alex Mariah Peter ein Sprachrohr für alle trans Frauen sein kann.

Demnach muss der „inklusive“ Schein der „spätkapitalistischen Diversity-Industrie“ mit Vorsicht genossen werden: Wie Ellen Kollender, Mitarbeiterin an der Sozial- und Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und Mercator-Fellow am Istanbul Policy Center der Sabancı University, es formuliert: „Wir müssen alternative Erzählungen etablieren, in denen Diskriminierungserfahrungen nicht lediglich ästhetisiert werden, und ihre Bearbeitung nicht allein in die Hände der Betroffenen gelegt wird“.

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Das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung für trans Personen konnte in einer Abstimmung im Bundestag nicht durchgesetzt werden. Die Anträge der FDP-Fraktion und der Fraktion der Grünen scheiterten am 19.5. unter anderem auf Grund der Gegenstimmen von SPD und CDU. Damit bliebt das „Transsexuellengesetz“ weiter bestehen.

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Obwohl bereits mehrere Teile des 1981 in Kraft getretenen  Gesetzes für verfassungswidrig erklärt wurden, und die Bundesregierung für diese Legislaturperiode seine Reform angekündigt hatte, gilt es in Deutschland noch immer. Diesen Zustand bezeichneten Sven Lehmann und Jens Brandenburg, queerpolitische Sprecher der Bundestagsfraktionen von FDP und Grünen, als „peinlich“ – und appellierten an alle demokratischen Fraktionen, dies noch vor der Bundestagswahl zu beenden.

Zwar hatte es 2019 einen sehr zurückhaltenden Gesetzentwurf gegeben, dieser wurde jedoch auf Eis gelegt – und vor wenigen Wochen teilte die SPD-Fraktion mit, dass es in dieser Legislaturperiode doch keine Reform geben werde. Eine schnelle Reform sei jedoch laut Brandenburg und Lehmann notwendig, da einzelne Vorschriften des 40 Jahre alten Gesetzes bereits sechs Mal vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurden. Während dies zwar 2011 immerhin zur Abschaffung des Sterilisationszwangs für trans Menschen führte, müssen trans Menschen nach wie vor verschiedene Schikanen ertragen: Zwei teure und zeitaufwändige Zwangsgutachten, ohne die sie staatlich nicht anerkannt werden, und die Pflicht eines amtsgerichtlichen Verfahrens. Unter dieser Pathologisierung ihrer geschlechtlichen Identität durch den Staat in einer ohnehin schwierigen Lebensphase würden die Betroffenen oftmals sehr leiden, so heißt es im Brief der beiden Bundestagsabgeordneten. Dabei hat „der Staat hat die Aufgabe, die selbstbestimmte Entfaltung des Individuums zu unterstützen, statt es daran zu hindern“, heißt es weiter.

Am 19. Mai standen nun die Anträge für ein Selbstbestimmungsgesetz von FDP und Grünen zur Abstimmung. Beide Anträge hatte eine Mehrheit der Sachverständigen letztes Jahr bei einer Anhörung im Innenausschuss als erhebliche Verbesserung des Status quo angesehen. So forderten Brandenburg und Lehmann die Union, SPD, FDP, Linke und Grüne auf, am 19. Mai gemeinsam das veraltete Transsexuellengesetz zu überwinden und die geschlechtliche Selbstbestimmung der Betroffenen zu stärken. Auf Twitter verteidigte SPD-Vorsitzende Saskia Esken vor der Abstimmung, dass ihre Fraktion offenbar gegen das Gesetz stimmen würde, und machte unter anderem die Union für ein Scheitern der Gestzesreform verantwortlich. "Wer montags die Regenbogenfahne schwenkt, muss mittwochs im Bundestag Taten folgen lassen", sagte Sven Lehmann daraufhin im Bundestag in Richtung der SPD.

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Für trans* Personen werden aktuell nur Hormonbehandlungen und Logopädie über den Weg einer direkten Überweisung von den gesetzlichen Krankenkassen bewilligt. Laut der Fraktion Die Linke könne dies dazu führen, dass trans* Menschen viele Maßnahmen der Transition „selbst zahlen müssen oder nicht in Anspruch nehmen können“.

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Ende April brachte die Linksfraktion deswegen den Antrag „Trans*-Gesundheitsversorgung in die Regelleistungen der gesetzlichen Krankenkassen aufnehmen“ in den Bundestag.
Bislang gäbe es, so Doris Achelwilm, queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion, einen „bürokratischen Hürdenlauf für trans* Personen bei den Krankenkassen“. Jenen werde standardmäßig keine Transition, sondern eine psychotherapeutische Behandlung angeboten – obwohl, wie im Antrag angebracht wird, trans* Personen in den aktualisierten WHO-Klassifikationen" nicht mehr psycho-pathologisiert werden". Erst kürzlich hatte auch die Bundespsychotherapeuten-Kammer (BPtK) den Therapiezwang „vorher mindestens sechs Monate und mindestens zwölf Sitzungen à 50 Minuten“ behandelt zu werden, dem trans* Personen im Zuge einer Geschlechtsanpassung unterliegen, scharf kritisiert und eine Rücknahme der entsprechenden Richtlinie gefordert.
„Aus fachlicher Sicht muss die ablehnende Praxis gegenüber der medizinischen Versorgung von trans* Personen längst der Vergangenheit angehören“, so Achelwilm: „Was fehlt, ist, dass die Krankenkassen endlich mitziehen.“ Denn noch finde die Gesundheitsversorgung im Zuge etwa einer Geschlechtsangleichung „unter kolossal falschen Voraussetzungen“ statt.
Der Linken-Antrag fordert deswegen eine verbesserte Kostenübernahme für operative Maßnahmen, für Epilation oder Hilfsmittel wie beispielsweise Perücken. Trans* Personen müssten endlich regulär anerkannt werden. Der Antrag sei umso wichtiger, da das völlig veraltete „Transsexuellengesetz“ trotz Versprechen der Großen Koalition auch in dieser Legislaturperiode nicht reformiert wird  – obwohl bereits mehrere Teile des 1981 in Kraft getretenen „Transsexuellengesetzes“ für verfassungswidrig erklärt wurden.

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Als sich Tessa Ganserer (Grüne) 2018 als trans outete war die heute 43-Jährige schon fünf Jahre lang Mitglied des bayerischen Landtags – und wurde mit ihrem Outing zur ersten offenen trans Abgeordneten einen deutschen Landesparlamentes. Nun zieht die gelernte Forstwirtin, die derzeit queerpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion ist, als Direktkandidatin für den Wahlkreis Nürnberg-Nord in die Bundestagswahl am 26. September diesen Jahres.

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In Berlin wolle Ganserer sich, so letztes Jahr angekündigt, für LGBTI-Rechte einsetzen, wie unter anderem eine Reform des „völlig veralteten“ Transsexuellengesetzes. Wie Echte Vielfalt berichtete rufen Opposition und trans Aktivist*innen dazu schon seit Jahren auf, dennoch: „Die Regierung in Berlin hat bisher überhaupt nichts Vernünftiges auf den Weg gebracht.“, so Ganserer, insbesondere der „pathologische Ansatz“ des Gesetzes sei „unerträglich“. Noch immer beinhaltet der letzte Gesetzesentwurf der Union die aufwändige und diskriminierende Praktik einer „Beratung“ (davor: „Begutachtung“).

In einem Interview mit nordbayern.de sagte die Direktkandidatin, dass sie jedoch auch Lust habe, „im Bundestag wieder an anderer Stelle eine andere inhaltliche Politik zu machen und nicht nur Betroffenenpolitik“ – schließlich sei sie Diplom Försterin.

Und ebendies, dass trans Personen nicht nur etwas wertvolles zu „trans Themen“ beizutragen haben – wie Frauen nicht nur zu „Frauenthemen“ etwas zu sagen haben – könnte und sollte sich in der Zukunft normalisieren. Zwar ist die Tatsache, dass mittlerweile ein Klima im Bundestag herrscht, indem sich trans Personen outen können ein Fortschritt, der durchaus gefeiert werden darf – so ist es dennoch wünschenswert, dass beispielsweise die vielen trans Politiker*innen, die sich dieses Jahr (und künftig) um ein Mandat bewerben wollen, nicht auf ihre geschlechtliche Identität reduziert werden. Ein männlicher Politiker müsste nämlich nie die Absicht erklären, sich auch für andere Themen als beispielsweise maskuline Gesundheit engagieren zu wollen.

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Magnus Hirschfeld (1868-1935) war ein deutscher Arzt, Sexualforscher und Mitbegründer der ersten Homosexuellenbewegung. Hirschfeld engagierte sich auch politisch als Sozialreformer, und setzte sich für die Entkriminalisierung von Homosexualität ein. Ziel war die Abschaffung des Paragraphen 175 RStGB, der sexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellte.

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1919 gründete er das Institut für Sexualwissenschaft in Berlin. Es fungierte zugleich als eine Art Beratungsstelle für Menschen, die Fragen zu ihrer Sexualität hatten. Das Institut organisiert 1921 die “Erste internationale Tagung für Sexualreform auf sexualwissenschaftlicher Grundlage”. Auf diesem internationalen Kongress waren namhafte Wissenschaftler*innen und Sexualreformer*innen vertreten.

Hirschfelds damalige Theorien zu Homosexualität muten heute sonderbar und an. So meinte er, körperliche Unterschiede zwischen homo- und heterosexuellen Männern feststellen zu können. Auch in der Handschrift würden sich Unterschiede zeigen.

Hirschfeld befasste sich auch wissenschaftlich mit (damals noch nicht unter diesen Begriffen bekannten) Phänomenen wie Trans- und Intergeschlechtlichkeit. Er und seine Institutsmitglieder setzten sich außerdem dafür ein, dass sog. "Transvestitenscheine" eingeführt und polizeilich anerkannt wurden. In diesen Bescheinigungen wurde festgehalten, dass die betreffende Frau als "Männerkleidung tragend" bzw. der betreffende Mann als "Frauenkleidung tragend" bekannt ist, was ansonsten nicht erlaubt war.

1933 wurden das Institut und seine Bibliothek inklusive Schriften Hirschfelds im Zuge der Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten zerstört. Als Jude, Sozialist und schwuler Mann war Hirschfeld von nationalsozialistischer Verfolgung betroffen. Er flüchtet ins Exil nach Frankreich und verstirbt dort im Jahre 1935.

Heute die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft dafür ein, sein wissenschaftliches und kulturelles Erbe und seines Instituts für Sexualwissenschaft zu erforschen und zu bewahren. Eine Online-Ausstellung informiert mit zahlreichen Originaldokumenten über die Geschichte des Institutes.

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Kurz nach seiner Amtseinführung kippte der neue Präsident der USA, Joe Biden, das Verbot für trans* Personen im US-Militär.

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Durch eine exekutive Anordnung Bidens wurde das von Donald Trump im Jahr 2018 erlassene Verbot aufgehoben. Eine der offiziellen Begründungen für die hoch umstrittene Anordnung Trumps lautete damals, trans* Soldat*innen hätten spezielle medizinische Bedürfnisse, und seien daher eine finanzielle und logistische Belastung für das Verteidigungsministerium. Zuvor war es unter der Regierung Obamas, Trumps Vorgänger, zu einer Inklusion von trans* Menschen in die Streitkräfte gekommen. Transgeschlechtlichen Menschen war es erlaubt, im Militär zu dienen, ohne ihre Identität verbergen zu müssen.

Das weiße Haus erklärte nach der Aufhebung des Verbotes: „Präsident Biden ist davon überzeugt, dass die Geschlechtsidentität kein Hindernis für den Militärdienst sein sollte und dass Amerikas Stärke in seiner Vielfalt liegt".

Zuvor hatte sich bereits der neue Verteidigungsminister, Austin, dafür ausgesprochen, das Verbot zu kippen. "Wenn man fit und qualifiziert ist, um zu dienen, sollte man dienen dürfen", sagte Austin.

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Die Grundlage des Geschlechterbegriffs ist ein von der Reproduktionsfähigkeit ausgehendes, biologisches Verständnis von Menschen als entweder „weiblich“ oder „männlich“– also als „gebärfähig“ oder nicht. Der Geschlechterbegriff hat jedoch nicht nur biologische, sondern auch soziale, und damit identitätsstiftende, rechtliche Aspekte – nach Auffassung der Geschlechterforschung können jedoch sowohl das biologische als auch soziale Geschlecht als gesellschaftliche Konstruktionen verstanden werden, die die Realität geschlechtlicher Vielfalt nur unzureichend erfassen.

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Zwar basiert das biologische Geschlecht (englisch „sex“) auf sicht- und messbaren Faktoren wie Chromosomen, Hormonen, äußeren und inneren Geschlechtsorganen, - z.B. Vulva, Eierstöcke, Östrogen und XX-Chromosomen als weiblich; und Hoden, Penis, Testosteron und XY-Chromosomen als männlich, - so bedeutet dies jedoch nicht, dass es nicht auch Menschen gibt, deren biologisches Geschlecht mehrdeutig ist. Diese Menschen werden als inter*, intersexuell, oder intergeschlechtlich bezeichnet. Oft werden ihre äußeren Geschlechtsorgane jedoch schon als Säuglinge operativ an „männlich“ oder „weiblich“ angepasst, um sie in diese gesellschaftlich konstruierten Kategorien einordnen zu können.

Dieses soziale Geschlecht (englisch „gender“) wird durch die Bewertung von Aussehen, Körpersprache und Handlungsweisen, die als „männlich“ oder „weiblich“ gelten stark kulturell definiert: Zum Beispiel durch „Jungs- und Mädchenabteilungen“ bei Spielsachen, Kleidung, Büchern, und Filmen; die schon Kindern beibringen, welchen Rollen sie zu entsprechen haben.

Oft stimmt das biologische Geschlecht mit dem sozialen insoweit überein, dass sich Menschen damit identifizieren und gesellschaftlichen Erwartungen mehr oder weniger leicht entsprechen können. Es kommt jedoch auch vor – sowohl bei Menschen mit eindeutigen als auch mehrdeutigen biologischen Geschlechtsmerkmalen – dass sich eine Person nicht als das Geschlecht fühlt, das ihr bei der Geburt zugewiesen wurde, oder sich gar keinem Geschlecht, oder beiden zugeordnet fühlt. Männer und Frauen, bei denen das biologische und soziale Geschlecht zusammenpassen, werden „cis“ genannt. Männern, denen bei der Geburt das biologische Geschlecht weiblich zugeordnet wurde (und andersrum) bezeichnen sich als „trans“. Menschen, die sich keinem oder beiden der sozialen Geschlechter zugehörig fühlen als „agender“ oder „nicht-binär“ (englisch „non-binary“), was oft mit „Enby“ (Ausprache „Enbi“) abgekürzt wird.

Es gibt jedoch auch viele Kulturen, wie die der Indigenen Hawaiianer – der „Kanaka Maoli“ – die kein binäres System von Zweigeschlechtlichkeit vertreten, bei der sich die Pole „männlich“ und „weiblich“ gegenseitig ausschließen, sondern die Existenz mehrerer Geschlechter kennen und daher schon bestehende Bezeichnungen wie „Māhū“ haben, was sich als „in der Mitte“ übersetzen lässt.

Es geht also hervor, dass eine Binarität der biologischen oder sozialen Geschlechter kein zwangsläufiges Naturgesetz, sondern eine soziale Konstruktion ist, deren Aufhebung – oder zumindest Auflockerung und Öffnung – für viele eine Erleichterung bedeuten könnte, um die echte Vielfalt von Sex und Gender abzubilden.

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Trans Personen gehören zu den marginalisiertesten Gruppen in unserer Gesellschaft. Wie eine Studie in den USA fand liegt die Suizidversuchsrate unter trans Frauen bei 29,9 Prozent, unter trans Männern bei 50,8 Prozent. Gleichzeitig bezeichnet die AfD trans Anliegen als „Gender Gaga“. In diesem Artikel geht es darum, warum solche Bezeichnungen transfeindlich und unrecht sind, und warum wir trans Personen besser zuhören sollten.

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Zum Beispiel, wenn sie uns die Pronomen mitteilen, mit denen sie angesprochen werden wollen. Denn wie Mel, eine trans Frau, erklärt, ist es für trans Personen sehr verletzend, „misgendered“ zu werden, das heißt mit dem falschen Pronomen angesprochen zu werden: Jedes Mal, wenn man sie mit „Herr“ an- oder über sie als „er“ spreche, versetze sie das in eine starke Unsicherheit: „Ich weiß nicht was ich machen soll, wie ich mich verhalten soll, wie ich aussehen soll, um Frau zu sein“.

Dabei sollte das eigene Verständnis ihr Geschlechtsidentität und dessen Kommunikation nach außen eigentlich genug sein. Trotzdem versteht sie, dass es manchmal schwer sei, gerade für Familienmitglieder, die einen lange in einer anderen Geschlechterrolle erlebt haben. In diesen Fällen empfiehlt und bittet sie, sich bei Ausrutschern gerne selbst zu korrigieren, oder auch andere zu erinnern. Außerdem rät sie cis Personen, deren Pronomen zu den ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlechtern passen, nachzufragen, wenn man sich unsicher ist, wie eine Person angesprochen werden möchte: „Es gibt keine allgemeine Regel fürs Gendern: Jeder Mensch ist anders.“

So gibt es auch nicht-binäre Menschen, die das englische geschlechtsneutrale Pronomen „they“ nutzen, für das es im Deutschen keine Übersetzung gibt. Weil die Verwendung eines fremdsprachlichen Wortes natürlich erstmal ungewohnt ist, kann auch hier geübt werden, indem man für sich alleine Sätze sagt, in denen man „they“ oder den Vornamen der Person nutzt. Auch, wenn die jeweilige Person nicht anwesend ist, sollte man mit den korrekten Pronomen über sie zu sprechen, um sich umzugewöhnen, wie: „Alex war einkaufen. They (statt er/sie) möchte heute Abend Lasagne machen. Ich werde Alex (statt ihr/ihm) später helfen.“

Außerdem können cis Menschen beispielsweise in Sozialen Medien wie Facebook oder Instagram ihre Pronomen angeben, also eine cis Frau „sie“ bzw. „she/her“, und ein cis Mann „er“ bzw. „he/him“. Dies de-stigmatisiert Pronomen als etwas sichtbares und fremdbestimmtes, hin zu einer Angelegenheit, die eine Person selbst entscheiden kann – und die respektiert werden sollte.

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2011, vor zehn Jahren, erklärte das Bundesverfassungsgericht den im Transsexuellen-Gesetz seit 1981 vorgeschriebenen OP- und Sterilisationszwang für trans Personen für einen Verstoß gegen das das Grundgesetz. Und obwohl dieser Gesetzesabschnitt seitdem nicht mehr angewandt werden darf, hat ihn die Bundesregierung bislang noch nicht offiziell geändert oder gestrichen – trotz Aufrufen der Opposition und von trans Aktivist*innen. Nun sieht es so aus, als würde die Union neuen Anlauf nehmen.

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Nachdem das SPD-geführte Bundesjustizministerium bereits im Frühjahr 2019 einen entsprechenden Referentenentwurf vorgelegt hatte, hat nun das CSU-geführte Innenministerium ein Gesetzentwurf „zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrags“ erarbeitet. Anders als im von der Opposition geforderten „Selbstbestimmungsgesetz“, jedoch, beinhaltet der Entwurf der Union nach wie vor die aufwändige und diskriminierende Praktik einer „Beratung“ (davor: „Begutachtung“).

Dies kritisierte auch Jens Brandenburg, der LSBTI-politische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: „Die Reform sollte nicht alte Vorurteile kultivieren, sondern die Selbstbestimmung der Betroffenen stärken. Die Rechtfertigung des Gutachtenzwangs durch die Union ist an den Haaren herbeigezogen.“ Seine Fraktion schlage außerdem gesenkte Altersgrenze von 14 Jahren zur rechtlichen Änderung des Geschlechts vor, nicht wie die Union eine von 18 Jahren. Dass die Union diese Grenze mit der Gefahr einer willkürlichen Geschlechtsänderung von Jugendlichen begründete hält Brandenburg für „absurd“: Das Gesetz müsse dringend reformiert werden.

Außerdem brauche es Entschädigungen für Opfer des Gesetzes, so Bundesverband Trans*-Vorstandsmitglied Frank Krüger: „Die Bundesregierung sollte sich ein Beispiel an Regierungen Schweden und den Niederlanden nehmen, die sich ihrer rechtsstaatlichen Verantwortung diesbezüglich stellen, geschehenes Unrecht aufzuarbeiten.“

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Ein neues wissenschaftlich begleitetes Projekt aus Hamburg möchte die gesundheitliche Versorgung von trans Menschen verbessern und ihre psychische Belastung verringern.

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Gerade für Menschen, die nicht in größeren Städten leben, gestaltet sich die Gesundheitsversorgung nicht immer optimal. Dies betrifft insbesondere auch trans Personen, die mitunter besondere Bedarfe für medizinische und psychotherapeutische Beratungen und Behandlungen haben. Die verschiedenen Angebote und Stellen, die trans Personen aufsuchen, liegen oftmals räumlich weit auseinander oder von ihrem Wohnort entfernt. Betroffene werden dadurch oft gar nicht oder nicht immer ausreichend behandelt, was zu sehr starken psychischen Belastungen führen kann.

Das im Mai 2020 gestartete, internetbasierte Versorgungsmodell i²TransHealth möchte diese Lücke in der Gesundheitsversorgung von trans Menschen in Norddeutschland schließen, und ihnen eine befarfsgerechte Behandlung ermöglichen. So soll zum Beispiel Unterstützung bei Fragen zur Transition gegeben werden, oder der Zugang zu medizinischen Behandlungen wie Hormonbehandlungen erleichtert werden.

Angesiedelt ist i²TransHealth am Institut für Sexualforschung, welches Teil des Interdisziplinären Transgender Versorgungscentrum Hamburg ist und mit der Spezialambulanz für Sexuelle Gesundheit und Transgender-Versorgung einen Kernbereich am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bekleidet. Das 2013 gegründete Zentrum ist auf die interdisziplinäre und patientenzentrierte Behandlung von Personen mit Geschlechtsinkongruenz/Geschlechtsdysphorie spezialisiert. Das Transgender Versorgungscentrum ist deutschlandweit die bisher einzige Einrichtung, die Angebote verschiedener Fachrichtungen zur gesundheitlichen Versorgung von trans Personen an einem Ort integriert bündelt. Dazu gehören sowohl ein psychosoziales und psychotherapeutisches Angebot als auch körperliche Behandlungen wie Hormontherapie oder brust- sowie genitalangleichende Chirurgie.

Janis Renner, wissenschaftlich tätig im Projekt i²TransHealth, berichtet: „Wir haben festgestellt, dass viele trans Personen, die zu uns in die Sprechstunde kommen, lange Anfahrtswege und dadurch z. B. finanzielle Belastungen oder Fehlzeiten in Ausbildung und Beruf haben. Auch gibt es für Betroffene nicht genügend trans-informierte Gesundheitsfachkräfte in ihrer direkten Umgebung“ so erläutert Renner den Hintergrund zu i²TransHealth.

Zentrales Instrument von i²TransHealth ist eine regelmäßige Videosprechstunde mit spezialisierten Therapeut*innen und die Nutzung einer E-Health-Plattform. Über dieses Informationsportal können Betroffene auch mit weiteren ärztlichen Spezialist*innen Kontakt aufnehmen. Dafür wurde im Rahmen des Projektes ein Netzwerk von in Norddeutschland niedergelassenen ärztlichen Kooperationspartner*innen aufgebaut. Dazu gehören Hausärzt*innen und Fachärzt*innen für Psychiatrie und Psychotherapie. Die Ärzt*innen werden extra geschult und über die gesundheitsbezogenen Bedürfnisse von trans Personen informiert.

„Unseres Wissens nach ist der Ansatz von i²TransHealth mit der Kombination von digitaler und ambulanter Trans-Gesundheitsversorgung, die interdisziplinär und multilokal organisiert ist, bisher einzigartig“ so Renner.

Um die Wirksamkeit dieses neuen Versorgungsmodells zu prüfen, ist i²TransHealth in eine wissenschaftliche randomisiert-kontrollierte Studie eingebettet. Teilnehmende werden durch ein Zufallsverfahren in zwei Gruppen eingeteilt, eine Interventions- und eine Wartegruppe. Personen aus der Interventionsgruppe können sofort mit der Behandlung per Videosprechstunde beginnen, Teilnehmende der Wartegruppe haben nach einer Wartezeit von vier Monaten die Möglichkeit. Damit haben sie immer noch eine geringere Wartezeit als üblicherweise Patient*innen in der Regelversorgung haben.

Nach Ablauf der vier Monate untersuchen die Forscher*innen des UKE, ob sich die Symptombelastung reduziert sowie die Lebensqualität und Behandlungszufriedenheit der Teilnehmer*innen in der Interventionsgruppe durch i²TransHealth verbessert hat. Hierbei wird ihre Gesundheitssituation mit den Teilnehmenden aus der Wartegruppe verglichen.

Die bisherigen Rückmeldungen seien positiv, so Renner. Das konkrete Ausmaß der Wirksamkeit der Maßnahme kann jedoch erst am Ende des Studienverlaufs eingeschätzt werden.

Voraussetzung für die Teilnahme an dem Projekt ist, dass Betroffene mehr als 50 km entfernt von Hamburg in Norddeutschland wohnen und mindestens 18 Jahre alt sind. Das Projekt richtet sich an Menschen, die sich u. a. als transgender, transsexuell oder genderqueer identifizieren, oder dies herausfinden möchten, und bisher zu Fragen ihrer Transidentität oder einer Transition keine spezifische Behandlung begonnen haben.

Interessierte können über die ärztlichen Kooperationspartner*innen Kontakt aufnehmen, sich direkt an das Institut für Sexualforschung wenden oder über die Website www.i2transhealth.de Kontakt aufnehmen. Sie erhalten dann einen Termin für ein Erstgespräch im UKE.

Obwohl das Projekt lange vor der COVID-19-Pandemie geplant wurde, zeigt sich durch die Pandemie umso mehr die Bedeutung von E-Health-Ansätzen, so Renner. So wurde im Rahmen der Corona-bedingten Einschränkungen auch der Zugang zu Beratungsangeboten für trans Personen eingeschränkt, was zu zusätzlichen Belastungen geführt hat. Durch i²TransHealth können Betroffene auch in Zeiten der Corona-Krise Unterstützung erhalten.

Der Innovationsfonds der Bundesregierung fördert i²TransHealth über eine Laufzeit von drei Jahren. Wenn das Projekt erfolgreich ist, könnte es dauerhaft und auch in anderen Regionen eingerichtet werden. Dadurch könnten auch Kosten reduziert werden, die dem Gesundheitssystem durch eine falsche oder ausbleibende Behandlung von trans Personen entstehen.

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