Echte Vielfalt

24. Juli 2023

Anzeige gegen Julian Reichelt und Kolleg*innen: Volksverhetzung durch Anti-LSBTIQ*-Rhetorik?

Erst vor einigen Tagen wurde Alfonso Pantisano (SPD) von der schwarz-roten Landesregierung Berlins zum ersten Queerbeauftragen der Hauptstadt ernannt. Als eine der ersten Amtshandlungen stellte Pantisano Strafanzeige gegen den Ex-Chefredakteur der „Bild“ Julian Reichelt sowie weitere Personen in dessen Umfeld. Dadurch befindet sich der neue Queerbeauftragte nun mitten im „Kulturkampf“.

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In Reaktion auf ein Bild der Polizei Berlin, auf dem Polizist*innen die Regenbogenflagge hissten und vor ihr posierten, schrieb Julian Reichelt am 14. Juli auf Twitter: „Jeder vernünftige Mensch in diesem Land würde sich wünschen, dass vor der Polizei und vor den düsteren Fassaden unserer Geschichte nie wieder die Flaggen einer politischen Bewegung gehisst würden.“ Dieser Tweet war der Auslöser für die Anzeige, mit der Bezeichnung der Pride-Flagge als Teil einer „totalitären Ideologie“ und dem NS-Vergleich betreibe Reichelt in Pantisanos Augen Volksverhetzung.

Ebenfalls angezeigt wurde die ehemalige „Bild“-Kolumnistin Judith Sevinç Basad aufgrund der Dokumentation „Trans ist Trend: Wie eine Ideologie unser Land verändert“ des Medienportals NIUS, für das auch Reichelt arbeitet. Zusätzlich seien das Medienunternehmen, zu dem NIUS gehört, sowie dessen geschäftsführende Direktoren Christian Opitz und Christian Storch von der Anzeige betroffen. Die Video-Dokumentation, die sich als kritische Auseinandersetzung mit Transaktivismus betitelt, verbreite „unzählige volksverhetzende Falsch- und Desinformationen gegen die queere Community, vor allem gegen trans* Männer und trans* Frauen“, so Pantisano auf Facebook. Queerer Aktivismus wird darin unter anderem mit einer Sekte verglichen. Solche Arten der Desinformation über queere und insbesondere trans Personen würden im Netz immer mehr ansteigen, wie aus einem Bericht der Tagesschau herausgeht.

Reichelt und Basad nehmen die Anzeige als Bestätigung ihres verzerrten Bildes über die „totalitären Wahnsinnigen“ und positionieren sich im Netz als politisch Verfolgte. Auf Twitter wird die Pressefreiheit beklagt, Journalist*innen würden mundtot gemacht werden. Ebendiese Rhetorik und historisch fragwürdigen Vergleiche, die Pantisano in Reichelts ursprünglichem Tweet zur Regenbogenfahne beklagte, wird auf Twitter fortgeführt. In Reaktion auf die Anzeige schreibt der ehemalige „Bild“-Chefredakteur vom „Alfonso-Pantisano-Zuchthaus“, in dem er sich zukünftig mit den Machern von „Trans ist Trend“ aufhalten werde. Die Debatte verläuft also höchst polemisch, das demokratische Amt von Pantisano wird in Frage gestellt. Ob die Äußerungen von Reichelt & Co als Volksverhetzung gelten, wird nun erstmal von Sicherheits- und Ermittlungsbehörden geprüft. Unabhängig davon, wie das Urteil ausgeht, war es nicht das erste Mal, dass Reichelt mit seiner Queerfeindlichkeit eine rechtliche Debatte auslöste (queer.de berichtete).

Pantisano äußerte sich zu seinem neuen Amt gegenüber der Berliner Zeitung: „Es ist die gesellschaftliche Akzeptanz, die oft noch fehlt und nach wie vor verbesserungswürdig ist. Minderheiten sind Teil des großen Wirs. Und ihnen steht ein berechtigter Platz am Inklusionstisch zu. Dafür müssen andere aber zusammenrücken und Platz machen, und ganz wichtig, Minderheiten auch einen Stuhl anbieten. Wir müssen es hinbekommen, dass alle Menschen, auch Minderheiten, gleichberechtigt wahrgenommen werden.“ Dies scheint insbesondere in den rechtspopulistischen Kreisen von Reichelt, Basad und Kolleg*innen nicht angekommen zu sein.

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