Gleichzeitig nimmt die Gewalt gegen trans* und nicht-binäre Personen im öffentlichen Raum zu. Laut dem Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie dem Bundeskriminalamt verzeichnete die Statistik für 2023 einen Anstieg der Hasskriminalität wegen „sexueller Orientierung“ von 1.005 auf 1.499 Straftaten.
Dieses Missverhältnis zwischen schutzbedürftigen Personen und einem selektiven Fokus auf konservative Rollenbilder bildet die zentrale Kritik des Bundesverband Trans*. Dieser hatte anlässlich des am selben Tag beschlossenen Gewalthilfegesetzes am 31. Januar 2025 eine entsprechende Stellungnahme veröffentlicht. Am 14. Februar wurde das Gesetz nun vom Bundestag verabschiedet. Zu den Maßnahmen zählen:
- Bereitstellung von ausreichenden und bedarfsgerechten Schutz-, Beratungs- sowie Unterstützungsangeboten für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder
- Bereitstellung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Personen aus dem sozialen Umfeld der gewaltbetroffenen Person
- Maßnahmen zur Prävention, einschließlich Täterarbeit und Öffentlichkeitsarbeit
- Unterstützung der strukturierten Vernetzungsarbeit innerhalb des Hilfesystems sowie der Zusammenarbeit mit anderen Hilfsdiensten und Behörden, den Einrichtungen des Gesundheitswesens, den öffentlichen und freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, den Polizei- und Ordnungsbehörden, der Justiz sowie mit Bildungseinrichtungen, zivilgesellschaftlichen Strukturen und sonstigen relevanten Einrichtungen oder Berufsgruppen
- Kostenfreie Leistungen in Schutzeinrichtungen und Fachberatungsstellen für die Betroffenen
- Zur anteiligen Deckung der zusätzlichen Aufgaben aus dem Gewalthilfegesetz erhalten die Länder vom Bund zusätzliche Finanzmittel in Höhe von insgesamt 2,6 Milliarden Euro für die Jahre 2027 bis 2036 im Wege der Umsatzsteuerverteilung.
Der Bundesverband Trans* bemerkt:
„Das Gesetz nennt […] nur Frauen und ihre Kinder als Personen, die Zugang haben sollen. Ob trans* Frauen hier mitgemeint sind oder nicht, lässt das Gesetz an dieser Stelle offen.“
In einer früheren Version hatte das Gesetz trans*, inter* und nicht-binäre Personen explizit noch miteingeschlossen. Aufgrund der aktuellen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag war diese Form mit der CDU jedoch nicht umsetzbar gewesen. Stattdessen wollte die Union sogar noch einen Schritt weiter gehen und trans* Frauen explizit ausschließen. Zwar wurde in der verabschiedeten Fassung nun kein expliziter Ausschluss formuliert, allerdings droht die CDU damit, das gesamte Gesetzesvorhaben platzen zu lassen, sollten trans*, inter* und nicht-binäre Personen in den Gesetzestext aufgenommen werden.
Mari Günther vom Bundesverband Trans* bringt die dahinterliegende Bigotterie (Scheinheiligkeit) auf den Punkt:
„All die Frauen, die zum jetzigen Zeitpunkt keine Hilfe finden, die getötet werden, hätten in diesem Fall weiter keine Hilfe gefunden – und die CDU hätte das billigend in Kauf genommen.“
Bereits im Mai 2023 hatten wir im Zuge der Diskussion um das Hausrecht im Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsgesetz den Verein Frauenhaus Koordinierung zitiert, der die Vulnerabilität dieser Gruppen betonte und deutlich machte:
„Der kursierenden Vorstellung, dass nun durch schlichte Änderung des Vornamens oder Geschlechtseintrags cis Männer missbräuchlich in Frauenhäuser einziehen und die dortigen Bewohner*innen bedrohen können, treten wir energisch entgegen.“
Für die Frauen und Kinder, die das Gewalthilfegesetz nun miteinschließt, bleibt es dennoch ein positiver Schritt. Inwieweit es sich auf den Umfang von Schutz- und Beratungsangeboten auswirkt, wird weiterhin zu beobachten sein. Fest steht: Es liegt nicht in der Verantwortung der schutzsuchenden Frauen und Kinder, diese Problematik zu diskutieren. Vielmehr ist es die Aufgabe der Träger sowie der Interessenverbände für Frauen, trans* und weiterer LGBTIQ*-Verbände und deren Mitglieder, sich aktiv für den Schutz aller Hilfesuchenden einzusetzen.
Hinzu kommt, dass die Haltung der CDU in Verbindung mit der expliziten Bezugnahme nur auf „Frauen und Kinder“ einen weiteren, eher juristischen Diskurs eröffnet. Dabei könnte es um die Frage gehen, wen ein Gesetz, das Frauen benennt, tatsächlich einschließt. Rechtlicht logisch betrachtet müsste das ausschlaggebende Element der Geschlechtseintrag sein. In diesem Fall würde das Gewalthilfegesetz alle Personen mit dem Geschlechtseintrag „Frau“ betreffen – und damit automatisch auch trans* Frauen einbeziehen.
Sollte jedoch ein Gericht dies anders beurteilen, stünde als nächstes die Frage im Raum, was unsere Verfassung dazu sagt. . Natürlich könnte auch einfach gar nichts geschehen und dieser Einbezug würde als selbstverständlich betrachtet. Aber selbst dann bliebe das Problem bestehen, dass trans*, inter* und nicht-binäre Personen, die keine Frauen sind, weiterhin gesellschaftliche Solidarität benötigen, da nur dann ausreichend politischer Druck zu erwarten ist, an dessen Ende hoffentlich ein „Miteinbeziehen“ aller Gruppen steht.
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