Echte Vielfalt

Beratung und Recht

Am 25. Mai 2023 wurde der Tätigkeitsbericht 2021/2022 der Antidiskriminierungsstelle des Schleswig-Holsteinischen Landtags veröffentlicht. Darin werden auch Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung gegenüber LSBTIQ*-Personen besprochen.

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Die Antidiskriminierungsstelle des Schleswig-Holsteinischen Landesparlaments besteht nun seit 10 Jahren. Sie berät und unterstützt Personen, die von Diskriminierung betroffen sind und leistet zudem Sensibilisierungs- und Präventionsarbeit. Allein im Tätigkeitszeitraum des veröffentlichten Berichts wurden 667 Vorgänge bearbeitet. Die meisten Fälle beziehen sich auf geschlechtliche und rassistische Diskriminierung sowie Diskriminierung aufgrund einer Behinderung. Die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle ist auch für die LSBTIQ*- Community im norddeutschen Bundesland relevant.

Im aktuellen Bericht wird auf queere Angriffe eingegangen, die vor kurzem in Schleswig-Holstein geschahen und auf Fehler bei der medialen Berichterstattung über diese verwiesen. So wurde beispielsweise in einer Suchmeldung Anfang 2023 ein vermisster trans Jugendlicher misgendert und sein Deadname verwendet, sowohl in dem Polizei- als auch in einem Zeitungsbericht. Die Antidiskriminierungsstelle verweist deshalb auf die Fibel „Echte Vielfalt“, in der Begriffe der geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt erklärt werden. Diese könne bei der Berichterstattung zu Themen der LSBTIQ*-Community als Grundlage dienen. Außerdem habe ein queerfeindlicher Angriff in Kiel im vergangenen November gezeigt, dass auch in Schleswig-Holstein „Hassdelikte gegen das Geschlecht und die sexuelle Orientierung vorkommen“. Demnach wird im Bericht auch die Wichtigkeit betont, dass die Landespolizei für solche Themen sensibilisiert und geschult sei.

Unter Leitung von Samiah El Samadoni hat sich die Antidiskriminierungsstelle in den Jahren 2021 und 2022 auch mit geschlechtsneutralen Stellenausschreibungen befasst. Dabei wurde festgestellt, dass einige Betriebe weiterhin den Zusatz „(m/w)“ verwenden, wodurch Geschlechter jenseits von Mann und Frau ausgeschlossen werden. Auch Formulierungen wie „Der/die Bewerber/in“ in Ausschreibungstexten können Personen außerhalb des binären Geschlechtersystems das Gefühl vermitteln, dass sie nicht mitgemeint werden. Dies geschehe „in der Regel einerseits aus Unwissenheit heraus und andererseits aus der Verfestigung von Geschlechterrollenklischees und einer männlich geprägten Sprache“. Deshalb müsse weitere Aufklärungsarbeit durch die Antidiskriminierungsstelle erfolgen. Stellenausschreibungen können beispielsweise den Zusatz „(m/w/d)“ verwenden, um die Option „divers“ zu inkludieren. Ebenso können gegenderte (beispielsweise durch das Gender-Sternchen) oder geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet werden.

Hier zum ganzen Bericht (PDF) der Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein.

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Nachdem auch die USA mit einem immer stärkeren Rückgang an Blutspenden und damit an Blutkonserven zu kämpfen haben, wurde nun eine Anpassung der entsprechenden Gesundheitsrichtlinie vorgenommen.

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Laut eines Berichts des Guardian lockern die am 11. Mai 2023 verabschiedeten Richtlinien der Food and Drug Administration (FDA) jahrzehntealte Beschränkungen, die die Blutversorgung vor HIV schützen sollten. Bis dato galt die sexuelle Orientierung als anerkannter Risikoindikator. Seit nun ca. acht Jahren vollzieht die FDA eine Kehrtwende in ihrer Gesundheitspolitik. Galt bis 2015 Homo- und Bisexualität bei Männern noch als Ausschlusskriterium, wurde in den Folgejahren das Blutspenden unter Abstinenzauflagen zugelassen, so das Magazin queer. Im Januar kündigte die FDA an, diese Auflage komplett zu kippen.

Damit ist es schwulen und bisexuellen Männern in monogamen Beziehungen erlaubt, in den USA Blut zu spenden, ohne auf Sex verzichten zu müssen. Stattdessen sieht der neue Fragebogen für potenzielle Spender*innen vor, das individuelle HIV-Risiko unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung auf der Grundlage ihres Sexualverhaltens, ihrer letzten Partner*innen sowie weiteren Faktoren zu erfassen.

Während laut Guardian die FAD sowie die NGO Human Rights Campaign (HRC) die neue Richtlinie als Schritt in die richtige Richtung bezeichneten, fügte die HRC im selben Atemzug hinzu, dass auch Personen, die PrEP (ein Medikament zur HIV-Vorbeugung) nehmen, die Spende möglich gemacht werden solle.

Bereits Januar dieses Jahres hatte echte vielfalt in Bezug auf Deutschland über dieselbe Problemlage und den Mangel an Blutkonserven berichtet. Im März berichtete queer, dass der Deutsche Bundestag nun die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität als Ausschlusskriterium gekippt habe. Bis dato steht eine Richtlinienanpassung durch die Bundesärztekammer allerdings noch aus.

Wichtig bei der ganzen Debatte ist, dass sowohl laut FDA für die USA als auch nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für Deutschland, alle Spenden grundsätzlich auf HIV, Hepatitis C, Syphilis und andere Infektionskrankheiten getestet werden.

Mit dieser Praxis als Voraussetzung sollten sich die Gesundheitsbehörden die Frage stellen, ob sie mit ihrem Betonen einer weniger diskriminierenden Haltung beim Blutspenden trotz aller Progressivität nicht dennoch einen grundsätzlichen Fehler vollziehen. Dass in der Medizin immer wieder auch persönliche Fragen gestellt werden und dass diese Fragen dabei auch immer wieder zur Diskriminierung führen können, wird wohl zunächst ein gesellschaftlicher Balanceakt bleiben, an dem sich nicht nur direkt Betroffene weiterhin beteiligen müssen. Sollte aber der Mangel an Blutkonserven zu einem ernsthaften Problem werden, sollte der Grundsatz nicht heißen: „Ihr dürft jetzt auch wie alle anderen spenden." Sondern: „Bitte spendet Blut. Wie können wir es Euch recht machen?“

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Ein Deutscher wird unter dem Vorwurf, Homosexualität zu bewerben, aus Russland abgeschoben. Die „Propaganda“ für „nicht-traditionelle“ sexuelle Beziehungen ist unter russischem Gesetz eine Straftat. Außerdem wurde er zu einer Geldstrafe von circa 1.700 Euro verurteilt.

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Offenbar habe der deutsche Staatsbürger versucht, online einen Mann kennenzulernen. Russische Medien berichten davon, dass er ihn zu sich ins Hotelzimmer eingeladen habe. Fraglich bleibt, inwiefern dies als „Propaganda“ für Homosexualität zu verstehen ist. Bereits Anfang April wurde das Gerichturteil beschlossen. Nun soll er über die Türkei nach Deutschland gebracht werden.

Die Rechte von LSBTIQ*-Personen sind in Russland stark eingeschränkt. Im Juni 2022 wurde ein seit 2013 bestehendes Gesetz verschärft, dass die „Werbung“ für Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit verbietet. Geld- sowie Haftstrafen können bei Verstößen folgen. Mit dem sogenannten „Gay Propaganda“ Gesetz werden queere Personen stark diskriminiert, in die Unsichtbarkeit und Illegalität gedrängt. Homo- und Queerfeindlichkeit kann öffentlich kaum mehr kritisiert werden, da Aktivist*innen mit hohen Repressionen rechnen müssen.

Auf Basis des Gesetzes wurde unter anderem auch vor kurzem die Social-Media Plattform TikTok zu einer Geldstrafe verurteilt. Allein eine positive Darstellung von nicht-heterosexuellen Beziehungen kann rechtlich verfolgt werden, auch in Filmen und Büchern. So müssen auch Streaming-Anbieter und Verlagshäuser mit Verboten, Einschränkungen und Strafen rechnen.

Wie echte vielfalt im Januar berichtete, wurden queere Personen auch zur Angriffsfläche in Putins diesjährigen Rede zur Lage der Nation. Das Feindbild des Westens würde traditionelle Werte zerstören. So wird der Ausbau von Rechten für Angehörige der LSBTIQ*-Community als Gefahr für die russische Bevölkerung konstruiert. Seit der Einführung des Gesetzes 2013 hat sich nach Angaben von Human Rights Watch die Situation für queere Personen verschlimmert. Unter anderem werden damit Vorurteile gegenüber homosexuellen Personen verstärkt und ein queerfeindliches Klima im Land geschürt.

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Im Prozess um Ugandas neuen Anti- LGBTIQ*-Gesetzesentwurf deuten sich minimale Veränderungen an. Ob diese allerdings eine Abmilderung des zutiefst menschenfeindlichen Gesetzesentwurfs bedeuten, ist zu bezweifeln.

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Unter anderem sieht der Gesetzesentwurf neben hohen Freiheitsstrafen bei Homosexualität oder versuchter Homosexualität zusätzlich die Möglichkeit der Todesstrafe vor. Bereits Mitte April hatte echte vielfalt über die kurz vor der parlamentarischen Abstimmung hinzugefügte Todesstrafe berichtet und die mögliche Signalwirkung thematisiert, die ein solches Gesetz international haben könnte.

Nun wurde das Gesetz am Donnerstag, 20. April 2023, Präsident Museveni zur Unterzeichnung vorgelegt. Dieser ließ jedoch, nach einer Meldung des Deutschlandfunks, den Entwurf mit „Vorschlägen zur Verbesserung an das Parlament zurückgehen“. Wie der Deutschlandfunk weiter berichtet, ließ in diesem Zuge ein Sprecher des Präsidenten verlauten, dass es bei den Verbesserungen explizit nicht um das Strafmaß gehe.

Also keine Rückweisung wegen der Todesstrafe und schon gar nicht ein Sinneswandel des Präsidenten. Im Gegenteil: Laut eines Berichts des Guardian sei Museveni grundsätzlich mit dem Entwurf einverstanden gewesen. Allerdings solle er das Parlament gebeten haben, „die Frage der Rehabilitation" zu berücksichtigen. Dabei bezeichnete er Homosexualität als psychische Desorientierung. Während sich einige Menschenrechtsorganisationen durch die Verzögerung weiter an die Hoffnung klammern, das Gesetz noch verhindern zu können, begrüßen Teile der Befürwortenden die Anmerkungen mit der Begründung, es sei „human und legitim“, Rehabilitierung und Rehabilitationszentren ins Gesetz aufzunehmen.

In Wirklichkeit handelt es sich bei den Vorschlägen nicht um Fortschritte, sondern eine solche Ergänzung würde vielmehr eine weitere Verschärfung bedeuten. Wie Adrian Jjuuko vom „Human Rights Awareness and Promotion Forum" in Kampala in einem Zitat des Guardian bemerkt, würde durch die Ergänzungen eine Kultur der Denunziation gefördert, in der eine Person, die um Rehabilitation ihrer ‚psychischen Desorientierung‘ bittet, als Opfer gelten würde, während die andere Person als Täter gebrandmarkt werde. Aber damit nicht genug. Aus der deutschen Problematisierung der sogenannten „Konversionstherapien“ wissen wir, dass eine Psychologisierung weit mehr Schaden anrichten kann als „nur“ Stigmatisierung. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu auf seiner Webseite:

„Wissenschaftlich nachgewiesen sind aber schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche „Therapien“ wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko. Nachgewiesen sind zudem Stigmatisierungs- und Diskriminierungseffekte auf Dritte in Form von Minderheitenstress.“

Nach Überarbeitung des Gesetzesentwurfes durch das ugandische Parlament hat Museveni weitere 30 Tage Zeit, um das Gesetz entweder zu unterzeichnen, es erneut zur Überarbeitung an das Parlament zurückzugeben oder sein Veto einzulegen und das Parlament zu informieren. Allerdings, so der Guardian, könne das Gesetz auch ohne die Zustimmung des Präsidenten in Kraft treten, wenn es ein zweites Mal an das Parlament zurückginge.

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Die Debatte um die Umschiffung des Begriffs „Mutter“, die die Tagesschau mit ihrem Artikel zum „Sonderurlaub nach Geburt des Kindes“ losgetreten hatte, war in der breiten Öffentlichkeit so schnell wieder vorbei, wie sie gekommen war.

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Einen guten Überblick über die Ereignisse liefert die Rheinische Post. In der Debatte ging es um einen Artikel (bereits korrigierte Version) der Tagesschau, die über einen Gesetzesentwurf von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) berichtet hatte. Der Gesetzesentwurf sieht vor, nicht nur Müttern, sondern auch deren Partner*innen zwei Wochen Sonderurlaub nach der Geburt zu ermöglichen. Allerdings hatte die Tagesschau statt „Mutter“ den Begriff „entbindende Person“ verwendet. Eine Formulierung, die der Bild sauer aufstieß, und die daraufhin wissen wollte, wieso? Die Antwort der Tagesschau: sie wolle möglichst niemanden diskriminieren. Für die Bild macht dieser missglückte Versuch aus der Tagesschau „die selbst ernannte Sprachpolizei“, die den Begriff Mutter „verbieten“ wolle. Dabei liegt das Problem vor allem in der Wortwahl.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass Geschlecht (eine Fortpflanzungskategorie), Gender (eine gesellschaftliche Rolle) und Geschlechtsidentität (ein inneres Selbstverständnis) keine Synonyme darstellen. In einer offenen Kommunikation wird es daher notwendig abzuwägen, ob und wann das Geschlecht eine relevante Rolle spielt und wann seine Vermeidung angebracht ist. Dies erleichtert die Vermeidung von Geschlechtsstereotypen und stellt gleichzeitig sicher, dass geschlechtsspezifische Bedürfnisse und Probleme nicht übersehen werden. Das gilt besonders für Institutionen wie die Tagesschau. Aus diesem Grund ist kritisches Hinterfragen der Tagesschau durchaus legitim. Aber wo genau liegt nun das Problem?

Der nachfolgende Problemaufriss orientiert sich an einem Artikel von Frontiers in Global Women's Health. Die vollständige Quelle befindet sich unterhalb dieses Artikels.

Die Entsexualisierung von Sprache in Bezug auf die weibliche Fortpflanzung hat zunächst das legitime Ziel, zugewandt und integrativ zu sein. Doch diese Zugewandtheit kann unbeabsichtigte Folgen haben. Zuallererst stehen wir vor dem Dilemma, dass jeder Versuch der Inklusion einer Gruppe gleichzeitig die Gefahr einer allgemeinen Verringerung von Inklusion beinhalten kann. So birgt eine Veränderung von alltäglichen Begriffen das Potenzial, dass junge Menschen, Menschen mit geringen Lese- und Schreibkenntnissen oder geringer Bildung, Menschen mit einer geistigen Behinderung oder Menschen, die nicht in ihrer Muttersprache angesprochen werden, Gefahr laufen, geschlechtsunspezifische Sprache misszuverstehen. Daneben sind medizinische Begriffe auch für Personen mit hohem Bildungsstand und der passenden Muttersprache nicht automatisch verständlich. Die Folgen sind Missverständnisse und Ungenauigkeiten, die wiederum zu Angst, aber auch zur Mangelversorgung führen können, wenn Menschen nicht verstehen, welche Hilfe und Rechte sie betreffen und welche nicht.

Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Problem der neutralen Sprache insbesondere in Bezug auf Mütter und Geburt ist, dass sich die alternativen Bezeichnungen für „Frauen“ und „Mütter“ auf Körperteile oder physiologische Prozesse beziehen und damit diese Individuen auf ihre biomechanischen Funktionen reduzieren. Dabei geht es nicht um die Frage einer Beleidigung, sondern gerade im Kontext von Schwangerschaft und Geburt und der Stellung der Frau gegenüber dem Mann ist Gewalt in dieser Lebensphase ein nicht zu ignorierendes Phänomen. Eine verbale Entmenschlichung könnte hierbei zu physischen Folgen führen.

Darüber hinaus birgt die Vermeidung des Begriffs „Mutter“ in seiner geschlechtsspezifischen Bedeutung die Gefahr, dass die Anerkennung und das Recht auf Schutz der Mutter-Kind-Beziehung geschmälert werden. Gerade für Säuglinge haben Mütter eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Diese ist umso essenzieller, wenn durch Katastrophen, Armut oder eine Frühgeburt, aber auch häusliche Gewalt etc. der Schutz besonders hohe Bedeutung erhält. Sprachliche Veränderungen haben hingegen das Potenzial, in dem Prozess die Anerkennung dessen zu untergraben, was Mütter für alle Säuglinge bedeuten.

Obwohl also die Kritik gegenüber der Tagesschau legitim ist, hat es die Bildzeitung mit ihrer populistischen Wortwahl geschafft, alle Seiten in eine verhärtete Abwehrhaltung zu drängen. Die Debatte um Sprache funktioniert aber nur, wenn es gelingt, ein Verständnis für Bedenken zu entwickeln. Ansonsten bleibt das Ganze eine Schlacht der Gefühligkeit, unter der am Schluss häufig diejenigen leiden, die ihre Bedürfnisse am schlechtesten artikulieren können. Diese Verantwortung tragen dabei vor allem diejenigen Personen und Institutionen mit der größten Reichweite. Das gilt sowohl für die großen Medienhäuser als auch für die verschiedenen (LSBTIQ*)-Institutionen und Vereine auf allen Seiten.

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  Quelle: Front Glob Womens Health. 2022; Effective Communication About Pregnancy, Birth, Lactation, Breastfeeding and Newborn Care: The Importance of Sexed Language. (3: 818856.) Published online 2022 Feb 7. doi: 10.3389/fgwh.2022.818856

Die Verfolgung von Homosexualität findet in Uganda schon länger statt. Nun hat das Parlament am 21. März ein Gesetz verabschiedet, bei dem der gesamte Zustand auf ein neues Level der Verachtung gehoben wurde.

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Bereits Mitte März wurde auf echte vielfalt über die Gesetzesdebatte berichtet. Wie menschenverachtend das Ganze war, wurde damals bereits deutlich, wie weit das Parlament dabei bereit war zu gehen, allerdings noch nicht.

Laut einem Bericht der Tageschau sieht UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk in dem Gesetz einen Freibrief, der es ermöglichen könnte, fast alle Menschenrechte von LGBTIQ*-Personen „systematisch“ zu verletzen. Nach einer sechsstündigen Sitzung hatte das Parlament allerdings nicht nur das Gesetz verabschiedet, sondern in der Debatte noch den Zusatz der Todesstrafe für „besonders schwere“ Homosexualität aufgenommen. Was damit genau gemeint ist, blieb offen. Nach Angaben des Tagesspiegels drohten die USA Uganda in Reaktion darauf mit wirtschaftlichen Sanktionen, sollte das Gesetz in Kraft treten.

Damit das geschieht, muss das Gesetz noch von Präsident Yoweri Museveni unterzeichnet werden. Dieser ließ bei einer Rede der Konferenz zu „family values and sovereignty“ am 3. April seine Bereitschaft bereits durchblicken. Museveni bezeichnete Homosexualität als „a big threat and danger to the procreation of human race [sic]“ und forderte die afrikanischen Staatsoberhäupter auf, „die Förderung der Homosexualität“ abzulehnen, so ein Bericht des Guardian. Neben Uganda, das diese Konferenz ausrichtete, hatten noch 22 weitere afrikanische Länder Delirierte gesandt. Darunter auch Sambia, Kenia und Sierra Leone. Die Drohung der USA wurde hingegen ohne expliziten Bezug zu einem Anker, der die menschenverachtende Position des Anti-LGBTIQ*-Gesetzes mit der Befreiung von westlichem Einfluss verbindet. So wurden bspw. Sambia, Tansania und Ghana aufgefordert, sich vom amerikanischen Einfluss zu befreien. Die Länder waren zuvor von US-Vizepräsidentin Kamala Harris besucht worden.

Wie verzerrt diese Forderung allerdings ist, zeigt ein Blick auf die Förderer der Konferenz. Laut Guardian wurde das Ganze nicht nur vom ugandischen Parlament, der afrikanischen Anwaltskammer und der in Nigeria ansässigen Stiftung für das afrikanische Kulturerbe gefördert. Auch die US-amerikanische evangelikale Organisation Family Watch, die vom Southern Poverty Law Center, einer Beobachtungsstelle für die extreme Rechte, als Anti-LGBTIQ*-Hassgruppe eingestuft wird, trat als Förderer sowie Organisator der parallel stattfindenden Online-Veranstaltung auf. Die gesamte online-Teilnahme wurde entsprechend über Family Watch bereitgestellt.

Es stellt sich die Frage, warum Museveni das Gesetz bis jetzt noch nicht unterzeichnet hat. Formale Gründe könnten durchaus eine Rolle spielen, aber vielleicht ging es auch darum, die Konferenz abzuwarten. Das Ganze wirkt vor dem Hintergrund wie ein Testlauf der extrem Rechten, um zu schauen, wie weit ein Staat die Rechte der LGBTIQ*-Gemeinschaft vor den Augen der Welt einschränken bzw. aussetzen kann. Besonders besorgniserregend ist dabei der Einfluss von amerikanischen evangelikalen Fundamentalisten.

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Im September 2022 wurden die LSBTIQ*-Aktivistinnen Zahra Sedighi Hamedani und Elham Choubdar von einem iranischen Gericht zur Todesstrafe verurteilt. Die internationale Gemeinschaft, die sich für die Rechte von queeren Personen einsetzt, verurteilte dies scharf. Nach hohen Kautionszahlungen wurden die Aktivistinnen im März 2023 aus der Haft entlassen.

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Das Gericht hielt Zahra Sedighi Hamedani und Elham Choubdar vor, „Werbung für Homosexualität“ zu betreiben sowie die „Verbreitung der Korruption auf der Erde“. Die Aktivistin und Autorin Shadi Amin erklärt in einem Interview mit der taz, dass dieser vage Strafvorwurf gegen queere Personen genutzt wird, um höhere Strafen anwenden zu können. Zahra Sedighi Hamedani wurde bereits im Jahr 2021 an der Grenze zur Türkei verhaftet. Die Hengaw Organization for Human Rights berichtete, dass ihr der Zugang zu einem Anwalt oder einer Anwältin verwehrt blieb. Hamedani hat sich mehrfach öffentlich für die iranische queere Community eingesetzt. Die harte Strafe sollte auch als Abschreckung für LSBTIQ* Jugendliche dienen, so Amin. Umso wichtiger sei es, dass weiterhin öffentlich über die Situation geredet wird.

Die Situation für die queere Community im Iran ist geprägt von politischer Verfolgung, Repressionen und Stigmatisierung. Gleichgeschlechtliche Beziehungen können somit nur versteckt stattfinden. Nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sind LSBTIQ*-Personen im Iran von hoher Gewalt betroffen. Homosexuelle Frauen könnten zusätzlich zwangsverheiratet werden. So wie im Fall von Hamedani und Choubdar wird in einigen Fällen auch die Todesstrafe verhängt. In der Islamischen Republik wurden bereits tausende queere Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität hingerichtet, so queer.de.

Der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann feiert die Entlassung der beiden Aktivistinnen auf Twitter als „eine der schönsten Nachrichten dieser Tage“ und betont, dass die Rechte von LSBTIQ*-Personen Menschenrechte seien. Deshalb sei es wichtig, politischen Druck auf die Islamische Republik auszuüben und die aktuelle Protestbewegung im Iran zu unterstützen. Diese folgte auf den Tod der kurdischen Iranerin Jina Mahsa Amini im September 2022. Sie verstarb nach einer Verhaftung durch die Sittenpolizei, die sie festnahm, weil sie ihr Kopftuch nicht korrekt getragen hätte. So ist der Kampf von queeren Menschen mit den feministischen Bestrebungen im Land eng verflochten.

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Die sexuelle Ausrichtung ebenso wie das Geschlecht sollten in einer idealen Welt als nicht hinterfragte und selbstverständliche Eigenschaften einer jeden Person angenommen werden. Die Tatsache, dass es Verbände und Gruppen gibt, die mit viel Engagement und Arbeit versuchen, diesem Ziel ein Stückchen näherzukommen, zeigt jedoch, dass diese „ideale“ Welt bisher nicht existiert. Gleichzeitig bedeutet es auch, dass Ausgrenzung und Diskriminierung nicht an imaginären Trennlinien stoppen.

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Auch die LSBTIQ*-Gemeinschaft ist, wie die Gesamtgesellschaft als Ganzes, selbstverständlich kein homogener Zusammenschluss von unfehlbaren Personen. Zur Normalität gehört es eben auch, sich „falsch“ verhalten und dafür kritisiert werden zu können. Gleichzeitig steht dabei die Notwendigkeit, sich gegen Diskriminierung von LSBTIQ*-Menschen einzusetzen, nicht zur Debatte. Unwürdige Strukturen und Verhaltensweisen können nebeneinander existieren, ohne einander aufzuheben oder sich zu widersprechen. Bereits in unserem Artikel zur „WorldPride 2023“ in Sydney hatten wir das Thema der Kommerzialisierung aufgegriffen, das vor allem Menschen unterer Einkommensschichten ausgrenzt. Das macht jedoch das gemeinsame Ziel nicht weniger relevant. Ein weiteres gesellschaftliches Problem und damit ein Problem aller Gruppen dieser Gesellschaft ist Rassismus. Björn Beck, Vorstandsmitglied der Deutsche Aidshilfe (DAH), bringt in einem Zitat im Magazin Schwulissimo die Gesamtlage auf den Punkt: „Das Thema Rassismus betrifft nicht nur unser Miteinander in der Aidshilfe. Im ganzen Bereich Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung ist noch viel zu tun.“ Das schließt LSBTIQ*-Gruppen, die sich in diesem Bereich bewegen, zwangsläufig mit ein.

Auch das Regenbogenportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bemerkt, dass an den Stellen, in denen Rassismus und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung aufeinandertreffen, häufig noch blinde Flecken existieren. In Leitungspositionen und medialer Präsenz sind People of Color seltener vertreten. „Gleichzeitig werden Homofeindlichkeit und Sexismus oft zum Problem bestimmter "Kulturen" oder Religionen erklärt. LSBTIQ*, die aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens damit assoziiert werden, erleben dadurch Ausschlüsse aus der eigenen Community.“ In der Konsequenz fehlt es diesen Menschen nicht nur innerhalb der Mehrheitsgesellschaft, sondern auch in den LSBTIQ*-Communities an Schutzräumen.

Für Einrichtungen, die nach Ansätzen suchen, dieses Thema anzugehen, aber auch für LSBTIQ*-Personen, die bereit sind, ihre blinden Flecken oder die ihres Vereines anzugehen, bietet das Regenbogenportal einen einführenden Fragenkatalog. Grundsätzlich lassen sich allerdings zwei Schritte besonders hervorheben: Zum einen geht es darum, das Problem anzuerkennen und wahrzunehmen, dass eben auch selbst marginalisierte Gruppen - wie jede andere Gruppe auch - ausgrenzen und rassistische Strukturen oder Mitglieder haben können. Andererseits darf auch oder gerade in Einrichtungen, in denen das Problem bereits bearbeitet wird, die Aufmerksamkeit nicht verloren gehen. Das gefährlichste hier wäre eine Haltung von, „es kann nicht sein, was nicht sein darf“. Aufmerksamkeit und Reflexion sind die Schlüsselbegriffe, die sich dem entgegenstellen.

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In Uganda wird derzeit über einen Gesetzesentwurf debattiert, der auf eine umfassende Kriminalisierung von Homosexualität abzielt. Die Reform würde die Diskriminierung und Verfolgung von LSBTIQ*-Personen in dem konservativ-christlichen Staat auf eine neue Stufe heben.

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Im ostafrikanischen Staat sind homosexuelle Beziehungen bereits verboten und gleichgeschlechtlicher Geschlechtsverkehr kann mit einer lebenslänglichen Haft bestraft werden. Eine weitergehende Kriminalisierung wurde bereits mit dem „Anti-Homosexuality Act“ von 2014 vorgenommen, dieser wurde jedoch vom Verfassungsgericht aufgrund einer fehlenden Mehrheit im Parlament gekippt (The Guardian).

Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht vor, dass allein die sexuelle Orientierung eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren begründen kann. Auch die öffentliche Unterstützung oder ‚Bewerbung‘ von Homosexualität sollen verhindert werden. Nach Quellen der Deutschen Welle habe unter den Abgeordneten bereits vorher großer Rückhalt für ein solches Gesetz bestanden.

Homosexualität wird im Gesetzestext als „creeping evil“ beschrieben, das eine Gefahr für die traditionelle (heterosexuelle) Familie darstelle. Man müsse dagegen vorgehen, dass Kinder ‚rekrutiert‘ werden. Die Rhetorik zeigt auf, wie stark der Hass auf LSBTIQ* im Land ist. Abgeordnete sprachen sich sogar für die Todesstrafe für gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr aus.

Gewalt gegen queere Menschen ist in Uganda keine Ausnahme und auch Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie im Gesundheits- und Bildungssystem bestehen. Die Zeitung The Guardian zitiert den ugandischen Anwalt für Menschenrechte und Vorsitzenden der Organisation „Human Rights Awareness and Promotion Forum“ Adrian Jjuuko, der die weiterführende Verfolgung und Dämonisierung von LSBTIQ*-Personen durch das geplante Gesetz beklagt. Die Gewalt gegenüber sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten würde dadurch noch weiter ansteigen. Die Organisation Human Rights Watch hat bereits nach dem Inkrafttreten des Anti-Homosexualitätsgesetz im Jahr 2014 einen Anstieg bei den Menschenrechtsverletzungen gegenüber lesbischen, schwulen, bisexuellen sowie trans und inter Personen in Uganda verzeichnet. Dass jetzt auch Organisationen im Land angegriffen werden, die sich für die Rechte von queeren Menschen einsetzen, könnte die Situation nochmals verschärfen.

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Am 15. Juli letzten Jahres reichte die Europäische Kommission in gleich zwei Fällen Klage gegen Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof ein. Die Klage war dabei der nächste Schritt im bereits 2021 eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren.

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Wie es dazu auf der Webseite der deutschen Vertretung heißt, habe Ungarn mit seinen Gesetzen von 15. Juli 2021 zum „strengeren Vorgehen gegen Pädophilie und der Änderung bestimmter Gesetze zum Schutz von Kindern“ auch auf Inhalte gezielt, die einen klaren diskriminierenden Zweck verfolgen. Laut Gesetzestext würden damit Inhalte eingeschränkt, die „von dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht abweichende Identitäten, Geschlechtsumwandlungen oder Homosexualität fördern oder darstellen“. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, wurde die Kommission entsprechend deutlich:

„Die Kommission hat nie infrage gestellt, dass Kinder Recht auf Schutz haben. Durch das ungarische Recht werden jedoch eindeutig Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert. Es steht den Grundwerten der Europäischen Union entgegen und verstößt gegen eine Reihe von EU-Vorschriften […]“:

Unter anderem verstoße das Gesetz dabei gegen die „Unantastbarkeit der Würde des Menschen, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf Nichtdiskriminierung“, der Artikel 1, 7, 11 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Weiter hieß es, aufgrund der Schwere verstoße es zudem gegen die gemeinsamen Werte nach Artikel 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU.

Aber damit nicht genug: Auch im zweiten Verfahren hatte Ungarn durch eine „intransparente Beendigung von Frequenznutzungsrechten von Klubrádió“, einem regimekritischen Radiosender, nicht nur unverhältnismäßig gehandelt und damit gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen, sondern mit dieser Beendigung ebenfalls diskriminiert.

Bis es allerdings so weit kam, bedurfte es einiger Anstrengung auf Seiten der LGBTI* Organisationen. Wie das Magazin schwulissiom berichtet, war vom Beginn des Vertragsverletzungsverfahrens bis zur letztendlichen Verweisung an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine monatelange Diskussion notwendig gewesen.

„Erst auf Druck von LGBTI*-Verbänden wie Forbidden Colours wurde der Fall schließlich von der EU-Kommission offiziell Ende letzten Jahres eingereicht und heute im Amtsblatt der EU veröffentlicht.“

Damit haben die Mitgliedstaaten seit dem 13. Februar 2023 sechs Wochen Zeit, schriftlich Stellung zu beziehen.

Auch wenn es hierbei um Europa geht, reicht der Fall in seiner Relevanz weit über Ungarn und die EU hinaus. Wie Rémy Bonny, Direktor von Forbidden Colours im Interviewe mit schwulissimo erklärt, gehe es darum, deutlich zu machen, dass Ungarn die LGBTI*-Community als Sündenbock missbraucht. Dabei stellte er fest, dass Ungarn nur die Spitze des Eisbergs sei und dass sich in der gesamten Europäischen Union Rückschläge in Bezug auf LGBTI*-Rechte feststellen ließen. Die Zunahme von Anti-LGBTI*-Vorfällen seien weniger die Folge von mehr konservativen Menschen, sondern vielmehr von den stark aus dem Ausland finanzierten politischen Führungen in Ungarn, aber auch Polen. Laut Bonny fließen die Gelder dabei sowohl aus Richtung Kreml als auch „von amerikanischen evangelikalen multinationalen Konzernen“.

Die Behauptung Bonnys, die LGBTI*-Bewegung verteidige die Demokratie an vorderster Front, ist demnach nicht bloße rhetorische Mobilisierung. Im Gegenteil bestätigen das Vertragsverletzungsverfahren sowie der nun erfolgte Verweis an den EuGH, dass die Bedrohung ernst zu nehmen ist.

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