Das EU-Parlament will nun endlich die rechtliche Sicherheit von Kindern und ihren Eltern verbessern. Bei der Abstimmung am 14. Dezember 2023 sprachen sich die Abgeordneten mit 366 zu 145 Stimmen und23 Enthaltungen für einen Gesetzesentwurf aus, der sicherstellen soll, dass die Elternschaft, die in einem EU-Land gilt, automatisch in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird.
Dass dieses Problem existiert, ist weder neu noch unbekannt. Bereits 2020 thematisierte Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union die Notwendigkeit einer übergreifenden Anerkennung. Zwei Jahre später, am 7. Dezember 2022, nahm die Kommission einen entsprechenden Vorschlag für das sogenannte Gleichstellungspaket an. Dessen Ziel war eine Harmonisierung der Vorschriften über die Elternschaft auf EU-Ebene.
Wie die Kommission sowohl 2022 als auch erneut 2023 festhält, können Kinder aktuell ihr Recht auf Erbschaft und Unterhalt ebenso verlieren wie das Recht, dass einer ihrer Elternteile als ihr gesetzlicher Vertreter in Angelegenheiten der medizinischen Behandlung oder Schulbildung handeln darf. Dies führt zu der Feststellung des Parlamentes in seiner aktuellen Pressemitteilung vom 14. Dezember, dass sich aktuell etwa zwei Millionen Kinder in einer Situation befinden, bei der sie formalrechtlich ihre Eltern verlieren, sollten sie in bestimmte EU-Mitgliedsstaaten einreisen.
Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht deshalb vor, dass
- die Elternschaft automatisch in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird,
- eine Verweigerung nur aus triftigem Grund („öffentliche Ordnung“) geschehen darf. Dabei hält das Parlament fest: „Jeder Fall muss einzeln geprüft werden, um sicherzustellen, dass es keine Diskriminierung gibt, z. B. gegenüber Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern.“ Wann allerdings ein Fall die „öffentliche Ordnung“ gefährdet, wird offengelassen.
Darüber hinaus sprachen sich die Abgeordneten für die Einführung eines Europäischen Elternschaftszertifikats aus. Dieses wird die nationalen Dokumente zwar nicht ersetzen „[…] kann aber an deren Stelle verwendet werden und wird in allen EU-Sprachen und in elektronischem Format zugänglich sein.“
Im nächsten Schritt müssen nun die EU-Regierungen „einstimmig“ über die endgültige Fassung entscheiden. Ob bzw wie diese „einstimmige“ Entscheidung ausgeht, bleibt abzuwarten. Laut Tagesspiegel hatten mehrere Länder, darunter Ungarn und Italien, bereits im Vorfeld ihre Ablehnung mitgeteilt.
Wie echte vielfalt bereits im Dezember 2022 mit Verweis auf die NGO forbidden colours berichtete, liegt das Problem weniger im mangelnden Recht. Laut eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) besteht bereits allein aus dem Recht zur Freizügigkeit die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Elternschaft aus einem anderen Mitgliedsstaat anzuerkennen. „Mitgliedstaaten wie Bulgarien und Rumänien ignorieren [bis heute] Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofs zur gegenseitigen Anerkennung der Elternschaft.“
Es wird somit auch bei dem neuen Gesetz darum gehen, ob und wie das Recht in der Praxis zur Anwendung kommt. Insbesondere wir dabei die Anwendung der Klausel zur „öffentlichen Ordnung“ zu beobachten sein.