„Outing“ und „Coming-out“: Zur Abgrenzung der Begriffe
15. April 2025Weiterlesen Auf den Punkt gebracht bedeutet „Outing“, dass jemand anderes die sexuelle Orientierung einer Person öffentlich macht – zumeist gegen deren Willen. Im Gegensatz dazu bedeutet ein „Coming-out“ die freiwillige Entscheidung einer Person, ihre Sexualität offen auszusprechen. Im Deutschen hat sich dazu der Anglizismus „outen“ etabliert. Dabei wird die Bedeutung von „Coming-out“ auf „Outing“ übertragen. Das Wörterbuch für Anglizismen – so Dirk Naguschewski, Redaktionsleiter beim Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in „Wörter aus der Fremde“ – weist allerdings darauf hin, dass im Englischen „to out oneself“ als Verb nicht existiert und der Ausdruck „to come out“ nicht mit dem Ausdruck „to out somebody“ gleichgesetzt werden kann. Im Deutschen wird hingegen vorrangig von Outing gesprochen. Besonders der Begriff „Selbst-Outing“ unterstreicht dabei den Trend, dass das „Coming-out“ immer häufiger ersetzt wird. Hinzu kommt, dass das „Outen bzw. Outing“ nicht nur in Bezug auf die Sexualität Verwendung findet. Entsprechend definieren sich zwei Bedeutungen: Damit haftet qua Definition dem „Outen“ automatisch eine negative Bedeutung an. Solange nämlich das Veröffentlichen auch nur von „kleinen Schwächen und Fehlern“ als Outen verstanden wird, bedeutet das indirekt, dass auch das Veröffentlichen der sexuellen Orientierung in eben jener Kategorie der „kleinen Schwächen und Fehler“ gedacht werden kann. In einem lesenswerten Artikel vom 1. April greift das Magazin L-Mag in einem kurzen historischen Abriss die begriffliche Entwicklung auf und gibt so einen Einblick in die bedeutsame Unterscheidung. Etabliert wurde der Begriff „Outing“ 1991 von Rosa von Praunheim, der in der RTL-Talkshow „Der heiße Stuhl“ öffentlich über die Homosexualität von Alfred Biolek und Hape Kerkeling sprach. In den 1990er-Jahren wurde das Outing als politisches Mittel verstanden, um Sichtbarkeit zu schaffen und Gleichbehandlung einzufordern, etwa durch die New Yorker Aidshilfe-Gruppe ACT UP. Die Gruppe veröffentlichte zwanzig Prominente in einer Plakatkampagne mit dem Ziel, jungen homo- und bisexuellen Menschen Vorbilder zu präsentieren. Sie wollten so die Gesellschaft zum Umdenken bewegen, besonders während der Aids-Krise, als Schwule oft nur als „Aidskranke“ wahrgenommen wurden. Bis heute bleibt diese Kampagne allerdings umstritten. Weniger umstritten ist hingegen laut L-Mag „das Anprangern heimlich schwuler Amts- und Würdenträger, die sich [in ihren Amtshandlungen] homophob verhielten“. Doch wo liegt hier die genaue Grenze? Selbst wenn Kerkeling und Biolek ihr „Outing“ im Nachhinein als Befreiung ansahen, bleibt der Akt ein Eingriff in die Privatsphäre. Das bleibt er auch, wenn er als politisches Instrument genutzt wird. Während allerdings Amts- und Würdenträger*innen als „Funktionsträger*innen“ dafür honoriert werden, in der öffentlichen Debatte etwas zu repräsentieren, und auch Prominente im wörtlichen Sinne von der Öffentlichkeit leben, sieht dies bei Menschen außerhalb dieser Einkommens- und Machtbereiche deutlich anders aus. Damit bekommt der Diskurs, ob „Outing“ überhaupt als politisches Mittel genutzt werden sollte, zumindest eine erste orientierende Einschränkung: Je geringer die Handlungsmacht einer Person, desto eher lautet die Antwort „Nein“. Um es klar zu sagen: Werden die Widersprüche von Amts- und Würdenträger*innen aufgezeigt, ist das Teil ihres Job-Risikos. Äußert sich eine Person in einem mehr oder weniger privaten Umfeld abfällig oder „homophob“, legitimiert es nicht im Gegenzug, die Selbstbestimmung und damit die Würde dieses Menschen zu verletzen, indem er „geoutet“ wird. Aber selbst, wenn man sich in einigen Fällen darauf einigen würde, dass das „Outen“ von Personen legitim sei, bleibt dabei der negative Beigeschmack, dass die Sexualität einer Person als etwas Negatives, ein „Fehler“ – zumindest für sie und ihr Umfeld – gedacht wird. Idealerweise wäre es irgendwann egal, weil sexuelle Orientierungen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung überhaupt nicht mehr als Problem wahrgenommen würden. Solange dies allerdings nicht der Fall ist, bleibt die sprachliche Unterscheidung von Bedeutung. Gleichzeitig folgt daraus explizit kein Plädoyer für eine Debatte. Wer sich „selbst outen“ möchte, sollte dies ebenso tun können wie eine Person, die ihr „Coming-out“ hat, ohne dass jemand Drittes deshalb einen sprachlichen Schluckauf bekommt.