Echte Vielfalt

Aufklärung und Bildung

Dem Thema Queerness im Alter wurde lange zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei sind Fragen rund um diskriminierungsfreie Pflege sowie die Sensibilisierung für die besonderen Bedürfnisse älterer queerer Menschen von zentraler Bedeutung. Erstmals wurde im Neunten Altersbericht der Bundesregierung das Thema LSBTIQ* in den Vordergrund gerückt.

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Für die Altersberichte der Bundesregierung wählt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) üblicherweise ein Schwerpunktthema. Seit 1993 sollen die Berichte dazu dienen, die Lebensrealitäten älterer Menschen in Deutschland sichtbar zu machen. Eine unabhängige Sachverständigenkommission trägt Erkenntnisse zu dem jeweiligen Thema zusammen und formuliert darauf aufbauend Forderungen an die Politik.

Der Neunte Altersbericht der Bundesregierung wurde Anfang 2025 unter dem Titel „Alt werden in Deutschland – Vielfalt der Potenziale und Ungleichheit der Teilhabechancen“ veröffentlicht. Darin wurde die Vielfalt der Lebensrealitäten älterer Menschen in Deutschland aufgezeigt und insbesondere ältere Menschen mit Migrationserfahrung sowie ältere LSBTIQ*-Personen wurden in den Fokus gerückt. Dass LSBTIQ* in diesem Altersbericht besonders berücksichtigt werden sollte, wurde bereits im Aktionsplan „Queer Leben“ der scheidenden Regierung festgehalten. Ob der Aktionsplan von der neuen Regierung von Union und SPD weitergeführt wird, ist bisher nicht bekannt.

Zur Lebensrealität älterer queere Menschen wird in dem Bericht betont, dass viele die Zeit der Strafverfolgung homosexueller Personen, der Pathologisierung queerer Lebensformen, der „menschenrechtsverletzenden Auswirkungen“ des Transsexuellengesetzes sowie der „gesellschaftlichen Ächtung und Stigmatisierung als prägend erlebt haben“. Menschen, die aufgrund ihrer Sexualität strafrechtlich verfolgt wurden, können Entschädigungsleistungen beantragen (weitere Informationen dazu auf der Webseite des LSVD+). Die Sachverständigenkommission fordert in dem Bericht, dass nicht verausgabte Mittel für ebensolche Entschädigungsleistungen „zur Förderung von LSBTIQ*-Selbstvertretungen, der Erinnerungskultur und einer diversitätssensiblen Altenhilfe“ genutzt werden sollen.

Das Nachwirken der rechtlichen Diskriminierung sowie weitere Diskriminierungserfahrungen in der Altenhilfe und -pflege hätten zu einem Misstrauen gegenüber solchen Strukturen geführt. Die Sachverständigenkommission fordert deshalb weitere Maßnahmen zur Sicherstellung einer diversitätssensiblen Pflege und Altenhilfe. Besonders positiv hervorgehoben wurde die Arbeit der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren e. V. (BISS) und des Dachverbandes Lesben und Alter e.V., die vom BMFSFJ projektbezogene Förderungen erhielten. Der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann erklärte zudem, dass beide Verbände im Bundesaltenplan finanziell abgesichert werden konnten, somit sei „die wichtige und wertvolle Arbeit der beiden Träger gesichert“.

Zum ersten Mal wurde in einem Altersbericht der Bundesregierung auch explizit auf trans* und inter* Personen eingegangen. Das Selbstbestimmungsgesetz sei auch in Hinblick auf ältere LSBTIQ* Personen lobenswert, so die Kommission: „Es ist davon auszugehen, dass von der vereinfachten Möglichkeit den Geschlechtseintrag per Selbstauskunft zu ändern, auch ältere Menschen Gebrauch machen werden, die aufgrund der bisher hohen Hürden davon abgesehen hatten.“

Zum Thema „Sexuelle und Geschlechtliche Vielfalt im Alter“ als Teil des Neunten Altersberichts der Bundesregierung gibt es am 12. Juni 2025 in Köln eine Veranstaltung. Weitere Informationen und der vollständige Bericht sowie eine Kurzfassung sind online aufrufbar.

Foto: pixabay

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Die Unionsparteien CDU und CSU und die SPD haben den Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode unter dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ vorgelegt. Doch wie steht es darin um queerpolitische Maßnahmen? Was ist mit dem Aktionsplan „Queer leben“? Und bleibt das Selbstbestimmungsgesetz bestehen? Diese und weitere Fragen werden in diesem Artikel in den Blick genommen.

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Queerpolitische Fragen stehen keinesfalls im Vordergrund des neuen Koalitionsvertrags. Auf den fast 150 Seiten gibt es einen kurzen Absatz zum Thema „Geschlechtliche Vielfalt“, in dem die wahrscheinlich künftigen Regierungsparteien festhalten:

„Wir verpflichten uns weiterhin, queeres Leben vor Diskriminierung zu schützen. Es muss für alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung selbstverständlich sein, gleichberechtigt, diskriminierungs- und gewaltfrei leben zu können. Dazu wollen wir mit entsprechenden Maßnahmen das Bewusstsein schaffen, sensibilisieren und den Zusammenhalt und das Miteinander stärken.“

Konkrete Maßnahmen, wie die Koalition LSBTIQ* Personen besser vor Diskriminierung und Hasskriminalität schützen will, werden jedoch nicht genannt. Der von der Ampel-Regierung ins Leben gerufenen Aktionsplan „Queer leben“ bleibt ebenfalls unerwähnt, eine*n Queerbeauftragte*n wie in der derzeitigen Legislaturperiode wird es scheinbar nicht geben.

Dies kritisiert der LSVD+ Verband Queere Vielfalt: „Angesichts der jährlich steigenden Zahl von Angriffen auf LSBTIQ* Personen muss allerdings das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt erhalten bleiben und der Aktionsplan “Queer leben” fortgeführt werden.“

Selbstbestimmungsgesetz

Ein großer Sorgenpunkt queerer Menschen für die nächste Legislaturperiode kam im Wahlkampf auf, denn CDU und CSU forderten eine Abschaffung des erst letzten Jahres in Kraft getretenen Selbstbestimmungsgesetzes, was sie mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen begründeten. In den Koalitionsverhandlungen schienen sich die Unionsparteien mit dieser Forderung nicht durchsetzen zu können. Die Koalitionspartner*innen verpflichten sich im Vertrag zur Wahrung „der Rechte von trans- und intersexuellen Personen“.

Dennoch wurde festgehalten, dass das Selbstbestimmungsgesetz bis Ende Juli 2026 evaluiert werden soll, insbesondere in Hinblick „auf die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die Fristsetzungen zum Wechsel des Geschlechtseintrags sowie den wirksamen Schutz von Frauen.“ Dabei hat sich gezeigt, dass solche Gesetze in anderen Ländern nur in den seltensten Fällen missbraucht würden, so der Tagesspiegel. Ob nach der Evaluation eine Abschaffung des Gesetzes folgen könnte, wurde nicht explizit erwähnt.

Queere Geflüchtete

Mit dem Fokus auf die ‚Begrenzung‘ und ‚Steuerung‘ der Migration durch Maßnahmen wie Zurückweisungen an den Staatsgrenzen und der Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer wird zudem die Frage des Schutzes queerer Geflüchteter vernachlässigt. Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan soll beendet und keine neuen freiwilligen Bundesaufnahmeprogramme gestartet werden. Dass queere Geflüchtete ebenfalls unter den Schutz queeren Lebens, zu dem Union und SPD sich verpflichten, gehören sollten, scheinen die künftigen Regierungsparteien zu ignorieren.

Dazu kommentiert der LSVD+ besorgt, dass die zukünftige Koalition „queere Geflüchtete in Lebensgefahr“ bringe. Denn „[i]n Afghanistan verfolgen, vergewaltigen und ermorden die Taliban systematisch LSBTIQ* mit dem klaren Ziel der Vernichtung queerer Menschen. Hunderte queere Afghan*innen, denen Deutschland mithilfe des Bundesaufnahmeprogrammes die Rettung vor dem sicheren Tod versprochen hat, droht nach ihrer erfolgreichen Evakuierung nach Pakistan durch eine unkoordinierte Beendigung des Aufnahmeprogramms nun die Abschiebung nach Afghanistan und ihre grausame Ermordung.“

Familienrechtsreform

Zuletzt betrifft auch die Frage des Familienrechts queere Menschen. Eine Reform des Abstammungsrechts wurde von der Ampelregierung geplant, jedoch nicht umgesetzt (eine Kritik daran haben wir in einem früheren Beitrag formuliert). Union und SPD halten in ihrem Koalitionsvertrag nicht konkret fest, inwiefern es Verbesserungen für Regenbogenfamilien geben soll. In Bezug auf eine Familienrechtsreform solle sich „vom Wohl des Kindes“ geleitet werden lassen. Aus Sicht des LSVD+ könnte dies positiv gewertet werden, denn aus dieser Perspektive sei eine Reform des Abstammungsrechts wichtig. Zu hoffen bleibt, dass die Koalitionspartner*innen das ebenso verstehen und eine Reform des diskriminierenden Abstammungsrechts in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt wird.

Bilder: pixabay/freepik

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Das Jugendnetzwerk lambda::nord e.V. ist ein queerer Jugendverband mit Sitz in Lübeck. Der Verein setzt sich in Schleswig-Holstein und Hamburg für die Bedarfe und Interessen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter*, nicht-binären und queeren Heranwachsenden und jungen Erwachsenen ein. Lambda::nord gehört außerdem dem bundesweit aktiven Verband Lambda an, der sich ebenfalls in der queeren Jugendarbeit engagiert.

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Der Verein wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geleitet und beschäftigt mehrere hauptamtliche Mitarbeiter*innen. Daneben unterstützen ehrenamtliche junge Menschen und Praktikant*innen das Team in verschiedenen Bereichen. Der Verein besteht aus den vier Bereichen Geschäftsführung, Bildungsarbeit, Queere Kinder- und Jugendarbeit und einer Informations- und Beratungsstelle. Durch diese Angebotsvielfalt setzt sich lambda::nord in den verschiedensten Bereichen für die Bedürfnisse und Interessen von heranwachsenden queeren Menschen ein. So schafft das Jugendnetzwerk Sichtbarkeit für die LSBTIQ*-Community und zeitgleich einen Safer Space für queere junge Menschen, um sich auszutauschen, sich zu engagieren, sich beraten zu lassen und gemeinsam Zeit zu verbringen.
Die offene Kinder- und Jugendarbeit findet in den Räumlichkeiten von lambda::nord statt. Jeden Mittwoch finden die beiden offenen Jugendgruppen statt. Der „Dinozug“, für Menschen von 12-16 Jahren, trifft sich von 16-18 Uhr. Die „Rosa Einhorn Brigade“, für Menschen von 17-27 Jahren, trifft sich von 18:30-21 Uhr. Im wöchentlichen Wechsel finden Koch-, Spiel-, Kreativ- und Themennachmittage statt. Des Weiteren wird derzeit dienstags und donnerstags ein offener Treff angeboten. Auf Instagram teilt @queere_jugendarbeit_hl das aktuelle Programm und weitere Informationen zu bspw. Gedenktagen regelmäßig mit.
Wer nach Vernetzung und konkreten queeren Jugendangeboten in Schleswig-Holstein sucht oder diese anleiten möchte, kann sich bei der Koordinationsstelle für queere Kinder- & Jugendarbeit und Ehrenamtsmanagement in Schleswig-Holstein melden.
Informationen und Beratung rund um Fragen und Problemlagen von jungen queeren Menschen finden in der Informations- und Beratungsstelle „NaSowas“, ebenfalls in den Räumlichkeiten von lambda::nord, statt. Hier können queere Menschen, Angehörige, Freund*innen und auch Fachkräfte Informationen sowie Unterstützung erhalten und ein offenes Ohr finden.
QU::ALLE und SCHLAU Lübeck sind als Bildungsangebot bei lambda::nord angebunden. Das Schlau Team besteht aus Ehrenamtlichen, die mit ihrer eigenen queeren Biografie Bildungsarbeit in Schulen leisten. Qu:alle richtet sich ebenfalls an Schüler*innen und gibt Workshops zu den Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Das Angebot richtet sich auch an Fachkräfte im schulischen Kontext, um zu den Themen aufzuklären und zu sensibilisieren.

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„Outing“ und „Coming-out“: Zur Abgrenzung der Begriffe Outing, (sich) outen oder ein Coming-out haben: In Deutschland verschwimmt die Grenze zwischen den Begriffen zunehmend. Dabei spielt der Unterschied eine entscheidende Rolle – nicht zuletzt, wenn es das Ziel ist, den Wert der „Selbstbestimmung“ hochzuhalten.

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Auf den Punkt gebracht bedeutet „Outing“, dass jemand anderes die sexuelle Orientierung einer Person öffentlich macht – zumeist gegen deren Willen. Im Gegensatz dazu bedeutet ein „Coming-out“ die freiwillige Entscheidung einer Person, ihre Sexualität offen auszusprechen. Im Deutschen hat sich dazu der Anglizismus „outen“ etabliert. Dabei wird die Bedeutung von „Coming-out“ auf „Outing“ übertragen. Das Wörterbuch für Anglizismen – so Dirk Naguschewski, Redaktionsleiter beim Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in „Wörter aus der Fremde“ – weist allerdings darauf hin, dass im Englischen „to out oneself“ als Verb nicht existiert und der Ausdruck „to come out“ nicht mit dem Ausdruck „to out somebody“ gleichgesetzt werden kann. Im Deutschen wird hingegen vorrangig von Outing gesprochen. Besonders der Begriff „Selbst-Outing“ unterstreicht dabei den Trend, dass das „Coming-out“ immer häufiger ersetzt wird. Hinzu kommt, dass das „Outen bzw. Outing“ nicht nur in Bezug auf die Sexualität Verwendung findet. Entsprechend definieren sich zwei Bedeutungen:

  • Das Veröffentlichen von kleinen Schwächen oder Fehlern von Prominenten gegen deren Willen.
  • Das unfreiwillige Zugeben von persönlichen Vorlieben oder Abweichungen in der Öffentlichkeit.

Damit haftet qua Definition dem „Outen“ automatisch eine negative Bedeutung an. Solange nämlich das Veröffentlichen auch nur von „kleinen Schwächen und Fehlern“ als Outen verstanden wird, bedeutet das indirekt, dass auch das Veröffentlichen der sexuellen Orientierung in eben jener Kategorie der „kleinen Schwächen und Fehler“ gedacht werden kann.

In einem lesenswerten Artikel vom 1. April greift das Magazin L-Mag in einem kurzen historischen Abriss die begriffliche Entwicklung auf und gibt so einen Einblick in die bedeutsame Unterscheidung. Etabliert wurde der Begriff „Outing“ 1991 von Rosa von Praunheim, der in der RTL-Talkshow „Der heiße Stuhl“ öffentlich über die Homosexualität von Alfred Biolek und Hape Kerkeling sprach.

In den 1990er-Jahren wurde das Outing als politisches Mittel verstanden, um Sichtbarkeit zu schaffen und Gleichbehandlung einzufordern, etwa durch die New Yorker Aidshilfe-Gruppe ACT UP. Die Gruppe veröffentlichte zwanzig Prominente in einer Plakatkampagne mit dem Ziel, jungen homo- und bisexuellen Menschen Vorbilder zu präsentieren. Sie wollten so die Gesellschaft zum Umdenken bewegen, besonders während der Aids-Krise, als Schwule oft nur als „Aidskranke“ wahrgenommen wurden. Bis heute bleibt diese Kampagne allerdings umstritten. Weniger umstritten ist hingegen laut L-Mag „das Anprangern heimlich schwuler Amts- und Würdenträger, die sich [in ihren Amtshandlungen] homophob verhielten“. Doch wo liegt hier die genaue Grenze?

Selbst wenn Kerkeling und Biolek ihr „Outing“ im Nachhinein als Befreiung ansahen, bleibt der Akt ein Eingriff in die Privatsphäre. Das bleibt er auch, wenn er als politisches Instrument genutzt wird. Während allerdings Amts- und Würdenträger*innen als „Funktionsträger*innen“ dafür honoriert werden, in der öffentlichen Debatte etwas zu repräsentieren, und auch Prominente im wörtlichen Sinne von der Öffentlichkeit leben, sieht dies bei Menschen außerhalb dieser Einkommens- und Machtbereiche deutlich anders aus. Damit bekommt der Diskurs, ob „Outing“ überhaupt als politisches Mittel genutzt werden sollte, zumindest eine erste orientierende Einschränkung: Je geringer die Handlungsmacht einer Person, desto eher lautet die Antwort „Nein“.

Um es klar zu sagen: Werden die Widersprüche von Amts- und Würdenträger*innen aufgezeigt, ist das Teil ihres Job-Risikos. Äußert sich eine Person in einem mehr oder weniger privaten Umfeld abfällig oder „homophob“, legitimiert es nicht im Gegenzug, die Selbstbestimmung und damit die Würde dieses Menschen zu verletzen, indem er „geoutet“ wird. Aber selbst, wenn man sich in einigen Fällen darauf einigen würde, dass das „Outen“ von Personen legitim sei, bleibt dabei der negative Beigeschmack, dass die Sexualität einer Person als etwas Negatives, ein „Fehler“ – zumindest für sie und ihr Umfeld – gedacht wird.

Idealerweise wäre es irgendwann egal, weil sexuelle Orientierungen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung überhaupt nicht mehr als Problem wahrgenommen würden. Solange dies allerdings nicht der Fall ist, bleibt die sprachliche Unterscheidung von Bedeutung. Gleichzeitig folgt daraus explizit kein Plädoyer für eine Debatte. Wer sich „selbst outen“ möchte, sollte dies ebenso tun können wie eine Person, die ihr „Coming-out“ hat, ohne dass jemand Drittes deshalb einen sprachlichen Schluckauf bekommt.

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat klargestellt, dass alle EU-Mitgliedstaaten gleichgeschlechtliche Ehen anerkennen müssen, auch wenn diese im Ausland geschlossen wurden. Im vorliegenden Fall hatte sich Polen geweigert, eine in Deutschland geschlossene Ehe zwischen einem polnischen und einem deutsch-polnischen Staatsbürger in das polnische Personenstandsregister einzutragen.

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Wie das Magazin Schwullissimo zusammenfasst, sah es Generalanwalt Richard de la Tour als gegeben an, dass das EU-Recht alle Mitglieder der Europäischen Union zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen verpflichte. „Ansonsten würden homosexuelle Paare in ihrem Recht beschnitten, sich frei innerhalb der EU zu bewegen – die Freizügigkeit, gerade auch mit Blick auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, sei unter allen Umständen sicherzustellen.“ Schwullissimo bezieht sich dabei auf die „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association“ (ILGA-Europe), nach deren Angabe das Gutachten einen weiteren Fortschritt für die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare in der EU darstellt und über das frühere Urteil in der Rechtssache Coman hinausgeht. Dies legte fest, dass EU-Staaten gleichgeschlechtliche Ehepartner*innen für Aufenthaltsrechte anerkennen müssen.

Laut Generalanwalt, so ILGA weiter, sei es demnach Sache solcher Mitgliedsstaaten, die keine gleichgeschlechtliche Ehe anerkennen, geeignete Verfahren einzuführen, um sicherzustellen, dass in einem anderen Mitgliedsstaat geschlossene Ehen in Bezug auf Dritte öffentlich gemacht werden. Solche Verfahren sollen verhindern, dass gleichgeschlechtliche Paare in ein rechtliches Vakuum geraten und dafür sorgen, grundlegende Aspekte ihres Lebens, wie Eigentum, Steuern oder Erbschaft, regeln zu können.

Zwar handelt es sich zunächst lediglich um einen Untersuchungsbericht, wie Schwullissimo allerdings bemerkt: „Zumeist richten sich die Richter aber an die Untersuchungsberichte des Generalanwalts.“ Aber auch wenn sich Richter*innen an solchen Berichten orientieren, bleibt fraglich, ob dies in Polen geschieht, selbst wenn das Urteil durch den EuGH ausgesprochen wird. Bereits im Dezember 2022 hatten wir bei echte vielfalt mit Bezug auf die NGO forbidden colours das Problem aufgegriffen, dass die Freizügigkeit, auf die sich auch das aktuelle Gutachten des Generalanwalts bezieht, die Mitgliedstaaten zwar verpflichtet, das Recht und bereits ausgesprochene Urteile aber von einigen Staaten wie Bulgarien und Rumänien ignoriert werden.

Inwieweit sich also Polen an das Urteil halten wird, bleibt weiterhin offen. Aus diesem Grund versteht ILGA-Europe in der Sache zugleich einen Appell an die Europäische Kommission, die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare im Rahmen der Freizügigkeit innerhalb der EU vollständig zu gewährleisten, einschließlich der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien wegen der Nichtumsetzung des Coman-Urteils. Eine Forderung, die auch aus demokratietheoretischer Sicht nicht zu unterschätzen ist.

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Ein Schlag ins Gesicht für LGBTIQ* in Europa: Anfang letzter Woche wurde in Ungarn ein Gesetz verabschiedet, dass Pride-Veranstaltungen verbieten will. Die rechtspopulistische Regierung Victor Orbáns wird nun vonseiten internationaler Organisationen scharf kritisiert.

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Erst vor kurzem berichteten wir über das geplante CSD-Verbot der ungarischen Regierung. Die Regierung unter Viktor Orbán rechtfertigte dies mit dem angeblichen Schutz von Kindern und erklärt, dass öffentliche LGBTIQ*-Veranstaltungen nicht länger toleriert werden müssten. Nur kurze Zeit nach der Einbringung im Parlament wurde das Gesetz in einem beschleunigten Verfahren verabschiedet.

Bereits im Jahr 2021 wurde in Ungarn ein Gesetz verabschiedet, das die Darstellung von LGBTIQ*-Inhalten in Büchern, Filmen, Werbung und anderen Medien drastisch einschränken wollte. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stufte das Gesetz als rechtswidrig im Rahmen geltenden EU-Rechts ein (echte-vielfalt berichtete).

Das neue Verbot baut auf dem queerfeindlichen „Propaganda“-Gesetz auf. Laut den Bestimmungen des neuen Gesetzes ist es nun verboten, eine Versammlung abzuhalten, die im Widerspruch zur Gesetzgebung von 2021 steht (BBC). Verstöße werden voraussichtlich mit Geldstrafen bis zu 500 Euro geahndet. Zudem sieht das Gesetz den Einsatz neuer Gesichtserkennungstechnologien vor.

Trotz der angekündigten Strafen ist mit Widerstand gegen das Pride-Verbot zu rechnen. Laut Bericht der taz folgt der Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony der links-grünen Opposition dem Verbot der rechtspopulistischen Regierung nicht. Auf Facebook äußerte er: „Budapest lässt diejenigen, die für ihre Selbstachtung, Gemeinschaft, Freiheit und die Macht der Liebe einstehen, nicht im Stich.“ Er deutet an, dass es Pride-Veranstaltung geben werde, „möglicherweise größer als je zuvor.“

Heftige Kritik an dem Verbot kommt vonseiten internationaler Organisationen. Der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen Volker Türk fordert nach Angabe von Deutschlandfunk eine Zurücknahme der diskriminierenden Gesetze in Ungarn und stattdessen eine Politik „im Einklang mit internationalen Menschenrechtsverpflichtungen“.

Der Direktor von Amnesty International Ungarn Dávid Vig bezeichnet das Vorgehen als „Frontalangriff auf die LGBTQIA+ Community und eine eklatante Verletzung der Verpflichtungen Ungarns, Diskriminierung zu verbieten sowie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu garantieren.“  Das queerfeindliche Gesetz zeige zudem, dass das Recht auf friedliche Versammlung in Europa zunehmend angegriffen werde.

Die Diskriminierung von LGBTIQ* in Ungarn stößt schon länger auf Kritik, auch innerhalb der EU. Jedoch wurden noch keine konkreten Maßnahmen angekündigt, wie mit dem neuen Gesetz umgegangen werden soll. Laut einem Bericht der FAZ fordert der Grünen-Abgeordnete im Europäischen Parlament Daniel Freund, Ungarn dass Stimmrecht zu entziehen und EU-Zahlungen zu stoppen. Auch der Einsatz von Gesichterkennungssoftware ist umstritten.

Um konsequent Haltung gegen Diskriminierung und Queerfeindlichkeit in der EU zu zeigen, müssen umgehend Maßnahmen ergriffen werden, damit die LGBTIQ*-Gemeinschaft in Ungarn und europaweit diesen Sommer für ihre Sichtbarkeit und Rechte demonstrieren und feiern kann.

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Der Bundesverband Trans* e. V. hat eine Broschüre mit dem Titel „Wir reden mit! Warum trans* Kinder und Jugendliche ernst genommen und unterstützt werden müssen“ veröffentlicht. Darin werden die Lebensrealitäten von inter*, trans* und nicht-binären Kindern und Jugendlichen sichtbar gemacht und Möglichkeiten zur Unterstützung aufgezeigt.

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Die Broschüre bezieht sich auf die Aktion #WirRedenMit, die im Frühjahr 2022 durchgeführt wurde.  An einer Online-Umfrage haben sich 576 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von fünf bis 26 Jahren beteiligt. Aus den Antworten ergab sich ein vielfach geäußerter Wunsch nach mehr Selbstbestimmung. Zudem möchten die Kinder und Jugendliche in ihren Belangen ernst genommen werden und benötigen mehr unterstützende Strukturen. Die zwölf zentralen Forderungen, die sich aus der Umfrage ergeben haben, können auf der Webseite der Aktion #WirRedenMit nachgelesen werden.

Erlebnisse wie Diskriminierung im Alltag, Mobbing in der Schule oder Konflikte in den Familien führen zu erhöhten psychischen Belastungen für trans*, inter* und nicht-binäre Kinder und Jugendliche. Wenn sie in ihrem Umfeld Unterstützung erfahren, ist die Gefahr psychischer Probleme nicht höher als bei cis-geschlechtlichen Kindern und Jugendlichen.

Ein zentraler Teil der Broschüre behandelt, wie Unterstützung aussehen kann: Geschlechtliche Vielfalt sollte selbstverständlich thematisiert und allgemein berücksichtigt werden. Dazu zählen kleine Maßnahmen wie geschlechtsneutrale Optionen bei Anmeldeformularen sowie die Möglichkeit, Pronomen und selbstgewählte Vornamen eintragen oder mitteilen zu können – sei es in der Schule, im Sportverein oder zu Hause. Die Repräsentation von Vielfalt in Büchern und Serien sowie im Unterrichtsmaterial kann ebenfalls zur Normalisierung von trans* und nicht-binären Identitäten beitragen, was sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene wirkt.

Ebenfalls wird betont, dass Diskriminierung zu entgegnen und sich gegen Trans*feindlichkeit zu positionieren ein relevanter Aspekt der Unterstützung von trans* Kindern und Jugendlichen ist. „Zu wissen, dass jemand hinter uns steht und wir uns immer an jemanden wenden können, ist unfassbar viel Wert!“, so ein*e Jugendliche*r in der Broschüre.

Zudem wird die Frage nach Selbstbestimmung ab 14 Jahren diskutiert. Dabei werden diverse Verbände und Organisationen zitiert, die durchaus dafür plädieren, dass Personen ab 14 Jahren selbstbestimmt ihren Vornamen und Geschlechtseintrag ändern dürfen sollten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beispielsweise fordert eine Stärkung der Selbstbestimmung von Minderjährigen. Im aktuellen Selbstbestimmungsgesetz können Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren ihren Antrag selbst stellen, benötigen jedoch das Einverständnis ihrer Sorgeberechtigten.

In der Broschüre wird betont: „Entgegen weit verbreiteter Missverständnisse hat das Selbstbestimmungsgesetz allerdings nichts mit körperlichen oder medizinischen Änderungen zu tun. Beim Selbstbestimmungsgesetz geht es nur um Bürokratie: die Änderung von Vorname(n) und Geschlechtseintrag im Geburtenregister, was eine Änderung in den Dokumenten wie Geburtsurkunde oder Personalausweis zur Folge hat.“

Geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen bei Minderjährigen sind weiterhin umstritten. Der BV Trans* plädiert für ein sogenanntes „shared decision making“, was bedeutet, dass alle Beteiligten (Jugendliche, Eltern, Mediziner*innen, Psychotherapeut*innen) ihren Teil der Verantwortung tragen. Dafür braucht es passende und diskriminierungsfreie Beratungsangebote, die sich auf die individuellen Fälle einlassen. So würde eine pauschale Altersgrenze keinen Sinn machen. Ein*e trans* und nicht-binäre junge*r Erwachsene*r sagt dazu: „Transition ist individuell. Es gibt mehr als nur ‚ganz oder gar nicht‘. ‚Was brauchst du?‘ ist daher immer wieder eine enorm wichtige Fragestellung.“

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In Ungarn hat die rechte Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán bereits mehrfach mit LGBTIQ*-feindlichen Maßnahmen und Gesetzen auf sich aufmerksam gemacht. Nun plant die Regierung, Pride-Veranstaltungen zu verbieten. Unter dem Vorwand des „Kinderschutzes“ soll die Verfassung geändert werden.

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Orbán kündigte in seiner "Rede zur Lage der Nation" an, dass eine Änderung der Verfassung angestrebt werde, die festlege, dass Menschen "entweder als Mann oder als Frau geboren werden" (queer.de). Dies geschehe unter dem Deckmantel des Kinderschutzes.

Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert Orbáns Stabschef Gergely Gulyás, der erklärt, dass die geplante Verfassungsänderung den Vorrang des Rechts eines Kindes auf körperliche, geistige und moralische Entwicklung über alle anderen Rechte – mit Ausnahme des Lebensrechts – betonen solle. Dabei wird ausgeblendet, dass auch Kinder von LGBTIQ*-Rechten profitieren.

Die Verfassungsänderung könnte Einfluss auf die geplanten Pride-Veranstaltungen im Sommer haben. Gulyás erklärt, dass die Pride-Märsche den Rechten von Kindern auf gesunde Entwicklung im Wege stehen könnten und betont, dass das Land keine Demonstrationen in Budapest tolerieren müsse. Die diesjährige Budapest Pride Veranstaltung dürfe nicht mehr in der Öffentlichkeit stattfinden (The Guardian).

Die Veranstalter*innen von Budapest Pride erklären auf ihrer Webseite, dass die Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Ungarn verfassungsrechtlich geschützt sei. Inwieweit diese Freiheiten ausgelebt werden können, messe sich insbesondere daran, ob Menschen ihre Meinung äußern können, wenn diese nicht mit dem politischen Programm der Regierung übereinstimmt. Um diese fundamentalen Rechte scheint es in Ungarn nun schlecht zu stehen. Ende Februar erklärte Orbán, dass die Veranstalter*innen sich keine Mühe machen sollten, die Pride weiter zu organisieren (Reuters).

Darauf hören die Aktivist*innen und Engagierten der LGBTIQ*-Community jedoch nicht. Sie zeigen sich optimistisch in Hinblick auf die diesjährigen Pride-Veranstaltungen in der ungarischen Hauptstadt. Es hätte schon unzählige Versuche gegeben, die LGBTIQ*-Community zum Schweigen zu bringen und unsichtbar zu machen. Pride-Demonstrationen wird es geben, betonen sie, egal “ob mit zwanzig oder zehntausenden Personen“.

Illustration Flagge: Freepik

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Nach einem queerfeindlichen Vorfall in einem Kinder- und Jugendzentrum in Lübeck am 22. Januar 2025 kam es zu einer politischen Debatte um die Sicherheit queerer Menschen in Schleswig-Holstein. Im Landtag standen zwei Anträge zur Abstimmung.

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Das Jugendnetzwerk lamda::nord bietet in Lübeck verschiedene Gruppentreffen für queere Kinder und Jugendliche an. Während diese Treffen eigentlich als Schutzräume dienen sollen, kam es Ende Januar zu einem queerfeindlichen Vorfall, der von lambda::nord als Morddrohung gegenüber den Teilnehmenden eingeschätzt wurde. Der LSVD Schleswig Holstein erklärt in einer Pressemitteilung, dass sich dieser Vorfall in eine steigende Zahl queerfeindlicher Angriffe im norddeutschen Bundesland einreihe. Erst kürzlich berichteten wir von Drohbriefen an einen schwulen Propst aus Itzehoe.

Aufgrund der inakzeptablen Angriffe auf LSBTIQ*-Personen richtete sich Danny Clausen-Holm vom LSVD.sh-Landesvorstand an die Landesregierung: „Wir fordern die Aufnahme queerer Menschen in die Landesverfassung. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, wie notwendig dieser Schritt ist. Nur durch eine klare rechtliche Verankerung in der Verfassung können queere Menschen in Schleswig-Holstein effektiv geschützt werden. Der Blick in die USA, wo queeren Personen zunehmend grundlegende Rechte entzogen werden, zeigt, wie wichtig es ist, frühzeitig gegen einen gesellschaftlichen Rechtsruck vorzugehen.“

Nun wurde im Landtag über zwei Anträge abgestimmt, die die Sicherheit queerer Menschen in den Blick genommen haben. Der Antrag der (Oppositions-)Fraktionen von FDP, SPD und SSW „Sicherheit und Gleichberechtigung für queere Menschen in Schleswig-Holstein: Entschlossene Maßnahmen gegen Diskriminierung und Gewalt“ fordert unter anderem, dass Straftaten gegen LSBTIQ* in der Polizeilichen Kriminalstatistik auf Bundesebene aufgenommen werden. Auch eine Erweiterung der Landesverfassung, um den Schutz der sexuellen Identität darin zu verankern, wurde vorgeschlagen. Diese beiden Aspekte würden vom Antrag der Regierungsparteien CDU und Bündnis 90/Die Grünen abweichen (LSVD.sh).

Jedoch stünden alle Fraktionen dafür ein, dass eine Verfassungsänderung zur Verankerung des Schutzes sexueller Vielfalt auf Bundesebene geschehen soll. Dafür wird eine Bundesratsinitiative zur Ergänzung des Art. 3 (3) im Grundgesetz gefordert. Die beiden Anträge wurden an Ausschüsse überwiesen, die Regierungs- und Oppositionsparteien wollen zu einem gemeinsamen Antrag kommen. Der LSVD.sh befürwortet eine solches gemeinsames Zeichen zum Schutz von LSBTIQ*, betont im selben Zuge aber auch die notwendige Erweiterung der Landesverfassung um die Kategorie sexuelle Identität. Vor dem Hintergrund der Angriffe gegen LSBTIQ* sowie des Anstiegs der queerfeindlichen AfD, die nun als zweitstärkste Kraft im Deutschen Bundestag vertreten sein wird, scheint eine solche Sicherung des Schutzes von queeren Menschen in den Landesverfassungen ebenso wie im Grundgesetz überfällig.

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Am vergangenen Sonntag, 23. Februar 2025, wurde zum 21. Mal der Deutsche Bundestag konstituiert. Vor dem Ergebnis dieser Wahl bleibt abzuwarten, wie sich die kommende Wahlperiode entwickelt. Die Befürchtungen für eine offene Gesellschaft, die zudem „alle“ ihre Minderheiten als Teil der Gesellschaft begreift, sind allerdings nicht zu verhehlen. Vor diesem Hintergrund hilft ein Rückblick auf die amerikanische Übergriffigkeit, um zu verstehen, welche Gefahren im Raum stehen.

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Nachdem der US-Vizepräsident J. D. Vance am 15. Februar im Rahmen der Münchener Sicherheitskonferenz Europa und insbesondere Deutschland die Gefährdung der Demokratie vorgeworfen hatte, bediente er in derselben Rede die bekannten extrem rechten Rhetoriken, indem er die Zuwanderung als drängendstes Problem für Europa in den Raum stellte. Eine schwierige Situation für Diplomat*innen. Aus Sicht all jener, die sich für ein menschenwürdiges Miteinander engagieren, könnte die Botschaft jedoch kaum deutlicher sein. Im Anschluss traf sich Vance neben anderen mit der AfD-Parteichefin Alice Weidel. Nach Angaben des ZDF beschrieb ein Sprecher Weidels das Gespräch als „entspannt und freundschaftlich“. Zuvor hatte Vance in seiner Rede darauf hingewiesen, dass "es keinen Platz für Brandmauern" gebe.

Indes wies Bundeskanzler Scholz den Vorwurf, „die Brandmauer“ gefährde die Demokratie, über den Onlinedienst X zurück. Aufgrund der Erfahrungen des Nationalsozialismus gebe es unter den demokratischen Parteien in Deutschland "einen gemeinsamen Konsens: Das ist die Brandmauer gegen extrem rechte Parteien".

Neben Scholz (SPD) forderten in diesem Zuge auch Friedrich Merz (CDU) und Robert Habeck (Grüne) die USA auf, sich aus dem deutschen Wahlkampf herauszuhalten, so das ZDF weiter.

Über die Bedeutung der USA als Bühne des „Kulturkampfes“ und die Zuspitzung, die mit der Wahl von Trump einhergeht, wurde hier schon des Öfteren berichtet. Und auch der systematische Lobbyismus US-amerikanischer ultrakonservativer Organisationen auf politische Entscheidungsträger in anderen Staaten weltweit, wie bspw. Uganda oder Spanien, wurde bereits thematisiert.

Mit dem unverhohlenen Lobbyieren von Vance für die AfD erreicht diese Einflussnahme in Deutschland ein neues Niveau. Die Spitze kam allerdings erst rund eine Woche später.

Am 21. Februar teilte Vance nach Angaben des Deutschlandfunk und anderer Medien mit: Da die „gesamte“ deutsche Verteidigung von amerikanischen Steuerzahler*innen subventioniert würde, hätten diese jjin der deutschen Politik mitzuentscheiden, „falls jemand in Deutschland ins Gefängnis käme, nur weil er online etwas gepostet habe“, so die Zusammenfassung des Deutschlandfunks. Zwar betonte Vance auch, dass die USA selbstverständlich weiterhin wichtige Bündnisse mit Europa pflegen würden – „deren Stärke werde aber davon abhängen, ob – Zitat – ‚wir unsere Gesellschaften in die richtige Richtung lenken‘“.

Mit anderen Worten: Es obliege dem amerikanischen Steuerzahler und damit dessen gewählten Vertretern (Vance bzw. Präsident Donald Trump) zu entscheiden, was in Deutschland „Hassrede“ ist und ob sie geahndet gehöre, ansonsten würde sanktioniert.

Die investigative ARTE Dokumentation „Amerikas Bücherkrieg“ von Ilan Ziv beleuchtet die politischen Mechanismen hinter dieser Zensurbewegung. Sie zeigt den Konflikt zwischen ultrakonservativen Bücherverboten und liberalen Intellektuellen sowie Minderheiten wie der LGBTQIA+-Bewegung sowie afroamerikanischen Communities. Die Dokumentation erläutert die kulturelle Schlacht, die vor dem Hintergrund der Präsidentschaftswahlen 2024 ausgetragen wird. Ein deutliches und explizites Porträt der Situation.

Mit Blick auf die vergangene Bundestagswahl und die Wahlergebnisse war es damit nie wichtiger als zuvor, sich auf zivilgesellschaftlicher Ebene deutlich gegen einen amerikanischen Einfluss zu stellen und den etablierten Parteien – besonders den Wahlsiegern – die „Brandmauer gegen Rechts“ nicht bloß als rhetorische Floskel, sondern als nicht hinterfragbare Handlungsmaxime abzuverlangen. Gleichzeitig scheint ein internationales Vernetzen zwischen den Interessenvertreter*innen von LGBTIQ* und weiterer zivilgesellschaftlicher Institutionen wichtiger denn je.

Foto: pixabay

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