Echte Vielfalt

Aufklärung und Bildung

Auf Twitter wird bereits seit einiger Zeit das Hashtag „Stolzmonat“ verwendet als Versuch, ein Gegennarrativ zum #Pridemonth aufzubauen. Solche Posts sind allerdings weniger ein realer Trend, sondern vielmehr das geschickte Ausnutzen von Algorithmen und sozialen Medien durch Rechtspopulisten.

Weiterlesen

Wie die Amadeu Antonio Stiftung in ihrer Analyse schreibt, gibt es Hinweise auf eine Koordinierung im Hintergrund mit dem Ziel, dem Hashtag und der dahinter stehenden Queerfeindlichkeit eine Größe zu geben, „[…] die so (zum Glück) nicht gegeben ist. […] Hashtag und Memes werden von einschlägig bekannten faschistischen Trollen, dem Blogger Miro Wolfsfeld, rechten Influencern und Mitgliedern der AfD verbreitet.“ Doch leider bedeutet das nicht, dass solche Hashtags wirkungslos bleiben. Welches Publikum sie liest, ohne sofort selbst aktiv zu werden, und was dieses Publikum denkt, bleibt eine Blackbox. Mit der Begriffsübernahme von Pride zu „Stolz“ entstehe zudem eine Täter-Opfer-Umkehr, so die Bildungsstätte Anne Frank: Der „deutschnationale Stolz“ schließe die LGBTIQ+ Community nicht bloß aus, sondern simuliere eine „Rebellion“ gegen einen vermeintlichen „Genderwahn“. Aber auch außerhalb der digitalen Welt nutzen die Rechten einschlägige Symbolsprache. So wurden im Juni von der AfD in München Plakate aufgehängt, auf denen Dragqueens als Gefahr für Kinder dargestellt wurden. In der Zwischenzeit erstattete ein katholischer Priester gegen diese Plakate Anzeige, wie der Bayrische Rundfunk (BR) berichtet.

Auch der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) berichtet über eine Vielzahl von Taten, die einen klaren Angriff gegen die LGBTIQ*-Gemeinschaft darstellen. In Berlin wurde ein Denkmal von im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen attackiert, in Schwerin wurde queerenfeindliche Hetze an Büros demokratischer Parteien und Vereine geklebt oder in Düsseldorf die Aidshilfe zum Ziel von queerfeindlichen und rechtsextremistischen Angriffen. Der LSVD titelt: „Unsere Community wird angegriffen und die Gesellschaft schweigt“ und weiter heißt es, „[…] queere Räume, Beratungsstellen, Demonstrationen, Gedenkstätten und Orte der demokratischen Zivilgesellschaft [geraten] in den Fokus von Tätern aus einem vermutlich rechtsextremen sowie religiös-fundamentalistischen Umfeld […].“

Aber es ist eben nicht nur die LGBTIQ*-Gemeinschaft, die angegriffen wird. Im Hintergrund stehen ein europäischer Rechtsruck und eine reale Zunahme an rechtspopulistischen Strömungen in Deutschland, unterstützt von einer alarmierenden Haltung des konservativen Lagers. Nach Angabe der Deutsche Welle (DW) sind sich „viele konservative Politiker […] uneinig, welchen Kurs sie einschlagen sollen.“ Der Kulturkampf mag sich zwar an den Gruppen zeigen, die schon immer um ihre Rechte und ihre Würde kämpfen mussten. Dazu zählt die LGBTIQ*-Gemeinschaft ebenso wie Geflüchtete, religiöse Minderheiten und andere Gruppen. Was allerdings tatsächlich angegriffen wird, ist die demokratische Verfassung, die die Würde jedes Menschen als unantastbar sieht (Art 1 GG). Daher ist es legitim „die Politik“ von Konservativ bis Links daran zu erinnern, dass sie, wenn sie aufgefordert wird, ihre Bürger*innen vor rechten Übergriffen (auch symbolischer Art) zu schützen, dies nicht nur für eine Gruppe zu tun. Dazu zählt insbesondere auch eine Sozialpolitik, die es den Menschen in Deutschland ganz allgemein ermöglicht, ein würdevolles Leben zu gestalten, um sie nicht den Populisten in die Arme zu treiben. In dem Artikel auf echte vielfalt zur Parlamentswahl in Spanien wurde die Parallele zwischen Rechtspopulismus mit der höchsten Zahl an jungen Followern und gleichzeitig der höchsten Jugendarbeitslosigkeit Europas angerissen.

Für Träger und Aktivist*innen der LGBTIQ*-Gemeinschaft ergeben sich damit Argumentationsketten und Schnittstellen mit anderen Gruppen für ein gemeinsames Ziel. Für die Politik ergibt sich hingegen ein klarer Auftrag zum Schutz seiner Bürger*innen vor Rechtspopulismus.

Schließen


Unter dem Motto „Unterstützung und Begleitung queerer junger Menschen“ findet am 13. Oktober 2023 ein digitaler Fachtag der Kinderschutzzentren statt.

Weiterlesen

Ziel des Fachtags ist es, die Frage zu thematisieren, „[w]ie es Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe gelingen kann, Freiräume für die Persönlichkeitsentwicklung queerer Kinder und Jugendlicher zu schaffen und zu verteidigen, sie in ihrer Identität zu stärken und ihren spezifischen Bedarfen gerecht zu werden […]“. Dabei sollen neben Impulsen und einem Diskurs auch konkrete Beispiele vorgestellt werden. Für die Veranstalter*innen ist Erkennen und Verstehen der spezifischen Bedarfe die Grundlage, damit Fachkräfte dem Thema überhaupt gerecht werden können.

Der Kongress beginnt um 9:30 Uhr mit einer Begrüßung durch Sven Lehmann (Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, BMFSFJ). Im Anschluss daran gibt es einen Vortrag zum Thema „Lebenswelten queerer Jugendlicher“. Nach einer kleinen Pause können sich die Teilnehmer*innen dann entscheiden, ob sie an einem Forum zum Thema [Herausforderungen bei der] „Öffnung der Jugendhilfe für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ teilnehmen wollen oder an einem von drei Workshops mit den Themen:

  1. Was heißt eigentlich LSBPATINQ+? – Über Geschlecht(er), Sexualität(en) und Identität(en)
  2. Beratung zu geschlechtlicher Vielfalt bei queeren Kids und ihren Eltern – Bedarfe erkennen und Prozesse begleiten
  3. Ressourcengewinn durch diversitätssensible Schutzkonzepte in der Kinder- und Jugendhilfe

Nach einer Mittagspause wird es abschließend noch einen Impulsvortrag mit „Drei Handlungsanregungen für eine queersensible Kinder- und Jugendhilfe“ geben, bevor gegen 13:30 Uhr der Fachtag endet. Den genauen Ablauf mit allen Gastredner*innen und ihren Themen findet sich unter folgendem Link.

Laut Veranstalter*innen richtet sich der Fachkongress bundesweit an alle Fach- und Leitungskräfte der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe, medizinisch-therapeutischer Einrichtungen, aber auch juristischer Handlungsfelder und der Kindertagesbetreuung sowie allen weiteren für den Kinderschutz wichtigen Arbeitsfelder.

Der Tagungsbeitrag beträgt 75 €. Studierende zahlen einen ermäßigten Beitrag von 40 €. Weitere Informationen gibt es auf der offiziellen Webseite. Dort gibt es auch den Link zum Anmeldeportal. Student*innen schicken hingegen ihre Anmeldung mit Immatrikulationsnachweis an folgende Mailadresse: anmeldung@kinderschutz-zentren.org

Schließen


Nach dem Inkrafttreten des Anti-Homosexuellen-Gesetz in Uganda scheint sich die Lage weiter zuzuspitzen. Das aktuelle Gesetz stuft homosexuelle Handlungen als Kapitalverbrechen ein, was in „Extremfällen“ sogar die Todesstrafe rechtfertigt. Als neuste Eskalationsstufe entschied die ugandische Regierung, das „host country agreement“ mit den Vereinten Nationen (UN) auslaufen zu lassen.

Weiterlesen

Als Resultat mussten die UN daraufhin am 6. August ihr Büro in Uganda schließen. Wie es allerdings auf der Webseite der Organisation heißt, sehe der UN-Hochkommissar für Menschenrechte (Volker Türk) sich weiterhin über sein globales Mandat verpflichtet, sich für das Land zu engagieren. „On our part, the UN human rights office remains committed to working on human rights in Uganda, in line with my global mandate”.

Der Stellenwert dieser Schließung wird vom Magazin schwulissimo auf den Punkt gebracht: „Die mühsam aufgebauten LGBTIQ*-Zentren sowie die HIV-Beratungsstationen sind inzwischen allesamt geschlossen, nun stehen Schwulen und Lesben als letzte Anlaufstelle auch die UN-Büros nicht mehr zur Verfügung.“ Damit wird die LGBTIQ*-Gemeinschaft in dem Land nicht nur kriminalisiert, sondern ihr wird sukzessive jeglicher sozialer, gesundheitlicher und politischer Schutz entzogen. Wie bedrohlich dabei die indirekten Folgen des Gesetzes sein können, haben wir im Falle der HIV-Beratungsstationen bereits in einem früheren Artikel thematisiert.

Als Reaktion kündigte nun auch die Weltbank an, keine neuen Angebote zur Finanzierung vorzulegen, solange Uganda nicht wirksame und überprüfte Maßnahme ergreift, die die Umwelt- und Sozialstandards sicherstellen. Das beinhaltet u.a. das Gewähren von „nicht Diskriminierung“. Nimmt die Weltbank dabei ihre eigene Formulierung ernst, würde das nichts weniger als die Rücknahme des Gesetzes verlangen. Währenddessen kündete Ugandas Präsident Yoweri Museveni am 10. August an, sich nach alternativen Finanzquellen umzuschauen, so die Nachrichtenagentur Reuters. Während schwulissimo auf den geplanten Einstieg ins Ölgeschäft und neue Goldfunde verweist, gab es bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes internationale Geldgeber, die bereit waren und sind, ihre politische Agenda mit Geld zu untermauern.

Wie der Tagesspiegel mit Verweis auf eine Studie des „Institute for Journalism and Social Change“ berichtet, sei bereits viel Geld aus der westlichen Welt geflossen, um Anti-LGBTIQ* Medienkampagnen zu finanzieren. Insbesondere die US-amerikanischen Evangelikalen sind dabei große Finanzgeber für politische Kampagnen gegen die LGBTIQ*-Gemeinschaft, so ein Ergebnis der Studie. Dabei werden religiöse Anti-LGBTIQ*-Gruppen in Uganda in diversen von mit Hilfsgeldern finanzierten Projekten genannt, mit einem Gesamtwert von mehr als 75 Millionen Dollar in den letzten zehn Jahren. Mehrere dieser Projekte wurden dabei sogar unter dem Deckmantel zum Schutz von Frauenrechten und zur Gleichstellung der Geschlechter vergeben. „Zu den ermittelten Strömen gehören einige laufende Finanzierungen und Beziehungen zwischen den Befürwortern des Anti-LGBTQI-Gesetzes und Regierungen von Norwegen und den Niederlanden bis hin zu den Vereinigten Staaten […] und dem Vereinigten Königreich“

Das Fundament für die Verbindungen der religiösen Dogmatiker*innen wurde bereits in der Kolonialzeit gelegt und macht keineswegs an den Grenzen Ugandas halt. Wie Foreign policy berichtet, haben sowohl Evangelikale als auch Puritaner*innen bereits über Jahre von Ghana bis Kenia und Nigeria ihren Einfluss geltend gemacht.

Hält man sich diese internationale Spannweite vor Augen, lässt sich die Frage aufwerfen, welche Organisationen auch vor der eigenen Haustür agieren.

Schließen


Durch die Queer Theory wurde die Bezeichnung "queer", die lange Zeit als beleidigend galt, in einer positiven Weise umgedeutet. Sie wird nun als Kategorie verwendet, die Heteronormativität infrage stellt.

Weiterlesen

Heteronormativität wird dabei so verstanden, dass sie die Gesellschaft zu einem Großteil prägt und somit auch Lebensbereiche betrifft, die nicht ausschließlich mit Sexualität zu tun haben. Eine der zentralen Fragen der Queer Theory ist, auf welcher Basis man sich auf Identitäten und Differenzen beziehen kann.

Die Queer Theory ist jedoch keine einheitliche Theorie. Die Strömung hat sich in den USA in den 1990er Jahren entwickelt und war stark geprägt von den zu der Zeit aktivistischen Bewegungen der LSBTIQ*-Community. Vor allem die Anti-AIDS Bewegung um die Gruppe „ACT UP“ in New York hatte großen Einfluss darauf, wie Sexualität verstanden wurde. Denn bei ACT UP wurde weniger Fokus auf fixe Identitäten gesetzt und mehr auf sexuelle Praktiken. Dies ist eine der wichtigsten Grundlage der queeren Theorie.

Judith Butler hat in ihrem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ von 1990 die Auffassung verschriftlicht, dass Sexualität und Geschlecht (diskursive) Praktiken sind, anstelle von festgesetzten Kategorien. Als eine der bekanntesten Vertreter*innen der Queer Theory hat Butler auch maßgeblich zu einer Wende in feministischen Diskursen beigetragen: weg von der starren Kategorie „Frau“ zu der Frage, wie politische Kämpfe auf Basis von geteilten Erfahrungen geführt werden können. Deshalb ist Butlers Werk für die queere Gemeinschaft so zentral. Essentialistische oder naturalistische Vorstellungen von Geschlecht werden abgelehnt.

Neben Werken, die sich viel mit Konzepten wie Macht und Diskurs beschäftigen und dadurch dem Poststrukturalismus zugeordnet werden, gibt es die Queer of Color Critique als zweite prägnante Ausprägung der Queer Theory. Diese verhandelt die Beziehung zwischen Sexualität, Geschlecht und race und bezieht sich dabei vor allem auf lesbische Autorinnen of color, wie Audre Lorde und Gloría Anzaldúa. Die Queer of Color Critique untersucht mitunter, inwiefern Rassismus in der Konstruktion von Sexualität eine Rolle spielt. Somit wird mithilfe der Queeren Theorie ebenfalls die Überschneidung verschiedener Diskriminierungsformen betrachtet, was als Intersektionalität bezeichnet wird.

Schließen


Am 23.07.2023 wurde in Spanien ein neues Parlament gewählt. Die amtierende sozialdemokratische Minderheitsregierung um Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte aufgrund der Ergebnisse der Kommunalwahlen im Mai parlamentarische Neuwahlen angesetzt. Bereits im Vorfeld zur Wahl waren dabei Befürchtungen über eine rechtsextrem-konservative Koalition lautgeworden.

Weiterlesen

Nun ist die konservative Volkspartei (PP) tatsächlich stärkste Kraft geworden, zu einer Regierungsbildung mit der rechtsnationalen VOX reicht es allerdings nicht. Dass sie dazu bereit war, habe die PP, nach einem Bericht des Guardian, auf kommunaler Ebene unter Beweis gestellt.

Die Parlamentswahl hat – wie schon in den vorigen Jahren – unklare Verhältnisse hervorgebracht und so versucht sich Pedro Sánchez an einer Neuauflage seiner Regierung, bei der er wieder auf viele regionale Kleinparteien angewiesen ist. Darunter auch die Partei Junts des geflohenen katalanischen Separatistenführers Carles Puigdemont, der im Exil in Waterloo (Belgien) lebt, so ein Artikel der Tagesschau.

Während der Deutschlandfunk Kultur über die Erleichterung unter den Kulturschaffenden berichtet, dass es die rechtskonservative Koalition nicht zur Mehrheit gebracht habe, schafft VOX in den Bezirken, in denen sie als Sieger hervorgegangen ist, bereits Fakten. Der Sender stellt fest: Gleichstellungsbüros wurden aufgelöst, Theaterprogramme geändert (Orlando von Virginia Woolf) und Disneyfilme verboten (Lightyear). Letzterer mit der Begründung, es küssen sich dort zwei Frauen. Die Madrider Schriftstellerin Marta Sanz sieht darin das Durchbrechen der immer noch existierenden „rigiden Sexualmoral“ aus der Zeit der Franko-Diktatur, wie sie gegenüber dem Deutschlandfunk erklärt. Für Sanz ist es keine Überraschung, dass VOX seinen Kampf vor allem auf dem Gebiet der Kultur umzusetzen versucht. Es ginge um die Dämonisierung von Kulturmedien als „kritisches politisches Instrument der Befreiung“. Die Rechten verstünden Kultur hingegen nur als Zierde und zur Unterhaltung, so Sanz weiter.

Diese Kritik kann weiter geführt werden, so können auch Auslassungen politisch sein. Auch rechtsextremistische Politiker*innen werden sich dessen bewusst sein. In sogenannten sozialen Medien bildet VOX laut Tagesschau die Partei mit der höchsten Anzahl an zumeist jungen Followern. Dabei gehe es um „einfache“ Botschaften von Ordnung, Sicherheit und Klarheit. Dass diese Botschaften bei jungen Menschen verfangen können, ist bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 28 % nicht zu unterschätzen. Darüber hinaus bekräftigte VOX bereits vor den Wahlen ihr Vorhaben, den Eltern bei der Bestimmung von Schulinhalten mehr Mitspracherecht in Bezug auf LGBTIQ* Themen geben zu wollen. Das weckt Erinnerungen an Floridas Gesetz zur Einschränkung des Lehrplans.

Rechtspopulist*innen bekommen – nicht nur in Spanien – Zulauf, wenn es dem Staat und der Gesellschaft nicht gelingt, ausreichende sozioökonomische Sicherheit zu bieten. In der Folge werden Menschen marginalisiert und an den Rand gedrängt.

Schließen


Suchte man im deutschsprachigen Internet in den letzten Monaten nach LGBTIQ*-relevanten Themen, so tauchte immer wieder auch der Begriff Pinkwashing auf. Zunächst bekommt man den Eindruck, dass Unternehmen den Pride Month (Juni) zum Anlass nahmen, ihre Werbestrategien dahingehend auszurichten. Auch konnte eine höhere Präsenz von regenbogenfarbiger Werbung und Produktgestaltung auffallen. Aber ist das gleich ein Problem?

Weiterlesen

Als Pinkwashing werden Werbe- und/oder Imagekampagnen bezeichnet, die LGBTIQ*-Farben und -Symbole verwenden, ohne diese intern oder allgemein mit strukturellen Anpassungen ernsthaft zu verfolgen. Anders als es jedoch beim Greenwashing der Fall ist, wirkt Werbung als Symbol für Sichtbarkeit, egal ob die werbetreibende Instanz dahintersteht oder nicht. Andreas Witolla, Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbandes Schleswig-Holstein e. V., bemerkt gegenüber dem Deutschlandfunk, dass diese Werbung grundsätzlich erst einmal zu begrüßen sei, da sie jede Menge Sichtbarkeit schaffe. Dennoch ist auch beim Pinkwashing Aufmerksamkeit notwendig, denn es sei immer zu hinterfragen, was die Firmen damit bezwecken wollen, ob es nur ein Zeichen nach außen ist oder ob sie auch intern oder für ihre Produkte insgesamt in der ganzen Lieferkette etwas tun.

Sichtbarkeit wird dann zum Problem, wenn sie dafür sorgt, dass sie die Konsument*innen bzw. die Öffentlichkeit blendet. Ein Beispiel hierfür ist BMW. Der Autokonzern hatte laut Deutschlandfunk vor einigen Jahren seine Firmenprofile in den Sozialen Medien in Regenbogenfarben gestaltet. Allerdings nicht in Ländern, in denen eine solche Solidarität entsprechend schlecht ankommen würde. Eine solche Strategie konterkariert allerdings genau das, was der Begriff „Solidarität“ bedeutet.

Was für die Käufer*innen eines BMW eine ärgerliche Täuschung darstellt, kann an anderer Stelle dazu führen, dass politische Haltungen verschleiert werden, die eigentlich einer öffentlichen Kritik bedürften. In diesem Sinne schreibt der Tagesspiegel: „Hat etwa ein großes Medienhaus auf dem CSD einen eigenen Truck am Start, profitiert es vom positiven Image des CSD. Es kann hoffen, neue Sympathien und neue Kunden zu gewinnen. […] Hetzen Journalist_innen in den Medien dieses Hauses aber nun gegen [LGBTIQ*], ist der Auftritt auf dem CSD nichts als ‚Pinkwashing‘: In kommerzieller Absicht maskiert er die wahre Ausrichtung des Medienhauses.“ Dabei stellt der Stern fest: „Einer McKinsey-Studie zufolge sind Unternehmen, die sich für Diversity einsetzen, um 25 Prozent rentabler.“

Aber auch hier muss genau hingesehen werden. Ob ein Unternehmen wegen seiner Diversität rentabler ist oder rentablere Unternehmen häufiger divers sind, ist damit noch nicht geklärt. Gibt es möglicherweise für einige Unternehmen strukturelle Schwierigkeiten, die sie zögern lassen oder dafür sorgen, dass das Thema erst gar keine Relevanz erlangt? Sichtbarkeit ist wichtig, darf aber nicht zu dem Irrglauben führen, dass allein Regenbogenfarben strukturelle Probleme verhinderten.

Schließen


Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland in der Entwicklung der Geschlechterforschung hinterher. Doch das inter- und transdisziplinäre Forschungsfeld wird in Zukunft für viele Bereiche immer bedeutsamer sein. Der Wissenschaftsrat empfiehlt deshalb eine breitere Verankerung des Feldes an Hochschulen und in außerhochschulischen Forschungseinrichtungen.

Weiterlesen

In den „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geschlechterforschung in Deutschland[1] betont der Wissenschaftsrat:

Geschlecht und Geschlechterverhältnisse sind für jede Gesellschaft und für jeden einzelnen Menschen relevant, weil jeder Mensch in ganz unmittelbarer Weise von Geschlechterfragen betroffen ist, sowohl in seiner Person als auch als Teil der Gesellschaft. So sind Fragen des Geschlechts sowie der Geschlechterdifferenzierung und -verhältnisse für das Selbstverständnis eines jedes Individuums und für das Selbstverständnis und die Selbstaufklärung einer jeden Gesellschaft von zentraler Bedeutung.“

Deshalb sei die Geschlechterforschung als Feld, welches sich inhaltlich mit allen Fragen rund um Geschlecht[2] und Geschlechterverhältnisse beschäftigt, für viele gesellschaftliche und wissenschaftliche Bereiche relevant. Die Erkenntnisse der Geschlechterforschung können für die Medizin, Psychologie und Sozialwissenschaften von Bedeutung sein, ebenso wie für Bereiche der Gesetzgebung, Gleichstellungsarbeit, Pflege und Wirtschaft. Somit habe das Feld eine hohe Transferrelevanz.

In der Erhebung des aktuellen Stands der Geschlechterforschung in Deutschland ist aufgefallen, dass zum Beispiel an Hochschulen und Universitäten vonseiten der Studierenden zwar ein hohes Interesse an dem Feld besteht, es im Gegenzug jedoch nur eine geringe Zahl an Professuren mit Geschlechterdenomination gebe. Während die Geschlechterforschung in den Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften gut verankert sei, ist sie in anderen Disziplinen wie beispielsweise in den MINT-Fächern noch unzureichend institutionalisiert. Deshalb empfiehlt der Wissenschaftsrat das Auf- und Ausbauen von Professuren mit (Teil-)Denomination in der Geschlechterforschung vor allem in Fächern, in denen das bisher unterrepräsentiert ist. Außerdem müsse eine bessere Ausstattung von hochschulischen Einrichtungen der Geschlechterforschung gesichert werden. Auch im außerhochschulischen Bereich soll die Geschlechterforschung stärker vorangetrieben werden, dort sieht der Wissenschaftsrat eine große Chance, „innovative […] Themenkomplexe zu besetzen und in der Kooperation mit Hochschulen voranzutreiben“. Zusätzlich müssten Forschungsdaten aus den verschiedenen Disziplinen in einer Datenbank zusammengeführt und diese weiter ausgebaut werden.

Mit der Umsetzung dieser Empfehlungen soll die Geschlechterforschung fest in Forschung und Lehre verankert und das Wissen langfristig gesichert und erweitert werden, denn das Feld sei von gesellschaftlicher Bedeutung. Besorgt schaut der Wissenschaftsrat auf die politische und gesellschaftliche Debatte rund um das Thema und warnt vor einem „Klima gesellschaftlicher Polarisierung“ sowie „massive[n] Diffamierungen und Drohungen“. Hier könnte sich der Wissenschaftsrat auf rechte und konservative Gruppierungen beziehen, die gegen vermeintliche „Gender-Ideologien“ wettern. Im Rahmen dieses sogenannten „Kulturkampfes“ kommt es immer häufiger auch zu Angriffen auf wissenschaftliche Felder wie den Gender Studies oder der Queer Theory.

[1] Wissenschaftsrat (2023): Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geschlechterforschung in Deutschland; Köln. https://doi.org/10.57674/9z3k-1y81

[2] Dies umfasst das biologische sowie das soziale Geschlecht. Die Unterscheidung zwischen sex und gender erklärt echte vielfalt in diesem Artikel.

Schließen


Erst vor einigen Tagen wurde Alfonso Pantisano (SPD) von der schwarz-roten Landesregierung Berlins zum ersten Queerbeauftragen der Hauptstadt ernannt. Als eine der ersten Amtshandlungen stellte Pantisano Strafanzeige gegen den Ex-Chefredakteur der „Bild“ Julian Reichelt sowie weitere Personen in dessen Umfeld. Dadurch befindet sich der neue Queerbeauftragte nun mitten im „Kulturkampf“.

Weiterlesen

In Reaktion auf ein Bild der Polizei Berlin, auf dem Polizist*innen die Regenbogenflagge hissten und vor ihr posierten, schrieb Julian Reichelt am 14. Juli auf Twitter: „Jeder vernünftige Mensch in diesem Land würde sich wünschen, dass vor der Polizei und vor den düsteren Fassaden unserer Geschichte nie wieder die Flaggen einer politischen Bewegung gehisst würden.“ Dieser Tweet war der Auslöser für die Anzeige, mit der Bezeichnung der Pride-Flagge als Teil einer „totalitären Ideologie“ und dem NS-Vergleich betreibe Reichelt in Pantisanos Augen Volksverhetzung.

Ebenfalls angezeigt wurde die ehemalige „Bild“-Kolumnistin Judith Sevinç Basad aufgrund der Dokumentation „Trans ist Trend: Wie eine Ideologie unser Land verändert“ des Medienportals NIUS, für das auch Reichelt arbeitet. Zusätzlich seien das Medienunternehmen, zu dem NIUS gehört, sowie dessen geschäftsführende Direktoren Christian Opitz und Christian Storch von der Anzeige betroffen. Die Video-Dokumentation, die sich als kritische Auseinandersetzung mit Transaktivismus betitelt, verbreite „unzählige volksverhetzende Falsch- und Desinformationen gegen die queere Community, vor allem gegen trans* Männer und trans* Frauen“, so Pantisano auf Facebook. Queerer Aktivismus wird darin unter anderem mit einer Sekte verglichen. Solche Arten der Desinformation über queere und insbesondere trans Personen würden im Netz immer mehr ansteigen, wie aus einem Bericht der Tagesschau herausgeht.

Reichelt und Basad nehmen die Anzeige als Bestätigung ihres verzerrten Bildes über die „totalitären Wahnsinnigen“ und positionieren sich im Netz als politisch Verfolgte. Auf Twitter wird die Pressefreiheit beklagt, Journalist*innen würden mundtot gemacht werden. Ebendiese Rhetorik und historisch fragwürdigen Vergleiche, die Pantisano in Reichelts ursprünglichem Tweet zur Regenbogenfahne beklagte, wird auf Twitter fortgeführt. In Reaktion auf die Anzeige schreibt der ehemalige „Bild“-Chefredakteur vom „Alfonso-Pantisano-Zuchthaus“, in dem er sich zukünftig mit den Machern von „Trans ist Trend“ aufhalten werde. Die Debatte verläuft also höchst polemisch, das demokratische Amt von Pantisano wird in Frage gestellt. Ob die Äußerungen von Reichelt & Co als Volksverhetzung gelten, wird nun erstmal von Sicherheits- und Ermittlungsbehörden geprüft. Unabhängig davon, wie das Urteil ausgeht, war es nicht das erste Mal, dass Reichelt mit seiner Queerfeindlichkeit eine rechtliche Debatte auslöste (queer.de berichtete).

Pantisano äußerte sich zu seinem neuen Amt gegenüber der Berliner Zeitung: „Es ist die gesellschaftliche Akzeptanz, die oft noch fehlt und nach wie vor verbesserungswürdig ist. Minderheiten sind Teil des großen Wirs. Und ihnen steht ein berechtigter Platz am Inklusionstisch zu. Dafür müssen andere aber zusammenrücken und Platz machen, und ganz wichtig, Minderheiten auch einen Stuhl anbieten. Wir müssen es hinbekommen, dass alle Menschen, auch Minderheiten, gleichberechtigt wahrgenommen werden.“ Dies scheint insbesondere in den rechtspopulistischen Kreisen von Reichelt, Basad und Kolleg*innen nicht angekommen zu sein.

Schließen


Am 21. März verabschiedete das Parlament in Uganda einen folgenschweren Gesetzesentwurf. War Homosexualität bereits vorher verboten, sollte der neue Entwurf auch deren Nichtanzeigen unter Strafe stellen und sogar die Todesstrafe in „besonders schweren Fällen“ in Betracht ziehen.

Weiterlesen

Nachdem das Gesetz am 20. April Präsident Yoweri Museveni zur Unterzeichnung vorgelegt wurde, ließ dieser es jedoch zunächst mit Verbesserungsvorschlägen zurückgehen. Dabei ging es dem Präsidenten allerdings weniger um das Strafmaß als um die Berücksichtigung von Rehabilitation und möglicher rechtlicher Anfechtbarkeit. Dennoch gab es dadurch zumindest minimal Hoffnung auf Abmilderung durch den Einfluss internationaler Akteure. So drohten bspw. die USA mit Wirtschaftssanktionen, sollte das Gesetz in Kraft treten, wie der Tagesspiegel damals berichtete. Ende Mai unterzeichnete Museveni dann den überarbeiteten Entwurf, womit das Gesetz Gültigkeit erlangte, was zu einem internationalen Aufschrei des Entsetzens führte, so die Tagesschau. Als Reaktion kündigte US-Präsident Joe Biden an: „Die US-Regierung werde unter anderem ein Handelsabkommen überprüfen, das Uganda für viele Produkte zollfreien Zugang zum US-Markt einräumt“. Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze betonte, dass neben den Verstößen gegen das Menschenrecht „[…] das Gesetz auch Auswirkungen auf die Arbeit internationaler Partner vor Ort“ habe, die zu prüfen seien. Über den Status dieser zu prüfenden (Handels-)Beziehungen ist es seit dem Aufschrei allerdings ruhig geworden.

Nach Angaben des Tagesspiegel, des ZDF und der Tagesschau sieht das aktuelle ugandische Gesetz nun vor, homosexuelle Handlungen als Kapitalverbrechen einzustufen. Damit können Strafen bis zur lebenslangen Haft verhängt werden und in „besonders schweren Fällen“ - wenn z. B. eine Person mit HIV infiziert ist - kann sogar die Todesstrafe drohen. Auch Personen und Vereine, die „wissentlich Homosexualität fördern“, können mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden. Vor dieser Drohkulisse und der damit verbundenen gesellschaftlichen Ächtung ist es wenig hilfreich, dass die Selbstbezeichnung als homosexuell nicht unter Strafe gestellt wurde. Ebenfalls von einer Strafe ausgenommen ist das Nichtanzeigen „mutmaßlicher homosexuelle Handlungen“ bei der Polizei. Letzteres entschärft damit zumindest die Gefahr einer Gesellschaft der Denunziation innerhalb von Familien.

Blickt man jedoch auf den Gesundheitssektor, verschärft sich die bedrohliche Lage: So befürchten Beobachter*innen des Gesundheitssystems eine weitere Zerrüttung zwischen Ärzt*innen und Patient*innen. Immer weniger Menschen ließen demnach mögliche Infektionskrankheiten behandeln. Und auch die medizinischen Fachkräfte sind besorgt, könnte ihre Tätigkeit der Hilfe als „wissentliche Förderung“ von Homosexualität ausgelegt werden. Wie der Tagesspiegel in einem weiteren Artikel vom 28. Juni 2023 betont, war Uganda bis jetzt sehr erfolgreich in der Bekämpfung von HIV. Dies könnte sich allerdings nach Befürchtung der Vereinten Nationen (UN) ändern. Einige Geldgeber, wie etwas das US-Aids-Programm PEPFAR kündigte bereits im Vorfeld an, seine Finanzierung zurückzunehmen, sollte das Land nicht damit aufhören, Homosexuelle systematisch zu verfolgen. Uganda erhält 80% seiner Gelder zur Aids-Bekämpfung aus dem Ausland.

Damit kann das Gesetz neben seiner Menschenverachtung und den damit verbundenen gesellschaftlichen Verwerfungen zusätzlich zu einer möglichen Gesundheitskrise führen.

Weitere Artikel zur Situation in Uganda auf echte vielfalt:

Schließen


Für queere Jugendliche ist es besonders wichtig, einen sicheren Raum zu haben, in dem sie über ihre Anliegen, Probleme und Unsicherheiten sprechen können. Das versucht das „T*räumchen“ jungen Queers in Kassel zu ermöglichen. Neben individuellen und kollektiven Beratungsangeboten zu geschlechtlicher Vielfalt bietet es auch einen Ort, an dem sich junge queere Personen vernetzen und empowern können.

Weiterlesen

Auf der Webseite der Kampagne für Zusammenhalt und gegen Diskriminierung „Hessen. Da geht noch was“ des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration wird die Beratungs- und Begegnungsstätte T*räumchen Kassel als „[e]in Schutzraum, in dem vertraulich, mit Respekt und Akzeptanz über die Herausforderungen von Identität und Körperlichkeit gesprochen werden kann“ beschrieben. Das besondere an der Beratungsstelle ist, dass sie für fast alle Arten von Anfragen persönliche Gespräche anbietet. Neben der individuellen Beratung gibt es auch Angebote wie einen queeren Chor, eine Ferienfreizeit und einen Selbstverteidigungskurs. Auch für Eltern oder andere enge Angehörige von trans*, inter* oder nicht binären Jugendlichen wird ein Raum für Austausch geschaffen.  Dabei stehen Selbstbestimmung sowie Akzeptanz für die unterschiedlichen Variationen von Geschlecht im Vordergrund. Trans* und nicht binär* werden als „Sammel- und Oberbegriffe für eine große Vielfalt an geschlechtlichen Identitäten“ verstanden.

Zu den Zielen des (Schutz-)Raums gehört die freie Entfaltung der geschlechtlichen Identität junger Personen, das Sichtbarmachen ihrer Anliegen und Bedürfnisse sowie die Unterstützung ihrer psychischen Gesundheit durch Empowerment und Selbstermächtigung. Einige der Mitarbeitenden haben persönliche Erfahrungen mit den Themen, zu denen beraten wird und kennen dadurch die Herausforderungen queerer Jugendliche gut.

Gegründet von der AIDS-Hilfe Kassel im Jahr 2020 wird das T*räumchen derzeit von der Stadt Kassel gefördert, jedoch nur noch bis Ende 2023. Die Menge an Anfragen, die das T*räumchen auch von weiter weg erreichen, würden jedoch zeigen, wie notwendig solche Angebote sind. Insbesondere im ländlichen Bereich seien diese gering. Deshalb sollten Kommunen Angebote wie das T*räumchen weiter unterstützen und auch außerhalb von Städten ausbauen.

Hier geht es zur Webseite von T*räumchen in Kassel. Weitere Beratungsstellen hat die Kampagne „Hessen. Da geht noch was“ weiter unten im Beitrag zum T*räumchen aufgelistet.

Beratungsangebote, die sich im Land Schleswig-Holstein befinden, hat echte vielfalt gesammelt. Junge queere Personen können sich unter anderem wenden an: