Echte Vielfalt

Aufklärung und Bildung

Gendergerechtes Sprechen und Schreiben in der Schule ist eine anhaltende Debatte. Immer wieder melden sich dazu Politiker*innen und weitere Personen in der Öffentlichkeit zu Wort. Leider werden dabei häufig verschiedene Themen miteinander vermischt, was zu Problemen führen kann.

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Jüngst äußerte sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach Angabe des SWR mit der Aussage:

„Die Schulen müssen sich an das halten, was der Rat für deutsche Rechtschreibung vorgibt. Sonst haben wir am Ende keine einheitliche Rechtschreibung mehr."

Anders als es dieses Zitat suggeriert, haben Schulen jedoch in der Regel keine Wahl. Wie wir bereits im November berichteten, ist die deutsche Rechtschreibung für alle staatlichen Einrichtungen und damit auch für Schulen verpflichtend. Wenn Kretschmann, unterstützt von Teilen der CDU und FDP sowie dem Philologenverband Baden-Württemberg und anderen Bildungsverbänden, sich für einen genderfreien Deutschunterricht einsetzt, dann hat er das Recht auf seiner Seite. Folgt man allerdings seiner Argumentation weiter, so kommen Zweifel daran, ob mit der politischen Debatte ums Gendern nicht eine Strohpuppe entsteht, die das eigentliche Problem verschleiert. Der SWR zitiert weiter:

„Es ist schon schlimm genug, dass so viele unserer Grundschüler nicht lesen können. Man muss es denen nicht noch erschweren, indem man in der Schule Dinge schreibt, die man gar nicht spricht."

Dabei verkennt Kretschmann allerdings, dass Sprache fluide und stark vom sozialen und Bildungskontext abhängig ist. Dutzende Rechtschreibreformen sowie Jugendwörter und Anglizismen, die neu in den Duden aufgenommen werden, machen deutlich, dass das Problem nicht bei komplizierten Schreibweisen liegt. Ob man beim Sprechen über ein „…*innen“ stolpert, ist eine Frage des Trainings, so wie jede Lautkombination gelernt werden muss. Das, worauf es dabei ankommt, würden die Sozialwissenschaften als Habitus und Pfadabhängigkeit bezeichnen.

Beim Habitus geht es darum, dass erlebte Handlungsmuster von der Person als selbstverständlich verinnerlicht werden. Auch Sprache und Ausdrucksweisen sind solche Handlungsmuster. Das bedeutet, was die Kinder in ihrem Umfeld als „normale“ Sprache erleben und was ihnen in der Schule beim Schreiben als „selbstverständliche“ Regeln vermittelt wird, wird irgendwann als „so ist das richtig“ hingenommen. Mit Pfadabhängigkeiten ist gemeint, dass für „selbstverständlich“ erachtete Sprache nicht ohne weiteres hinterfragt wird und sich damit als „Norm“ selbst bestätigt. Daraus folgt jedoch nicht die Unveränderlichkeit von Sprache. Im Gegenteil, wenn nicht in der Schule, wo sonst gäbe es einen Ort - begleitet durch fachliche Kompetenz - sich mit Sprache auseinanderzusetzen.

Das eigentliche Problem ist jedoch die genannte Schwierigkeit, die Schüler*innen beim Lesen haben. Das hat aber wohl weniger mit Gendern zu tun als vielmehr mit anderen Gründen außer- und innerhalb der Schule. in dem Fall sollte sich die Schule diesem Problem stellen und benötigt nicht das Weglassen von Sternen und Strichen, sondern eine bessere personelle Ausstattung bei kleineren Klassen.

Bis dahin könnte der Vorschlag des Landesschülerbeirats zumindest eine Übergangslösung darstellen. Dieser fordere nach einem Bericht des Magazins queer: „Die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in schriftlichen Prüfungen dürfe nicht mehr als Fehler gewertet werden.“ Alles andere „sei nicht mehr zeitgemäß“ so die Schüler*innen.

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Weihnachten ist gerade ein paar Wochen her. Ein Fest, in dem es gerade für die katholische Kirche um Wärme und Hilfe für diejenigen geht, die es aus eigener Kraft nicht schaffen. Das gilt auch für Menschen, die immer wieder um Anerkennung kämpfen müssen.

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In seiner Weihnachtsansprache vom 25. Dezember 2022 verwies der Papst auf die symbolische Bedeutung, die Jesus als „hilfloses“ Baby habe und dass dies dazu ermahnen solle, denen zu helfen, die sich eben nicht selbst helfen können. Darunter könnte man auch verstehen, gerade jene Menschen aufzunehmen, die kein Teil des eigenen Selbstverständnisses sind, die aber gerade, weil sie sich als solche outen, als besonders schutzbedürftig dastehen. Und genau hier setzt die Paradoxie der Institution „katholische Kirche“ an.

Wie wir bereits früher berichtet haben, ist im Vatikan vor allem auf höchster Ebene mit wenig Reformwillen in Bezug auf eine Änderung der offiziellen Sexuallehre zu rechnen. Doch das wäre nötig. Nun bleibt die katholische Kirche eine internationale Vereinigung mit eigenen Hierarchien, allerdings scheint es, dass zumindest in der jüngsten Berichterstattung immer wieder Funktionsträger auftauchen, die offen Kritik an den Praktiken und Haltungen ihrer Institution übten. Wie der NDR berichtet, erklärte sich zuletzt der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode enttäuscht vom Scheitern des Synodalen Wegs und machte deutlich, dass er mit weiteren Kirchenaustritten in seinem Bistum rechne. Auch schwulissimo griff diese Äußerung auf und betonte, dass ca. 80% der jungen Menschen in Deutschland nichts mehr mit der Kirche zu tun haben wollen. Hier zeigt sich, dass auch große internationale Organisationen auf ihre Mitglieder vor Ort angewiesen sind, um sich zu legitimieren.

Vielleicht braucht es also keine Reform durch die Kirche in Rom. Beispiele zeigen, dass sich über die Zeit immer mehr lokale Enklaven und Bistümer sowie deren Funktionsträger (zumindest in Deutschland) damit konfrontiert sehen, den Wünschen und Erwartungen ihrer Gemeinde nachzukommen. Vielleicht wird sich die katholische Kirche am Ende zu einer dezentralen Struktur entwickeln, deren Bischöfe etc. mehr auf die Menschen vor Ort als auf eine veraltete und paradoxe Doktrin hören.

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Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman will einen besseren Schutz vor Diskriminierung durch Behörden und öffentliche Ämter erreichen. Des Weiteren beabsichtigt sie, mehr Menschen unter den Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu stellen.

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Wie die ZEIT mit einem Verweis auf den Berliner Tagesspiegel zitiert, bezeichnete Ataman das Gesetz als „leider zahnlos“. Die ZEIT berichtet weiter, dass das Problem nach Ataman vor allem in dem Umstand liege, dass staatliches Handeln vom Anwendungsbereich des AGG ausgenommen sei.

„Das bedeute, dass sich all jene, die zum Beispiel im Jobcenter oder am Bahnhof von der Bundespolizei diskriminiert würden, nicht darauf berufen könnten.“

Zwar ist nach Art. 3 GG auch dem Staat und seinen Organen jegliche Diskriminierung untersagt, allerdings wird dies nicht konkret durch das AGG geregelt.

Im aktuellen Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle wurden für 2021 insgesamt 5.617 Fälle gemeldet, die mit einem der im AGG genannten Diskriminierungsgründe zusammenhingen, zwanzig Prozent davon im Zusammenhang mit dem Geschlecht und immer noch vier Prozent (225 Fälle) mit sexueller Identität. Hier ist darauf hinzuweisen, dass es sich explizit um eine Meldestatistik handelt und somit keine Rückschlüsse auf Dunkelziffern und oder Unterkategorien zu ziehen sind.

Wie sowohl ZEIT als auch queer berichten, betonte Ataman im Besonderen das Nichtvorhandensein eines Diskriminierungsschutzes aufgrund des sozialen Status. Ein geringer Sozialstatus bedeutet letztendlich nichts weniger als geringe monetäre und andere Ressourcen wie bspw. auch Bildung. Während sich Menschen mit guter Bildung und genügend Geld bei Diskriminierung zumindest einen Rechtsbeistand leisten können oder um ihre Rechte wissen, stehen Menschen, die von Armut bedroht sind und eine geringe Bildung haben, häufig vor einer doppelten Diskriminierung. Auch die LGBTQ* Gemeinschaft ist nicht davor gefeit, dass es Menschen in ihrer Mitte gibt, die unter solchen Schwierigkeiten leiden.

Ob es Ferda Ataman allerdings gelingt, ihre hohen Ziele auch tatsächlich umzusetzen oder ob am Ende nur ein weiterer „zahnloser Tiger“ zwischen den Paragrafen steht, bleibt abzuwarten.

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Künftig soll Hasskriminalität gegen LSBTIQ* Personen besser verfolgt werden können. Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung am 21. Dezember 2022 einen neuen Gesetzesentwurf beschlossen, der Hasskriminalität gegen diese Gruppe von Menschen explizit als Tatbestand in das Strafgesetzbuch aufnimmt.

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Das „Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“, so der vollständige Name, verweist unter Punkt III. im Besonderen auf § 46 Absatz 2 StGB. Dieser benennt die Umstände, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Dabei sind menschenverachtende Beweggründe bzw. Ziele besonders in Augenschein zu nehmen. Bis jetzt waren hier Punkte wie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufgeführt. Der neue Entwurf erweitert diese Liste um die Tatmotive „geschlechtsspezifisch“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtet“.

„Der Begriff „geschlechtsspezifisch“ soll dabei nicht nur die unmittelbar auf Hass gegen Menschen eines bestimmten Geschlechts beruhenden Beweggründe erfassen, sondern auch die Fälle einbeziehen, in denen die Tat handlungsleitend von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit geprägt ist.“

Der Text führt hierzu das Beispiel eines „patriarchalen Besitzanspruches“ eines „Täter[s] gegenüber seiner Partnerin oder Ex-Partnerin“ an. Hier muss – um Missbrauch für rechte Zwecke zu vermeiden - darauf aufmerksam gemacht werden, dass patriarchales Denken und Handeln in allen Schichten und kulturellen Hintergründen existiert.

Während sich der erste Begriff vor allem auf Hass gegen Frauen bezieht, richtet sich der zweite Tatbestand deutlicher an Verbrechen gegen LSBTIQ* Personen:

„Die ausdrückliche Nennung der „gegen die sexuelle Orientierung gerichteten“ Tatmotive betont die Notwendigkeit einer angemessenen Strafzumessung für alle Taten, die sich gegen LSBTI-Personen richten.“

Auf der offiziellen Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMSFSJ) bemerkt Sven Lehmann, Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt: „[…] Was Schwarz auf Weiß im Gesetzestext steht, findet in der Rechtspraxis mehr Beachtung. Die ausdrückliche Erwähnung dieser Beweggründe unterstreicht zudem, dass die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen schon frühzeitig solche Motive aufzuklären und zu berücksichtigen hat.“

Für Menschen, die Opfer solcher Taten geworden sind, bedeutet das zumindest in der Theorie, dass ihnen schneller Gehör geschenkt werden sollte, um somit mögliche blinde Flecken eher zu vermeiden. Es gilt allerdings zu bedenken, dass wir uns mit diesem Gesetz am äußersten Ende der Eskalation bewegen. Es bedeutet nämlich, dass ein Hassverbrechen bereits im Raum steht. Gerade der Begriff des „Patriarchalen“ macht deutlich, dass es sich bei solchen Taten immer auch um „Phänomene“ einer Sozialisation handelt, die nicht in einem luftleeren Raum entstehen, sondern Ergebnis von Strukturen und Erziehung sind. Der neue Entwurf betrifft daher nur eine Seite der Medaille, die ohne eine parallele zivilgesellschaftliche Veränderung nur Symptombekämpfung bleibt.

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In ihrer Pressemitteilung vom 07. Dezember 2022 teilte die Europäische Kommission mit, dass sie einen neuen Vorschlag für das sogenannte Gleichstellungspaket angenommen habe. In der neuen Verordnung gehe es darum, die Vorschriften des internationalen Privatrechts in Bezug auf die Elternschaft auf EU-Ebene zu harmonisieren.

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„Einer der wichtigsten Aspekte des Vorschlags besteht darin, dass die in einem EU-Mitgliedstaat begründete Elternschaft ohne spezielles Verfahren in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden sollte,“ so die Kommission.

Bis jetzt sieht das Unionsrecht nach Auslegung des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) vor, dass EU-Staaten aufgrund des Rechtes zur Freizügigkeit eine Elternschaft aus einem anderen Mitgliedsstaat anzuerkennen haben – allerdings ist eine gleichgeschlechtliche Partner*innenschaft nicht überall anerkannt was für Familien zu Problemen führen kann.

Im entsprechenden Fall hatte ein in Spanien lebendes lesbisches Ehepaar mit britischer und bulgarischer Staatsangehörigkeit geklagt. Bei der Geburt ihrer Tochter hatte die spanische Behörde eine Geburtsurkunde mit doppelter Mutterschaft ausgestellt. Nach einer Zusammenfassung der Tagesschau weigerte sich daraufhin die Stadt Sofia (Bulgarien), dem Mädchen einen Reisepass auszustellen. Zur Begründung hieß es: Die „öffentliche Ordnung“ lasse ausschließlich Geburtsurkunden von Mutter und Vater zu. Zudem sei nicht erkennbar, welches die leibliche Mutter sei. Laut EUGH sei dies jedoch nicht relevant. Spanien habe bestätigt, dass es sich bei beiden Frauen um die Mütter handele. Dies müsse auch Bulgarien anerkennen. Unabhängig von der leiblichen Elternschaft ergebe sich bereits aus der rechtlichen Elternschaft ein Anspruch auf die entsprechende Staatsangehörigkeit. Bulgarien sei zur Ausstellung eines Reisepasses verpflichtet.

Wie die Kommission in ihrer Pressemitteilung jedoch einschränkend anmerkt, gelte dieses Urteil nicht für die Ansprüche, die sich aus einer Elternschaft im nationalen Recht ergeben. Diese würden weiterhin beim jeweiligen Staat verbleiben und müssten in jedem Fall einzeln und zumeist mit hohem zeitlichen und finanziellen Aufwand eingeklagt werden. Damit findet zusätzlich eine Diskriminierung statt. Der neue Vorschlag soll diese Lücke füllen, indem er Rechtssicherheit für Familien und Entlastung bei den Prozesskosten sowohl für die Familien selbst als auch für die Verwaltungs- und Justizsysteme der Mitgliedstaaten vorsieht.

So positiv dieser neue Vorschlag auch klingt, so harsch ist die an ihm geübte Kritik. Nach einer Stellungnahme der europäischen LGBTI*-Bürgerrechtsorganisation Forbidden Colours ändere dieser Vorschlag nichts an dem eigentlichen Problem, dass der Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und/oder sexueller Ausrichtung weiterhin bei den Mitgliedstaaten verbleibe. Es fehle nicht am Recht, so die NGO, sondern an dessen Umsetzung.

„Mitgliedstaaten wie Bulgarien und Rumänien ignorieren Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofs zur gegenseitigen Anerkennung der Elternschaft. Die Europäische Kommission ist nicht bereit, diese Urteile gegenüber ihren Mitgliedstaaten durchzusetzen. Das nennen wir in der Rechtswissenschaft: Pflichtvergessenheit“, so der konkrete Vorwurf von Forbidden Colours.

Wie das Magazin schwullissimo in Bezug auf die Stellungnahme von Forbidden Colours ergänzt, seien seit 14 Jahren bereits vier Kommissare an einer wirkmächtigen Rechtsumsetzung gescheiter.

Einmal mehr wird damit deutlich, dass Rechte immer Teil ihrer jeweiligen Gesellschaft und ihrer Akteure bleiben, die damit die mühevolle, aber notwendige Aufgabe haben, diese für sich selbst, aber auch für Dritte zu hinterfragen und ständig aufs Neue einzufordern.

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Das deutsche Gesundheitssystem unterteilt sich in private und gesetzliche Versicherungen. Grundsätzlich hat dabei jede Person das Recht bzw. die Pflicht auf eine Krankenversicherung. Trotz dieses allgemeinen Schutzes gibt es immer noch Menschen, die durch das Netz fallen: Entweder, weil sie nicht versichert sind oder aber weil die Behandlungen z. T. zu verallgemeinernd und historisch stark männlich geprägt sind. Gerade letzteres betrifft dabei Personen der LGBTIQ* Community.

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Anders sieht das Ganze in den USA aus: Hier besteht zunächst einmal keine Pflicht sich krankenversichern zu lassen. Nicht nur Anbietende von Leistungen wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, sondern auch der Versicherungsmarkt ist stark von privaten Marktinteressen beeinflusst. Zwar gibt es auch verschiedene Pakete, die sich z. B. an alte Menschen, Kinder, Arme oder Militärangehörige richten, jedoch bleibt die stark wirtschaftliche Ausrichtung des gesamten Gesundheitssystems bestehen. Damit trifft die Hürde einer genderspezifischen Behandlung zusätzlich auf eine allgemein teure und nur bedingte Grundversorgung.

Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung des Personalabbaus im Chicagoer Gesundheitszentrum „Howard Brown Health“, dem größten Anbieter für Gesundheits- und Wellenessleistungen für die LGBTIQ*-Gemeinschaft und HIV-Infizierte im Mittleren Westen der USA, ein herber Schlag. Wie herb, zeigt ein Bericht des Guardian, nach dem es landesweit zu weitreichenden Kürzungen bei der Gesundheitsversorgung von Queeren und Transsexuellen gekommen war, da die Bundesstaaten teilweise den Zugang zu geschlechtsangleichender Behandlung verboten oder eingeschränkt hatten. Howard Brown war somit nicht nur eine Anlaufstelle der LGBTIQ*-Bevölkerung von Chicago, sondern ebenso der umliegenden Bundesstaaten.

Zu den gekürzten Stellen zählen solche in den Bereichen Verhaltensmedizin, Gesundheitserziehung, PrEP-Navigation (Vorsorge vor einem möglichen HIV-Kontakt), Covid-Tests etc. Ausfällig ist, dass viele dieser gefährdeten Stellen von Gewerkschaftsmitgliedern besetzt sind. Erst im August dieses Jahres hatten Mitarbeiter*innen von Howard Brown beschlossen, eine Gewerkschaft zu gründen. Nachdem sich das Unternehmen weigerte, der Gewerkschaft Einblicke in die Finanzen zu gewähren, um gemeinsam alternative Einsparmaßnahmen zu finden, erhebt diese nun Vorwürfe, mit den Entlassungen gezielt die Gewerkschaft schwächen zu wollen, so der Guardian weiter.

Wie sich das Ganze entwickelt, bleibt abzuwarten. Allerdings zeigt sich am Beispiel der USA, dass es bei einer gendergerechten Versorgung nicht bloß auf qualitativ geschulte Mediziner*innen ankommt, sondern dass auch eine ausreichende Anzahl notwendig ist. Gerade für jene Mitglieder der LGBTIQ*-Gemeinschaft, die sich auf Grund geringerer Mittel nicht einfach nach alternativen Versorgungmöglichkeiten umsehen können, sind lokale oder zumindest allgemein zugängliche Angebote von großer Bedeutung. Eine Verschlechterung der Behandlungsqualität aufgrund von Personalabbau betrifft oftmals gerade solche Gruppen, die besonders auf eine reflektierte und nicht verallgemeinernde Medizin angewiesen sind.

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Die Debatte um sogenannte Unisex-Toiletten handelt nicht ausschließlich von der Anerkennung von Menschen mit nicht-binären Identitäten. Stattdessen geht es hier auch um das Bedürfnis nach Schutz. Aber auch das greift zu kurz.

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Hinter der Schaffung von „neuen“ Räumen stehen Fragen nach den ungeschriebenen „Benimmregeln“, unterschiedlichen sozialräumlichen und gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten, mit denen sich die Menschen dort begegnen. Einen Raum zu schaffen ist das eine, zu lernen sich in diesem zu bewegen etwas ganz anderes.

Dabei sind Unisex-Toiletten nichts absolut Neues. Wie die Tageszeitung taz in ihrem Artikel zu dem Thema schreibt, gibt es sie schon seit langem in Flugzeugen und Bahnen. Der Unterschied zum „nicht mobilen“ öffentlichen Raum besteht jedoch darin, dass es sich hierbei um einzelne und vollständig abschließbare Kabinen handelt. Dazu ist eine direkte „Kontrolle“ der Gänge vor den Toiletten durch die Öffentlichkeit möglich. In öffentlichen Toiletten, z. B. in Schulen, liegen diese häufig abseits und sind z. T. innerhalb verwinkelt. Auch wenn diese Räume theoretisch für jede Person zugänglich sind, so besteht doch ein gesellschaftliches Selbstverständnis, diese Grenze nicht zu überschreiten.

Damit sind keinesfalls die Diskriminierungserfahrungen von trans Personen auf nach Geschlecht getrennten Toiletten zu marginalisieren. Dennoch bedeutet die Begegnung in Unisex-Toiletten ohne geschlossene Einzelkabinen nicht, dass automatisch weniger diskriminierende Erfahrungen gemacht werden. Öffentliche Toiletten dienen auch als Schutzräume für Mädchen und Frauen vor sexualisierter Gewalt und z. B. bei der Menstruation. Nach Johannes Rück, Sprecher der German Toilet Organization, „sei es [zwar] gut, wenn ‚Klos für alle‘ Diskriminierung verhinderten, aber in vielen Kulturen würden gemischte Klos die Sitten oder religiöse Regeln verletzen.“ (zdf.de)

Es geht also nicht bloß um ein Umdeklarieren vorhandener Toiletten, sondern um eine komplette Neugestaltung des Konzeptes. Dabei stehen zwei große Themen im Kern der Debatte: Zum einen sind es die baulichen Möglichkeiten und ihre Kosten, die in öffentlichen Räumen immer mitbedacht werden müssen. Nach einem Zitat der niedersächsischen Kultusministerien Julia Willie Hamburg auf queer.de sollten zugleich Barrierefreiheit und Bauvorschriften berücksichtigt werden. Zum anderen werden bestimmte Verhaltensmuster nicht einfach abgelegt, nur weil es neue Räume gibt. Besonders in den schulischen, aber auch in anderen Kontexten kann dabei eine unbegleitete Umstrukturierung eine Fahrlässigkeit der Verantwortungstragenden darstellen.

Das Problem besteht also darin, wie man Privatsphäre und einen sicheren Raum für alle schaffen kann. Auf den ersten Blick könnte die Schaffung einer dritten Toilettenkategorie eine Lösung darstellen, wie u. a. die taz schreibt. Auf den zweiten Blick unterliegen auch diese den baulichen Zwängen und dem Fakt, dass sie potenziell für „alle“ zugänglich wären. Solange die offenen Fragen nicht geklärt sind, kommt den Verwaltenden öffentlicher Gebäude für das Einrichten ebenso wie für das Nichteinrichten von Unisex-Toiletten eine besondere Verantwortung zu.

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Schon seit Mai 2021 gilt im „Karolinska-Universitätskrankenhaus“ in Stockholm eine neue Leitlinie zur Therapie von Minderjährigen mit sogenannter Geschlechtsdysphorie. Demnach dürfen keine Medikamente zur Unterdrückung der Pubertät oder für gegengeschlechtliche Hormonbehandlungen bei Patient*innen unter 18 Jahren mehr verschrieben werden.

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Wie das Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) dazu auf seiner Webseite schreibt, warne das Krankenhaus vor potenziellen „irreversible[n] negative[n] Folgen“. Gleichzeitig distanziert es sich damit vom „Dutch Protocol“, das als international propagierte Leitlinie gilt, dessen Grundlage, so IMABE, jedoch lediglich eine einzige Studie bei 55 Jugendlichen bilde. Während die Studie Medikamententherapien ab zwölf bzw. bei Mädchen schon ab acht Jahren empfiehlt, werden auch andernorts Äußerungen vernehmbar, dass diese Studie nicht ausreichend sei. Auch die Washington Post berichtete über die unzureichende Datenlage.

Während die eine Seite auf die unerforschten Nebenwirkungen verweist, wird von der anderen Seite der Vorwurf von Verzögerungen bei nötigen Behandlungen geäußert. Laut Florence Ashley von der McGill University in Kanada in einem Artikel von 2019 begründe gerade der Umstand, dass die Identitätsfindung ein Prozess sei, die Gewährung von Pubertätsblockern als Standard. Stattdessen solle der Nichteinsatz begründungspflichtig sein. Pubertätsblocker und Hormontherapien würden den Zwang verhindern, eine bestimmte Identität einzunehmen, der durch eine Verzögerung der Transitionen jedoch erst verursacht würde, so Florence.

Anders als beim Selbstbestimmungsgesetz, das „ausschließlich die Änderungsmöglichkeit des Geschlechtseintrags und der Vornamen im Personenstandsregister“ betrifft, geht es bei einer medizinischen Transition aber eben nicht nur um eine Selbstdefinition, sondern um chemische bzw. chirurgische Eingriffe in den Körper. Wie wir bereits in einem früheren Artikel zur Detransition geschrieben haben, ist dabei das Ausmaß des Eingriffs ebenso ein Thema wie die Anmerkung, dass sich gerade junge Menschen - unabhängig davon, ob eine Geschlechtsdysphorie besteht oder nicht - in einer Selbstfindungsphase befinden und sich mit sich selbst und ihrer Beziehung zur sozialen Umwelt auseinandersetzen.

Doch würde eine pauschale Hormonbehandlung genauso wie eine pauschale Nichtbehandlung eine Norm schaffen, die sehr wahrscheinlich auch solche Menschen trifft, für die das eine oder andere ein medizinischer Übergriff bzw. eine Unterlassung bedeutete.

Gerade Jugendliche, die an einer Geschlechtsdysphorie leiden, benötigten hier einen interdisziplinären Ansatz, so die Washington Post weiter. Ärzt*innen sind aber - ebenso wie Aktivist*innen - keine Universalgelehrten. Beide benötigen die Einschätzung ihrer Kolleg*innen bzw. anderer Fachgruppen und Institutionen aus verschiedenen Feldern, wie zum Beispiel der Psychologie oder Pädagogik und Sozialen Arbeit. Wie jedoch der Artikel hervorhebt, haben viele Kliniken in den USA ein massives Personalproblem, gerade in Bezug auf Fachkräfte der Sozialen Arbeit.

Hier geht es eben nicht nur um die Fragen „Was ist Identität und wie entsteht sie?“, sondern auch darum, diese Identität „herzustellen“. Das Problem dabei entsteht, wenn einzelne Gruppen versuchen, hierauf eine abschließende und allgemeingültige Antwort zu finden.

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Am Freitag, 18. November, war es so weit: Das Kabinett der Bundesregierung beschloss den bundesweit ersten ‚Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt‘. Damit will sich die Koalition aus SPD, Grüne und FDP für mehr Akzeptanz und gegen die Diskriminierung queerer Menschen einsetzen.

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„Queer leben“, so der Name des Plans, überführt damit einem Bericht der Tagesschau zufolge getroffene Vereinbarungen des Koalitionsvertrags in konkrete Handlungsschritte. Beispielsweise solle das Abstammungs- und Familienrecht so angepasst werden, dass „vielfältige Familienkonstellationen“ gestärkt werden. Ein weiterer Teil des Aktionsplans betrifft das Selbstbestimmungsgesetz, zu dem wir hier bereits näher berichteten.

Der Aktionsplan fokussiert die gesamte LSBTIQ* Community. Auf der offiziellen Seite der Bundesregierung werden sechs primäre Handlungsfelder vorgestellt:

  1. Rechtliche Anerkennung: Hierunter fallena. die oben angesprochene Modernisierung des Familienrechts und das Selbstbestimmungsgesetz.
  2. Teilhabe: „Die Bundesregierung will die Forschung und Datenerhebung zur Lebenssituation von LSBTIQ* (lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter* und queer) ausbauen.“ Zudem versteht die Koalition unter Teilhabe auch die Aufklärung in Schulen sowie die Bildung älterer Menschen und ein verbessertes „Diversity-Management im öffentlichen Dienst“
  3. Sicherheit: „Ziel ist, LSBTIQ* besser vor Gewalt, Übergriffen und Anfeindungen zu schützen“. Unter anderem sollen Straftaten gegen LSBTIQ* besser statistisch erfasst und das Dunkelfeld aufgehellt werden.
  4. Gesundheit: Unter diesem Punkt geht es darum, das spezifische medizinische Fachwissen und die HIV/Aids-Prävention auszubauen und den grundsätzlichen Zugang zur Gesundheitsversorgung für LSBTIQ* zu verbessern.
  5. Stärkung von Beratungs- und Communitystrukturen: „Geplant ist ein Dialog mit den Ländern zum Ausbau und zur Stärkung der Antidiskriminierungsberatung.“
  6. Internationales: Hier sieht die Bundesregierung vor, neben den Rechten auch die internationale Repräsentanz „[…] von LSBTIQ* in der Entwicklungszusammenarbeit und auswärtigen Beziehungen stärken“.

Nach Angaben der taz haben die Maßnahmen vorschlagenden, keinen verbindlichen  Charakter. Auch wird Kritik an einzelnen Maßnahmen laut, beispielsweise gebe es diverse Unklarheiten beim Thema Abstammungsrecht. Der gesamte Plan wird als „vage“ und „Raum für Spekulationen“ lassend bezeichnet, auch was die Finanzierung und einen Zeitplan betrifft..

Die Bundesregierung schreibt: „Als nächstes werden die Ministerien ressortübergreifend den Aktionsplan weiter ausgestalten, priorisieren und Maßnahmen umsetzen.“ Wie jedoch diese Ausgestaltung aussieht und was genau priorisiert wird, bleibt abzuwarten und so lange, so scheint es, tritt der Aktionsplan noch nicht in Aktion.

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Mehr Vorbilder und Verbündete für queere Jugendliche! "Peer4Queer" unterstützt queere Jugendliche durch Mentoring in ihrer Identitätsfindung in Bezug auf ihre sexuelle und romantische Orientierung sowie geschlechtliche Identität. Dafür werden queere Menschen (bis zu 29 Jahren) zu Mentor*innen ausgebildet, damit sie als Vorbilder Jugendliche (bis zu 25 Jahren) ein Jahr lang begleiten und sie in ihrer Identitätsfindung unterstützen können.

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Die Mentor*innen geben im Eins-zu-eins-Mentoring ihr Wissen und ihre Erfahrungen an die Jugendlichen weiter.

Außerdem arbeitet Peer4Queer mit Hamburger Schulen zusammen: In Seminaren beschäftigen sich Schüler*innen mit dem Thema "queere Identitäten" und lernen, wie sie sich für die Belange queerer Jugendlicher einsetzen können.

Queer!? – Was meinen wir eigentlich damit?

Unter dem Wort "queer" verstehen wir einen Sammelbegriff, der für alle Menschen offen ist, die sich nichtheterosexuell und/oder nicht-cis-geschlechtlich (also sich mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, nicht identifizieren können) fühlen – oder die sich nicht sicher sind, wie sie sich definieren möchten oder können.

 

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