Echte Vielfalt

30. November 2022

LSBTIQ* im Alter: Ein noch zu wenig berücksichtigtes Thema

Schaut man in die Meldungen gängiger Medien, so ist die LSBTIQ* Community durchaus präsent. Vergleicht man jedoch die Berichte und Artikel, so zeigen sie ein sehr aktives und engagiertes Bild der Menschen. Dass dies so ist, wird nicht zuletzt daran liegen, dass es für viele um Emanzipation und den Kampf um die eigene Identität geht. Was dabei häufig nicht in den Blick fällt, sind die Personen, die nicht mehr (so) aktiv sein können oder denen der Anschluss fehlt, so wie bei manchen Alten oder Pflegebedürftigen.

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Der AWO Bundesverband e.V. führte bis Ende 2020 ein bundesweites Modellprojekt zur Öffnung der verbandseigenen Altenhilfeeinrichtungen für die Zielgruppe „LSBTI“ durch. Dabei stellte er fest, dass in Deutschland schätzungsweise eine Million Menschen über 65 Jahre leben, die sich als „LSBTI“ identifizieren.

Dass Alter nicht zwangsläufig gleichbedeutend ist mit Isolation und Mangel an Aktivität, zeigen Beispiele wie die „Golden Girls“ aus Köln: Eine lesbische Gruppe für Frauen ab 50+, die in die Szene integriert ist und sich unter anderem für Lesben im Alter einsetzt. Laut L.MAG zeigen die „Golden Girls“ ein aktives Vereinsleben mit gegenseitiger Unterstützung und Engagement.

Dabei drängt sich die Frage auf, was mit den Menschen ist, die keinen Anschluss finden, für die das Vereinsleben nicht das richtige ist und/oder die sich aufgrund ihrer Biografie zurückgezogen haben. Wie die AWO anmerkt,

„[wurden] allein in der BRD […] zwischen 1950 und 1969 mehr als 100.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet mit ca. 50.000 rechtskräftigen Verurteilungen, die erst 2017 nach einem Bundestagsbeschluss aufgehoben wurden, verbunden mit einem Rechtsanspruch auf Entschädigung.“

Zusätzlich sind LSBTIQ* aus dieser Generation häufiger mit einem Mangel an familiärer Unterstützung bzw. höherer Kinderlosigkeit konfrontiert und leben aus Angst vor erneuter Zurückweisung ebenfalls häufiger zurückgezogen.

Wenn es also um das Thema Alt-Sein als LSBTIQ* geht, muss ein besonderes Augenmerk auf die Gruppe gelegt werden, die nicht mehr aktiv sein kann oder will. Eine aktive Selbsthilfe und Sichtbarmachen von Alter, wie es die „Golden Girls“ vorleben, ist dabei für alle, die es sich vorstellen können, wünschenswert und in keiner Weise zu schmälern.

Grundsatz sollte jedoch die Forderung des Dachverbandes Lesben und Alter e.V. sowie der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren e.V. aus ihrem Positionspapier sein:

„[Es braucht eine] Sensibilisierung der Senior*innenarbeit für die Bedarfe von Lesben und Schwulen.“

Dies lässt sich dabei ohne Umschweife auf die gesamte LSBTIQ* Community übertragen und zeigt gleichzeitig, wie wichtig es ist, diejenigen mitzudenken, die sich nicht selbst artikulieren (können). In einem Leistungssystem, das den Gedanken der Subsidiarität hochhält, bedeutet die Forderung nicht weniger als die blinden Flecken der bestehenden (Alten-)Pflege anzugehen, da sich gerade hier die Menschen befinden, die nicht mehr den nötigen Anschluss an eine Community haben.

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