Politik, Recht und Identität: Zum Stellenwert der Pride-Flagge in Gesellschaft und Gesetz
20. Mai 2025Weiterlesen Laut NDR haben Unbekannte in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai erneut Regenbogenflaggen von Brücken entfernt. Später fand man diese zerschnitten auf den Bahngleisen. Der Staatsschutz ermittelt. In Deutschland kann das Verbrennen von Pride-Flaggen als symbolische „böswillige Verächtlichmachung“ gegen eine Gruppe oder einen Teil der Bevölkerung verstanden werden. Damit würde es sich nach §130 StGB um Volksverhetzung handeln. Während solche Angriffe in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden, bleibt eine Verfolgung jedoch immer reaktiv. In den USA hingegen zeigen einige Städte, dass es auch einen proaktiven Weg gibt: Sie erklären die Pride-Flagge offiziell zum Symbol, um gesetzliche Einschränkungen zu umgehen und ein klares Zeichen für Vielfalt und Akzeptanz zu setzen. Zwar reagieren sie damit auf einen Angriff auf die Freiheit durch die Bundesstaaten selbst – etwas, das in Deutschland nicht der Fall ist –, doch gleichzeitig zeigen sie, dass nicht nur Rechtspopulismus und ultrakonservative Kräfte den Rechtsstaat und seine Instrumente nutzen können. In einigen republikanisch geführten Bundesstaaten der USA – insbesondere Idaho und Utah – wurden inoffizielle Fahnen an öffentlichen Gebäuden verboten, darunter auch die Regenbogenflagge, so berichtet der RND in einem Artikel vom 14. Mai 2025. Um dem entgegenzuwirken, haben sich Städte wie Boise und Salt Lake City dazu entschlossen, die Flaggen offiziell zu einem Symbol der Stadt zu erklären. Kathy Corless, Stadträtin von Boise, betont, dass es sich bei dem Verbot nicht um eine bloße politische Aktion, sondern um eine klare Zensur handelt. Dies ist umso schwerwiegender, da „Zensur“ genau der Vorwurf ist, der inflationär aus dem konservativen Trump-nahen Lager kommt. Auf dem Instagram-Kanal von Salt Lake City heißt es: Die Stadtverwaltung hat einstimmig drei neue Stadtflaggen genehmigt, die von der Bürgermeisterin vorgeschlagen wurden. Alle enthalten das Symbol der Sego-Lilie, das bereits auf der aktuellen Stadtflagge zu sehen ist und für Widerstandsfähigkeit, Akzeptanz und Zugehörigkeit steht. Chris Wharton, Vorsitzender des Stadtratsbezirks 3, betont, dass die Pride-Flagge ein Symbol für gemeinsame Werte und Menschlichkeit sei. Angesichts der staatlichen Einschränkungen für Fahnen an öffentlichen Gebäuden sieht er es als wichtigen Schritt, dass die Stadt ihre Werte weiterhin innerhalb des gesetzlichen Rahmens vertreten kann. Der Politikwissenschaftler Christian Lammert bewertet diese Maßnahme gegenüber dem RND als mehr als reine Symbolpolitik. Seiner Ansicht nach sendet sie eine starke Botschaft für Vielfalt, Akzeptanz und Gleichberechtigung – mit potenziell positiven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Städte. Diese Entscheidung verdeutlicht auch die politischen Spannungen zwischen republikanisch dominierten Bundesstaaten und demokratisch geführten Stadtverwaltungen. Sie zeigt zudem, dass sich nicht nur Rechtspopulisten das Recht zunutze machen können. Die Flaggen sind ein Beispiel dafür, dass auch Verwaltungs- und Zivilrecht zu einem Schutzwall werden können. Allerdings hängt es maßgeblich davon ab, wie sie von den jeweiligen Institutionen – ob kommunal oder nicht – interpretiert und angewandt werden. Am Ende braucht es immer wieder Menschen – hier Politiker*innen –, die Recht erlassen, anwenden und darüber hinaus auch zivile Akteure, die solches Recht einfordern.