Echte Vielfalt

Erfahrungen

Im ostafrikanischen Land Kenia haben Aktivist*innen und Filmproduzent*innen die Entscheidung der hiesigen Filmklassifizierungsbehörde kritisiert, einen Dokumentarfilm zu verbieten, der die Geschichte eines kenianischen Mannes erzählt, der mit seiner Sexualität kämpft.

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Der Film, der über fünf Jahre hinweg gedreht wurde und dessen Bearbeitung zwei Jahre in Anspruch nahm, zeigt das Leben eines jungen Mannes, der in Kenia auf dem Land aufwächst und von seiner Sexualität gequält wird, und der nach seinem Umzug in die Hauptstadt Nairobi Akzeptanz findet.

Laut Aktivist*innen spiegele das Verbot Kenias „intolerante und aufdringliche religiöse und kulturelle Überzeugungen“ wider: „Die anhaltende Kriminalisierung von LGBTQ+-Personen in Kenia ist ein trauriger Trend, der an Diskriminierung und Verfolgung von Personen grenzt, die als Minderheit wahrgenommen werden. Der Schritt wird von sehr intoleranten und aufdringlichen religiösen und kulturellen Überzeugungen diktiert“, sagte Kamau Ngugi, der geschäftsführende Direktor der Defenders Coalition, einer Dachorganisation von Rechtsorganisationen und Aktivist*innen.

Die Filmklassifizierungsbehörde erklärte letzte Woche, dass der Film „offensichtlich“ gegen die Gesetze des Landes verstoße, die jede Form von Homosexualität oder gleichgeschlechtlicher Ehe unter Strafe stellen, und dass die Handlung ein „klarer und bewusster Versuch des Produzenten sei, die gleichgeschlechtliche Ehe als akzeptable Lebensform zu fördern“. Das kenianische Gesetz stellt jeden unter Strafe, der „fleischliche Kenntnisse von einer Person entgegen der natürlichen Ordnung“ erlangt. Bei einer Verurteilung drohen bis zu 14 Jahre Gefängnis. In der kenianischen Verfassung heißt es, dass die Ehe eine Verbindung zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts ist. Die Regierung bezeichnete den Film auch als Blasphemie gegen den christlichen Glauben. Zwei junge Männer werden gezeigt, wie sie einen Gottesdienst abhalten, was „ein Versuch ist, die Religion zu benutzen, um die gleichgeschlechtliche Ehe zu befürworten“, so die Regierung. Sie hat gewarnt, dass jede*r, der*die versucht, den Film in Kenia „auszustellen, zu verbreiten, zu senden oder zu besitzen“, „mit der vollen Härte des Gesetzes“ bestraft wird.

Toni Kamau, eine der Produzent*innen des Films, bezeichnete das Verbot jedoch als einen Affront gegen die in der kenianischen Verfassung verankerte Redefreiheit. Sie sagte, sie sei zutiefst betrübt über die diskriminierende Sprache, die die Regierung verwendet, um die Erfahrungen der Menschen zu beschreiben, die ihnen Einblick in ihr Leben gewährt haben. Sie glaube, dass es hier um eine größere Diskussion über die Meinungsfreiheit gehe. Jede*r habe das Recht, seine*ihre Lebenserfahrung, seine*ihre Wahrheit zu teilen: „Was bedeutet es, ein religiöser kenianischer Mann in einem Land zu sein, das seine Liebe kriminalisiert? Wir hielten es für wichtig, diese Geschichte zu erzählen, weil es eine kenianische Geschichte ist.“

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C.O.C.K. – „Collective Opulence Celebrating Kindred“ (Kollektive Opulenz feiert Verwandte) ist der Slogan für eine Kollektion, in deren Mittelpunkt, wie die Designer*innen Tourmaline und Becca McCharen-Tran es ausdrücken, „Mädchen, die sich nicht verstecken, trans Frauen, nicht-binäre Menschen, Frauen, Männer“ oder einfach alle stehen, die Lust haben. In der Praxis bedeutet dies eine neue Reihe von Bademode mit Platz in den Höschen.

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Für die Designerin Tourmaline war es ein persönliches Projekt, eine Kollektion zu entwerfen, die die Sicherheit von trans Frauen, die sich nicht verstecken wollen, in den Mittelpunkt stellt. „Ich gehe seit etwa 16 Jahren ins Riis [an den Strand] und es gab immer wieder Momente, in denen ich mich unwohl fühlte“, erzählt sie in einer Journalistin des Magazins them. „Ich kann mich daran erinnern, dass ich im Wasser war und Angst hatte, wieder herauszukommen, weil ich nicht wollte, dass die Leute meinen Körper sehen.“ Sie fährt fort und erklärt, was sie sich von dieser Kollektion erhofft: „Bei dieser Kollektion geht es darum, ein Leben zu retten. Es geht um die Rückbesinnung auf die Grundlagen von Mode und Ästhetik: Unsere Selbstgestaltung ist ein mächtiger Akt, und durch unsere Macht haben wir eine größere Fähigkeit, Sicherheit für andere zu schaffen.“ Auch betont sie noch einmal die weltbildenden Visionen, die der Kollektion zugrunde liegen: „Wir modellieren die Welt, in der wir leben wollen, durch unser Handeln in diesem Moment. Wir erschaffen also buchstäblich unsere Zukunft in unserem jetzigen Moment: Wir wollen eine Zukunft mit allen Arten von Körpern, einer Fülle von Körpern, einer Fülle von Menschen am Strand, die sich kraftvoll, vergnüglich, sexy und lebendig fühlen.“

Die Schauspielerin Gia Love, die für die Bademode modelte, sagte darüber: „Diese Kollektion ist revolutionär. Es ist so wichtig, Raum für Frauen zu schaffen, um Freude zu erleben und Zugang zu Anzügen zu haben, die unsere Körper bestätigen.“

Lesen Sie hier einen Artikel darüber, was inklusive und genderbefreite Kleidung bedeuten kann. 

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Alok Vaid-Menon, ein*e amerikanische*r Schriftsteller*in, Performance-Künstler*in und selbstbezeichnete*r „fashionist@“, hat sich das Ziel Gesetzt Mode zu „DeGendern“, das heißt Kleidungsstücke von ihren geschlechtlichen Konnotationen zu befreien.

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In einem Essay für das Magazin theseptemberissues hat Alok Vaid-Menon darüber einen Essay geschrieben. Der folgende, übersetzte Abschnitt stammt hieraus, und beschreibt den Grund für die Befreiung von Binaritäten in der Mode wie folgt:

„Ich habe den Begriff ‚nicht-binär‘ immer als unbefriedigend empfunden, da er von uns verlangt, uns durch unsere Abwesenheit zu definieren und nicht durch unsere übermäßige Präsenz. Ich bevorzuge die Unendlichkeit. Es gibt so viele Möglichkeiten, eine Frau zu sein und wie eine Frau auszusehen, wie es Frauen gibt, es gibt so viele Möglichkeiten, ein Mann zu sein und wie ein Mann auszusehen, wie es Männer gibt, und es gibt so viele Möglichkeiten, so zu sein und auszusehen, wie das eigene Geschlecht ist. Kleidung kann ein Mittel des geschlechtlichen Ausdrucks sein, um anders, neu und alt zu werden. Aber wir sollten entscheiden können, was das bedeutet, und nicht gesagt bekommen. Wo sie ‚einen Mann in einem Kleid‘ sehen, sehen wir eine unendliche Möglichkeit des Seins. Wie können wir es wagen, uns anzumaßen, es zu wissen, wenn wir einfach fragen können?“

Vaid-Menon wirft damit wichtige Fragen auf, und fordert mehr Freiheit in der Modewelt – einer Welt, die in unserer Gesellschaft, wohl oder übel, eine maßgebliche Rolle spielt. Lesen Sie hier einen Artikel über eine neue Kollektion inklusiver Bademode, und was diese für ihre Träger*innen bedeuten kann.

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Schon vor dem Aufstand der Taliban in Afghanistan war das Leben des schwulen Mannes Abdul (sein Name wurde geändert) gefährlich. Hätte er damals mit der falschen Person über seine Sexualität gesprochen, hätte Abdul nach afghanischem Recht verhaftet und wegen seiner Sexualität vor Gericht gestellt werden können. Doch seit die Taliban letzte Woche die Kontrolle über die wichtigsten Städte Afghanistans übernommen haben, würde er, bei Offenlegung seiner Sexualität „auf der Stelle getötet“.

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Die Taliban sind eine militärische Gruppe, die die Kontrolle über das Land übernommen hat und dafür bekannt ist, dass sie extreme islamische Ideale durchsetzt. Nach der Auslegung der Scharia durch die Taliban ist Homosexualität streng verboten und wird mit dem Tod bestraft. Als die Taliban das letzte Mal in Afghanistan an der Macht waren, zwischen Ende der 90er Jahre und 2001, war der 21-jährige Abdul noch nicht geboren.

„Ich habe gehört, wie meine Eltern und die Älteren über die Taliban gesprochen haben“, sagte er gegenüber Radio 1 Newsbeat, „Wir haben einige Filme gesehen. Aber jetzt ist es, als wäre ich in einem Film“.

Eigentlich sollte Abdul in dieser Woche seine letzten Universitätsprüfungen ablegen, mit Freund*innen zu Mittag essen und seinen Freund besuchen, den er vor drei Jahren in einem Schwimmbad kennen gelernt hat. Stattdessen sitzt er nun schon den vierten Tag in Folge in seinem Haus. Vor seiner Haustür stehen derzeit Taliban-Soldaten. „Selbst wenn ich die Taliban von den Fenstern aus sehe, habe ich große Angst. Mein Körper beginnt zu zittern, wenn ich sie sehe“, erzählt er. „Es werden Zivilisten getötet. Ich glaube nicht, dass ich jemals vor ihnen sprechen werde“.

Doch nicht nur die neuen Machthaber des Landes dürfen nichts von Abduls Sexualität erfahren. „Als schwuler Mensch in Afghanistan darf man sich nicht zu erkennen geben, nicht einmal seiner Familie oder seinen Freunden gegenüber. Wenn ich mich meiner Familie offenbare, werden sie mich vielleicht schlagen, vielleicht töten“.

Doch, obwohl er seine Sexualität verbarg, genoss Abdul sein Leben im pulsierenden Stadtzentrum des Landes. „Mein Studium verlief perfekt. Es war Leben in der Stadt, es gab viele Menschen in der Stadt.“ Nun, innerhalb einer Woche, hat Abdul das Gefühl, sein Leben vor seinen Augen verschwinden zu sehen. „Es gibt keine Zukunft für uns.“

„Ich glaube nicht, dass ich jemals meine Ausbildung fortsetzen werde. Zu meinen Freund*innen habe ich den Kontakt verloren. Ich weiß nicht, ob es ihnen gut geht. Mein Partner sitzt mit seiner Familie in einer anderen Stadt fest. Ich kann nicht dorthin gehen, er kann nicht hierherkommen.“

„Ich leide unter schweren Depressionen. Ich denke daran, diese Sache einfach zu beenden. Ich will so ein Leben nicht mehr führen. Ich will eine Zukunft, in der ich frei leben kann und nicht von Leuten darauf hingewiesen werde, dass man hier nicht schwul sein darf.“ Abdul macht sich keine Hoffnungen auf die Versprechen der Taliban, anders zu regieren. „Selbst wenn die Taliban eine Frau in der Regierung oder in der Schule akzeptieren, werden sie niemals schwule oder LGBT-Menschen akzeptieren. Sie werden sie alle auf der Stelle töten.“

Abdul sagt, er warte darauf, „einen Weg zu finden, das Land zu verlassen“. Es gibt einige Organisationen und Aktivist*innen, die versuchen, queere Afghan*innen in Sicherheit zu bringen. Abdul habe gehört, dass das Vereinigte Königreich die Aufnahme von 20 000 Geflüchteten aus seinem Land plane, aber niemand wisse, wie man sich bewerben oder registrieren lassen könne.

„Ich bin 21 Jahre alt. Mein ganzes Leben habe ich im Krieg verbracht, in Bombenangriffen, ich habe Freunde und Verwandte verloren“ – „Ich möchte nur sagen, falls jemand meine Botschaft hört, dass ich als junger Mensch das Recht habe, frei und sicher zu leben“, sagt Abdul abschließend.

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  Wie bei jedem Thema, das marginalisierte Menschen betrifft, nehmen sich viele selten die Zeit, über Behinderung nachzudenken. Viele erkundigen sich nicht nach den Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen aus erster Hand, sondern diskutieren das Thema stattdessen lieber mit anderen Menschen ohne Behinderungen. So werden queere Menschen mit Behinderung oft von LGBTQI*-Räumen ausgeschlossen: Das spaltet die Community.

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In einem Artikel der Independent Zeitung beschreibt Umber Ghauri, die selbst queer ist und eine Behinderung hat, dass viele in der Community gar nicht fragen würden, was sie als Mensch mit Behinderung braucht. So würden sie nach ihren eigenen Vorstellungen Räume für Menschen mit Behinderung schaffen, und dann perplex darüber sein, warum Menschen mit Behinderung nicht dabei sind. Es sei deswegen wichtig, als Community ein tiefergehendes Gespräch über Barrierefreiheit führen.

Ein Beispiel, welches sie dafür anbringt, ist dass LGBTQ+-Initiativen oft über wenig finanzielle Mittel verfügen, so dass ein stufenloser Zugang wie ein Luxus erscheinen könne. Für Menschen, die einen stufenlosen Zugang benötigen, ist er jedoch eine Notwendigkeit. Und selbst wenn ein Raum über einen stufenlosen Zugang verfügt, sind möglicherweise keine barrierefreien Verkehrsmittel in der Nähe verfügbar. Darüber hinaus hätten sich viele queere Communities um Nachtleben und Aktivismus herum gebildet – mit einer Behinderung sind Proteste, Märsche und Clubnächte jedoch oftmals nicht gut zugänglich. „Diese Orte sind daher oft enttäuschend exklusiv“, schreibt Ghauri, und weiter: „Menschen mit Behinderung werden als lästig betrachtet, als Nachzügler. Und wenn wir nicht von Anfang an mitgedacht werden, kann man darauf wetten, dass das Ergebnis eines ist, das uns ausschließt“.

Dieser Mangel an Barrierefreiheit dränge queere Menschen mit Behinderung immer weiter aus der Community heraus. Es müsse ein Verständnis entstehen, dass zwar alle unterschiedliche Bedürfnisse und Herausforderungen haben, man aber immer noch eine Gemeinschaft sei. Dabei hätten alle LGBTQI* die Verantwortung, Menschen mit Behinderung nicht nur einzubeziehen, sondern zu unterstützen, denn, so Ghauri: „Ohne uns übersehen Sie einen großen Teil der LGBTQ+ Menschen und repräsentieren daher unsere Gemeinschaft nicht ausreichend“.

Einige Lösungen seien hier einfach: stufenlose Zugänge, genügend Sitzgelegenheiten, viel Platz, Berücksichtigung barrierefreier Verkehrsmittel. Andere jedoch seien schwieriger: die Annahme zu zerstören, dass Behinderung immer sichtbar sei, die Annahme in Frage zu stellen, dass Menschen mit Behinderung weniger zu bieten hätten als Menschen ohne Behinderung, und die Stimme von Menschen mit Behinderung zu verstärken: „Für viele von uns ist eine Behinderung genauso ein Teil unserer Identität wie LGBTQ+ zu sein“. Wenn behinderte Menschen also von queeren Räumen ausgeschlossen werden, spalte das die ganze Community.

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Der Historiker Benno Gammerl hat mit dem Buch „Anders Fühlen“ die erste umfassende (Emotions)Geschichte von Homosexualität in der Bundesrepublik veröffentlicht. Gammerl beschreibt die Lebenswelten von schwulen und lesbischen Menschen seit den 1950er Jahren unter dem Schwerpunkt ihrer Gefühlswelten.

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Ausführlich kommen auch Zeitzeug*innen zu Wort, die der Autor für seine Studie in sogenannten Oral History Interviews befragt hat. Zu zum Beispiel auch Frau Schmidt. Diese berichtet in dem Buch über ihre Erfahrungen als „Politlesbe“: „Ich werd jetzt 65. Ich bin, war sehr engagiert auch in der Szene und hab ganz viel aufgebaut in E. Ich bin ’ne Politlesbe, sag ich jetzt mal so salopp. Also ich hatte auch so ’nen Ruf, dass ich ’ne Mackerfrau wär, weil ich mich gegenüber Männern sehr energisch durchsetzen konnte. Ich hab auch ein sehr ausgeprägtes Rechtsbewusstsein. Wenn mir Unrecht geschieht, dann kann ich ziemlich wütend werden.“

Das Buch nimmt die Position ein, dass Gefühle, in Empfindungen und im Ausdruck, von sozialen und kulturellen Kontexten geprägt sind. Gammerl ordnet die Gefühle seiner Protagonist*innen also in einen zeitgeschichtlichen Kontext ein. Drei große Kapitel und Epochen strukturieren das Buch: "Nachkriegsdekaden: Ausweichen", die 1970er-Jahre: Aufbrechen!" sowie "1980er-Jahre: Ankommen". Der Autor betont jedoch, dass diese Periodisierung nicht einer eindeutig linearen Entwicklung von Emanzipation zuzuordnen ist.

Das Wichtigste, so berichtet Gammerl in einem Interview, sei für ihn die Gleichzeitigkeit von Stigmatisierung, Emanzipation und Normalisierung darzustellen. Es habe sich vieles zum Guten verändert, doch nach wie vor gebe es Ausgrenzung. Es gelte, sich mit der Komplexität unterschiedlicher Gefühlslagen auseinanderzusetzen. Außerdem sei es ihm als schwulem Historiker auch ein persönliches Anliegen gewesen, zu dem Themenfeld zu arbeiten.

Eine positive Rezension zum Buch ist in der Süddeutschen Zeitung erschienen: „Die Fülle der Lebensentwürfe, die hier zur Sprache kommen, ist atemberaubend und kaum resümierbar. Man kann das Buch überall aufschlagen und eintauchen. Lesbische Mütter und schwule Väter gab es längst vor den neuen Patchworkfamilien, lebenslange Partnerschaften selbstverständlich vor der Einführung der ‚Ehe für alle‘“.

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Bifeindlichkeit bezeichnet die Diskriminierung bisexueller Menschen. Sie kann sich in negativen Einstellungen, Vorurteilen oder Handlungen ausdrücken, die sich gegen bisexuelle Menschen als eine soziale Gruppe oder als Individuen richten.

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Bisexuelle Menschen können auch von Homofeindlichkeit betroffen sein, erfahren aber auch andere Diskriminierung als Schwule und Lesben. Gemeinsamkeit zwischen Bifeindlichkeit und Homofeindlichkeit ist dann die Ablehnung von Nicht-Heterosexualität. Es ist auch möglich, bifeindlich zu sein, ohne jedoch homophob zu sein. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn man der Meinung ist, dass Menschen entweder homo- oder nur heterosexuell zu sein haben. Dies wird manchmal auch als Monosexismus bezeichnet.

Es gibt einige negative gesellschaftliche Vorurteile und Klischees gegenüber bisexuellen Menschen. Dazu gehört etwa verwirrt zu sein (und dies nicht immer nur in Bezug auf die eigene Sexualität) zu sein, und die damit zusammenhängende Forderung, sich endlich mal entscheiden zu müssen. Ein weiteres Vorurteil ist, dass es sich nur um eine Phase handelt, in der sich eine Person nur ausprobiere, oder gar, dass die Person nur einem Trend folge.  Weitere Vorurteile sind, dass bisexuelle Personen automatisch häufig wechselnde Geschlechtspartner*innen hätten, oder nicht-monogam lebten. Gerade bisexuelle Frauen gelten in der sexistischen Vorstellung einiger Männer als grundsätzlich sexuell verfügbar. Dies mag auch mit ein Grund sein, dass bisexuelle Frauen überdurchschnittlich oft sexualisierte Gewalt erleben.

Bisexuelle Menschen outen sich weniger als homosexuelle Personen, sind stärker von häuslicher Gewalt betroffen und haben zum Beispiel in Kanada oder Australien seltener Erfolg beim Erlangen eines Flüchtlingsstatus.

Bifeindliche Einstellungen kann es jedoch auch in der queeren Community selbst geben, etwa wenn lesbische oder schwule Menschen Bisexualität nicht ernst nehmen und nicht als eigenständige sexuelle Identität akzeptieren. Teilweise wird auch die Bindungsfähigkeit von bisexuellen Personen in Frage gestellt und herrscht die Angst, dass ein*e bisexuell(e) Partner*in seine/ihre(n) homosexuelle(n) Partner*in für eine heterosexuelle Alternative wieder verlässt. Insbesondere gegen bisexuelle Männer kann von schwulen Männern das Vorurteil geben, dass diese „eigentlich schwul“ seien, und diese auf Grund der Stigmatisierung oder noch nicht bereit sind, offen homosexuell zu leben.

Immer wieder wird auch von Bisexuellen kritisiert, dass sie und ihre Orientierung in der Community unsichtbar gemacht werden. Wird die Existenz von Bisexualität geleugnet, wird von bisexual erasure (englisch: „bisexuelle Verdrängung/Löschung“) gesprochen.

Die Vorurteile und mangelnde Akzeptanz gegenüber Bisexualität in der Mehrheitsgesellschaft aber auch in der queeren Community können dazu führen, dass sich einige bisexuelle Menschen innerlich zerrissen fühlen und ihre Sexualität verleugnen. Auch leiden bisexuelle Menschen häufiger an psychischen Erkrankungen als heterosexuelle oder homosexuelle Menschen. Wie eine australische Studie herausfand, kann auch dies auch mit „internalisierter Bifeindlichkeit“ zusammenhängen, da bisexuelle Menschen eher ein Problem damit haben können, ihre Sexualität zu akzeptieren.

In Deutschland engagiert sich das Bisexuelle Netzwerk für mehr bisexuelle Sichtbarkeit und Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema. Der Verein listet auf seiner Webseite Stammtische und bisexuelle Gruppen auf und bietet auch eine Telefonberatung an.

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Das „Archiv der anderen Erinnerungen“ ist ein Projekt der Bundestiftung Magnus Hirschfeld und dokumentiert mit biographischen Videointerviews die Lebensgeschichten von queeren Menschen aus der BRD und der DDR, die unter anderem durch den Paragraphen 175 betroffen waren.

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Ziel der Initiative ist es, die (historischen) Lebenswelten von LSBTIQ zu bewahren und auch für zukünftige Generationen sichtbar zu machen.  Dabei steht die Frage im Zentrum, auf welche Weise die persönliche Lebensgeschichte mit Fragen der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität verbunden ist. Die konkreten, persönlichen und unterschiedlichen Erfahrungen der befragten Personen sollen das Spektrum der LSBTIQ-Geschichte erweitern.

Das Team des Projektes besteht aus freien Mitarbeiter*innen verschiedener Hintergründe und unterschiedlicher sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identitäten. Alle vereint das Interesse für die vergangene, gegenwärtige und zukünftige Lebenssituation von LSBTIQ.

Im Dezember 2013 wurde mit der Durchführung der Videointerviews begonnen. Bislang sind 57 Interviews entstanden. Forscher*innen können nach einer Anfrage das Material für ihre Forschungsvorhaben nutzen.

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Wie erzähle ich jemandem, dass ich nicht heterosexuell bin? Wie kann ich Freund*innen beim Coming-out unterstützen?

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Da in der Gesellschaft auf Grund von Heteronormativität oftmals davon ausgegangen wird, dass jemand heterosexuell lebt, ist es für nicht-heterosexuelle Menschen oftmals eine bewusste Entscheidung, ob und wann sie ihre Identität anderen gegenüber offenlegen, sich also „outen“ wollen. Insbesondere das erste Coming-out gegenüber Freunden und Familienangehörigen kann ein entscheidendes Erlebnis im Leben von Schwulen, Lesben und Bisexuellen sein.

Einigen ist ein Coming-out gegenüber vielen Personen wichtig, um nicht-heterosexuelle Orientierungen sichtbar zu machen. Andere möchten sich in bestimmten Kontexten nicht outen, da sie Angst vor negativen Reaktionen, Ablehnung und Vorurteilen haben. Oder es gibt Menschen, die ihre sexuelle Orientierung nur beiläufig oder wenn es explizit zum Thema wird, erwähnen. Auf jeden Fall ist das Coming-out eine persönliche Entscheidung und sollte selbstbestimmt erfolgen, und nicht auf Druck von anderen entstehen.

Weiß das Umfeld noch gar nichts von der eigenen sexuellen Orientierung so sollte man sich zunächst Personen anvertrauen, die einen auf jeden Fall unterstützen. Sinnvoll ist es außerdem, den Personen, gegenüber denen man sich geoutet hat, mitzuteilen, ob sie diese Information vertraulich behandeln sollen. Kontakt zu anderen schwulen, lesbischen oder bisexuellen Personen, die sich bereits geoutet haben, kann ebenfalls hilfreich sein.

Bei negativen Reaktionen nach einem Coming-out sollte der Kontakt zu Vertrauenspersonen gesucht werden oder im Falle von homofeindlichen Reaktionen, zum Beispiel im beruflichen Kontext, ggf.  sogar rechtliche Schritte eingeleitet werden. Auch Beratungsstellen unterstützen bei Fragen zum Coming-out und dem damit verbundenen Umgang mit Ausgrenzung und Abwertung.

Wenn eine Person in Ihrem Umfeld sich outen möchte: Bieten Sie der Person Unterstützung an, und haben Sie ein offenes Ohr, wenn die Person danach über die Reaktionen berichten möchte. Tauschen Sie sich darüber aus, was im Falle negativer Reaktionen Handlungsoptionen sind. Informationen für Eltern, die ihr Kind beim Coming-out unterstützen möchten, hat die Bundeszentale für gesundheitliche Aufklärung in einer Broschüre zusammengestellt.

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In diesem Artikel berichtete Echte Vielfalt bereits über den Forschungsbericht des „Monitoring Trans- und homophobe Gewalt“ in Berlin. Schwerpunktthema des diesjährigen Berichtes war eine Untersuchung über lesbenfeindliche Gewalt. Die wichtigsten Ergebnisse dieses Schwerpunktes sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

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Statistiken zu Homophobie würden Lesben tendenziell unsichtbar belassen, so die Autor*innen der Studie. Bisherige Studien zu lesbenfeindlicher Gewalt zeigten jedoch, dass diese mangelnde Repräsentanz lesbischer Frauen aber nicht darauf zurückgehe, dass dies weniger von Gewalt betroffen seien. Frauen neigen zudem laut der Forschung dazu, homophobe Beleidigungen eher hinzunehmen, da sie durch den alltäglichen Sexismus an Abwertungen gewöhnt seien.

Für die Untersuchung wurden 188 Teilnehmer*innen befragt. Von diesen bezeichnen sich die meisten als weiblich (87 %) bzw. divers (14 %) und lesbisch (58 %) bzw. queer (35 %). Die meisten Befragten sind zwischen 25 und 35 Jahre alt und 28 % sind nach eigener Einschätzung oft als lesbisch/queer sichtbar.

Die Befragten schildern, dass die Gewalt gegen sie überwiegend im öffentlichen Raum stattfindet und zumeist von Einzelpersonen ausgeht. Beschimpfungen und Beleidigungen werden als häufigste Form von Gewalt genannt. Ein Nicht-Eingreifen Unbeteiligter in solchen Situationen wird als besonders verletzend empfunden. Gewalt im persönlichen Umfeld von Betroffenen wird zwar weniger häufig benannt, wird aber oft als belastender empfunden.

Viele lesbische Frauen treffen Vorsichtsmaßnahmen, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Sie weisen verschiedenen Orten in der Stadt ein Gefühl von Unsicherheit oder Sicherheit zu, es ließen sich daraus jedoch keine allgemeineren Schlüsse bezüglich bestimmter Bezirke ableiten.  Berlin werde zwar insgesamt als „Zufluchtsort“ erlebt, doch das Sicherheitsgefühl der Befragten hat in den letzten Jahren abgenommen.

Verschränkungen mit anderen Diskriminierungsformen spielen bei Gewalt gegen Lesben eine große Rolle. Bei lesbenfeindlicher Gewalt verschränken sich fast immer Homophobie und Sexismus. Dies macht diese Form der Gewalt im öffentlichen Bewusstsein eher unsichtbar und führt möglicherweise auch mit dazu, dass die Dunkelziffer bei lesbenfeindlicher Gewalt besonders hoch zu sein scheint. Das bestätigt sich auch in der Befragung: Von 188 Befragten berichtet über ein Drittel von lesbenfeindlicher Gewalt oder übergriffigem Verhalten im vergangenen Jahr. Doch nur jeweils 3 % wendeten sich  an eine Beratungsstelle oder zeigten die Tat bei der Polizei an. Insgesamt wurden im Jahr 2018 48 Fälle durch Beratungsstellen und Polizei registriert. Viele Befragten nehmen an, dass die Polizei nichts unternehmen wird oder unternehmen kann, und wenden sich daher nicht an sie.

Zu den Gründen, warum lesbenfeindliche Gewalt in der Öffentlichkeit verhältnismäßig unbemerkt bleibt, äußert sich auch Albrecht Lüter, einer der Autor*innen des Berichts, in einem Interview: „Wir haben es hier mit vorrangig privaten Bewältigungsformen zu tun, die die Öffentlichkeit nicht erreichen. Zum einen ist es so, dass es in der Schwulenszene eine professionellere und längere Auseinandersetzung mit Antigewaltarbeit gibt. Außerdem wird die Polizei als maskuline Organisation wahrgenommen, der man eher mangelnde Sensibilität für die Belange und Gefühlswelt nach einem Angriff auf lesbische und bisexuelle Frauen unterstellt, deshalb wird die Polizei als Institution gemieden“ so Lüter. Als einen weiteren Punkt nennt er die bereits thematisierte Überschneidung von Lesbenfeindlichkeit und Sexismus. Gewalterfahrungen einer lesbischen Frau betreffen diese als Frau und als Lesbe. In einer heterosexistischen Gesellschaft seien solche Übergriffe normalisiert und würden daher nicht polizeilich angezeigt.

Lesbenfeindliche Gewalt wird auch innerhalb von LSBTIQ*-Communities beschrieben, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung. Solche Vorfälle werden ebenfalls als besonders belastend beschrieben, da sie sich in Räumen ereignen, die eigentlich als Rückzugs- und Schutzorte fungieren sollten.

Insgesamt wünschen sich die Befragten stärkere gesellschaftliche Bemühungen in Bezug auf ihre spezifische Problemlage, beispielsweise Aktionen für mehr Solidarität und Zivilcourage.

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