Echte Vielfalt

14. April 2021

Homophobe Gewalt in Berlin: Untersuchung zu lesbenfeindlicher Gewalt

In diesem Artikel berichtete Echte Vielfalt bereits über den Forschungsbericht des „Monitoring Trans- und homophobe Gewalt“ in Berlin. Schwerpunktthema des diesjährigen Berichtes war eine Untersuchung über lesbenfeindliche Gewalt. Die wichtigsten Ergebnisse dieses Schwerpunktes sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

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Statistiken zu Homophobie würden Lesben tendenziell unsichtbar belassen, so die Autor*innen der Studie. Bisherige Studien zu lesbenfeindlicher Gewalt zeigten jedoch, dass diese mangelnde Repräsentanz lesbischer Frauen aber nicht darauf zurückgehe, dass dies weniger von Gewalt betroffen seien. Frauen neigen zudem laut der Forschung dazu, homophobe Beleidigungen eher hinzunehmen, da sie durch den alltäglichen Sexismus an Abwertungen gewöhnt seien.

Für die Untersuchung wurden 188 Teilnehmer*innen befragt. Von diesen bezeichnen sich die meisten als weiblich (87 %) bzw. divers (14 %) und lesbisch (58 %) bzw. queer (35 %). Die meisten Befragten sind zwischen 25 und 35 Jahre alt und 28 % sind nach eigener Einschätzung oft als lesbisch/queer sichtbar.

Die Befragten schildern, dass die Gewalt gegen sie überwiegend im öffentlichen Raum stattfindet und zumeist von Einzelpersonen ausgeht. Beschimpfungen und Beleidigungen werden als häufigste Form von Gewalt genannt. Ein Nicht-Eingreifen Unbeteiligter in solchen Situationen wird als besonders verletzend empfunden. Gewalt im persönlichen Umfeld von Betroffenen wird zwar weniger häufig benannt, wird aber oft als belastender empfunden.

Viele lesbische Frauen treffen Vorsichtsmaßnahmen, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Sie weisen verschiedenen Orten in der Stadt ein Gefühl von Unsicherheit oder Sicherheit zu, es ließen sich daraus jedoch keine allgemeineren Schlüsse bezüglich bestimmter Bezirke ableiten.  Berlin werde zwar insgesamt als „Zufluchtsort“ erlebt, doch das Sicherheitsgefühl der Befragten hat in den letzten Jahren abgenommen.

Verschränkungen mit anderen Diskriminierungsformen spielen bei Gewalt gegen Lesben eine große Rolle. Bei lesbenfeindlicher Gewalt verschränken sich fast immer Homophobie und Sexismus. Dies macht diese Form der Gewalt im öffentlichen Bewusstsein eher unsichtbar und führt möglicherweise auch mit dazu, dass die Dunkelziffer bei lesbenfeindlicher Gewalt besonders hoch zu sein scheint. Das bestätigt sich auch in der Befragung: Von 188 Befragten berichtet über ein Drittel von lesbenfeindlicher Gewalt oder übergriffigem Verhalten im vergangenen Jahr. Doch nur jeweils 3 % wendeten sich  an eine Beratungsstelle oder zeigten die Tat bei der Polizei an. Insgesamt wurden im Jahr 2018 48 Fälle durch Beratungsstellen und Polizei registriert. Viele Befragten nehmen an, dass die Polizei nichts unternehmen wird oder unternehmen kann, und wenden sich daher nicht an sie.

Zu den Gründen, warum lesbenfeindliche Gewalt in der Öffentlichkeit verhältnismäßig unbemerkt bleibt, äußert sich auch Albrecht Lüter, einer der Autor*innen des Berichts, in einem Interview: „Wir haben es hier mit vorrangig privaten Bewältigungsformen zu tun, die die Öffentlichkeit nicht erreichen. Zum einen ist es so, dass es in der Schwulenszene eine professionellere und längere Auseinandersetzung mit Antigewaltarbeit gibt. Außerdem wird die Polizei als maskuline Organisation wahrgenommen, der man eher mangelnde Sensibilität für die Belange und Gefühlswelt nach einem Angriff auf lesbische und bisexuelle Frauen unterstellt, deshalb wird die Polizei als Institution gemieden“ so Lüter. Als einen weiteren Punkt nennt er die bereits thematisierte Überschneidung von Lesbenfeindlichkeit und Sexismus. Gewalterfahrungen einer lesbischen Frau betreffen diese als Frau und als Lesbe. In einer heterosexistischen Gesellschaft seien solche Übergriffe normalisiert und würden daher nicht polizeilich angezeigt.

Lesbenfeindliche Gewalt wird auch innerhalb von LSBTIQ*-Communities beschrieben, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung. Solche Vorfälle werden ebenfalls als besonders belastend beschrieben, da sie sich in Räumen ereignen, die eigentlich als Rückzugs- und Schutzorte fungieren sollten.

Insgesamt wünschen sich die Befragten stärkere gesellschaftliche Bemühungen in Bezug auf ihre spezifische Problemlage, beispielsweise Aktionen für mehr Solidarität und Zivilcourage.

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