Echte Vielfalt

Alter

Ab 2026 steht das Land vor einer entscheidenden Wendung: Der natürliche Bevölkerungsrückgang, bedingt durch mehr Sterbefälle als Geburten, wird die Wanderungsgewinne übersteigen. Ab diesem Zeitpunkt wird die Einwohner*innenzahl in Schleswig-Holstein zurückgehen. Bis 2040 wird ein Rückgang von etwa 46.000 Menschen erwartet – ein Minus von 1,6 Prozent. Besonders in ländlichen Kreisen wie Dithmarschen, Steinburg und Ostholstein wird ein Bevölkerungsschwund prognostiziert. Im Gegensatz dazu wird erwartet, dass Städte wie Flensburg, Kiel und die Kreise rund um Hamburg weiterhin wachsen.

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Diese demografische Entwicklung hat nicht nur Auswirkungen auf die allgemeine Bevölkerung, sondern auch auf die LGBTIQ*-Gemeinschaft und ihre Vereine. Die Veränderung der Altersstruktur mit einem markanten Anstieg der älteren Bevölkerung wird auch die queeren Communities betreffen. Bereits heute ist die Zahl der über 65-Jährigen in Schleswig-Holstein höher als die der unter 20-Jährigen. Bis 2040 wird die Zahl der über 80-Jährigen landesweit um 70.000 Menschen steigen – ein Anstieg von 31,7 Prozent. Besonders betroffen sind die Kreise Schleswig-Flensburg und Nordfriesland, nachzulesen auf Schleswig-Holsteins offizieller Webseite.

Für die LGBTIQ*-Gemeinschaft ergeben sich daraus zwei zentrale Themen: Zum einen wird es darum gehen, bereits heute die Weichen zu stellen für Strukturen, die auch eine älter werdende LGBTIQ*-Gemeinschaft berücksichtigen. 15 Jahre sind nicht lang, wenn es um die Transformation eines Landes geht. Schon in früheren Artikeln haben wir über das Thema „Queeres Wohnen im Alter“ berichtet und beispielsweise die Eröffnung des ersten LGBTIQ*-freundlichen Pflegeheims in Kiel-Ellerbek im September 2023 thematisiert. Davon wird es mehr brauchen.

Doch hier soll ein anderer Blickwinkel eingenommen werden: Weniger junge Menschen bedeutet, dass die Qualität der Lebensräume steigen muss, um Regionen attraktiv zu halten und das langsame Verblassen kleinerer Städte und ländlicher Gebiete zumindest zu minimieren.

Wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie betonte, umfasst Lebensqualität dabei neben gesundheitlichen Aspekten auch die Dimension des „Miteinanders im alltäglichen Lebensumfeld“. Dies schließt sowohl das häusliche als auch das nachbarschaftliche und kommunale Umfeld ein. Darüber hinaus wächst der Wunsch in der Bevölkerung, „nicht auf Kosten anderer oder von Natur und Umwelt zu leben“, was die Menschen bei der Beurteilung ihrer Lebensqualität beeinflusst.

Die Schaffung eines offenen und inklusiven Schleswig-Holsteins – nicht nur in den großen Städten und Speckgürteln, sondern auch in ländlichen Regionen –, das alle Gruppen, einschließlich der LGBTIQ*-Gemeinschaft, auch im demografischen Wandel berücksichtigt, kann also nicht nur die Lebensqualität der LGBTIQ*-Gemeinschaft verbessern. Es bildet auch einen nicht zu unterschätzenden Baustein für die Verbesserung der Lebensqualität aller Menschen in Schleswig-Holstein.

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Regelmäßige Bewegung fördert die Gesundheit, besonders im Alter, und hält den Körper fit und beschwerdefrei. Diese banale Erkenntnis gilt für alle Menschen, doch viele in der LSBTIQ*-Community stehen vor besonderen Herausforderungen, insbesondere im Alter.

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Vor diesem Hintergrund bemängelt die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS e.V.), dass viele reguläre Sportangebote immer noch stark von Homo-, Inter- und Transfeindlichkeit geprägt sind, was viele LSBTIQ*-Menschen dazu bringt, sich zurückzuziehen. Aus diesem Grund bietet die BISS unter dem Motto „Fit im Alter“ interessierten älteren schwulen Männern einen „Such-Service“ an.

Bereits seit den 1980er Jahren haben sich in großen Städten schwule und queere Sportvereine gebildet, die einen Safe Space anbieten. Auch bezeichnen sich mittlerweile immer mehr reguläre Sportvereine als queerfreundlich, was grundsätzlich zu befürworten ist. Die BISS empfiehlt jedoch, bei Letzteren stets nachzufragen, wie sich diese Vereine in Bezug auf Homo-, Inter- und Transfeindlichkeit positionieren.

Gerade wenn Sport unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsförderung betrieben wird, ist ein Safe Space umso bedeutsamer. Wer also nach einem Verein in seiner Region sucht, findet über den Such-Service der BISS eine erste mögliche Quelle. Doch auch für diejenigen, die nicht sportlich aktiv sind, bietet die BISS interessante Adressen zu Themen wie Freizeit, Kultur, Beratungsstellen, Wohnen im Alter und HIV.

Allerdings ist die Suchfunktion der BISS etwas unübersichtlich, da sie nur nach Kategorie oder Bundesland sortiert ist. In Schleswig-Holstein werden zum Beispiel die Gruppen „Reife Früchte Kiel“, „BISS Lübeck“ und „Schwuler Seniorenkreis Kreis Storman“ angezeigt. Diese Vereine bieten auf den ersten Blick allerdings keine Sportangebote an, werden jedoch bei der Suche nach Sportvereinen gelistet. Es lohnt sich dennoch nachzufragen; lokale Vereine kennen häufig die Angebote ihrer Region am besten.

Das gilt selbstverständlich auch für alle anderen Bundesländer: Fragen kostet nichts! Außerdem sind Personen, die Mitglied in einem schwulen und/oder queeren Sportverein sind oder eine nicht sportartspezifische Gruppe organisieren, herzlich eingeladen, sich mit der BISS in Verbindung zu setzen:

Telefon: 0221 - 29 49 24 17
E-Mail: biss@schwuleundalter.de
Bürozeiten: Montag bis Freitag 9 - 15 Uhr

Nutzen Sie die Gelegenheit, ein Sportangebot zu finden, selbst zu organisieren oder Ihren Verein weiterzuempfehlen.

Bild: www.freepik.com

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Der Dachverband Lesben und Alter e.V. startet eine wichtige bundesweite Umfrage, um die soziale Lebenssituation von Lesben* ab 55 Jahren in Deutschland zu erfassen. Mit der Umfrage „Würdevolles Altern – Zur sozialen Lebenssituation älterer und alter Lesben* in Deutschland“ möchte der Verband herausfinden, wie Lesben* in verschiedenen Teilen des Landes leben, welche Erfahrungen sie gemacht haben und welche Wünsche sie für die Zukunft haben.

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Dass Menschen im Alter neben Themen, die spezifisch in dieser Lebensphase auf sie zukommen, immer auch ihre gesamte Lebensgeschichte mitnehmen, ist keine neue Erkenntnis. Gerade mit Bezug auf den Dachverband Lesben und Alter haben wir bereits des Öfteren in unseren Artikeln das Thema von Mehrfachdiskriminierungen im Alter aufgegriffen. Dabei geht es allerdings nicht nur um sichtbare Probleme. Auch „blinde Flecken“, wie wir sie in unserem Artikel zur Demenz beschreiben, sind ebenso ein Problem.

In einer Gesellschaft, in der gerade ältere Menschen, die von mehrfacher Diskriminierung betroffen sind, häufig nicht mitgedacht werden, macht es Sinn, dass ein Verband wie Lesben und Alter e.V. sich für die spezifischen Bedürfnisse und Erfahrungen seiner Zielgruppe interessiert. Dies gilt allerdings ebenso für alle anderen Kombinationen doppelter oder multipler Diskriminierung. Das Ziel sollte immer sein, auch jene mitzudenken, die keine gute Lobby besitzen, sich nicht trauen oder um die Möglichkeit wissen, sich an Verbände zu wenden. Für die Leser*innen, die den Fragebogen ausfüllen „oder nicht“, kann das bedeuten, sich die Frage zu stellen: Wer aus meinem Umfeld nimmt eher selten an solchen Umfragen teil und wem könnte ich den Fragebogen daher weiterleiten?

Für die großen Verbände, gerade Lesben- und/oder Schwulen-Verbände, aber auch Senior*innen-Verbände, schließt sich mit Blick auf eine solche Umfrage der Bedarf an, über ihre Kernklientel hinaus zu blicken. Was ist beispielsweise mit anderen Gruppen der LGBTIQ*-Gemeinschaft? Was ist mit geflüchteten LGBTIQ*Seniorinnen oder mit Menschen, die mehrfach diskriminiert sind und sich in ökonomisch prekären Lebenslagen befinden? Hier geht es explizit nicht um Kritik am Fokus der Umfrage, sondern darum, diese als Denkanstoß für die unterschiedlichsten Verbände und Vereine zu begreifen und sich gerade auch bei Umfragen zu vernetzen, was viele vermutlich bereits tun.

Diese Umfrage zielt nun darauf ab, Unterschiede in den Lebenssituationen von Lesben* ab 55 Jahren in Deutschland, bspw. zwischen Ost und West, zu untersuchen, Diskriminierungserfahrungen sichtbar zu machen und das sexuelle sowie geschlechtliche Selbstverständnis der Befragten zu verstehen. Auch Fragen zu sozialer und politischer Teilhabe, sozialer Infrastruktur, Einkommen, Vermögen und Zukunftsplänen werden gestellt.

Die Beantwortung des Fragebogens dauert ca. 20 bis 25 Minuten und er kann anonym online unter diesem Link ausgefüllt werden. Sollte eine Online-Teilnahme nicht möglich sein, bietet der Dachverband eine Printversion an, die auf Anfrage per Post zugeschickt wird. Dafür gibt es hier ein Kontaktformular.

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Das Thema „Queer im Alter“ wird seitens queerpolitischer Akteur*innen und Initiativen immer mehr in den Vordergrund gerückt. Gerade ältere LSBTIQ*-Personen brauchen Räume, in denen sie sich über geteilte Erfahrungen austauschen und Diskriminierung im Alltag entgehen können. Neben Ansätzen in der Offenen Senior*innenarbeit gibt es in ganz Deutschland immer mehr Wohnprojekte für queere Senior*innen, die einen solchen Safer Space schaffen wollen.

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In Berlin gibt es bereits mehrere solcher Projekte. Darunter fallen die zwei Lebensorte Vielfalt der Schwulenberatung Berlin, die sich explizit an LSBTIQ* Personen richten.  Hier können Senior*innen zusammenkommen, die beispielsweise aufgrund der anhaltenden Kriminalisierung von Homosexualität in der BRD bis in die 1990er oder des Verlustes von Freund*innen aufgrund von HIV und Aids Erfahrungen teilen, wie der Tagesspiegel berichtet. Außerdem gibt es Pflege- und Betreuungsangebote, verschiedene Hilfen im Alltag und auch kulturelle sowie Bildungsangebote.

Einen ähnlichen, aber intergenerationellen Ansatz verfolgt der Verein Queerer Leuchtturm St. Pauli in Hamburg, welcher altersgerechtes Wohnen mit queerer Kultur, Beratung und Pflege im Hamburger Stadtteil St. Pauli verbinden möchte und dabei generationsübergreifende (Wohn-)Angebote schafft.

Die AWO (Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.) hat im Rahmen des Modellprojekts „Queer im Alter“ ebenfalls Angebote für LSBTIQ*-Senior*innen an sechs Standorten in Deutschland initiiert. Dabei sind die Angebote nicht ausschließlich für queere Ältere gedacht, sondern möchten das Zusammenleben verschiedener Personen fördern und LSBTIQ*-sensible Ansätze verfolgen. Mit der Einrichtung Kiel-Ellerbek hat die AWO das erste LSBTIQ*-freundliche Pflegeheim in Schleswig-Holstein geschaffen (echte-vielfalt berichtete).

Alle diese Projekte zeigen wichtige Ansätze, um die Einsamkeit von älteren queeren Personen vorzubeugen und diskriminierungsarme Räume zu schaffen, die gleichzeitig die Bedarfe von Senior*innen abdecken. Dabei muss jedoch betont werden, dass die Angebote bei weitem nicht ausreichen. Nach Angaben des Tagesspiegel stehen derzeit 900 Personen allein auf der Warteliste des Lebensort Vielfalt Südkreuz, was die Notwendigkeit solcher Wohn- und Lebensorte für queere Senior*innen deutlich macht. Auch im ländlichen Raum müssten solche Wohnkonzepte mitgedacht und von Kommunen unterstützt und gefördert werden.

 

Zum Thema noch ein Veranstaltungstipp: Anlässlich des Pride Monats und der Berliner Seniorenwoche findet am 29. Juni 2024 um 14:00 Uhr in der Begegnungsstätte Gitschiner Str. 38 in Berlin-Kreuzberg ein kostenloser Workshop zum Thema „Queeres Wohnen im Alter: Wie kommen wir von Träumen zu Tatsachen“ statt. Dabei soll über aktuelle Projekte reflektiert werden sowie über Möglichkeiten, die Lage von FLINTA* auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu verbessern, gesprochen werden. Die Veranstalter*innen bitten um vorherige Anmeldung per Telefon: 030 5058 5450. Weitere Informationen auf der Webseite des CSD Berlin.

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Der Dachverband Lesben und Alter, der sich in Politik, Verbänden und Gesellschaft für die Interessen von älteren Lesben einsetzt, forderte zum Tag der lesbischen Sichtbarkeit am 26. April 2024 den Erhalt und Aufbau von Strukturen und Orten für diese Gruppe.

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Aufgrund ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer Sexualität würden lesbische Seniorinnen auf mehreren Ebenen Diskriminierung erfahren und um ihre Sichtbarkeit kämpfen müssen. Dabei hätten viele von ihnen die Lesben- und Frauenbewegung in Deutschland vorangetrieben. Die Vorständin des Dachverbands Lesben und Alter Carolina Brauckmann betont: „Mit ihren kreativen, lautstarken Aktionen gegen Tabus und für lesbische Lebensformen haben sie eine offenere Gesellschaft in Deutschland geprägt – im Westen ebenso wie im Osten“.

An ältere Lesben gerichtete kommunale und landesweite Strukturen, Orte und Netzwerke müssen erhalten werden, fordert der Dachverband. Treffpunkte, die „einen Zufluchtsort“ bieten, „um dem Alltag zwischen Versteckspiel und Diskriminierung für ein paar Stunden zu entfliehen“, seien sehr wichtig für (ältere) Lesben, so der Dachverband in seiner Pressemitteilung.

Kommunen und freie Träger würden hier zunehmend Angebote schaffen, dafür müsse jedoch auch sichergestellt werden, dass eine Sensibilisierung für die spezifischen Anliegen und Bedürfnisse homosexueller älterer Frauen stattfinde. Einige solcher zielgruppenspezifischer Angebote seien davon bedroht wegzufallen, wie zum Beispiel die „Landesfachberatung für gleichgeschlechtliche und transidente Lebensweisen in der offenen Senior*innenarbeit NRW“.

So fordert der Dachverband die politisch Verantwortlichen dazu auf, nachhaltige Angebote für die Gruppe der lesbischen Senior*innen zu schaffen und Orte und Strukturen aufzubauen und zu erhalten.

Der Dachverband Lesben und Alter e.V. setzt sich für diverse Anliegen lesbischer Frauen im Alter ein, darunter auch Themen wie Rente, Wohnen, politische und gesellschaftliche Teilhabe und Altersarmut.

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Unter dem Titel "Demenz und queer - Vielfalt denken, sehen, ermöglichen!" hat das Kompetenzzentrum Demenz in Schleswig-Holstein aktuell eine Broschüre veröffentlicht, die über zentrale Fragen des Themas informiert. "Demenz ist nicht nur heterosexuell, cisgeschlechtlich, weiß und alt. Menschen mit Demenz sind divers", so Anneke Wilken-Bober vom Kompetenzzentrum Demenz.

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Bei "echter Vielfalt" haben wir bereits mehrfach Nachbarthemen wie Alter, Menschen mit Behinderung oder auch Gesundheitsversorgung aufgegriffen, ohne dabei spezifisch Demenz anzusprechen.

All diese Themen haben dabei zwei zentrale Aspekte gemein. Es sind Felder, die erstens aufgrund von Normen und Nicht-Thematisierung blinde Flecken aufweisen können und dies häufig auch tun. Darüber hinaus beinhalten sie die Gefahr von Mehrfachdiskriminierungen - und das nicht nur in Bezug auf LGBTIQ*, wie das Zitat von Anneke Wilken-Bober verdeutlicht. Wie wir bereits in den Artikeln zu Alter und Menschen mit Behinderung festgestellt haben, geht es dabei auch darum, Menschen mitzudenken, die selbst oder deren Angehörige vielleicht nicht mehr oder noch nie laut und aktiv um ihre Rechte gekämpft haben. Aus Angst, Scham oder Gewohnheit oder ganz einfach, weil sie ihre Privatsphäre haben wollen. All das ist möglich.

Wenn Angehörige und Fachpersonen davon wissen, können sie sich darüber informieren und entsprechend verhalten. Aber was ist, wenn Wissen und Bedürfnisse einen Bruch erleben? Menschen, die sich in ihrer Biografie geoutet haben, kennen solche Brüche. Es gibt eine Zeit davor und danach. "Es kann passieren, dass eine Transperson sich nicht mehr als trans wahrnimmt, sondern in dem Geschlecht, mit dem sie geboren wurde. Der eventuell veränderte Körper oder die Kleidung kann irritieren. Es kann aber auch sein, dass Menschen erst in der Demenz damit beginnen, das zu leben, was sie sich immer versagt haben", so Nora Eckert im Kapitel "Die Geschichte von heute alten LSBTIQA* […]."

Was hier am Beispiel Trans ausgeführt wird, gilt grundsätzlich für Personen mit Demenz und Diskriminierungserfahrungen. Was, wenn Personen plötzlich glauben, sich wieder verstecken zu müssen oder sich erst mit der Demenz outen? Aber auch ein anderer Gedanke drängt sich auf. Wie wir bereits in unserem Artikel "Philosophische Überlegungen zur Bedeutung von Trans- und Nichtbinär-Sein" thematisiert haben, ist Sexualität keine statische Eigenschaft, sondern kann sich über die Jahre verändern.

Die Broschüre des Kompetenzzentrums Demenz bietet Angehörigen sowie Einrichtungen und deren Mitarbeiter*innen einen hilfreichen Einstieg in die Bereiche queer bzw. LSBTIQA* und Demenz. Die Leser*innen erhalten hier Denkanstöße, Informationen und weiterführende Literaturtipps sowie Kontakte für beide Schwerpunkte unter der Rubrik "Literaturtipps und Adressen für Interessierte". Die Broschüre zielt darauf ab, sowohl Personen ohne Vorkenntnisse als auch solche, die nur mit einem der Themen vertraut sind, zu erreichen und ein besseres Verständnis für die besonderen Aspekte der Pflege queerer Personen mit Demenz zu fördern.

Auf seiner Webseite veröffentlicht das Kompetenzzentrum zudem:

  • Weitere "Links zum Weiterlesen, Informieren und Stöbern" sowie
  • einen kleinen Exkurs zum Thema "Liebe und Intimität im Alter und bei Demenz".
  • Als Besonderheit bietet die Webseite die Möglichkeit, die Zitate aus dem Kapitel "Demenz und queer – Vielfalt denken, sehen, ermöglichen!" im Originalton anzuhören.

Weitere aktuelle Beiträge zu seniorenpolitischen Themen finden Sie auf unserem Portal seniorenpolitik-aktuell.de seniorenpolitik-aktuell.de.

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Pressemitteilung, Berlin, 06.03.2023 Schluss mit der Diskriminierung älterer Lesben! Zum Internationalen Frauentag fordert der bundesweite Dachverband Lesben und Alter Geschlechtergerechtigkeit. Lesbische Seniorinnen sind stark benachteiligt. Es sind vor allem Frauen, die die Gruppe der Älteren prägen! In Deutschland ist die Zahl der 65-Jährigen und Älteren seit 1991 von 12 Millionen auf 18,4 Millionen im Jahr 2021 deutlich gestiegen. Mit 10,3 Millionen bilden die Frauen nach wie vor die Mehrzahl älterer Menschen. Von ihnen leben nach konservativen Schätzungen mindestens 300.0000 lesbisch beziehungsweise frauenliebend. „Im Alter sind viele Lesben und alleinstehende Frauen stark benachteiligt“, kritisiert Carolina Brauckmann, Vorstandsfrau im Dachverband Lesben und Alter. Die Hochglanzbilder der betuchten Seniorin passen nicht zur Lebensrealität derjenigen, deren Rente wegen Erziehungszeiten, Minijobs und Niedriglöhnen hinten und vorne nicht ausreicht. Sorge vor explodierenden Kosten und das drohende Stigma Altersarmut sind allzu oft Alltagsbegleiter lesbischer und alleinstehender Seniorinnen. Selbst das Wohnen als „letzte Bastion der Selbstwirksamkeit“, so Prof. Dr. Irene Götz von der Ludwig-Maximilian-Universität München, ist gefährdet angesichts horrender Mieten. Wo sind die bezahlbaren Wohnprojekte und Mehrgenerationen-Häuser für Lesben und alleinstehende Frauen? Wo sind die Orte für Lesben- und Frauengemeinschaften? Und wo sind die staatlichen und kommunalen Förderprogramme, die der massiven strukturellen Benachteiligung von älteren Lesben und alleinstehenden Frauen Einhalt gebieten? Zum Internationalen Tag für die Rechte der Frauen ruft der Dachverband Lesben und Alter dazu auf, die Lebenssituation älterer Lesben und alleinstehender Frauen zu stärken. Geschlechtergerechtigkeit ist noch lange nicht erreicht. Notwendig sind eine systematische Erforschung insbesondere lesbischer Lebenslagen und geeignete Maßnahmen, um strukturelle Ungleichheiten dauerhaft zu beenden. Der Dachverband Lesben und Alter fordert:
  • Bereitstellung von bezahlbarem gemeinschaftlichem Wohnraum.
  • Aufstockung der Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau.
  • Funktionierende Mietendeckel mit Sanktionen bei Verstoß.
  • Förderprogramme für Kultur- und Begegnungsorte für Lesben in allen Lebensaltern.
  • Sicherung und Ausweitung von Lesbenberatungen und Lesbenprojekten.
  • Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung, eine Verbesserung der Einkommenschancen und der eigenständigen Alterssicherung von Frauen.
  • Unterstützung von Pflegewohngemeinschaften.
  • Finanzierung und Umsetzung von Konzepten für frauen- und lesbenrespektierende Pflege.
Pressekontakt: Carolina Brauckmann Dachverband Lesben und Alter e. V. | Friedbergstr. 20 | 14057 Berlin www.lesbenundalter.de | kontakt@lesbenundalter.de | Tel: +49 (0)179 6603807 Der Dachverband Lesben und Alter e.V. vertritt die Interessen älterer und alter lesbisch lebender Frauen gegenüber Politik, Verbänden und Gesellschaft. Er stärkt die Wahrnehmung für ihre spezifischen Lebenssituationen. Alles, was Frauen ein unabhängiges und wirtschaftlich gefestigtes Leben ermöglicht, ist auch ein lesbisches Thema. Zu diesen Themen gehören gesellschaftliche und politische Teilhabe, Wohnformen, Pflege, Rentenpolitik und drohende Altersarmut.

"Wie war es, als schwuler Mann oder lesbische Frau, in den Sechziger-, Achtziger oder Zweitausenderjahren in Schleswig-Holstein zu leben? Und wie hat sich das queere Leben im nördlichsten Bundesland in sechs Jahrzehnten entwickelt? Erstmals gibt nun eine Publikation Auskunft zu diesen Fragen: 14 queere Menschen erzählen aus ihrem Leben."

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Die dargestellten Lebensgeschichten ergeben "ein beeindruckendes Gesellschaftsbild", insbesondere die sich verändernden Vorstellungen und Menschenbildern in dieser Zeitspanne von sechzig Jahren. Deutlich wird aber auch, "wie sich die queere Community aus eigener Kraft in die Mitte der Gesellschaft brachte – und dort auch nicht wirklich glücklich ist." Die Geschichten wurden von  Oliver Pries gesammelt. Der Journalist wurde in Bad Oldesloe geboren und lebt seit 30 Jahren in Lübeck.

Der Aktionsplan „Echte Vielfalt“ hat das Projekt »Broschüre „60 Jahre queeres Schleswig-Holstein: Lebensgeschichten von 1960 – 2020“« gefördert. Die Publikation ist in einer ersten Auflage (300 Exemplare) im August erschienen. Die zweite Auflage (1.000 Exemplare) kam im November aus der Druckerei und wird momentan verteilt. Inzwischen wurden bereits zwei Lesungen aus den Lebensgeschichten veranstaltet.

Parallel haben sich die Autor*innen (der Lübecker CSD e.V.) beim Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ 2022 der Bundeszentrale für politische Bildung beworben und ganz aktuell die Nachricht bekommen, dass die Auswahljury die Projektidee als vorbildlich einstuft und mit einem Preis von 4.000€ auszeichnet.

Das Projekt wird hier vorgestellt: www.luebeck-pride.de/news/lebensgeschichten

Das Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt stellt das Projekt hier vor: www.buendnis-toleranz.de/arbeitsfelder/anlaufstelle/initiativen/initiativenlandkarte/177223/60-jahre-queeres-schleswig-holstein-lebensgeschichten-von-1960-2020

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Schaut man in die Meldungen gängiger Medien, so ist die LSBTIQ* Community durchaus präsent. Vergleicht man jedoch die Berichte und Artikel, so zeigen sie ein sehr aktives und engagiertes Bild der Menschen. Dass dies so ist, wird nicht zuletzt daran liegen, dass es für viele um Emanzipation und den Kampf um die eigene Identität geht. Was dabei häufig nicht in den Blick fällt, sind die Personen, die nicht mehr (so) aktiv sein können oder denen der Anschluss fehlt, so wie bei manchen Alten oder Pflegebedürftigen.

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Der AWO Bundesverband e.V. führte bis Ende 2020 ein bundesweites Modellprojekt zur Öffnung der verbandseigenen Altenhilfeeinrichtungen für die Zielgruppe „LSBTI“ durch. Dabei stellte er fest, dass in Deutschland schätzungsweise eine Million Menschen über 65 Jahre leben, die sich als „LSBTI“ identifizieren.

Dass Alter nicht zwangsläufig gleichbedeutend ist mit Isolation und Mangel an Aktivität, zeigen Beispiele wie die „Golden Girls“ aus Köln: Eine lesbische Gruppe für Frauen ab 50+, die in die Szene integriert ist und sich unter anderem für Lesben im Alter einsetzt. Laut L.MAG zeigen die „Golden Girls“ ein aktives Vereinsleben mit gegenseitiger Unterstützung und Engagement.

Dabei drängt sich die Frage auf, was mit den Menschen ist, die keinen Anschluss finden, für die das Vereinsleben nicht das richtige ist und/oder die sich aufgrund ihrer Biografie zurückgezogen haben. Wie die AWO anmerkt,

„[wurden] allein in der BRD […] zwischen 1950 und 1969 mehr als 100.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet mit ca. 50.000 rechtskräftigen Verurteilungen, die erst 2017 nach einem Bundestagsbeschluss aufgehoben wurden, verbunden mit einem Rechtsanspruch auf Entschädigung.“

Zusätzlich sind LSBTIQ* aus dieser Generation häufiger mit einem Mangel an familiärer Unterstützung bzw. höherer Kinderlosigkeit konfrontiert und leben aus Angst vor erneuter Zurückweisung ebenfalls häufiger zurückgezogen.

Wenn es also um das Thema Alt-Sein als LSBTIQ* geht, muss ein besonderes Augenmerk auf die Gruppe gelegt werden, die nicht mehr aktiv sein kann oder will. Eine aktive Selbsthilfe und Sichtbarmachen von Alter, wie es die „Golden Girls“ vorleben, ist dabei für alle, die es sich vorstellen können, wünschenswert und in keiner Weise zu schmälern.

Grundsatz sollte jedoch die Forderung des Dachverbandes Lesben und Alter e.V. sowie der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren e.V. aus ihrem Positionspapier sein:

„[Es braucht eine] Sensibilisierung der Senior*innenarbeit für die Bedarfe von Lesben und Schwulen.“

Dies lässt sich dabei ohne Umschweife auf die gesamte LSBTIQ* Community übertragen und zeigt gleichzeitig, wie wichtig es ist, diejenigen mitzudenken, die sich nicht selbst artikulieren (können). In einem Leistungssystem, das den Gedanken der Subsidiarität hochhält, bedeutet die Forderung nicht weniger als die blinden Flecken der bestehenden (Alten-)Pflege anzugehen, da sich gerade hier die Menschen befinden, die nicht mehr den nötigen Anschluss an eine Community haben.

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Die Veranstaltung in Köln war schnell ausgebucht. 70 Teilnehmende – überwiegend frauenliebende Frauen – besuchten den Fachtag „Verbundenheit und Einsamkeit im Alter“, den der Dachverband Lesben und Alter am 21.10.2022 ausrichtete. Lesen Sie in diesem Beitrag mehr zu den zentralen Inhalten des Fachtages.

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Impulsvorträge

Der Spagat zwischen Gemeinschaft und Rückzug betrifft Ältere ebenso wie Jüngere, betonte Prof. Dr. Sonia Lippke in ihrem Impulsvortrag. Studien deuten allerdings darauf hin, dass LGBTQI*‐Menschen doppelt so häufig von Einsamkeit betroffen sind wie die sonstige Bevölkerung. Genaue Zahlen fehlen jedoch. Insbesondere fehlt Forschung zur Lebenssituation älterer lesbischer Frauen. „Hier ist die Politik in der Pflicht“, so Carolina Brauckmann, Vorstandsfrau des Dachverbands Lesben und Alter. „Denn spezifisch lesbische Strategien über soziale Netzwerke und Wahlverwandtschaften der Einsamkeit entgegenzuwirken, können Vorbild sein für eine älter und diverser werdende Gesellschaft.“

Wie gut das funktioniert, zeigte Barbara Bosshard, seit 2019 Präsidentin von queerAltern Schweiz. Dem Verein gelang es auch in Pandemie-Zeiten, Angebote wie regelmäßige Wanderungen und Erzählcafés aufrecht zu erhalten. Der Austausch mit Jüngeren und das Aufbrechen stereotyper Altersbilder sind Bosshard besonders wichtig. Ihr Credo: Sichtbarkeit als alte, als queere Menschen. „Damit auch die Jüngeren sehen: Aha, man kann 70 werden und immer noch glücklich aussehen.“

Talkrunde

"Wie verschaffen wir uns Verbundenheit und Zugehörigkeit?" Auf dem Bild von links: Christof Wild (Der Paritätische, Kreisgruppe Köln), Betty Thie (Golden Girls, Köln), Barbara Bosshard (queerAltern, Zürich), Elke Schilling (Silbernetz e. V.), Carolina Brauckmann (Dachverband Lesben und Alter).

In der Talkrunde knüpfte Betty Thie an die Impulsvorträge an. In den Pandemiejahren sei es schwierig gewesen, die Gruppe zusammenzuhalten, nicht wenige hätten sich völlig zurückgezogen. Vor allem das Telefon wurde zum Mittel der Wahl, um in Kontakt zu bleiben. Auf die Kraft der Kommunikation via Telefon setzt der Verein Silbernetz von Beginn an. Elke Schilling, Gründerin des Netzwerks, legt nach wie vor großen Wert darauf, all jene zu erreichen, die anderen Angeboten fernbleiben. Schilling spricht nicht von den Einsamen, sondern von Menschen mit Redebedarf. Bei Silbernetz können sie einfach anrufen oder sich anrufen lassen. Es sei erstaunlich „welche Nähe über dieses Medium möglich ist.“ Die Themen, über die gesprochen wird, sind „so divers wie alte Menschen nun einmal sind.“ Ob Sexualität, Armut, Alltagserlebnisse – alles komme zur Sprache.

Christof Wild ergänzte die Runde mit Erkenntnissen aus der modernen offenen Senior*innenarbeit. Vernetzung und selbstorganisierte Gruppen stehen im Mittelpunkt. „Einsamkeit in der Gruppe“ sei immer wieder Thema. Schon früh habe er gelernt: „Wenn ich Verbundenheit haben will, muss ich soziale Intimität herstellen“.

Abschluss und Folgetag

Zum Abschluss vertieften die Teilnehmerinnen die Tagungsthemen in moderierten Austauschrunden. Lebendig, sehr persönlich und kreativ kamen weitere Aspekte zur Sprache. So gehört zu den persönlichen Strategien, sich im Alter mit anderen Lesben zusammenzutun, die eine ähnliche Biographie haben. Es sei hilfreich, die Gemeinsamkeiten zu bewahren, Veränderungen zuzulassen und im Gespräch mit Jüngeren zu bleiben, auch im Rahmen von internationalen Begegnungen.

Am Folgetag tauschten sich Mitgliedsorganisationen und interessierte Fachfrauen unter dem Motto „Allein, aber nicht einsam“ über konkrete Angebote vor Ort aus.

Vorstandsfrau Carolina Brauckmann zeigte sich am Ende der Tagung hoch zufrieden: „Das war ein reiches Programm mit unglaublich vielen Impulsen. Als Dachverband Lesben und Alter werden wir die Anregungen aufgreifen. Zentral bleibt für uns: Sichtbarkeit zeigen, als ältere Lesben vielfältige Altersbilder nach außen tragen und die Bedürfnisse der Zielgruppe bei der Politik und im geplanten Nationalen Aktionsplan ‚Queer leben‘ verankern. Wir benötigen mehr Erkenntnisse über alte und junge Lesben, das heißt Forschung, Forschung, Forschung! Und wir brauchen Unterstützungsstrukturen, damit auch diejenigen teilhaben können, denen das Geld fehlt, kostenpflichtige Angebote wahrzunehmen. Wir nehmen den Bundeskanzler beim Wort: 'You'll never walk alone‘."

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