Echte Vielfalt

19. September 2023

Mehr sichere Herkunftsstaaten für eine größere Unsicherheit?

Der Begriff „sichere Herkunftsstaaten“ beschreibt solche Staaten, in denen nach politischer Einschätzung keine staatliche Verfolgung droht und die darüber hinaus den Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung gewährleisten können. Das heißt nicht nur Verfolgung durch den Staat selbst, sondern auch durch Drittakteure wird unterbunden.

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Allerdings, so die Anmerkung des Deutschlandfunk, handelt es sich dabei um eine politische Kategorie mit konkreten Auswirkungen auf das Asylverfahren. Asylanträge aus diesen Ländern können damit als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden, was zu einer verkürzten Widerspruchsfrist führt und währenddessen nicht vor Abschiebung im laufenden Verfahren schützt.

Wie der Tagesspiegel schreibt, legte das Bundesverfassungsgericht bereits 1996 fest, dass landesweite Sicherheit erstens vor politischer Verfolgung und zweitens für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen gelten muss, was LGBTIQ* als Gruppe einschließt. Allerdings scheint die aktuelle Politik dieser Entscheidung wenig reales Gewicht beizumessen. Bis dato gelten neben den EU-Staaten auch Ghana und Senegal (seit 1993), Bosnien und Herzegowina, Serbien und Nordmazedonien (seit 2014), Albanien, Kosovo und Montenegro (seit 2015) als sichere Herkunftsländer. Dazu stellt der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fest, dass in Ghana und Senegal Personen aus der LGBTIQ* Gemeinschaft bis heute mehrjährige Haftstrafen drohen.

Die Liste soll nun um Georgien und Moldau ergänzt werden. Zur Begründung sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser nach einem Zitat der Tagesschau: „Beide Staaten wollen Mitglieder der Europäischen Union werden. In beiden Staaten droht Menschen in aller Regel keine politische Verfolgung.“ Auch die Grüne Außenministerin Annalena Baerbock hatte diese Argumentation zuletzt für die beiden Beitrittskandidaten übernommen, obwohl die Grünen zunächst strikt gegen eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten waren, so ein Bericht des Deutschlandfunks.

Dabei ist die Formulierung „in aller Regel“ nicht unumstritten. So kritisierte die Sprecherin für Flucht- und Rechtspolitik der Linksfraktion im Bundestag, Clara Bünger: „[In beiden Ländern gebe es] ein erhebliches Sicherheitsrisiko für queere Menschen sowie eine systematische Diskriminierung von Roma“ (Tagesschau). Auch das katholische Osteuropahilfswerk Renovabis und Pro Asyl verwiesen auf erheblich rechtsstaatliche Mängel vor allem im Falle Georgiens.

Während also der eine Beitrittsdiskurs in der Öffentlichkeit noch deutliche Fragen aufwirft, berichtet die Tagesschau, dass die FDP, getrieben von der CDU, mit den Maghreb-Staaten, insbesondere Marokko, Algerien und Tunesien bereits die nächsten Länder zu sicheren Herkunftsländern erklären will. Wie der LSVD feststellt, werden allerdings auch in den Maghreb-Staaten LGBTIQ* Personen  verfolgt. „In Tunesien ist die staatlich geförderte Folter an schwulen und bisexuellen Männern [sogar] bestens dokumentiert.“

Diesen Bedrohungen setzen CDU/CSU, FDP, in Teilen aber auch die SPD immer wieder das Argument einer hohen Belastung der Kommunen entgegen. Der Tagesspiegel folgert daher zynisch: „Von wegen – wie die FDP behauptet -, dass für Homosexuelle alles beim Alten bleibt, weil sie wie gehabt einen Antrag stellen und dann Schutz bekommen können. Falsch! Die FDP sollte besser rasch den Koalitionsvertrag umsetzen. Dazu gehört in Bezug auf queere Verfolgte, dass die vereinbarte neue Rechtsberatung hinreichend finanziert wird. Liberalität hat schließlich ihren Preis.“ Die FDP sägt also mit ihrer aktuellen Sparpolitik fleißig an den Werten unserer Gesellschaft und glaubt, dass Handlungen und Symbole der Unsolidarität nicht auf das eigene Land zurückfallen werden.

Wer dagegen aktiv werden möchte, kann sich unter anderem an der Petition des Lesben- und Schwulenverbandes beteiligen.

Hier geht’s zur Petition.

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