Suchte man im deutschsprachigen Internet in den letzten Monaten nach LGBTIQ*-relevanten Themen, so tauchte immer wieder auch der Begriff Pinkwashing auf. Zunächst bekommt man den Eindruck, dass Unternehmen den Pride Month (Juni) zum Anlass nahmen, ihre Werbestrategien dahingehend auszurichten. Auch konnte eine höhere Präsenz von regenbogenfarbiger Werbung und Produktgestaltung auffallen. Aber ist das gleich ein Problem?
Als Pinkwashing werden Werbe- und/oder Imagekampagnen bezeichnet, die LGBTIQ*-Farben und -Symbole verwenden, ohne diese intern oder allgemein mit strukturellen Anpassungen ernsthaft zu verfolgen. Anders als es jedoch beim Greenwashing der Fall ist, wirkt Werbung als Symbol für Sichtbarkeit, egal ob die werbetreibende Instanz dahintersteht oder nicht. Andreas Witolla, Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbandes Schleswig-Holstein e. V., bemerkt gegenüber dem Deutschlandfunk, dass diese Werbung grundsätzlich erst einmal zu begrüßen sei, da sie jede Menge Sichtbarkeit schaffe. Dennoch ist auch beim Pinkwashing Aufmerksamkeit notwendig, denn es sei immer zu hinterfragen, was die Firmen damit bezwecken wollen, ob es nur ein Zeichen nach außen ist oder ob sie auch intern oder für ihre Produkte insgesamt in der ganzen Lieferkette etwas tun.
Sichtbarkeit wird dann zum Problem, wenn sie dafür sorgt, dass sie die Konsument*innen bzw. die Öffentlichkeit blendet. Ein Beispiel hierfür ist BMW. Der Autokonzern hatte laut Deutschlandfunk vor einigen Jahren seine Firmenprofile in den Sozialen Medien in Regenbogenfarben gestaltet. Allerdings nicht in Ländern, in denen eine solche Solidarität entsprechend schlecht ankommen würde. Eine solche Strategie konterkariert allerdings genau das, was der Begriff „Solidarität“ bedeutet.
Was für die Käufer*innen eines BMW eine ärgerliche Täuschung darstellt, kann an anderer Stelle dazu führen, dass politische Haltungen verschleiert werden, die eigentlich einer öffentlichen Kritik bedürften. In diesem Sinne schreibt der Tagesspiegel: „Hat etwa ein großes Medienhaus auf dem CSD einen eigenen Truck am Start, profitiert es vom positiven Image des CSD. Es kann hoffen, neue Sympathien und neue Kunden zu gewinnen. […] Hetzen Journalist_innen in den Medien dieses Hauses aber nun gegen [LGBTIQ*], ist der Auftritt auf dem CSD nichts als ‚Pinkwashing‘: In kommerzieller Absicht maskiert er die wahre Ausrichtung des Medienhauses.“ Dabei stellt der Stern fest: „Einer McKinsey-Studie zufolge sind Unternehmen, die sich für Diversity einsetzen, um 25 Prozent rentabler.“
Aber auch hier muss genau hingesehen werden. Ob ein Unternehmen wegen seiner Diversität rentabler ist oder rentablere Unternehmen häufiger divers sind, ist damit noch nicht geklärt. Gibt es möglicherweise für einige Unternehmen strukturelle Schwierigkeiten, die sie zögern lassen oder dafür sorgen, dass das Thema erst gar keine Relevanz erlangt? Sichtbarkeit ist wichtig, darf aber nicht zu dem Irrglauben führen, dass allein Regenbogenfarben strukturelle Probleme verhinderten.