Echte Vielfalt

20. Juni 2024

Nach der Europawahl

Die Europawahl vom 9. Juni 2024 liegt jetzt über eine Woche zurück und ihr Ausgang war auch für die LGBTIQ*-Gemeinschaft eine Katastrophe. Im Europaparlament ist die Europäische Volkspartei (EVP) weiterhin stärkste Kraft und auch die rechtskonservative „Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR) sowie die extrem rechte „Fraktion Identität und Demokratie“ (ID) haben dazugewonnen.

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Ein Blick auf die offiziellen Ergebnisse der Europawahl 2024 zeigt die EVP mit 190 von insgesamt 720 Sitzen. Bei der EKR sind es 76 Sitze, sieben Sitze mehr als bei der letzten Wahl,  die ID hat mit 58 Sitzen einen Zuwachs von neun Sitzen . Bereits vor der Wahl hatte die „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association“ (ILGA)-Europe nach einem Bericht von Euro News Alarm geschlagen: Ein Rechtsruck würde die Situation für die LGBTIQ*-Gemeinschaft verschlechtern.

In ihrem aktuellen Blog vom 14. Juni 2024 zeigt die ILGA, dass die Ergebnisse der Europawahlen trotz Zugewinnen keinen „radikalen“ Rechtsruck zeigen, sondern aus Sicht von LGBTIQ*-Rechtsaktivist*innen ein gemischtes Bild vermitteln. In Ungarn erzielte Péter Magyar, ein ehemaliger Insider der Regierungspartei und jetzt Rivale, mit seiner Tisza-Partei bedeutende Sitzgewinne. Seine Haltung zum Thema LGBTIQ* bleibt allerdings unklar. In Italien mobilisierten LGBTIQ*-Aktivist*innen erfolgreich, was zu einer stärkeren Präsenz von LGBTIQ*-Verbündeten im Europäischen Parlament führte.

Trotz der starken rechten Einflüsse bietet der Anstieg progressiver Stimmen Hoffnung auf zukünftige politische Veränderungen. Dennoch stellt der Stimmengewinn der rechtsextremen Parteien in Europa eine direkte Bedrohung für die Menschenrechte, insbesondere für die LGBTIQ*-Gemeinschaft, dar. Kim van Sparrentak und Marc Angel (wiedergewählte Abgeordnete und Co-Vorsitzende der LGBTI Intergroup) betonten auf der Seite von ILGA-Europe die Notwendigkeit starker Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Aktivist*innen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Es sei wichtig, die stille Mehrheit zu mobilisieren, um gegen rechtsextreme Rhetorik zu kämpfen und inklusive Politiken zu unterstützen, so die beiden. Internationale Solidarität und die Unterstützung durch europäische Institutionen seien entscheidend für den Fortschritt der LGBTIQ*-Rechte in Europa.

Jedoch wird ein Kampf auf rhetorischer Ebene vermutlich nicht mehr ausreichen. So mahnte der Lesben- und Schwulenverband Deuschland (LSVD) in seinen EU-Wahlprüfsteinen, dass insbesondere die Haltung zum Schutz von asylsuchenden LGBTIQ* bei der CDU/CSU-Fraktion geradezu gefährlich sei. Die CDU/CSU-Fraktion ist wiederum Teil der EVP auf europäischer Ebene. Eine ähnlich gefährliche Haltung findet sich nur noch bei der AfD. Das deckt sich mit der rigorosen Asylpolitik der EVP, wie ein weiterer Bericht von Euro News zeigt. Bereits vor einem Jahr hatten wir darüber berichtet, dass LGBTIQ* ein blinder Fleck in der Europäischen Asylpolitik ist. Mit der jetzigen Wahl bleibt zu bezweifeln, dass sich daran etwas ändern wird.

Dabei geht es nicht nur um Asylpolitik. Auch in unserem Artikel zum Thema LGBTIQ* mit Behinderung hatten wir das Thema der Mehrfachdiskriminierung und ihre Bedeutung aufgegriffen. Insbesondere geht es darum, diejenigen mitzudenken, die nicht wissen, wohin sie sich wenden können, und die nicht aktiv Kontakte knüpfen.

Ja, die Wähler*innen haben gewählt, aber die Verantwortung für die politische Umsetzung hatten und haben die Funktionsträger*innen und Politiker*innen in ihren Ämtern. Gegen strukturell diskriminierende Sozialpolitik, die Arme und Arbeitslose ebenso problematisiert wie Migrant*innen, muss die Frage gestellt werden: Stimmt das soziale Fundament? Diese Frage bleibt untrennbar mit der Forderung nach einer Gesellschaft verwoben, in der LGBTIQ*-Sein selbstverständlich ist.

Bild (EU-Ausschnitt) von rawpixel.com auf Freepik

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