Echte Vielfalt

30. Mai 2024

75 Jahre Grundgesetz: Wo bleibt der Schutz von LSBTIQ*?

Zum 75. Jubiläum des Deutschen Grundgesetzes wurde in Berlin vom 24. bis 26. Mai das „Demokratiefest“ gefeiert. Dabei wurde hochgehalten, dass das Grundgesetz das „Fundament unseres Zusammenlebens in einem freien und demokratischen Rechtsstaat“ sei. Während die feste Verankerung von demokratischen Rechten nach dem Nationalsozialismus ein Anlass zum Feiern ist, war das Jubiläum für die queere Community auch eine Gelegenheit, erneut darauf hinzuweisen, dass das Grundgesetz in Hinblick auf den Schutz von LSBTIQ* Lücken aufweist.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußert sich anlässlich des Jubiläums und lobt das Grundgesetz als „eine freiheitliche Verfassung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, seine Würde, seine Rechte, die universelle Gleichheit aller vor dem Gesetz.“ Doch werden alle Personengruppen durch das Grundgesetz gleichermaßen geschützt? Nein, sagt der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD), denn unter derselben der Verfassung fand bis in die 1990er Jahre eine Kriminalisierung und rechtliche Diskriminierung von Homosexualität statt.

Ein genauerer Blick in die Verfassung hilft, um die Kritik der LSBTIQ* Community zu verstehen. In Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes wird festgehalten: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Sexuelle Orientierung wird in keiner Weise erwähnt – und ist damit nicht durch das Grundgesetz geschützt.

Die Initiative „GRUNDGESETZ FÜR ALLE“, über die bereits 2021 auf echte-vielfalt berichtet wurde, nutzte den Anlass des Jubiläums, um ihre langjährigen Forderungen erneut laut zu machen und rief zu einer Kundgebung am 23. Mai auf. Neben der Erweiterung um die Kategorie sexuelle Identität müsste auch geschlechtliche Identität explizit aufgeführt werden. Denn dass Geschlecht als Kategorie im Grundgesetz erwähnt wird, würde nicht ausreichen, um vielfältige geschlechtliche Identitäten zu schützen. Auch trans* und inter* Personen müssten mitgedacht werden. Eine Erweiterung von Artikel 3 (3) GG um sexuelle und geschlechtliche Identität sei somit absolut notwendig, „um einen dauerhaften Diskriminierungsschutz zu sichern“.

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wurde sich bereits vorgenommen, Artikel 3 (3) GG „um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität [zu] ergänzen“. Doch noch warten queere Verbände ungeduldig auf die tatsächliche Umsetzung des Versprechens der Regierungsparteien. In Hinblick auf das Erstarken rechtspopulistischer Parteien wird eine Erweiterung des Grundgesetztes als „dringender denn je“ (LSVD) verstanden. Denn nur so können Fortschritte hinsichtlich der Gleichstellung von LSTBIQ* nicht einfach rückgängig gemacht werden. Bundesvorstand des LSVD Henny Engels warnt: „Rechtspopulist*innen warten nur darauf, die Uhr wieder zurückzudrehen: Errungenschaften wie die Ehe für Alle und das Selbstbestimmungsgesetz könnten wieder abgeschafft werden. Mit Blick auf die zunehmende Queerfeindlichkeit in Deutschland und Bedrohung durch Rechts ist es Zeit, jetzt zu handeln!“

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