Echte Vielfalt

Dokumentation

Mit der Wiederwahl von Donald Trump am 6. November 2024 zeichnen sich erhebliche Rückschläge für die Rechte der LGBTIQ*-Gemeinschaft ab. In seiner ersten Amtszeit setzte Trump bereits Maßnahmen um, die den Schutz und die Anerkennung von LGBTIQ*-Rechten einschränkten. Nun könnte er diese Politik weiter verschärfen, was zu einer ernsthaften Gefährdung der Rechte und Freiheiten führen könnte, die LGBTIQ*-Personen in den letzten Jahren erkämpft haben.

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Laut Angaben von The Pink News hatte Trump bereits im Vorfeld angekündigt, dass er im Falle einer Wiederwahl entschlossen sei, alle Programme der Bundesregierung zu beenden, die Geschlechtsumwandlungen fördern, und das Recht von Trans-Personen auf geschlechtskonforme medizinische Versorgung zu untergraben. Einen Einstieg in das Thema bietet unser Artikel: „Medizinische Versorgung von LGBTQ* in den USA: Dunkle Aussichten…

Weiter heißt es: Arbeitgeber*innen könnten wieder das Recht erhalten, LGBTIQ*-Mitarbeitende aufgrund „religiöser Überzeugungen“ zu diskriminieren. Daran anschließend könnte die Regierung verhindern, dass staatliche und lokale Behörden Antidiskriminierungsgesetze durchsetzen, wenn die Diskriminierung auf religiösen Überzeugungen basiert. Damit würden die Republikaner einen Bruch mit der Säkularisierung zwischen Religion und (Arbeits-)Politik herbeiführen – etwas, das aus westlicher Sicht ansonsten islamischen Staaten vorgeworfen wurde. Auch das Thema, ob Trans-Personen vom Militärdienst ausgeschlossen werden, steht erneut zur Debatte, ebenso wie  die Pläne, Trans-Personen die Nutzung von Toiletten und Umkleideräumen zu verweigern, die mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen, sowie LGBTIQ*-inklusive Bildungsprogramme in Schulen und Bibliotheken zu unterbinden. Die beiden letzten Bereiche waren bereits in der Vergangenheit stark durch ihr Potenzial, emotional aufgeladen zu werden, aufgefallen.

Darüber hinaus wird die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Ehen durch einige konservative Richter*innen im Supreme Court weiterhin als angreifbar angesehen. Insbesondere Samuel Alito und Clarence Thomas haben – wie The Pink News bemerkt – bereits Andeutungen gemacht, diese Entscheidungen zu überprüfen und möglicherweise rückgängig zu machen. Mit sechs republikanischen Richter*innen, von denen bereits drei durch Trump bestimmt wurden, und nur drei demokratischen Richter*innen ist diese Befürchtung alles andere als unwahrscheinlich. Bereits 2022 hatte der Supreme Court das bundesweite Abtreibungsgesetz aufgehoben. Solche Schritte könnten eine Welle von Diskriminierung und rechtlicher Unsicherheit auslösen, mahnt The Guardian.

Die angedachten politischen Veränderungen sind nicht nur eine Herausforderung für die LGBTIQ*-Community, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes. Um dem entgegenzuwirken, braucht es Protest und Widerstand. Gleichzeitig hat Trump diesmal nicht nur die „Wahlmänner und -frauen“ hinter sich, sondern auch die Mehrheit der Stimmen. Es stellt sich damit die Frage: Wie können wir den Schutz und die Rechte der LGBTIQ*-Gemeinschaft in einer politischen Landschaft verteidigen, die sich zunehmend polarisiert – nicht nur in den USA als Weltbühne, sondern auch in Europa, wo rechtsextreme Kräfte immer deutlicher an Einfluss gewinnen?

Dabei sollten wir dem Populismus allerdings nicht auf den Leim gehen. Das Ziel muss es sein, eine Antwort zu finden, wie all jene Mitmenschen abgeholt werden können, die sich gegen ein menschliches Miteinander entschieden haben. Es bleibt zu befürchten, dass die USA in den kommenden Jahren viele Beispiele liefern werden, was geschieht, wenn dies misslingt.

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Der ehemalige Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, hatte am 4. Oktober in einem Interview mit dem Spiegel berichtet, dass ihm in seinem Wahlkreis „aus muslimisch gelesenen Männergruppen häufiger homophobe Sprüche“ begegnen würden. Kritik kam daraufhin u.a. von Berlins Queerbeauftragtem Alfonso Pantisano (ebenfalls SPD), der seinerseits für Aufregung sorgte, als er Kühnert Rassismus vorwarf und dazu ein Bild von sich selbst mit arabischer Kopfbedeckung postete.

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Der Zeitpunkt war von Pantisano dabei alles andere als gut gewählt; seine Reaktion fiel mit dem Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel zusammen. In einem weiteren Artikel vom 7. Oktober fasst der Spiegel selbst die Diskussionspunkte zusammen. Darin heißt es, Kühnert habe seine Aussage im Interview selbst relativiert: „Natürlich sei der Großteil der Muslime nicht homophob, »aber die, die es sind, schränken meine Freiheit ein«“, so Kühnert laut Spiegel. Pantisano betont hingegen, dass er sich über Queerfeindlichkeit im Islam bewusst sei. Worum es ihm gehe, sei die Aussage von Kühnert, dass es sich um eine "muslimisch gelesene" Gruppe handele. Kühnert wisse also gar nicht genau, ob es Muslime seien, was Pantisano als „Italiener“ mit dem Foto in arabischer Kopfbedeckung verdeutlichen wollte.

Die Debatte Rassismus vs. Homophobie ist dabei nicht neu und wird auch in diesem Fall nicht geklärt werden. Im Gegenteil, es gibt kaum eine „Front“, die so gut emotionalisiert werden kann wie diese. In allen drei Bereichen - Glaube, Sexualität und Geschlecht - geht es immer auch um das eigene Selbst. Damit wird es persönlich.

Fundamentalismus, egal ob islamisch, jüdisch, christlich oder aus einer anderen Religionszugehörigkeit, nutzt diesen persönlichen Bezug für die eigenen politischen Zwecke. Welche Tragweite z.B. christlicher Fundamentalismus aus Richtung der US-amerikanischen Evangelikalen hat, haben wir schon des Öfteren thematisiert, gerade im kommenden US-Wahlkampf, aber auch in Bezug auf die LGBTIQ*-feindlicheren Gesetze in Uganda. Diese Vermengung macht deutlich, dass Glaube, Sexualität und Geschlecht, so persönlich sie auch sein mögen, zu den politischsten Bereichen unserer Gesellschaften gehören.

Daraus folgt kein Fazit, wer von beiden jetzt die richtige Position formuliert, sondern lediglich die Feststellung, wie wichtig es ist, sich die Frage zu stellen, aus welchem Interesse jemand spricht und ob es Punkte gibt, bei denen man trotz Übereinstimmungen kritisch bleiben sollte. Aber auch: Ab wann wird eine Kritik wieder zum politischen Instrument?

Gleichzeitig verlagert sich der Diskurs darauf, dass es „immer auch kleine Gruppen“ gibt, die problematische Haltungen vertreten. Nur weil Menschen einer Minderheit angehören, verhalten sie sich nicht grundsätzlich menschenfeindlich. Dennoch, wenn „wir“ als Gesellschaft oder aus Sicht der LGBTIQ*-Gemeinschaft diskutieren, dass es solche Äußerungen bzw. Haltungen gibt, sollte nicht vergessen werden, dass Marginalisierung und Perspektivlosigkeit immer auch das Resultat politischer Versäumnisse sind. Es ist also nicht bloß das Fehlverhalten von Einzelnen oder Gruppen. Stattdessen braucht eine offene, freie und respektvolle Gesellschaft vielmehr Investitionen in Soziales und Bildung. Mit Blick auf eine erstarkte AfD gilt das ebenso, wenn wir über rechten Fundamentalismus reden würden.

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Die Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2024 liegt nun einige Tage zurück, und so bietet es sich an, aus Sicht der LGBTIQ*-Gemeinschaft Bilanz zu ziehen. Die Spiele von Paris standen ganz unter dem Motto „Games Wide Open“ und sollten die Vielfalt des Sports und seiner Teilnehmer*innen unterstreichen.

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Wie das Magazin L-Mag schreibt, „kämpf[t]en in den Frauenwettbewerben über 150 lesbische, bisexuelle und queere Frauen sowie vier nichtbinäre/trans Athletinnen um Medaillen.“ Wer sich hierfür im Detail interessiert, findet auf outsports.com eine vollständige Liste aller LGBTIQ*-Teilnehmer*innen nach Ländern und Sportarten sowie den gewonnenen Medaillen. Insgesamt gewannen LGBTIQ*-Sportler*innen 43 Medaillen, davon 16-mal Gold, 13-mal Silber und 14-mal Bronze.

Für Julia Monro, Bundesvorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD), stellen die Spiele nach einem Zitat der Süddeutschen Zeitung eine Chance für eine größere Akzeptanz queerer Lebensweisen dar. Gleichzeitig kritisiert sie, dass die Entscheidung, ob Transsportlerinnen starten dürfen, weiterhin den jeweiligen Fachverbänden überlassen bleibt. Zwar sieht die IOC-Leitlinie explizit vor, dass „niemand wegen seiner Identität als Transperson vom Sport ausgeschlossen werde, solange ein fairer und sicherer Wettkampf gewährleistet werden könne. Unter welchen Bedingungen eine Transperson am Wettkampf teilnehmen darf, obliegt den Fachverbänden.“ Damit bestünde de facto ein Bann, so Monro. Immerhin konnten Athletinnen, die in ihren Ländern Gefahr von Verfolgung und Strafe ausgesetzt sind, unter dem Banner des IOC-Flüchtlingsteams an den Start gehen.

Den großen Skandal um transgeschlechtliche Teilnehmer*innen gab es allerdings in der Sportart, die nicht von einem Fachverband, sondern vom IOC selbst ausgerichtet wurde. Auslöser war die Teilnahme der Boxerinnen Imane Khelif aus Algerien und Lin Yu-ting aus Taiwan am Frauenturnier. Wie das Magazin Blick zusammenfasst, wurden beide bei den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr aufgrund nicht bestandener Geschlechtstests vom Box-Weltverband IBA disqualifiziert. Das IOC hatte diese Disqualifizierung für Olympia nicht erneuert. Mit der Aufgabe von Khelifs erster Gegnerin Angela Carini nach nur 46 Sekunden entbrannte die Frage: „Haben die beiden Boxerinnen einen Vorteil gegenüber den anderen Frauen?“ Dem widerspricht IOC-Sprecher Mark Adams: „Es gab nie einen Zweifel, dass Khelif und Lin Frauen sind“, zitiert Blick und fügt hinzu: Laut Adams handele es sich um eine „Attacke auf die Menschenrechte dieser Athletinnen.“ Hierzu ausführlicher der  Artikel auf echte-vielfalt.de vom 13. August.

Am 28. August haben nun die Paralympics begonnen und bereits jetzt wird wieder diskutiert. Laut einem Artikel von Queer wird die Italienerin Valentina Petrillo als erste trans Person bei den Paralympischen Spielen teilnehmen. An der neuen Diskussion zeigt sich, dass nichts geklärt ist. Ihre deutsche Konkurrentin Katrin Müller-Rottgardt äußerte Bedenken, dass Petrillo aufgrund ihrer biologischen Vergangenheit möglicherweise einen unfairen Vorteil haben könnte. Laut einer Studie des IOC lässt sich allerdings nicht pauschal sagen, dass Transsportler*innen anderen Frauen überlegen seien. Petrillo erfülle darüber hinaus alle Regularien des Verbands.

Vorsicht bei der Bewertung: Die Aussagen von Adams klären die Fragen um Fairness und Transgender im Sport nicht abschließend. Solange das IOC die Entscheidung den Fachverbänden überlässt, bleibt die Problematik ungelöst. Während andere Veranstaltungen wie die Commonwealth Games, nach einem Artikel von schwulissimo, Länder ausschließen, die Homosexualität kriminalisieren, schweigt das IOC zu solchen Maßnahmen. Wer tiefer in die Themen rund um Olympia, das IOC und dessen Politik eintauchen möchte, dem sei das Interview des Sportjournalisten Jens Weinreich bei Jung und Naiv empfohlen.

 

Quelle Olympische Ringe

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Die Entwicklungen in den USA mit einem massiven Kulturkampf, der sich gerade in Bezug auf die anstehenden Wahlen zuspitzt, war schon des Öfteren Thema auf echte-vielfalt.de. Aber auch die Situation in einigen afrikanischen Staaten, wie bspw. das „Anti-Homosexuellen-Gesetz“ in Uganda, zeigt eine deutliche Zuspitzung.

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Laut einem Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2023 zur Situation auf dem gesamten amerikanischen Kontinent, werden in den USA immer mehr Gesetze auf Ebene der Bundesstaaten verabschiedet, die direkt gegen LGBTIQ gerichtet sind.

Aber auch in Südamerika, einem Kontinent, der in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte im Bereich der Menschenrechte zu verzeichnen hat, verschärft sich die Situation wieder. Während das Engagement für die Rechte von LGBTIQ* in einigen Ländern Anerkennung gefunden hat, bleibt die Region insgesamt eine der gefährlichsten für Aktivist*innen, die sich für Menschenrechte einsetzen, so das Fazit des Amnesty-Berichts:

„In Argentinien, Brasilien, Guatemala, Honduras, Kanada, Kolumbien, Paraguay, Peru, Puerto Rico, den USA und weiteren Ländern waren LGBTIQ* weiterhin in großem Maße Schikanen, Diskriminierung, Drohungen, gewaltsamen Angriffen und Tötungen ausgesetzt, die in der Regel straflos blieben. Zudem gab es Hindernisse bei der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsidentität.“

In mehreren südamerikanischen Ländern sind LGBTIQ*-Personen somit weiterhin massivem Druck ausgesetzt. Brasilien, das traurigerweise seit 14 Jahren die höchste Zahl an Morden an trans Personen weltweit verzeichnet, steht symbolisch für die Gefahren, denen diese Gemeinschaft ausgesetzt ist. Weiterhin heißt es, auch in Guatemala und Peru bleibt die Situation alarmierend, da es dort an wirksamen Mechanismen fehlt, um Gewalt und Hassverbrechen gegen LGBTIQ*-Personen zu dokumentieren und zu bestrafen.

Auch der LSVD berichtete im Zusammenhang mit dem Projekt „Do-No-Harm“ bereits 2022, dass sich die Situation verschärft habe. Während sich vor einigen Jahren das nicaraguanische Netzwerk für nachhaltige Entwicklung noch über repressive Gefahren hinwegsetzen konnte, um eine Minimalagenda für LGBTIQ*-Rechte im Land zu entwickeln, ist eine solche Arbeit im autoritär regierten Nicaragua von heute kaum mehr möglich. Seit dem Aufstand im April 2018 sehen sich Aktivist*innen der Gefahr willkürlicher Festnahmen und langjähriger Haftstrafen ausgesetzt, und NGOs droht der Verlust ihrer Rechtsform.

Doch es gibt auch Lichtblicke. Laut Amnesty international wurde 2023 in Kolumbien erstmals das Abschlusszeugnis einer Universität mit einer nicht-binären Geschlechtsbezeichnung ausgestellt - ein kleiner, aber bedeutsamer Fortschritt in Richtung Gleichberechtigung. Und auch der LSVD-Bericht beschreibt, dass die Verantwortlichen des „Do-No-Harm-Projektes“ trotz der Repression in Costa Ricas Hauptstadt San José eine registrierte Plattform mit Mitgliedsorganisationen aus Nicaragua, Honduras, Guatemala, Panama und Costa Rica eröffnet haben, die sich von dort aus für die Belange von LGBTIQ* in Zentralamerika einsetzt. Die Plattform zielt darauf ab, langfristig Einstellungsveränderungen in Bezug auf LGBTIQ* in der Region zu bewirken und die LGBTIQ*-Bewegung nachhaltig zu stärken.

Internationale Netzwerke sind also unverzichtbar, um in repressiven Ländern das Engagement für LGBTIQ*-Rechte zu unterstützen und den Widerstand gegen staatliche Unterdrückung zu stärken. Besonders dann, wenn auch die Regierungen ausländische Unterstützung gegen LGBTIQ* beziehen.

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Der Bundesverband Trans* lädt am 2. und 3. November zu den (Online-)Fachtagen 2024 unter dem Thema „Wissenstrans*formation – Forschung von und für Trans*communities“ ein. Die Veranstaltung findet zum zweiten Mal statt und möchte den Austausch über Projekte fördern, die sich mit diskriminierungskritischer Forschung zu trans* und nicht-binären Personen beschäftigen.

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Während der Fachtagung 2024 sollen sowohl akademische als auch nicht-akademische Forscher*innen und Denker*innen zusammenkommen, die sich mit den Lebensrealitäten von trans* und nicht-binären Personen befassen. Ziel ist es, über Forschungsprojekte und andere wissenschaftliche Arbeiten zu diskutieren, die gemäß der Veranstaltungsbeschreibung „wichtiges Wissen für Trans* und nicht-binäre Communities partizipativ zusammengetragen haben“.

Thematisch sind die Fachtage breit aufgestellt und wollen Perspektiven aus verschiedenen Bereichen wie Medizin, Recht, Trans* & Gender Studies, KI, IT, Soziologie, Community-Dynamiken, Antidiskriminierung und Gewaltschutz, Medien oder gesellschaftspolitische Repräsentation abdecken.

Bis zum 07. Juli werden gibt es noch die Möglichkeit, sich in die Veranstaltung einzubringen – ob als Referent*in zu einem bestimmten (Forschungs-)Projekt im Rahmen eines Panels oder in einem offenen Format. Auch Moderator*innen werden noch gesucht. Für weitere Informationen siehe den Call for Contributions. Unter dem Link befindet sich auch ein Formular, über das die Bewerbung eingereicht werden kann.

Der Bundesverband Trans* vertritt seit 2015 die Interessen von trans* Personen und fordert beispielsweise eine Reform des Familien- und Abstammungsrechts, Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung und setzt sich gegen die Stigmatisieurng von trans* und anderen genderqueeren Menschen ein.

Formate wie die Fachtagung liefern einen wichtigen Raum für queere Bildung und das Teilen von Erkenntnissen, dies auf einer Forschung basieren, die im Austausch mit der Community steht und sensibilisiert auf die Lebensumstände queerer Personen ist. Denn auch in der Wissenschaft werden häufig Stereotypen und Vorurteile (re-)produziert. Immer mehr Projekte und Initiativen setzen sich inzwischen für geschlechter- und diversitätssensible Forschung und Lehre ein (beispielsweise das Zentrum Gender & Diversity in Hamburg). Die Verbreitung von diskriminierungsfreiem Wissen soll auch mehr Verständnis in der Gesellschaft über die Realitäten queerer Personen schaffen, womit wiederum Diskriminierung abgebaut werden kann.

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Die Aufarbeitung der Geschichte queerer Verfolgter im Nationalsozialismus weist noch Lücken auf, wie Historiker*innen und queere Verbände kritisieren.

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Der LSVD forderte schon vor einigen Jahren mehr Forschung zur Verfolgung von Lesben sowie trans, inter und anderen queeren Personen unter dem deutschen Faschismus. Erst 2022 erinnerte der Deutsche Bundestag erstmals am internationalen Holocaust-Gedenktag offiziell auch an die queeren Verfolgten des NS-Regimes. Dieser Beitrag soll eine (unvollständige) Übersicht über den aktuellen Forschungsstand zu insbesondere weiblichen queeren Verfolgten des Nationalsozialismus liefern. Denn vor allem die Geschichten queerer Frauen im Holocaust haben in der deutschen Erinnerungskultur noch nicht genug Aufmerksamkeit bekommen, wie einige Historiker*innen betonen. Diese Unsichtbarkeit spiegelt sich in der historischen Aufarbeitung um Homosexualität und Nationalsozialismus wieder, in der Frauen oft marginal bleiben, so Sébastian Tremblay: „Da sich der Großteil der Erinnerungspolitik auf den §175 StGB und die Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichem Begehren und Sexualitäten in der Vergangenheit konzentrierte, erlaubte das Fehlen eines solchen ‚gespenstischen‘ Abschnitts des Strafgesetzbuchs für queere weibliche Sexualitäten queeren (meist) männlichen Historikern, neue Formen des Erinnerungsaktivismus zurückzuweisen.“ Die Historiker*innen Claudia Schoppenmann und Christian-Alexander Wäldner weisen im Portal „Lesbengeschichte“ ebenfalls auf die systematische Unsichtbarkeit lesbischer Frauen in den Archiven hin, was mitunter aus einer anhaltenden Tabuisierung weiblicher Homosexualität rühren könnte. Dennoch scheint sich in den letzten Jahrzehnten etwas in der Forschung getan zu haben: Wichtige Beiträge zur Erforschung der Verfolgung von lesbischen und anderen queeren Frauen im Holocaust lieferte Schoppmann u.a. mit ihrem Buch „Nationalsozialistische Sexualpolitik und weibliche Homosexualität“ von 1997 (Springer Verlag). Eine weitere Vorreiterin in dem Forschungsfeld ist die Holocausthistorikerin Anna Hájková, die neben ihrer eigenen wichtigen Forschung[1] im Rahmen des Projekts „Sexuality and Holocaust“ eine Literaturliste mit Beiträgen zusammengestellt hat, die die Verfolgung von lesbischen und trans Frauen in der NS-Zeit erforschen. Die bereits veröffentlichten Werke sollen Anstöße dazu liefern, dass weiter zu dem Thema geforscht wird. Denn es wird gleichzeitig auf die Lücken hingewiesen, die es insbesondere im deutschsprachigen akademischen Diskurs zum Thema gibt. Unter die gelisteten Publikationen fallen diverse Beitragsformen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: von biographischen Spurensuchen[2] zu Analysen der medizinischen, rechtlichen und politischen Diskurse um homosexuelle Frauen und die damit einhergehende Stereotypisierung weiblicher Homosexualität[3]. Die deutschsprachige Forschung zu trans Frauen in der NS-Zeit scheint noch weniger vorangeschritten zu sein, dennoch bieten Beiträge wie u.a. von Ingeborg Boxhammer und Christiane Leidinger[4] wichtige Perspektiven, um dieses Thema weiter zu ergründen. Das Projekt „Sexuality and Holocaust“ ruft auch dazu auf, weitere Beiträge zum Forschungsfeld, die noch nicht in der Literaturliste aufgenommen sind, zu ergänzen. Solche öffentlichen und kollektiven Projekte sind wichtig, um ein möglichst breites Wissen um die Situation lesbischer, trans, inter und anderer queerer Frauen unter den Schrecken des Nationalsozialismus zu sammeln und zu verbreiten. [1] Um nur wenige zu nennen: Queere Geschichte und der Holocaust. In: APuZ, 38–39, 2018, S. 42-47; Menschen ohne Geschichte sind Staub, Wallstein Verlag, 2024. In München veranstaltet das Forum Queeres Archiv gemeinsam mit dem Buchladen Rauch & König am 27.06.2024 eine Lesung mit Anna Hájková zuihrem Buch „Menschen ohne Geschichte sind Staub“, das erst kürzlich in zweiter erweiterter Ausgabe erschienen ist. Zur Veranstaltung. [2] Tamara Breitbach: Lea Gertrud Schloß – Jüdin, Lesbe, Schriftstellerin und Sozialdemokratin: Biografischer Essay. In: Gertrud Schloß: Die Nacht des Eisens: Gedichte, Éditions trèves, 2019, S. 41-87. [3] Brunner, Andreas & Sulzenbacher, Hannes: Homosexualität und Nationalsozialismus in Wien. Mandelbaum Verlag, 2023. [4] Sexismus, Heteronormativität und (staatliche) Öffentlichkeit im Nationalsozialismus. Eine queer-feministische Perspektive auf die Verfolgung von Lesben und/oder Trans* in (straf-)rechtlichen Kontexten, in Michael Schwartz: Homosexuelle im Nationalsozialismus: Neue Forschungsperspektiven zu Lebenssituationen von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen 1933 bis 1945, De Gruyter, 2014.

Zum 75. Jubiläum des Deutschen Grundgesetzes wurde in Berlin vom 24. bis 26. Mai das „Demokratiefest“ gefeiert. Dabei wurde hochgehalten, dass das Grundgesetz das „Fundament unseres Zusammenlebens in einem freien und demokratischen Rechtsstaat“ sei. Während die feste Verankerung von demokratischen Rechten nach dem Nationalsozialismus ein Anlass zum Feiern ist, war das Jubiläum für die queere Community auch eine Gelegenheit, erneut darauf hinzuweisen, dass das Grundgesetz in Hinblick auf den Schutz von LSBTIQ* Lücken aufweist.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußert sich anlässlich des Jubiläums und lobt das Grundgesetz als „eine freiheitliche Verfassung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, seine Würde, seine Rechte, die universelle Gleichheit aller vor dem Gesetz.“ Doch werden alle Personengruppen durch das Grundgesetz gleichermaßen geschützt? Nein, sagt der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD), denn unter derselben der Verfassung fand bis in die 1990er Jahre eine Kriminalisierung und rechtliche Diskriminierung von Homosexualität statt.

Ein genauerer Blick in die Verfassung hilft, um die Kritik der LSBTIQ* Community zu verstehen. In Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes wird festgehalten: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Sexuelle Orientierung wird in keiner Weise erwähnt – und ist damit nicht durch das Grundgesetz geschützt.

Die Initiative „GRUNDGESETZ FÜR ALLE“, über die bereits 2021 auf echte-vielfalt berichtet wurde, nutzte den Anlass des Jubiläums, um ihre langjährigen Forderungen erneut laut zu machen und rief zu einer Kundgebung am 23. Mai auf. Neben der Erweiterung um die Kategorie sexuelle Identität müsste auch geschlechtliche Identität explizit aufgeführt werden. Denn dass Geschlecht als Kategorie im Grundgesetz erwähnt wird, würde nicht ausreichen, um vielfältige geschlechtliche Identitäten zu schützen. Auch trans* und inter* Personen müssten mitgedacht werden. Eine Erweiterung von Artikel 3 (3) GG um sexuelle und geschlechtliche Identität sei somit absolut notwendig, „um einen dauerhaften Diskriminierungsschutz zu sichern“.

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wurde sich bereits vorgenommen, Artikel 3 (3) GG „um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität [zu] ergänzen“. Doch noch warten queere Verbände ungeduldig auf die tatsächliche Umsetzung des Versprechens der Regierungsparteien. In Hinblick auf das Erstarken rechtspopulistischer Parteien wird eine Erweiterung des Grundgesetztes als „dringender denn je“ (LSVD) verstanden. Denn nur so können Fortschritte hinsichtlich der Gleichstellung von LSTBIQ* nicht einfach rückgängig gemacht werden. Bundesvorstand des LSVD Henny Engels warnt: „Rechtspopulist*innen warten nur darauf, die Uhr wieder zurückzudrehen: Errungenschaften wie die Ehe für Alle und das Selbstbestimmungsgesetz könnten wieder abgeschafft werden. Mit Blick auf die zunehmende Queerfeindlichkeit in Deutschland und Bedrohung durch Rechts ist es Zeit, jetzt zu handeln!“

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Am 14. Mai 2024 veröffentlichte die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) ihren neuen Bericht zur Situation von LGBTIQ* in der Europäischen Union. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass diese Personengruppe zwar insgesamt offener ihre Identität lebt, gleichzeitig aber mehr Gewalt, Belästigung und Mobbing ausgesetzt ist als zuvor. „Besonders gefährdet sind jüngere LGBTIQ*-Personen.“

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Laut FRA-Studie, die laut eigener Aussage versucht, so repräsentativ wie möglich zu sein, gehen mehr als die Hälfte der befragten 100.000 Personen offen mit ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität, ihrem Geschlechtsausdruck sowie ihren geschlechtsspezifischen Merkmalen um. Dennoch vermeiden die meisten aus Angst vor Angriffen, zum Beispiel in der Öffentlichkeit Händchen zu halten. Auch die Diskriminierung ist im Vergleich zur vorherigen Erhebung 2019 insgesamt zurückgegangen, allerdings gab immer noch über ein Drittel an, Diskriminierungserfahrungen zu machen.

Jede zehnte Person (10%) hatte zudem Gewalterfahrungen erlebt. In Deutschland waren es sogar 16% und bei inter* Menschen über ein Drittel. Mehr als die Hälfte der Befragten war darüber hinaus Belästigungen ausgesetzt, in Deutschland gaben dies sogar 57% an. In der Erhebung von 2019 war es insgesamt noch ein Drittel gewesen. Auch erleben inter* und trans* Personen mit ca. zwei Dritteln erneut weit häufiger Belästigung als übrige Personen.

In Bezug auf Schulen gaben zwei Drittel der Befragten an, dass sie Mobbing erfahren haben, „und zwar generationsübergreifend in allen EU-Ländern“. Auch hier findet sich ein Anstieg gegenüber 2019, als lediglich die Hälfte diese Angabe machte. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass Gewalt und Belästigung an Schulen weiterhin bestehen, trotz Verbesserungen im Umgang mit LGBTIQ-Themen. Ein Fünftel der Schüler*innen berichtet, dass ihre Schule das Thema in ihre Bildung „positiv aufgenommen“ habe.

In Bezug auf die psychischen Auswirkungen habe mehr als ein Drittel schon einmal über Selbstmord nachgedacht, bei inter*, trans*, nicht-binären und genderdiversen Personen sind es sogar über die Hälfte. Ähnlich hohe bzw. noch höhere Zahlen zeigte auch der Zusammenhang mit Behinderungen oder finanziellen Unsicherheiten, unabhängig von der sexuellen Orientierung oder der Genderidentität. Gleichzeitig gibt ein Viertel der Personen an, dass sie zu Konversionsmaßnahmen gezwungen wurden, um ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität zu ändern. Daran anschließend haben LGBTIQ*-Personen erhebliche Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Fünf Prozent verzichten gar auf Behandlungen. Bei 2% wurde sogar die Behandlung von Seiten des medizinischen Fachpersonals verweigert. Und 10% hatten Probleme beim Zugang zur Notfallversorgung.

Insgesamt kommt die Studie zu der Erkenntnis: „Inter*, trans*, nicht-binäre und genderdiverse Personen sind häufiger Belästigungen und Gewalt ausgesetzt. Sie sind häufiger mit psychischen Problemen konfrontiert und haben häufiger Suizidgedanken. Außerdem sind sie eher von Obdachlosigkeit betroffen und haben Schwierigkeiten beim Zugang zu medizinischer Versorgung. Dies gilt auch für LGBTIQ*-Personen mit Behinderungen, in finanzieller Not oder Angehörige ethnischer oder anderer Minderheiten.“ Insgesamt hat nur ein Viertel der Befragten den Eindruck, dass ihre Regierung Vorurteile und Intoleranz gegenüber LGBTIQ*-Personen bekämpft.

Vor diesem Hintergrund bekommt die aktuelle Europawahl am 9. Juni 2024 eine besondere Dringlichkeit. Wie der LSVD schreibt, „[…] geht [es] um nichts weniger als um die Zukunft der europäischen Demokratie. Auch demokratische Parteien sind in der Gefahr, sich dem Rechtsruck zu beugen und der Diskursverschiebung nach Rechtsaußen nachzugeben.“ Trotz aller inhaltlichen Kritik an den unterschiedlichsten Parteien ist diese Demokratie momentan das Fundament, auf dem wir unsere Gesellschaft gestalten wollen. Dazu gehört, so der LSVD weiter, „klare Kante gegen rechtsextreme und menschenfeindliche Positionen zu zeigen“.

Das heißt erstens, zur Wahl zu gehen, und zweitens, sich selbst kritisch zu prüfen, ob die Partei des Vertrauens tatsächlich die richtige ist. Mehr Würde und weniger Menschenverachtung bedeutet, die Fragen nach einer allgemeinen sozialen Gerechtigkeit zu stellen. Wird nur die eigene Interessengruppe berücksichtigt, entstehen neue Einfallstore für Unsolidarität, Hass und damit rechten Populismus.

Den vollständigen Bericht gibt es unter diesem Link.

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Die europäische LGBTIQ*-Organisation ILGA-Europe hat zum 16. Mal die „Rainbow Map and Index“ veröffentlicht und damit eine Einstufung von 49 europäischen Ländern in Bezug auf ihre Queerfreundlichkeit geliefert. Deutschland ist von Platz 15 auf den zehnten Platz aufgestiegen.

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Jedes Jahr untersucht ILGA-Europe legislative Maßnahmen zum Schutz und zur Gleichstellung queerer Personen in europäischen Staaten. Die Kriterien werden in sieben Kategorien gebündelt: Nicht-Diskriminierung und Gleichstellung, Familie, Hasskriminalität, rechtliche Anerkennung von Gender sowie körperliche Unversehrtheit von inter-Personen, Asyl und Öffentlichkeit.

Zu den queerfreundlichsten Ländern zählen Malta, Island, Belgien, Spanien und Dänemark. In einigen Ländern – darunter Deutschland, Island, Griechenland und Liechtenstein – wurden Verbesserungen und ein „starker politischer Wille“ in Hinblick auf LGBTIQ*-Rechte verzeichnet, so ILGA-Europe in einer Pressemitteilung. Griechenland hat beispielsweise Ehe und Adoption für homosexuelle Paare legalisiert, somit steht das Land nun auf Platz 6. Deutschland hat sich insbesondere im Bereich der Hasskriminalität verbessert und dafür einen strengeren rechtlichen Rahmen eingeführt. Auch bei der rechtlichen Gleichstellung gibt es in Deutschland Verbesserungen, dazu fällt der Abbau von Diskriminierungen aufgrund sexueller Orientierung bei der Blutspende.

Sven Lehmann, Queerbeauftragter der Bundesregierung, hebt diese Erfolge hervor, gleichzeitig gebe es noch Potential nach oben. Konkret müssen die rechtliche Anerkennung von Regenbogenfamilien verbessert sowie Nicht-Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in die Verfassung eingeschrieben werden. Seiner Ansicht nach würde Deutschland auf Platz 5 aufsteigen können, wenn die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Maßnahmen umgesetzt werden sollten. Das kürzlich verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz wurde noch nicht in die Bewertung von ILGA-Europe für 2024 einbezogen (queer.de).

Trotz der rechtlichen Verbesserungen für queere Personen in einigen europäischen Staaten sind Diskriminierung, Hass und Gewalttaten in Europa allgemein nicht zurückgegangen. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) stellte fest, dass diese sogar zugenommen haben. Vor allem in Ländern wie Russland, der Türkei und Georgien verschärfe sich die Situation immer mehr, so ILGA-Europe. Auch in anderen Staaten, die für einen EU-Beitritt in Erwägung gezogen werden, wie Albanien, Bosnien und Herzegowina und sowie Kosovo, seien die Rechte von queeren Personen nicht ausreichend geschützt. ILGA-Europe fordert die EU dazu auf, diese Tendenzen zu beobachten und Mittel zu finden, um LGTBIQ* Personen in Europa besser vor sogenannten „Backlashs“ und reaktionärer Politik zu schützen.

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Das Exilmuseum Berlin ist eine privat gemeinnützige Stiftung. Gegründet wurde sie zwischen 2017 und 2018 mit dem Ziel, ein Museum zu errichten, das sich mit dem Thema Exil befasst und eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt. Seit 2022 ist das Grundstück am Anhalter Bahnhof, an dem während der Zeit des Nationalsozialismus viele Menschen ihre Reise ins Exil begannen, offiziell als Fläche für das Museum gesichert. 2028 soll das Museum eröffnet werden.

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Ausgangspunkt des Museums ist die Zeit zwischen 1933 und 1945. Damals waren es nicht nur Jüdinnen und Juden, sondern ebenfalls Personen der LGBTIQ* Gemeinschaft, die vom Anhalter Bahnhof in das Exil flohen. „Von den Menschen, denen dieses Schicksal widerfuhr, möchte das Exilmuseum Berlin erzählen – und dabei auch die Brücke zur Gegenwart schlagen: Wie wurden Flucht und Entwurzelung zu zentralen Erfahrungen unserer Zeit? Welche Verbindung besteht zwischen dem Exil damals und heute? Und was können wir aus der Geschichte für das Heute lernen?“ (Werkstatt Exilmuseum)

Fragen, die in der aktuellen Asyl- und Migrationspolitik nur allzu sehr durch ihre Abwesenheit glänzen. Ein Beispiel ist der EU-Asylkompromiss, über den wir bereits letztes Jahr geschrieben haben.

„[…] Das Risiko der Flucht, das verstörte Leben in der Fremde, Armut, Angst und haltloses Heimweh. All das erleben Menschen bis heute jeden Tag. […] Erzählt man von den Geschichten damals, versteht man auch die Menschen besser, die heute in Deutschland Zuflucht suchen“, so Literaturnobelpreisträgerin und Schirmherrin des Exilmusems Herta Müller auf der Webseite des Museums.

Diese Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist zentral. Das Museum kann hier ein Ort der Kommunikation werden. Ob es gelingt, bleibt abzuwarten - solange Fremdenhass und eine regressive Asylpolitik existieren, bleiben sie unleugbare Indikatoren für ein Unverständnis von Exil und unserer speziell deutschen Geschichte. In unserem Artikel über die Ausstellung "gefährdet leben. Queere Menschen 1933–1945", die sich ebenfalls mit dieser Zeit befasst, haben wir mit Kant bereits darauf hingewiesen, dass die Menschenwürde das fundamentalste Prinzip ist. Wird sie hintergangen, reißt der Boden, auf dem jede Freiheit und jedes Recht erkämpft wurde.

Für Interessierte hat das Magazin queer am 09. Mai unter dem Titel "Queer im Exil: Ein wichtiger Teil unserer Geschichte" dem Exilmuseum einen Artikel gewidmet, der die queere Seite des Exils etwas umfangreicher in den Blick setzt. Dabei macht der Artikel deutlich, dass bspw. Homophobie nicht an der Landesgrenze haltmacht. Also nicht nur der Weg birgt Gefahren, auch im neuen Land angekommen sind Offenheit und Hilfe nicht garantiert. Dies gilt es als Verantwortung der Gegenwart in einem Deutschland und Europa, das vielfältig sein will, anzuerkennen.

Wer sich beteiligen möchte, für den ist die Werkstatt jeden Donnerstag von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Sie soll als Veranstaltungsort, Labor und Ausstellung fungieren und den Ansatz des künftigen Exilmuseums sichtbar machen. Darüber hinaus werden regelmäßig Veranstaltungen und Ausstellungen organisiert und kuratiert:

  • 23. Mai 2024: Exile Promenade (Drei Guides laden zu einem performativen Spaziergang durch die Straßen Berlins ein), dabei u.a.: Die nicht-binäre Komponist:in Alina Anufrienko, die Russland nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine verlassen hat, nimmt mit auf eine akustische Reise – durch den Lärm der Kriegspropaganda, der versucht, queere, feministische und Anti-Kriegsstimmen zum Schweigen zu bringen.
  • Dienstag, 28. Mai 2024, 19 Uhr: „Frag nach!“ – Von der Vergangenheit für die Zukunft lernen
  • Donnerstag, 6. Juni 2024, 19 Uhr: Hans Keilson – Immer wieder ein neues Leben

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