Am 26. April berichtete das Magazin Schwulissimo über die Errichtung der ersten Gedenkstätte in Großbritannien für lesbische, schwule und bisexuelle Angehörige der Streitkräfte im National Arboretum.
Die britische Regierung hatte grünes Licht für das Projekt gegeben und die benötigten 350.000 britischen Pfund bereitgestellt. Ein bedeutsames Signal für die LGBTQ+-Community des Landes, insbesondere da es sich beim National Arboretum um einen Ort handelt, der bisher die Dienste und Opfer der britischen Streitkräfte anerkannte, jedoch die homosexuellen Angehörigen ausschloss, so Schwulissimo weiter.
Auch unabhängig von der persönlichen Meinung zu Militär und Krieg bleibt festzuhalten: Wenn sich Menschen als Soldat*innen für ihr Land verpflichten, obliegt dem Staat und den militärischen Führungskräften eine besondere Fürsorgepflicht. Dazu zählt auch der Schutz vor Diskriminierung innerhalb der Truppe. Dies ist ein ethisch gebotenes Minimum, wenn „man“ als Staat Menschen in den Krieg oder lebensbedrohliche Einsätze schickt.
In der Realität galt allerdings noch bis 1994 der §175, und selbst wenn dieser seit den 1950er Jahren in der Zivilgesellschaft nicht mehr zur Anwendung kam, galten in der Bundeswehr bis 1970 homosexuelle Handlungen als Dienstvergehen, die zu einer unehrenhaften Entlassung führen konnten. Bis 1979 war Homosexualität noch ein Ausmusterungsgrund. Im Jahr 2001 öffnete die Bundeswehr alle Laufbahnen auch für Frauen, 2006 wurde das Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten (SoldGG) erlassen. Es hat das Ziel, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, der Weltanschauung oder der sexuellen Identität für den Dienst als Soldatin oder Soldat zu verhindern oder zu beseitigen“ (§1 Abs. 1 SoldGG).
Es dauerte allerdings noch bis zum Jahr 2020, bis die damalige Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer sich offiziell für das Unrecht der Vergangenheit entschuldigt. Diese Entschuldigung haben die vergangenen Verteidigungsminister*innen bis zum aktuellen Boris Pistorius symbolisch wiederholt, wie das Bundesministerium der Verteidigung auf seiner eigenen Seite betont.
Im Juli 2021 tritt dann letztendlich das „Gesetz zur Rehabilitierung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen, wegen ihrer homosexuellen Orientierung oder wegen ihrer geschlechtlichen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Soldaten“ (SoldRehaHomG) in Kraft. Damit haben Betroffene nun die Möglichkeit der Rehabilitation und Entschädigung wegen dienstrechtlicher Benachteiligungen. Außerdem werden wehrgerichtliche Urteile aufgehoben.
Für Interessierte findet sich auf der Seite des LSVD eine genau chronologische Aufarbeitung der Ereignisse mit weiterführenden Links. Für Betroffene bietet die Seite der Bundeswehr ein umfangreiches FAQ an, dabei geht es unter anderem darum:
- Welche Urteile sind aufgehoben?
- Wer hat Anspruch auf Entschädigung?
- Erhält man nach Aufhebung des Urteils seinen Dienstgrad zurück?
Ebenso finden sich dort die Anträge für Rehabilitation und Entschädigung.
Denkt man an vulnerable Gruppen, kommt einem selten die Bundeswehr in den Sinn. Aber gerade in stark hierarchischen Institutionen mit teilweise nach außen geschlossenen Strukturen und einem Nimbus, der die „Nicht-Vulnerabilität“ propagiert, bleibt die Gefahr von unerkannter oder nicht geahndeter Diskriminierung und anderen Vergehen weiterhin ein Thema – auch mit einer Entschädigungsregel und dem Rehabilitationsgesetz im Hintergrund.