Echte Vielfalt

11. Juni 2024

Änderung im deutschen Völkerstrafrecht. Ein Einblick in ihre Bedeutung für die LGBTIQ* Gemeinschaft

Der Bundestag hat am Donnerstag, 6. Juni 2024, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts angenommen. Enthalten hatte sich lediglich die AfD. Ziel des Gesetzes ist die Verbesserung der juristischen Verfolgung in Deutschland von Verbrechen, die im Ausland begangen wurden und gegen das Völkerrecht verstoßen.

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„In den vergangenen Jahren hat [das Völkerstrafrecht] sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene zunehmend an Bedeutung gewonnen. Vor allem der massive Einsatz sexualisierter Gewalt hat zu einem gesteigerten Bewusstsein für die Lückenhaftigkeit des bestehenden deutschen Völkerstrafrechts geführt“, so heißt es zur Begründung des Gesetzes in seiner angenommenen Fassung. Auch die „‚sexuelle Orientierung‘ für die Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe“ soll dabei in den Tatbestand als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§7 VStGB) aufgenommen werden.

Wie das Magazin queer in ihrem Artikel dazu betont, fasst das Gesetz den Begriff des ‚Geschlechts‘ weit, um sämtliche geschlechtliche Identitäten „insbesondere auch die nicht-binäre Geschlechtsidentität sowie die trans- und intergeschlechtliche Identität“ zu integrieren. In unserem Artikel zur neuen FRA-Studie haben wir bereits auf den Umstand hingewiesen, dass insbesondere inter*, trans*, nicht-binäre und genderdiverse Personen häufig Belästigungen und Gewalt ausgesetzt sind. Was für Europa bereits zu verurteilen ist, wiegt im Falle, dass das Völkerrecht ins Spiel kommt, besonders schwer.

Das neue Gesetz legt Wert darauf, dass richterliche Entscheidungen den Kontext und den Standpunkt der Betroffenen berücksichtigen sollten. So heißt es: „As noted […], an ‚act of sexual nature‘ must be seen in context. It may be informed by the survivor’s point of view.” Damit wird die Liste der explizierten Straftaten, die in §7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB erweitert wurde (die aktuelle Fassung steht auf Seite 4 der Gesetzesfassung), zusätzlich um einen unbestimmten Rechtsbegriff ergänzt. Somit erfüllt „jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere“ ebenfalls den völkerrechtlichen Straftatbestand. Hinzu kommt, dass mit dem neuen Gesetz Opfer von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Möglichkeit erhalten, als Nebenkläger*innen aktiv am Prozess teilzunehmen. Auch ein Anspruch auf psychosoziale Betreuung ist zu gewähren.

Wie Sven Lehman (Queerbeauftragter der Bundesregierung) auf seiner offiziellen Webseite hervorhebt, wird „im Völkerstrafgesetzbuch […] nun unmissverständlich klargestellt, dass im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung auch die Verfolgung von LSBTIQ* ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt. […]Eine Strafbarkeitslücke wird endlich geschlossen. Das erleichtert eine effektive Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen gegen LSBTIQ*.“

Insgesamt stärkt das Gesetz also das Recht, um gegen solche Verbrechen, die auf deutschem Boden verhandelt werden, besser vorzugehen. „Ferner [so der Bundestag,] wird im Gerichtsverfassungsgesetz nunmehr klargestellt, dass die sogenannte ‚funktionelle Immunität‘ eine Verfolgung von Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht hindert“. Das heißt, Amtsträger*innen (bspw. Diplomat*innen oder Minister*innen anderer Länder etc.) sind nicht aufgrund ihres Status immun.

Wie wir allerdings schon in früheren Artikeln zu grenzüberschreitendem Recht erwähnt haben, wird es am Ende auf dessen Anwendung ankommen. Dennoch liefert das neue Gesetz eine rechtliche Handhabe für die deutschen Behörden, aber auch für NGOs und weitere zivile Akteure. Darüber hinaus erkennt der Bundestag durch seine Verabschiedung explizit an, dass sexualisierte Gewalt und Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und  ein akutes Problem darstellen.

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