Nach der Bundestagswahl 2025 ist vieles offen. Während politische Akteure über Koalitionen verhandeln, blickt ein Teil der Gesellschaft mit wachsender Sorge in die Zukunft – besonders innerhalb der LSBTIQ*-Community. Die Frage, wie sicher hart erkämpfte Rechte tatsächlich sind, ist keine theoretische mehr. Sie ist real, spürbar und mit Blick auf Europa alarmierend.
Bedrohliche Signale aus Europa
Ein Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigt, wie schnell gesellschaftlicher Fortschritt ins Wanken geraten kann. Laut ILGA Europe hat sich die Lage für LGSBTIQ*-Menschen in mehreren EU-Staaten zuletzt deutlich verschlechtert. In Ländern wie Ungarn, Italien, Bulgarien oder Rumänien wurden neue Gesetze verabschiedet oder vorbereitet, die queere Menschen offen diskriminieren. Der politische Diskurs wird zunehmend von Desinformation, Hassrhetorik und dem Kampfbegriff der „queeren Propaganda“ geprägt.
Besonders besorgniserregend: Gerichtsurteile europäischer Höchstgerichte zur Gleichstellung von LSBTIQ*-Familien werden in einigen Staaten weiterhin ignoriert. Gleichzeitig geraten Medienfreiheit, Zivilgesellschaft und Versammlungsrechte unter Druck. Hier zeigen sich Entwicklungen, die immer auch direkte Auswirkungen auf Minderheiten haben.
Deutschland ist keine Insel
Auch hierzulande ist die Situation weniger stabil, als sie lange schien. Zwar definieren sich inzwischen rund zwölf Prozent der Menschen in Deutschland als LSBTIQ*, in der Generation Z sogar mehr als jede*r Fünfte. Doch parallel dazu zeigen aktuelle Studien: Die gesellschaftliche Akzeptanz nimmt wieder ab. Hasskriminalität, Diskriminierung im Alltag und Unsicherheit im Berufsleben sind für viele queere Menschen weiterhin Realität.
Gerade deshalb wird eine Gruppe immer wichtiger: Allys, also Menschen außerhalb der Community, die sich bewusst und aktiv an ihre Seite stellen.
Was einen guten Ally ausmacht
Ein Ally zu sein bedeutet mehr als wohlmeinende Likes in sozialen Netzwerken. Es beginnt mit Zuhören, mit dem Erkennen eigener Privilegien und mit der Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen. Wer nie Angst haben musste, sich Händchen haltend zu zeigen oder im Job offen über das eigene Privatleben zu sprechen, lebt in einer anderen Realität – und genau diese Differenz gilt es anzuerkennen.
Gute Allys informieren sich, ohne Betroffene zu retraumatisieren. Sie greifen ein, wenn abfällige Witze gemacht werden oder Vorurteile unwidersprochen bleiben, ruhig, sachlich und ohne moralischen Zeigefinger. Oft reicht ein klarer Satz oder eine einfache Frage, um einen Perspektivwechsel anzustoßen.
Sichtbarkeit und Solidarität im Alltag
Solidarität darf sichtbar sein, muss aber nicht laut auftreten. Ein kleines Symbol, ein offenes Wort oder die Teilnahme an lokalen Initiativen können für queere Menschen ein starkes Signal sein: Du bist nicht allein. Gleichzeitig gilt: Unterstützung heißt nicht Bevormundung. Allys sollten Raum lassen, damit Betroffene selbst sprechen können, also Unterstützung auf Augenhöhe statt Rettungsfantasien.
Verantwortung auf beiden Seiten
Auch die Community selbst steht in der Verantwortung. Viele Menschen wissen wenig über queere Lebensrealitäten – nicht aus Bosheit, sondern aus Unwissen. Wer Allys gewinnen will, braucht Geduld, Offenheit und die Bereitschaft zum Dialog. Angst und Vorurteile lassen sich nicht mit Abwehr, sondern nur mit Argumenten und Begegnung abbauen.
Am Ende profitieren vor allem LSBTIQ*-Menschen von starken Verbündeten. Deshalb gilt: Wer sich solidarisch zeigt, verdient Respekt und Dankbarkeit, nicht Misstrauen oder Abgrenzung. In Zeiten wachsender Unsicherheit ist eines klarer denn je: Gleichberechtigung lässt sich nur gemeinsam verteidigen.
