Echte Vielfalt

24. Dezember 2024

ePA-Start im Januar 2025: Ein kritischer Blick der Deutschen Aidshilfe

Am 15. Januar 2025 ist es soweit: Dann wird die elektronische Patientenakte (ePA) allen gesetzlich Versicherten bereitgestellt. Ziel ist es, den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten zu verbessern und die Versorgung gezielt zu unterstützen.

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Auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) heißt es dazu: „Durch die bessere Verfügbarkeit der Daten kann die persönliche medizinische Behandlung in Zukunft verbessert werden. […] Außerdem können Doppeluntersuchungen vermieden werden, was sowohl zu einer Entlastung der Patientinnen und Patienten als auch zu einer Entlastung der Ärztinnen und Ärzte führt.“

Wer die ePA allerdings nicht nutzen möchte, muss ab dem 15. Januar aktiv widersprechen (Opt-out), heißt es auf der Seite des BMG.

Die Deutsche Aidshilfe (DAH) betont, dass trotz der Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitswesen Datensicherheit, Transparenz und eine einfache Handhabung der Gesundheitsdaten für alle Menschen entscheidend bleiben. Besonders wichtig ist die Gewährleistung der Selbstbestimmung über diese persönlichen und sensiblen Informationen. Dabei sind der HIV-Status, die sexuelle Orientierung, die geschlechtliche Identität, der Drogenkonsum sowie psychische Erkrankungen besonders sensible Informationen, die häufig mit einem hohen Risiko für Diskriminierung und Stigmatisierung verbunden sind.

Daraus folgen für die DAH vier zentrale Forderungen, um das Wohl der Patient*innen zu gewährleisten und die Risiken zu mindern:

  1. Patient*innen müssen die vollständige Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten haben und entscheiden können, wer darauf zugreifen darf. Dies muss einfach und transparent sein.
  2. Patient*innen sollten aktiv in den Gestaltungsprozess der Digitalisierung eingebunden und gut informiert werden.
  3. Die bestehenden Machtungleichgewichte im Gesundheitswesen, etwa zwischen Patient*innen und Ärzt*innen, müssen bei der Digitalisierung berücksichtigt werden, um Diskriminierung zu vermeiden.
  4. Höchste Standards in IT-Sicherheit und Datenschutz sind notwendig, um Risiken wie Cyberangriffe zu minimieren, und es muss Transparenz bei der technischen Umsetzung gewährleistet sein.

Jedoch weist die ePA an diversen Stellen noch massive Lücken auf, wie die DAH betont. Insgesamt verweist sie dabei auf vier zentrale Themenfelder:

  1. Selbstbestimmung der Patient*innen: Das Opt-out-Prinzip für Primärversorgung und Forschungsdaten widerspricht einem selbstbestimmten und patient*innenzentrierten Ansatz im Gesundheitswesen.
  2. Benutzerfreundlichkeit: Die Steuerung der Sichtbarkeit von Gesundheitsinformationen ist unnötig kompliziert und erschwert die gezielte Kontrolle durch Patient*innen.
    „Möchten Patient*innen einzelne Gesundheitsinformationen gegenüber Ärzt*innen verbergen, müssen sie nicht nur alle relevanten medizinischen Dokumente einzeln verbergen, sondern auch auf die Medikationsübersicht sowie die Abrechnungsdaten der Krankenkassen achten, die beide ebenfalls automatisiert in die ePA einfließen und dort für alle behandelnden Ärzt*innen und Institutionen sichtbar sind.“
  3. IT-Sicherheit: Moderne Sicherheitsstandards wie Zero Trust und Security by Design werden nicht konsequent umgesetzt und die fehlende Open-Source-Verpflichtung der App-Codes behindert unabhängige Prüfungen.
  4. Machtverteilung und Interessenskonflikte: Der Zugriff von Betriebsärzt*innen auf die ePA und neue Analyseoptionen für Krankenkassen werfen Fragen zur Machtverteilung und zu potenziellen Interessenskonflikten auf.

Eine systematische Verbesserung in den Bereichen Selbstbestimmung, Nutzungsfreundlichkeit, IT-Sicherheit und Machtverteilung ist entscheidend, um zu verhindern, dass die elektronische Patientenakte bereits in ihrer Konzeption Risiken für Stigmatisierung und Diskriminierung birgt. Werden die Forderungen der Deutschen Aidshilfe nach einer stärkeren Selbstbestimmung, höherer Nutzungsfreundlichkeit und verbesserter Datensicherheit umgesetzt, könnte die ePA tatsächlich eine Entlastung für Mediziner*innen und Patient*innen darstellen. Andernfalls bleibt zu befürchten, dass sich hier nur ein weiteres Konfliktfeld öffnet.

Bild: rawpixel.com auf Freepik

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