Echte Vielfalt

27. Januar 2023

Märchenbuch wird von höchster Instanz legitimiert

Dass Geschichten unsere Sicht auf die Welt prägen, ist keine neue Erkenntnis. Dass Geschichten dabei auch schädlichen Einfluss auf unser Leben haben können, sollte auch nicht infrage stehen. Auf der anderen Seite können Geschichten aber auch das Fundament bilden, die Welt mit neuen Augen zu betrachten und festgefahrene Normen zu hinterfragen. Worauf es dabei ankommt, ist allerdings nicht nur die Geschichte selbst, sondern auch die Frage, wie das soziale Umfeld und die Bezugspersonen diese Geschichte behandeln.

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Nach einem Bericht des Magazin Legal Tribune Online (LTO) hat nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bestätigt, dass es sich bei Märchen, in denen homosexuelle Paare vorkommen, ausdrücklich nicht um Kinder gefährdende Literatur handelt. Geklagt hatte die litauischen Autorin Neringa Dangvydė Macatė, nachdem ihr Kinderbuch mit Märchen von der Aufsichtsbehörde für journalistische Ethik als nicht vereinbar mit dem Gesetz zum Schutz Minderjähriger vor „negativen Auswirkungen aufgrund öffentlicher Informationen“ bezeichnet wurde. Versuche der Autorin, dies vor litauischen Gerichten zu klären, waren zuvor ohne Erfolg geblieben. Beschwert hatten sich Mitglieder des litauischen Parlamentes und einige Familienverbände. Die verlegende Universität für Erziehungswissenschaften hatte daraufhin den Vertrieb zunächst gestoppt und später nur mit einem Warnhinweis wieder aufgenommen.

Laut LTO beschneide das Publikationsverbot ebenso wie die Warnhinweise das Recht auf Meinungsfreiheit nach Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und sei unvereinbar „mit den Begriffen Gleichheit, Pluralismus und Toleranz einer demokratischen Gesellschaft“. Genau diese „demokratische Gesellschaft“ ist aber das Selbstverständnis der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. Der Gerichtshof betonte, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür gebe, dass die Erwähnung von Homosexualität Kindern schaden würde. Wie das Magazin schwulissimo in diesem Zusammenhang hervorhebt, gehe es lauf EGMR nicht darum, heterosexuelle Paare zu beleidigen, sondern um mehr Respekt innerhalb der Gesellschaft.

Bereits in einem früheren Artikel haben wir darauf hingewiesen, dass Geschichten nicht nur durch Bücher und Filme vermittelt werden, sondern auch Werbung Geschichten erzählt. Gerade in Bezug auf Kinder ist es wichtig, dass diese Geschichten begleitet werden, um sie nicht möglichen Ideologien auszusetzen. So kann auch aus solchen Geschichten gelernt werden, die problematisch erscheinen. Genau das ist im vorliegenden Fall geschehen. Es war nicht das Märchenbuch, das hier einer kritischen Einordnung bedurfte, sondern die Erzählung, die in den Köpfen einiger Mitglieder des litauischen Parlaments und bestimmter Verbände existierte. Dem EGMR oblag die Aufgabe, „die Gesetzgebungsgeschichte der entsprechenden litauischen Regelung“ – mit Verweis auf die Meinungsfreiheit und Grundbegriffe einer demokratischen Gemeinschaft – kritisch einzuordnen.

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