Seit dem 1. Oktober 2022 gilt eine neue Dienstanweisung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Asylverfahren von queeren Personen. Bis es jedoch dazu kam, war im Vorfeld viel Protest nötig. Die Anweisung sieht vor, dass erstens, „keine Verhaltensprognosen mehr durchgeführt werden“: Grundsätzlich sei stattdessen davon auszugehen, dass jeder Mensch, der einen Asylantrag stellt, seine*ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität auch offen lebt.
Zweitens stellt „die Dienstanweisung […] ausdrücklich klar, dass LSBTIQ* Schutzsuchende in keinem Fall auf ein diskretes Leben im Herkunftsland verwiesen werden dürfen“. Besonders bedeutsam ist dabei die Anmerkung, dass dies auch gilt, wenn eine Person bereits von sich aus deutlich gemacht hat, dass sie ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität verbirgt. Das BAMF verdeutlichte, dass die Mitarbeiter*innen zur Umsetzung dieser Dienstanweisung in Zusammenarbeit mit NGOs entsprechend geschult würden und dass bei „geschlechtsspezifischer Verfolgung besonders geschulte Entscheiderinnen und Entscheider beteiligt [würden]“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte: „Niemand dürfe sich gezwungen fühlen, ein gefährliches Doppelleben zu führen“.
Noch im Juni hatten sie und ihr Ministerium massive Kritik einstecken müssen. Bis dato mussten Geflüchtete dem BAMF gegenüber glaubhaft machen, dass sie zum einen die von ihnen angegebene sexuelle Orientierung tatsächlich haben und zum anderen, dass ihnen aufgrund dieser in ihrem Herkunftsland Verfolgung drohe. Doch selbst wenn dies vom Ministerium als glaubhaft eingeschätzt würde, bedeutete das „Diskretionsgebot“ eine mögliche Abschiebung. Die betroffenen Personen wurden darauf verwiesen, dass ihnen bei einer „diskreten“ Lebensweise keine solche Gefahr drohe, so der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD).
Neben NGOs wie dem LSVD positionierten sich nach einem Bericht von queer.de auch die LSBTIQ*‑Verbände von SPD, Grünen und FDP offen gegen ihre eigene Regierung und forderten ein Ende dieses Missstandes. Zudem erklärte bereits im August das vierte Verwaltungsgericht die „Diskretionsprognose“ und die darauf beruhenden Handlungen des BAMF für unzulässig.
Die Dienstanweisung ist damit nicht nur ein positiver Schritt, sondern eine selbstverständliche Anpassung von unzulässiger Praxis. Auf NGOs und Sozialverbände kommt damit die Aufgabe zu, entsprechende Schulungsangebote zu gestalten sowie die Umsetzung der Anweisung durch das Ministerium und seine Verantwortlichen kritisch zu beobachten.