Echte Vielfalt

22. März 2021

Die Situation von LGBT in Russland

Die Lage für LGBT-Personen und -Aktivist*innen in Russland verschärft sich zunehmend. Insbesondere die Politik der Regierung und die Russisch Orthodoxe Kirche haben Einfluss auf ein wachsendes homo- und transfeindliches gesellschaftliches Klima. Neben Gewalt gegen LGBT müssen LGBT-Aktivist*innen Angst vor Angriffen bei Auftritten in der Öffentlichkeit haben und ihre Arbeit wird durch rechtliche Kriminalisierung verunmöglicht.

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In der damaligen Sowjetunion gab es zunächst keine LGBT-Bewegung und war Homosexualität verboten. Im Zuge der Systemtransformation wurde 1993 Homosexualität entkriminalisiert und führte zu einem Entstehen der LGBT-Bewegung. In den letzten Zwanzig Jahren kam es dann in Russland zu einem Erstarken der Bewegung und der Gründung neuer LGBT-Organisationen. In einigen Bereichen wuchs die Akzeptanz gegenüber LGBT, zum Beispiel in Teilen der Medienlandschaft und in der Popkultur.

Trotzdem waren und sind die Einstellungen gegen LGBT-Personen in der Bevölkerung weiterhin negativ. Pride-Paraden oder Protestveranstaltungen riefen immer wieder starke homophobe Reaktionen hervor. Konservative Politik und Kirche fordern seit einigen Jahren die Bewahrung „traditioneller Werte“.  Die kulturellen Werte der Nation seien bedroht und müssten vor Einfluss des Westens geschützt werden. Die Zunehmende Ablehnung gegenüber LGBT führte schließlich 2013 zur Verabschiedung eines Gesetzes gegen „homosexuelle Propaganda“.  LGBT-Veranstaltungen und -Projekte werden seitdem unter dem Vorwand des Kinderschutzes verboten. Auch hatte das Gesetz eine Selbstzensur von Medien und weiteren Akteur*innen zur Folge, die ihre Berichterstattung oder Thematisierung von LGBT-Themen einschränkten. Eine weitere dramatische Konsequenz ist die Zunahme von Diskriminierung und Hassverbrechen gegenüber LGBT. In diesem Zusammenhang dient das Gesetz den homophoben Täter*innen unter anderem als Rechtfertigung. Die Opfer solcher Taten gehen aus Angst für weiterer Erniedrigung oder Gewalt oft nicht zur Polizei.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bestätigt in einem Bericht, dass das Gesetz die bestehende Feinseligkeit gegenüber LGBT verstärke und den Zugang zu Aufklärungs- und Hilfeangeboten, insbesondere für Jugendliche, blockiere.

Die russische Regierung verabschiedete außerdem weitere Gesetze, die insgesamt oppositionelle Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen in ihren Rechten einschränken und ihre Arbeit erschwerten. Auch die Verschärfung des Versammlungsrechtes gehört dazu.

Beispielhaft für die politische Verfolgung von LGBT-Aktivist*innen steht die Aktivistin Julia Tsvetkova. Die lesbische Feministin, Künstlerin und LGBT-Aktivistin ist wegen der Veröffentlichung von Zeichnungen mit feministischen und LGBT-Motiven Repressionen ausgesetzt, stand deswegen bereits unter Hausarrest und wurde zu Geldstrafen verurteilt. Wegen einer feministischen Zeichnung mit nackten Frauen wird sie nun beschuldigt, illegal Pornographie verbreitet zu haben. Ihr droht eine mehrjährige Haftstrafe in einem Straflager.  Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International stufen sie als politisch Verfolgte ein. In einem Interview mit der Zeitschrift Siegessäule sagte Julia zu ihrem Fall: „Für viele Menschen im Westen ist es schwer vorstellbar, dass man im 21. Jahrhundert angeklagt werden kann, weil man sagt, dass Frauenkörper schön und stark sind und den Frauen selbst gehören. Wenn ich verurteilt werden sollte, werde ich definitiv nicht aufgeben und meinen Fall zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen.“

Es ist nicht überraschend, dass eine zunehmende Zahl an LGBT-Personen auf Grund der beschriebenen Entwicklungen ins Ausland und auch nach Deutschland migriert. Der Verein Quarteera, ein Zusammenschluss russischsprachiger queerer Menschen in Deutschland, setzt sich unter anderem für sie ein. Außerdem engagiert sich die Initiative gegen Homophobie in der russischen Community in Deutschland.  

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