Echte Vielfalt

17. November 2022

Ein überflüssiger Antrag und das allgemeine Verbot von gendergerechter Sprache

Nach einem Antrag der CDU-Fraktion mit Unterstützung der AfD sollen Thüringens Landesbehörden und Landesregierung in ihrer öffentlichen Kommunikation auf gendergerechte Sprache verzichten.

Wie das ZDF berichtet, wurde der umstrittene Antrag am späten Mittwochabend (09.11) bei einer namentlichen Abstimmung im Landtag mit 38 Ja- und 36 Nein-Stimmen verabschiedet.

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Thüringen wird momentan von einer rot-rot-grünen Minderheitskoalition regiert. Bis zuletzt hatte diese noch versucht, durch einen entsprechenden Gegenantrag über eine „Selbstverpflichtung zu einer respektvollen Kommunikation“ Kompromisse zu finden, doch vergebens. Der CDU-/AfD-Antrag sieht vor, dass Landesregierung, Ministerien, Universitäten, staatliche Schulen und auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine Gender-Sprache mehr verwenden „sollen“. Wie das ZDF ergänzt, handelt es sich hierbei nur um einen Appell und nicht um eine Bestimmung. Ob und wie der Antrag umgesetzt wird, liegt weiterhin im Verantwortungsbereich der Regierung.

Der CDU-Abgeordnete Christoph Zippel hatte den Antrag seiner Fraktion damit begründet, dass nach verschiedenen Umfragen eine Mehrheit der Menschen in Deutschland die „Gendersprache“ ablehne. Gendern sei lediglich ein „Eliteprojekt“, das die Menschen bevormunde, so der Abgeordnete nach Angaben des ZDF. Wie das Magazine schwullissimo berichtet, sehe die thüringische CDU das Gendern als Ausdruck einer ideologischen Auffassung.

SPD und Linke hielten dagegen, dass es sich beim Gendern um ein „legitimes Mittel handele, die Gleichheit der Geschlechter zum Ausdruck zu bringen“ und verwiesen auf das Gleichstellungsgesetz und aktuelle Rechtsprechung.

Laut Bundesverfassungsgericht ist klar geregelt, dass staatliche Sprach- und Schreibverbote (abgesehen von strafbaren Beleidigungen) in der privaten Kommunikation ausgeschlossen sind. Für öffentliche Einrichtungen sieht es jedoch anders aus: Diese haben sich explizit an die deutsche Rechtschreibung zu halten, die ein entsprechendes Gendern nicht vorsieht. Im Gegensatz zu Schulen können sich Professor*innen und Universitäten (außerhalb ihrer Verwaltung) wiederum auf die Freiheit der Wissenschaft berufen. Gleiches gilt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Auch dieser hat durch „das Gebot der Staatsferne“ das Recht, selbständig seine Sprache zu wählen. Wie das ZDF folgert, wäre damit der Antrag auf individueller und universitärer Ebene sowie beim öffentlichen Rundfunk nicht anwendbar und bei allen weiteren stattlichen Einrichtungen überflüssig, da es de facto über die Rechtschreibpflicht bereits besteht. Dies gilt im Übrigen für ganz Deutschland.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Antragssteller*innen sich sehr wohl bewusst waren, dass ihr Antrag keinen rechtsbindenden Charakter haben würde und dass mit Bezug auf die Anwendungspflicht der deutschen Rechtschreibung bereits ein wirksames Genderverbot existiert. Damit bekommt der Vorwurf der Linken gegenüber der CDU, einen „rechtspopulistischen Kulturkampf“ zu betreiben, ein gewisses Fundament. Auf jeden Fall zeigt es aber, dass sich hinter dem Antrag eine ebensolche „ideologische“ Haltung verbirgt, wie sie die Antragsstellenden selbst zum Vorwurf gemacht haben.

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