Echte Vielfalt

15. Dezember 2021

EU-Ratschläge für integrative Sprache werden nach rechtem Aufschrei zurückgezogen

Ein internes Dokument der Europäischen Kommission, in dem Beamt*innen empfohlen wurde, eine inklusive Sprache wie „Ferienzeit“ anstelle von „Weihnachten“ zu verwenden und Begriffe wie „man-made“ (Dt.: „von Männern gemacht“) zu vermeiden, wurde nach einem Aufschrei rechter Politiker zurückgezogen.

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Die Kehrtwende der EU-Exekutive in Bezug auf die Leitlinien, die von der Gleichstellungskommissarin Helena Dalli Ende Oktober auf den Weg gebracht worden waren, seien durch einen Artikel in der italienischen Boulevardzeitung Il Giornale ausgelöst worden, in dem behauptet worden sei, die Leitlinien kämen einem Versuch gleich, „Weihnachten abzuschaffen“. Eine Reihe von Politiker*innen der Rechten, darunter der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments Antonio Tajani, Mitglied von Silvio Berlusconis Forza Italia, seien daraufhin auf das Thema angesprungen, um sich gegen den „absurden“ Ratschlag auszusprechen. So twitterte Tajani: „Inklusion bedeutet nicht, die christlichen Wurzeln [der EU] zu leugnen“.

Daraufhin gab Dalli eine entschuldigende Erklärung ab, obwohl sie am 26. Oktober noch einen Tweet mit einem Bild von sich mit den Leitlinien und dem Ausdruck ihres Stolzes über die Veröffentlichung geteilt hatte. In der Entschuldigung schrieb sie: „Mit meiner Initiative, Leitlinien als internes Dokument für die Kommunikation der Kommissionsbediensteten im Rahmen ihrer Aufgaben zu erstellen, wollte ich ein wichtiges Ziel erreichen: die Vielfalt der europäischen Kultur zu veranschaulichen und den inklusiven Charakter der Europäischen Kommission gegenüber allen Lebensbereichen und Überzeugungen der europäischen Bürger zu zeigen. Die veröffentlichte Fassung der Leitlinien erfüllt diesen Zweck jedoch nicht ausreichend. Es handelt sich um ein unausgereiftes Dokument, das nicht alle Qualitätsstandards der Kommission erfüllt. Die Leitlinien bedürfen eindeutig weiterer Überarbeitung. Ich ziehe daher die Leitlinien zurück und werde weiter an diesem Dokument arbeiten.“

Den Beamt*innen, die mit dem 27-köpfigen Kommissionskollegium unter der Leitung von Ursula von der Leyen zusammenarbeiten, sei geraten worden, nicht davon auszugehen, dass alle Menschen christlich, weiß und verheiratet sind. Anstatt von Weihnachten zu sprechen, sollten die Beamten „die Ferienzeit“ sagen, hieß es in dem Dokument. Außerdem wurde ihnen geraten, geschlechtsspezifische Pronomen, Wörter und Ausdrücke wie „Vorsitzender“ und „Damen und Herren“ zu vermeiden. Es wurde zudem vorgeschlagen, dass Menschen nach ihren Pronomen gefragt werden und Begriffen wie schwul, lesbisch, transgender, bi oder inter nicht als Substantiv verwendet werden sollten, sondern trans Person oder schwule Person gesagt werden solle.

Nach Dallis Kehrtwende twitterte Tajani, dass das Umdenken ein Sieg des gesunden Menschenverstands sei. Der ehemalige italienische Ministerpräsident Matteo Renzi schloss sich seinem Jubel an und twitterte: „Es war absurd und falsch: Es war ein absurdes und falsches Dokument. Eine Gemeinschaft hat keine Angst vor ihren Wurzeln. Und kulturelle Identität ist ein Wert und keine Bedrohung“.

Sophie in ‚t Veld, eine liberale niederländische Europaabgeordnete, sei hingegen besorgt über den plötzlichen Rückzug in dieser Frage: „Kommissarin Dalli verdient Lob dafür, dass sie den Mut hatte, das Thema anzusprechen, wenn auch auf eine etwas ungeschickte Art und Weise.“ Die konzertierten Fehlinformationen und Angriffe der extremen Rechten auf sie und die anschließende Reaktion der Kommission darauf seien besorgniserregend. Die Kommission müsse erkennen, dass Europa und seine Institutionen alle Menschen vertreten – auch queere Menschen.

Lesen Sie hier Artikel über die Macht der Sprache und darüber, warum wir Pronomen respektieren sollten.

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