Am 27. Oktober trat die schottische Ministerin für kommunale Sicherheit, Ash Regan, zurück. Sie protestierte damit gegen den aktuellen Gesetzesentwurf der Regierung zur Selbsterklärung für die rechtliche Anerkennung des Geschlechts, das die Notwendigkeit einer psychiatrischen Diagnose der Geschlechtsdysphorie beseitigt und das Alter für Antragsteller*innen von 18 auf 16 Jahre herabsetzt.
Als Begründung betonte Regan, sie könne die anstehende Abstimmung nach gründlicher Überlegung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Die schottische Prime Ministerin Nicola Sturgeon nahm den Rücktritt Regans an, warf dieser allerdings vor, es versäumt zu haben, ihre Bedenken frühzeitig zu äußern. „Ich stelle fest, dass Sie sich zu keinem Zeitpunkt an mich – oder an den Kabinettssekretär für soziale Gerechtigkeit – gewandt haben […]“, zitiert The Guardian Sturgeon. Dennoch wurde der Gesetzesentwurf im ersten Schritt vom Parlament mit 88 zu 33 Stimmen angenommen. Unterstützt wurde der Entwurf dabei auch von Nicht-Regierungsparteien wie der Labour Partei, „die dafür eintritt, eine Befriedung in der Sache erreichen zu wollen“, so das Magazin schwulissimo.
Bevor es allerdings zur endgültigen Gesetzgebung kommt, geht der Vorschlag in die sogenannte Änderungsphase. Hier wurden bereits im Voraus von verschiedenen Abgeordneten Bedenken geäußert, dass das Vorhaben massiv an Zustimmung in der Bevölkerung verlieren könne, wenn die Regierung im weiteren Verlauf nicht auf wesentliche Bedenken eingehe, so das Magazin weiter (In unserem letzten Artikel zu diesem Thema findet sich ein Überblick zu den Kritikpunkten).
Die Ministerin für soziale Angelegenheiten, Shona Robison, versicherte den Abgeordneten, dass sie eine „Politik der offenen Tür“ für diejenigen habe, die Bedenken vorbringen oder mögliche Änderungsanträge diskutieren wollen. Jede*r Abgeordnete könne in der zweiten Phase Änderungsanträge einbringen, solange diese im Rahmen der Gesetzgebung liegen.
Nach der intensiven Debatte am Donnerstag, 27. Oktober, zeigten sich einen Tag später die Abgeordneten beider Seiten optimistisch: Diejenigen, die darauf hinwiesen, dass die wichtigsten Grundsätze der Reform parteiübergreifend unterstützt würden, und diejenigen, nach deren Meinung die Revolte der ‚Hinterbänkler‘ der Schottischen Nationalpartei (SNP) – die stärkste seit 15 Jahren – eine weitere Zusammenarbeit der Gegner*innen in der nächsten Phase anregen könne. Die Vertreter*innen der schottischen trans Community begrüßten zwar die breite Unterstützung des Gesetzentwurfs durch die Abgeordneten, fügte aber hinzu, dass es bedauerlich war, im Plenarsaal einige der gleichen Fehlinformationen zu hören, gegen die sie seit Jahren ankämpften.
Wie The Guardian weiter berichtet, wird auf der Gegenseite nächsten Monat die Anhörung eines langwierigen Gerichtsverfahrens erwartet, das den Entwurf evtl. nochmals infrage stellen könnte. Die Kampagnengruppe „For Women Scotland“, die gegen die Selbstdeklaration eintritt, hatte bereits 2018 im Zusammenhang mit einem Gesetz über die Vertretung der Geschlechter in öffentlichen Gremien gegen die schottische Regierung geklagt.
Es ist also zu vermuten, dass die zweite Phase nicht weniger kontrovers verlaufen wird als es bis jetzt der Fall war.