Echte Vielfalt

21. Januar 2022

Rapperin Haiyti sagt sie will mit dem Gebrauch von „schwul“ als Schimpfwort „provozieren“

Vor mehr als einem Jahr erklärte die 29-jährige Rapperin Haiyti in einem Podcast-Interview, dass sie das Wort „schwul“ in ihren Songs als Schimpfwort verwendet. Lange blieb diese Podcast-Folge mit Tim Mälzer, die im September 2020 auf Spotify veröffentlicht wurde, unbeachtet. Doch in den letzten Tagen haben ihre Aussagen und Rechtfertigungen zu scharfer Kritik von Fans, Nutzer*innen sozialer Medien und Kolleg*innen geführt. Wörtlich hatte die Rapperin erklärt: „Ich sage ja auch im Text: ‚Ich find euer Geld schwul, bis es meins ist.‘ Da meine ich auch nicht die Schwulen. Da meine ich: ‚Ich find’s scheiße.’“

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Auf den Vorschlag Mälzers „dann sag doch ‚scheiße‘“ anstatt schwul, entgegnete Haiyti, dass sie „politische Menschen“ provozieren wolle, aber auch: „Ich weiß auch nicht, warum ich es sage. Ich find‘s provokanter, weil sich alle drüber aufregen: ‚Scheiße, sie sagt schwul.’“

Daraufhin erklärte ihr Mälzer, dass er in der Vergangenheit auch homofeindliche Sprache verwendet habe, er aber gelernt habe dass es ihm, weil er nicht schwul ist und daher überhaupt nicht von Homofeindlichkeit betroffen, nicht obliege, „solche Sachen zu sagen“ – und dann dafür nicht beurteilt werden zu wollen. Weiter versuchte er die in der Beleidigung enthaltene Macht-Dynamik zu erklären, indem er fragte: „Darf ich Schlampe sagen? Nein, ich glaube nicht“. Er schildert Haiyti zudem, dass er selbst von Schwulen gehört hätte, dass sie sich durch die Texte der Rapperin beleidigt fühlten. Dazu sagte diese lachend: „Das tut mir aber leid. Und ich kann’s ja auch nicht wissen, dass manche Schwule so sensibel sind“. Sie spreche schließlich Schwule nicht damit an, sondern mache Kunst. Zudem entgegnete sie, dass sie selbst sich schon beleidigt fühle, wenn sie als Sängerin, statt als Rapperin bezeichnet wird – ein weiteres Indiz für die Tatsache, dass Haiyti nicht zu verstehen scheint, dass es ein Machtgefälle zwischen queeren und nicht-queeren Menschen gibt, das sich unter anderem in der Sprache abbildet und reproduziert.

Zu diesem mangelnden Verständnis sagte Rap-Kollegin Nura „weil du dumm bist!“, während sich auch die Sängerin Katja Krasavice empört über die Äußerungen zeigte. Haiyti sollte eigentlich auf einem Track Krasavices neuen Albums auftauchen, doch sie erklärte nun auf Instagram: „Wenn das der Wahrheit entspricht, fliegt die Person[, die etwas homofeindliches gesagt hat,] natürlich von meinem Album. Sowas hat in meiner Welt nichts verloren!“. Haiyti selbst äußerte sich bislang nur kurz zu der Kontroverse auf Twitter: „‘ich werd mich bessern an die Kritiker!‘“

Wie queer.de berichtete, kritisieren LGBTI-Aktivist*innen in Deutschland und anderen Ländern seit Jahren, dass Worte wie „schwul“ als Schimpfworte verwendet werden. Dadurch könne eine aggressive homofeindliche Atmosphäre geschaffen werden, die es gerade jungen Schwulen, Lesben und Queers erschwere, sich überhaupt zu outen. Laut Umfragen ist insbesondere in Schulen die homofeindliche Wortwahl weit verbreitet. Eine Berliner Umfrage aus dem Jahr 2012 kam etwa zum Ergebnis, dass fast zwei Drittel der Grundschüler*innen „schwul“ oder „Schwuchtel“ als Schimpfwort verwenden – selbst wenn sich dieses Ergebnis mittlerweile halbiert haben sollte, wären dies immer noch zu viele Kinder, die schwul sein als etwas negatives verstehen. Und durch gerade von Jugendlichen bewunderte Rapperinnen wie Haiyti können solche negativen Stereotype entweder gestärkt oder geschwächt werden. Dies liegt nun in der Hand der Künstlerin.

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