Ein neues wissenschaftlich begleitetes Projekt aus Hamburg möchte die gesundheitliche Versorgung von trans Menschen verbessern und ihre psychische Belastung verringern.
Gerade für Menschen, die nicht in größeren Städten leben, gestaltet sich die Gesundheitsversorgung nicht immer optimal. Dies betrifft insbesondere auch trans Personen, die mitunter besondere Bedarfe für medizinische und psychotherapeutische Beratungen und Behandlungen haben. Die verschiedenen Angebote und Stellen, die trans Personen aufsuchen, liegen oftmals räumlich weit auseinander oder von ihrem Wohnort entfernt. Betroffene werden dadurch oft gar nicht oder nicht immer ausreichend behandelt, was zu sehr starken psychischen Belastungen führen kann.
Das im Mai 2020 gestartete, internetbasierte Versorgungsmodell i²TransHealth möchte diese Lücke in der Gesundheitsversorgung von trans Menschen in Norddeutschland schließen, und ihnen eine befarfsgerechte Behandlung ermöglichen. So soll zum Beispiel Unterstützung bei Fragen zur Transition gegeben werden, oder der Zugang zu medizinischen Behandlungen wie Hormonbehandlungen erleichtert werden.
Angesiedelt ist i²TransHealth am Institut für Sexualforschung, welches Teil des Interdisziplinären Transgender Versorgungscentrum Hamburg ist und mit der Spezialambulanz für Sexuelle Gesundheit und Transgender-Versorgung einen Kernbereich am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bekleidet. Das 2013 gegründete Zentrum ist auf die interdisziplinäre und patientenzentrierte Behandlung von Personen mit Geschlechtsinkongruenz/Geschlechtsdysphorie spezialisiert. Das Transgender Versorgungscentrum ist deutschlandweit die bisher einzige Einrichtung, die Angebote verschiedener Fachrichtungen zur gesundheitlichen Versorgung von trans Personen an einem Ort integriert bündelt. Dazu gehören sowohl ein psychosoziales und psychotherapeutisches Angebot als auch körperliche Behandlungen wie Hormontherapie oder brust- sowie genitalangleichende Chirurgie.
Janis Renner, wissenschaftlich tätig im Projekt i²TransHealth, berichtet: „Wir haben festgestellt, dass viele trans Personen, die zu uns in die Sprechstunde kommen, lange Anfahrtswege und dadurch z. B. finanzielle Belastungen oder Fehlzeiten in Ausbildung und Beruf haben. Auch gibt es für Betroffene nicht genügend trans-informierte Gesundheitsfachkräfte in ihrer direkten Umgebung“ so erläutert Renner den Hintergrund zu i²TransHealth.
Zentrales Instrument von i²TransHealth ist eine regelmäßige Videosprechstunde mit spezialisierten Therapeut*innen und die Nutzung einer E-Health-Plattform. Über dieses Informationsportal können Betroffene auch mit weiteren ärztlichen Spezialist*innen Kontakt aufnehmen. Dafür wurde im Rahmen des Projektes ein Netzwerk von in Norddeutschland niedergelassenen ärztlichen Kooperationspartner*innen aufgebaut. Dazu gehören Hausärzt*innen und Fachärzt*innen für Psychiatrie und Psychotherapie. Die Ärzt*innen werden extra geschult und über die gesundheitsbezogenen Bedürfnisse von trans Personen informiert.
„Unseres Wissens nach ist der Ansatz von i²TransHealth mit der Kombination von digitaler und ambulanter Trans-Gesundheitsversorgung, die interdisziplinär und multilokal organisiert ist, bisher einzigartig“ so Renner.
Um die Wirksamkeit dieses neuen Versorgungsmodells zu prüfen, ist i²TransHealth in eine wissenschaftliche randomisiert-kontrollierte Studie eingebettet. Teilnehmende werden durch ein Zufallsverfahren in zwei Gruppen eingeteilt, eine Interventions- und eine Wartegruppe. Personen aus der Interventionsgruppe können sofort mit der Behandlung per Videosprechstunde beginnen, Teilnehmende der Wartegruppe haben nach einer Wartezeit von vier Monaten die Möglichkeit. Damit haben sie immer noch eine geringere Wartezeit als üblicherweise Patient*innen in der Regelversorgung haben.
Nach Ablauf der vier Monate untersuchen die Forscher*innen des UKE, ob sich die Symptombelastung reduziert sowie die Lebensqualität und Behandlungszufriedenheit der Teilnehmer*innen in der Interventionsgruppe durch i²TransHealth verbessert hat. Hierbei wird ihre Gesundheitssituation mit den Teilnehmenden aus der Wartegruppe verglichen.
Die bisherigen Rückmeldungen seien positiv, so Renner. Das konkrete Ausmaß der Wirksamkeit der Maßnahme kann jedoch erst am Ende des Studienverlaufs eingeschätzt werden.
Voraussetzung für die Teilnahme an dem Projekt ist, dass Betroffene mehr als 50 km entfernt von Hamburg in Norddeutschland wohnen und mindestens 18 Jahre alt sind. Das Projekt richtet sich an Menschen, die sich u. a. als transgender, transsexuell oder genderqueer identifizieren, oder dies herausfinden möchten, und bisher zu Fragen ihrer Transidentität oder einer Transition keine spezifische Behandlung begonnen haben.
Interessierte können über die ärztlichen Kooperationspartner*innen Kontakt aufnehmen, sich direkt an das Institut für Sexualforschung wenden oder über die Website www.i2transhealth.de Kontakt aufnehmen. Sie erhalten dann einen Termin für ein Erstgespräch im UKE.
Obwohl das Projekt lange vor der COVID-19-Pandemie geplant wurde, zeigt sich durch die Pandemie umso mehr die Bedeutung von E-Health-Ansätzen, so Renner. So wurde im Rahmen der Corona-bedingten Einschränkungen auch der Zugang zu Beratungsangeboten für trans Personen eingeschränkt, was zu zusätzlichen Belastungen geführt hat. Durch i²TransHealth können Betroffene auch in Zeiten der Corona-Krise Unterstützung erhalten.
Der Innovationsfonds der Bundesregierung fördert i²TransHealth über eine Laufzeit von drei Jahren. Wenn das Projekt erfolgreich ist, könnte es dauerhaft und auch in anderen Regionen eingerichtet werden. Dadurch könnten auch Kosten reduziert werden, die dem Gesundheitssystem durch eine falsche oder ausbleibende Behandlung von trans Personen entstehen.