Queer- und Transfeindlichkeit in der Presse sind leider nichts Neues. Zuletzt entsetzte ein queerfeindlicher „Welt“-Beitrag viele in der LGBTQI*-Community, ebenso sorgte ein transfeindlicher Beitrag Alice Schwarzers in der „Emma“ für Empörung – Beschwerden dagegen wies der Presserat jedoch zurück. Die britische BBC hingegen hat nun einen auf ihrer Webseite erschienenen, transfeindlichen Artikel für unvereinbar mit den eigenen journalistischen Standards befunden. Können wir davon lernen?
Nachdem der Deutsche Presserat Beschwerden gegen Alice Schwarzers durchweg transfeindlichen Artikel (inklusive mehrfachem Misgendering und Deadnaming) zurückwies, da das Gremium „die Berichterstattung für eine diskussionswürdige, aber mögliche Positionierung im Rahmen des gesellschaftlichen Diskurses, die nicht die Grenze zur Diskriminierung nach Ziffer 12 des Pressekodex überschreitet“ halte, lieferte die BBC (unabhängig davon) ein Gegenbeispiel.
Nach Beschwerden durch Aktivist*innen gegen einen Artikel, in dem behauptet wird, dass sich einige Lesben von Transfrauen zum Sex gedrängt fühlen, fand der BBC nach einer Hausinternen Prüfung, dass der besagte Artikel tatsächlich gegen die eigenen journalistischen Standards verstieß. Der Artikel mit dem Titel „Wir werden von einigen Transfrauen zum Sex gedrängt“ wurde im Oktober 2021 veröffentlicht. Nach der großen Anzahl von Beschwerden hat die BBC-Beschwerdestelle entschieden, dass der Beitrag in dreierlei Hinsicht nicht den erwarteten Standards des Senders entsprach, und eine Aktualisierung des Beitrags angeordnet.
Dabei wurde er insbesondere für der Verwendung einer unwissenschaftlichen Umfrage kritisiert, in der behauptet wurde, 56 % der Befragten hätten „berichtet, unter Druck gesetzt oder gezwungen worden zu sein, eine Transfrau als Sexualpartnerin zu akzeptieren“. Die Beschwerdestelle kam jedoch zu dem Schluss, dass ein Fragebogen zur Selbstselektion keine ausreichende Grundlage für diese Behauptung darstellt. Auch kritisiert wurde, dass der Artikel nicht klarstellte, dass die Gruppe, die die die die Umfrage durchführte, behauptet, dass „Transaktivismus Lesben auslöscht“. Zudem sei die Überschrift irreführend gewesen, da sie implizierte, dass trans Frauen aktiv Druck auf Lesben ausübten, Sex zu haben.
Die Beschwerdestelle wies jedoch Vergleiche von Transfeindlichkeit mit Homofeindlichkeit und Rassismus zurück – bei denen die BBC es nicht (wie bei trans Themen) für nötig halte, beiden Seiten eines Arguments eine Plattform zu bieten. Bei Transfeindlichkeit hingegen gäbe es laut BBC nach wie vor „eine Kontroverse darüber, was eine transfeindliche Ansicht ausmacht“. So wurden andere Beschwerden aus der Öffentlichkeit – darunter für die Behauptung, dass trans Frauen als „biologisch männlich“ oder mit „männlichen“ Merkmalen bezeichnet werden, von der Beschwerdestelle der BBC zurückgewiesen.
Damit ist dieser Fall denen bei der „Welt“ und der „Emma“ sehr ähnlich. Selbstverständlich ist das Thema Meinungs- und Pressefreiheit in diesem Bezug (in Deutschland, Großbritannien, und bestenfalls überall) von hoher Bedeutung, und auch mit der Behauptung, dass es nach wie vor „eine Kontroverse darüber gibt, was eine transfeindliche Ansicht ausmacht“, hat die BBC recht. Es ließe sich jedoch in Antwort darauf überspitzt argumentieren, es gäbe auch noch immer eine Kontroverse, was Rassismus ausmacht – so behauptet schließlich Innenminister Horst Seehofer, bei der Polizei gäbe es keinen Rassismus, wogegen unzählige Erfahrungsberichte Betroffener stehen. Inwieweit dies vergleichbar ist mit Menschen, die behaupten, es gäbe keine wahren trans Geschlechtsidentitäten, während trans Personen dies mit ihrer bloßen Existenz beweisen, ließe sich sicherlich diskutieren.
Klar ist jedoch, dass sich aus dem BBC-Beispiel lernen lässt, dass es für Medienschaffende wichtig ist, sich korrigieren zu können. Selbst wenn die Standards, die dabei angelegt werden, nicht „perfekt“ sind, war der Schritt, auf Kritik zu reagieren, wohl ein wichtiger.