Nachdem ihre Krankenkasse die Kostenübernahme für eine Operation zur Reduktion eines deutlich sichtbaren Adamsapfels abgelehnt hatte, zog eine trans Frau vor das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz und bekam Recht. Die Krankenkasse hatte argumentiert, dass die beantragte OP als Schönheitsoperation zu bewerten sei, weil das Gesamterscheinungsbild der Klägerin bereits „deutlich erkennbar weiblich“ sei.
Demzufolge sei eine Kehlkopfreduktion nicht erforderlich gewesen, um eine weitere Annäherung an das „weibliche Erscheinungsbild“ zu erreichen, sondern es handle sich dabei lediglich um eine Schönheitsfrage. Dafür müsse die Krankenkasse nicht aufkommen.
Doch der Kehlkopf der Klägerin sorgte regelmäßig für Irritationen, weil sie deshalb von anderen Menschen dem männlichen Geschlecht zugeschrieben wurde. Wie sie queer.de anonym erzählte, habe sie das schwer belastet und sogar depressive Phasen ausgelöst, weil ihr so immer wieder vor Augen geführt worden sei, dass sie von der Gesellschaft nicht als Frau wahrgenommen wurde. Als sie also Widerspruch gegen die Ablehnung der Kostenübernahme einlegte, sei sie zur Begutachtung einbestellt worden. Dort habe sich der Gutachter geweigert, sie als Frau anzusprechen, und ihr gesagt, dass sie eine Psychotherapie machen solle, wenn sie Probleme mit ihrem Kehlkopf habe.
Gegen diese Zurückweisung des Widerspruchs reichte die Frau schließlich Klage ein. Dies führte schließlich zu einem Berufungsverfahren am Landessozialgericht in Mainz, bei dem sie gebeten wurde, aufzustehen und ihren Schal abzulegen, so dass sich alle im Saal einen persönlichen Eindruck von ihrem Hals verschaffen konnten. Anschließend zog sich der Senat zur Beratung zurück und verkündete danach, dass er der Ansicht sei, dass der Adamsapfel der trans Frau deutlich einem „männlichen Erscheinungsbild“ entspreche. Der Vertretung der Krankenkasse wurde deswegen die Möglichkeit gegeben, ihre Argumentation zu überdenken, diese blieb jedoch bei ihrer Position. So fällte das Gericht schließlich sein Urteil und gab der Klägerin Recht.
Die Inaugenscheinnahme ihres Halses durch den gesamten Gerichtssaal ging der Klägerin jedoch sichtlich sehr nahe. Der Vorsitzende Richter entschuldigte sich zwar für die Begutachtungsprozedur mit den Worten „Ich kann mir vorstellen, dass sich das entwürdigend anfühlen muss“, langfristig kann es jedoch wohl keine Lösung sein, dass trans Personen sich in unterschiedlichen Stadien ihrer Transitionsphase bei jeder beantragten medizinischen Maßnahme einem oft entwürdigenden Begutachtungsprozess unterwerfen müssen.
Dazu erklärte Rechtsanwältin Katrin Niedenthal, die Prozessvertreterin der Klägerin in der zweiten Instanz, gegenüber queer.de: „Gerade wenn als Anspruchsvoraussetzung das äußere Erscheinungsbild einer Person bewertet werden soll oder – wie hier – eine Annäherung an ein ‚weibliches‘ oder ‚männliches‘ Erscheinungsbild, stellt sich die Frage, wie das objektiv überhaupt funktionieren soll“. Petra Weitzel, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti), erklärte deswegen: „Geschlechtsangleichende Maßnahmen dürfen nicht der Willkür subjektiver Bewertungen unterliegen, die ihnen als vermeintlich objektiv vermittelt werden, sondern müssen einheitlich im Gesetz festgeschrieben sein.“