Echte Vielfalt

23. Februar 2022

Transfeindlichkeit im Deutschen Bundestag

Am vergangenen Donnerstag outete sich die AfD-Vizechefin Beatrix von Storch zum wiederholten Male als transfeindlich und menschenrechtsverachtend: In einer Hassrede ging sie auf die Grünenpolitikerin Tessa Ganserer los, beleidigte diese mehrfach auf Basis ihrer Geschlechtsidentität, betrieb dabei Misgendering und Deadnaming, und ging so weit, ihr vorzuwerfen, „als Frau verkleidet“ zu sein – was gar keinen Sinn ergibt, da Tessa Ganserer schließlich eine Frau ist.

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Indem sie dies aberkennt, hat Beatrix von Storch jedoch am Donnerstag in einer Bundestagsrede die trans Abgeordnete Tessa Ganserer persönlich attackiert, wobei sie ihre Parlamentskollegin in einer Debatte zum Internationalen Frauentag als Mann bezeichnete (Misgendering) und sie bei ihrem abgelegten Deadnamen bezeichnete. So polemisierte sie gegen Trans-Rechte, warf dem Bundestag vor, der vermeintlichen „Gender-Ideologie“ anzuhängen, und zitierte die transfeindliche Autorin Alice Schwarzer, die erst kürzlich (wieder) in der Zeitschrift „Emma“ Stimmung gegen trans Frauen, insbesondere Tessa Ganserer, gemacht hatte. Dabei rechtfertigte von Storch ihre Hasstirade damit, dass es „schlicht rechtswidrig sei“, dass Ganserer über die Frauenquote der Grünen in den Bundestag eingezogen war, weil diese sich noch keiner geschlechtsangleichende Operation unterzogen und ihr rechtliches Geschlecht noch nicht an ihre Identität angepasst hat (wohlgemerkt aus Protest gegen das diskriminierende „Transsexuellengesetz“). Doch von Storch fantasierte: „Hätte sich Robert Habeck im richtigen Moment als Roberta bezeichnet, dann wäre Roberta vermutlich jetzt Bundeskanzlerin.“ Damit offenbart sich, dass die AfD-Parteichefin nicht nur verfehlt hat, wie unwahrscheinlich es ist, dass sich ein Mensch aus strategischen Gründen menschenverachtender und hasserfüllter Attacken wie von Storchs aussetzen würde, sondern auch missverstanden hat, was es bedeutet, trans zu sein. Es geht dabei nämlich nicht nur um eine Namensänderung, sondern die Identität der Person – die valide ist, ob es Beatrix von Storch und Alice Schwarzer nun gefällt oder nicht. Dies betonten auch Parlamentskolleg*innen, wie Ganserers Parteifreundin Britta Haßelmann: „Ich wende mich an Sie alle: Tessa Ganserer ist eine von uns. Sie ist meine und unsere Kollegin.“ Sie sei Teil der Frauen, die 59 Prozent der grünen Bundestagsabgeordneten stellten. „Niemand von uns hat darüber zu richten oder darüber zu reden oder darüber zu entscheiden, wie diese Frau ihr Selbstbestimmungsrecht wahrnimmt.“

Tessa Ganserer saß bei der Hassrede von Storchs im Plenum. Die bayerische Abgeordnete hielt später ihre erste Bundestagsrede in einer Debatte zur Einsetzung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung – fachlich und ohne auf die Angriffe gegen ihre Person einzugehen. Wie sie das alles fand, behielt sie zunächst für sich. Sie wolle nicht zulassen, dass ihre „grundgesetzlich geschützten Menschenrechte Gegenstand einer öffentlichen Debatte“ werden, teilte sie der Süddeutschen schriftlich mit.

Auf Twitter zeigten sich Politiker*innen der demokratischen Fraktionen nach der Debatte erschüttert. Die SPD-Politikerin Josephine Ortleb schrieb: „Wer eine Kollegin angreift, greift uns alle an. Menschenverachtende Reden bleiben nicht unwidersprochen.“ Auch Jürgen Lenders, der LSBTI-Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, stellte sich in einer Stellungnahme hinter Ganserer: „Frau von Storch hat von sexueller Identität und geschlechtlicher Vielfalt keine Ahnung“, so Lenders. Diskriminierungen dieser Art hätten im Bundestag nichts zu suchen. Und „Trans Frauen sind Frauen und [Tessa Ganserer] ist eine Frau!“, erklärte Sven Lehmann, der Queerbeauftragte der Bundesregierung. „Was Frau von Storch heute im Bundestag von sich gegeben hat, ist menschenfeindliche Hetze.“, benannte er von Storchs Rede treffend. „Aber das wird die Ampelkoalition garantiert nicht daran hindern, das Transsexuellengesetz abzuschaffen.“

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