Echte Vielfalt

14. Oktober 2022

Zunehmende LGBTQ* Feindlichkeit in der Türkei: Zuspruch für Erdogan sinkt

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verliert an Zuspruch innerhalb der türkischen Bevölkerung. Nicht zuletzt ein Grund, weshalb seine aktuellen Äußerungen um so verbissener in Richtung eines ultrakonservativen Familienbildes drängen.

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Erdogan kündigt am Freitag, 7. Oktober, an, Schritte gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle und trans Menschen vornehmen zu wollen. Berichten des Magazins Spiegel unter Berufung auf die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu zufolge sei es sein Ziel, die „traditionelle“ Familie zu stärken, die den Kern eine starke Nation bilde. Die LGBTQ* Community strebe hingegen danach, diese „Familienstrukturen zu degenerieren“, so Erdogan sinngemäß.

Gleichzeitig steckt in diesen Äußerungen eine Spitze gegen den Oppositionspolitiker Kemal Kilicdaroglu von der kemalistisch-sozialdemokratischen CHP. Dieser hatte nach Angaben von queer.de in einer kürzlichen Wahlumfrage „mit 53 zu 47 Prozent gegen den langjährigen Machthaber“ vorne gelegen. Die Regierung plane ein Gesetz „gegen Desinformation“, das noch zur Abstimmung durch das Parlament muss. Die Opposition befürchtet hingegen, dass sich dahinter eine Verschärfung der Zensur verberge. Noch kommt es in der Türkei nicht überall zu Zensur und Gewalt gegen LGBTQ*, wie ein Podcast des Deutschlandfunks vom Oktober 2021 erwähnt:

„Ein kleines Fußballfeld in Istanbul. […] Am Rand stehen etwa dreißig Zuschauende, bejubeln die Spielerinnen und Spieler in ihren rosafarbenen Trikots. […] Wir sind alle supereuphorisch, wenn wir hierherkommen. In der Türkei erleben wir ansonsten sehr viel Unterdrückung. […]“.

Doch auch dieser Ort wurde am Ende von Polizist*innen geräumt und das Spiel verboten. Der Podcast berichtet von Wasserwerfern und gesperrten Onlineplattformen, von Gewalt und Unterdrückung. Zwar gelten Homosexualität und Transgender nicht als Straftat, aber das ändert nichts an der staatlichen Haltung. Und doch gibt es Lichtblicke. Das Viertel Çihangir in Istanbul, das als gentrifizierter Stadtteil gilt:

„Vor zwei Wochen trug ich einen Rock. Und der war super kurz geschnitten. Auf der Straße begegnete ich zwei Polizisten, sie schauten mich an und ich sagte: Hiiiii – das wars. Wir haben weder darüber gesprochen, noch haben sie mir etwas angetan“, sagt Buğra Büyükşimşek, einer der Demonstranten, die im letzten Jahr gegen das Verbot einer Pride-Parade auf die Straße gegangen waren, gegenüber dem Deutschlandfunk.
Mit den Äußerungen von Erdogan im Ohr scheint die Wahl im Jahr 2023 eine Weichenstellung zu bedeuten, bei der es darum geht, ob Orte wie Çihangir weiter möglich sind oder selbst diese immer mehr unter Druck geraten.

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