Echte Vielfalt

5. Oktober 2021

Zwei trans Frauen im neuen Bundestag

Zwei trans Frauen gewannen bei der diesjährigen Bundestagswahl Sitze im nächsten deutschen Parlament: Tessa Ganserer und Nyke Slawik. Beide gehören der Partei der Grünen an, die gute Chancen hat, als Teil einer Koalition mitzuregieren.

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Tessa Ganserer ist eine der beiden trans Kandidatinnen, die einen Sitz im Parlament erringen konnten. Ihre Name stand jedoch bei der Wahl am Sonntag nicht auf dem Stimmzettel, weil Ganserer sich weigert, sich dem 40-jahre alten „Transsexuellengesetz“ zu unterwerfen, welches vorschreibt, das ein ärztliches Attest vorgelegt werden muss, bevor eine Person ihren Namen und ihre Geschlechtsidentität legal ändern kann. Daher musste sie unter dem Namen kandidieren, den ihre Eltern ihr bei der Geburt gaben. Trotzdem gewann Ganserer einen Sitz in einem Nürnberger Wahlkreis und schrieb damit Geschichte als eine der ersten beiden offen trans Personen, die in den deutschen Bundestag einziehen.

Nyke Slawik, 27, die andere erfolgreiche trans Kandidatin, schrieb „Wahnsinn!“ auf ihrer Instagram-Seite: „Ich kann es noch gar nicht so recht fassen, aber ich werde mit diesem historischen Wahlergebnis definitiv dem nächsten Bundestag angehören.“ Tessa Ganserer, 44, schrieb auf ihrer Facebook-Seite: „Das war der Wahlkampf unserer Lebens und es hat sich gelohnt. Das alte, rückwärtsgewandte Denken ist gestern abgestraft worden“.

2017 hatte der Bundestag die gleichgeschlechtliche Ehe und die Adoption durch homosexuelle Eltern legalisiert und ein teilweises Verbot der Konversionstherapie erlassen, die darauf abzielt, die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität einer Person zu ändern. In diesem Jahr verbot er außerdem Operationen, die versuchen, Babys einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen, wenn sie mit diversen Geschlechtsmerkmalen geboren werden. Das bedeutet, dass die Eltern diese Entscheidung nicht mehr treffen können; sondern die Kinder das Recht haben, später selbst zu entscheiden.

Trotz dieser Fortschritte zeigt sich noch das von Ganserer kritisierte „rückständige Denken“: Der Gesetzgeber lehnte zwei von den Grünen und der FDP eingebrachte Gesetzentwürfe ab, die es trans Personen generell erleichtern hätten, sich selbst zu identifizieren. Derzeit müssen sie noch ein ärztliches Attest einholen, was bis zu mehreren tausend Euro kosten kann, und sich oft diskriminierenden Fragen aussetzen (echte-vielfalt.de berichtete). Laut Ganserer wird eine ihrer Prioritäten im Bundestag der Einsatz für eine Änderung dieser Vorschrift sein, welche von Gegner*innen als stigmatisierend und kostspielig bezeichnet wird.

Olaf Scholz, der sozialdemokratische Kanzlerkandidat, machte während des Wahlkampfes die Christlich Demokratische Union dafür verantwortlich, dass es unter der vorherigen Regierung nicht gelungen war, das Gesetz über die ärztliche Bescheinigung zu ändern. So hoffen Rechtsgruppen, dass die Kombination aus einer sozialdemokratisch geführten Regierung und zwei trans Vertreterinnen den Anstoß zu Veränderungen geben wird.

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