Die AfD-Fraktion im Bundestag hat einen Antrag eingebracht, der die Abschaffung des Postens des Queerbeauftragten der Bundesregierung fordert. Dieses Amt wurde 2022 von der Ampel-Koalition geschaffen und mit dem Grünen-Politiker Sven Lehmann besetzt. Die AfD kritisiert die Regierung dafür, eine „Gender-Ideologie“ zu verfolgen, und bezeichnet das Amt als hinderlich für eine „familienfreundliche Gesellschaft“.
Der Antrag (20/13903) argumentiert laut Bundestag, dass viele Kinder in Armut aufwachsen, sich schlecht ernähren und einen schlechten Gesundheitszustand hätten. Gleichzeitig bemängelt er: „Das derzeitige Familienministerium hingegen betreibt prioritär eine Politik, die in weiten Teilen der Gender-Ideologie folgt. Die Schaffung des Amtes des Queerbeauftragten untermauert dieses Bestreben […]“.
Dies ist eine perfide Rhetorik, da sich kaum bestreiten lässt, dass jedes Kind, das in Armut und unter schlechter Versorgung aufwächst, eines zu viel ist. Doch genau hier liegt der blinde Fleck. Wie auch das Magazin queer aufgreift: Der Antrag schlägt stattdessen Maßnahmen wie die Überprüfung von Gesetzen auf Familienfreundlichkeit und die Förderung traditioneller Familienbilder vor. Dabei werden Regenbogenfamilien und Alleinerziehende ausdrücklich ausgeschlossen.
Die gesamte Argumentation der AfD ist eine rhetorische Finte, um eben jene Polarisierung, die ihr politisch nützt, weiter zu verstärken. Mit der Kritik am Antrag der AfD allein ist jedoch wenig gewonnen. Vielmehr stellt sich die Frage, was diese Polarisierung verdeutlicht.
Unabhängig von einer grundsätzlichen Bewertung von Bundeskanzler Olaf Scholz und der vergangenen Politik: Die Diagnostik in seiner Rede zur Entlassung des Finanzministers war korrekt: „Niemals, niemals dürfen wir innere, äußere und soziale Sicherheit gegeneinander ausspielen. Das gefährdet unseren Zusammenhalt, das gefährdet am Ende sogar unsere Demokratie. […] Dieses Entweder-oder ist Gift [und] Wasser auf die Mühlen der Feinde unserer Demokratie.“
Nun ist der „Posten des Queerbeauftragten“ keine Frage der Außenpolitik. Das Entweder-oder zwischen queeren und „traditionellen“ Familienbildern spielt jedoch mit demselben Prinzip des „Gegeneinander-Ausspielens“. Dabei schaffen traditionelle Familienbilder weder mehr Essen auf den Tisch noch beseitigen sie die Kinderarmut.
Wenn jedoch die Frage nach sozialem Zusammenhalt gestellt wird, lautet die Antwort immer auch: mehr Geld für die Menschen und die Infrastruktur. Eine scheinbar banale Antwort, die jedoch vom früheren Finanzminister durch das Festhalten an der Schuldenbremse torpediert wurde – und die in den Medien oft unsachgemäß dargestellt wird.
Gemein ist allen Akteur*innen, dass sie mit ihrer Argumentation in die beschriebene Rhetorik des Entweder-oder verfallen. Hier gilt es, eine Sensibilität zu entwickeln, um nicht selbst an anderer Stelle darüber zu stolpern.
Wie Scholz wörtlich betonte, verfüge Deutschland als wirtschaftsstarkes Land mit geringer Verschuldung über die Ressourcen, um soziale Sicherheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Der Artikel 115 des Grundgesetzes erlaube in außergewöhnlichen Notsituationen einen Überschreitensbeschluss, der die nötigen Mittel freisetzen könne. Auch wenn damit nicht direkt die Sozialpolitik finanziert werden kann, könnten dennoch Mittel an anderer Stelle freiwerden.
Wer mehr über die Zusammenhänge zwischen einer solidarischen Gesellschaft und der Schuldenbremse erfahren möchte, dem sei die Sendung „Die Anstalt“ vom 12. März 2024 empfohlen. Für vertiefte ökonomische Analysen bietet Maurice Höfgen (Volkswirt und ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag) eine kommentierter Fassung der Sendung.