Echte Vielfalt

13. August 2024

Diskurs um Olympia-Boxerin Imane Khelif (inkl. Update 11/2024)

Olympia: Die algerische Boxerin Imane Khelif gewann am Freitag den finalen Kampf in ihrer Gewichtsklasse. Doch der Weg zur Goldmedaille wurde ihr nicht leicht gemacht. Während sie im Boxring ihr Bestes gab, sah sie sich auf den Sozialen Medien mit zahlreichen negativen Kommentaren und Anfeindungen konfrontiert.

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Denn nach dem ultraschnellen Sieg Khelifs im Viertelfinale gegen ihre italienische Konkurrentin Angela Carini, die nach 46 Sekunden im Ring den Kampf beendete, ist ein internationaler Diskurs ausgebrochen, der von Desinformation wimmelt. Rechtspopulistische und transfeindliche Stimmen – von US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump und italienischer Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bis hin zur „Harry Potter“-Autorin J.K. Rowling – äußerten sich zu Wort und warfen Khelif vor, keine Frau zu sein und deshalb einen unfairen Kampf zu führen.

Dass Carini nach ihrer Niederlage ihrer Konkurrentin nicht die Hand schüttelte und nach dem Kampf erklärte, sie hätte noch nie so harte Schläge erfahren, wurde schnell so ausgelegt, dass es sich bei Khelif um eine unfaire Gegnerin handelte – was auf einer Information fußt, die die Internationale Boxing Association (IBA) 2023 verbreitet hat. Laut der Organisation, die im Übrigen vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) nicht anerkannt wird, hätte ein Geschlechtstest ergeben, dass Khelif XY-Chromosomen habe und somit möglicherweise intersex sei (DW). Doch die Kredibilität der IBA und ihrer intransparenten Tests sind anzuzweifeln, unter anderem aufgrund des Vorsitzenden Umar Kremlev, der enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Vladimir Putin pflegt – der wiederum eine Anti-LGBTIQ*-Politik verfolgt – so das Online-Magazin them. Eine ähnliche Diskussion gibt es im Übrigen auch über die taiwanesische Boxerin Lin Yu-ting, die ebenfalls von der IBA 2023 disqualifiziert wurde.

Dass trotz dieser vermeintlichen Disqualifikation der IBA die beiden Boxerinnen bei Olympia 2024 antreten durften, wird vonseiten des IOC verteidigt. Sie seien Frauen, die als Frauen geboren sind, so IOC-Präsident Thomas Bach in einer Pressekonferenz. Bach betont darüber hinaus, dass die Angriffe auf die Boxerinnen in den Sozialen Medien Teil eines politisch motivierten Kulturkampfes seien. So sei es nicht verwunderlich, dass reaktionäre und rechte Politiker*innen wie Trump und Meloni die Situation aufgreifen und Falschinformationen verbreiten. Seit dem Kampf von Khelif und Carini lauerte es in den Sozialen Medien nur von Desinformation und Empörung über die schlichtweg falsche Tatsache, dass ein Mann gegen eine Frau boxen würde. Auch in der BILD wird über Imane Khelif polemisch als „männliche“ Boxerin berichtet.

Diskussionen über XY-Chromosomen oder höhere Testosteron-Gehalte bei Frauen werden oft in trans- und interfeindliche Logiken eingebettet. Dabei sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass es für Sportler*innen, die in einer Olympia-Disziplin antreten, immer von Vorteil ist, bestimmte körperliche Voraussetzungen zu erfüllen – sei es beim Schwimmen, Laufen, oder eben Boxen. Wie in einem Artikel der taz erklärt wird: „Nachwuchstrainer:innen, die bei Kindern und Jugendlichen nach Talenten suchen, haben immer auch ein Auge für ihre körperliche Eignung. Die Großen kommen zum Basketball, die Kleinen zum Turnen, die mit den langen Armen zum Schwimmen.“ Fürs Boxen ist ein höherer Testosterongehalt – was auch bei cis-Frauen keine Ungewöhnlichkeit sein muss – von Vorteil für die Schlagkraft.

Gegen die Belästigung und Hate-Kommentare im Internet hat die Olympia-Gewinnerin inzwischen eine Klage eingereicht (Berliner Zeitung). Die italienische Boxerin Carini entschuldigte sich inzwischen bei ihrer Konkurrentin und betonte, dass die Einschätzung des IOC Khelif antreten zu lassen, respektiert werden müsse.

 

Update 11/2024: Seit Erscheinen des obigen Artikels veröffentlichte das französischsprachige Recherchemagazin Le correspondant medizinische Gutachten, die darauf hindeuten, dass die spezielle Form der Intersexualität von Imame Khelif so ausgeprägt ist, dass sie dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden könne (vgl. z.B. rnd, Frankfurter Rundschau, Stern). Khelifs Anwalt weist dies zurück. Laut rnd werde sich das IOC „derweil nicht äußern, ’solange die rechtlichen Schritte laufen, oder zu Medienberichten über nicht verifizierte Dokumente, deren Herkunft nicht bestätigt werden kann.’“ Eine nachträgliche Aberkennung der Goldmedaille werden derzeit als unwahrscheinlich angesehen. Eine grundsätzliche Diskussion dieser und ähnlicher Fälle im Sport sollte jedoch dringend angestoßen werden.

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