Robert Sapolsky ist Forscher im Bereich Neuroendokrinologie. Er ist Professor für Biologie, Neurologie, neurologische Wissenschaften und Neurochirurgie an der Stanford University. Im Interview mit der South Carolina Education Association (SCEA) eröffnet er den Blick auf die wissenschaftlichen Forschungen zur Neurobiologie von transgender Personen.
Ziel des Interviews laut SCEA ist es, die Rechte von transgender Menschen durch die Schaffung informierter Politiken zu schützen. Sapolsky gibt hierfür einen Einblick in das Kontinuum von Geschlechtlichkeit und Sexualität – von der genetischen bis zur neurobiologischen Ebene – und zeigt dabei deutlich, dass sich der Mensch biologisch seit jeher in diesem Kontinuum bewegt, anstatt in abgesteckten Kategorien. Ein „Kontinuum“ bezeichnet einen zusammenhängenden und ununterbrochenen Bereich oder Zustand, in dem es keine klaren Grenzen oder Unterbrechungen gibt.
Neben einem Einblick in die verschiedenen Ebenen thematisiert das Interview auch die Setzung von „Normalität“ und „Erkrankung“ in der wissenschaftlichen und medizinischen Debatte und eröffnet damit die Schnittstelle zum soziokulturellen Kontext und zur Normensetzung durch diskursführende Personen oder Instanzen, und dass sich solche durchaus verändern können.
Sapolsky gelingt es herauszuarbeiten, dass genetische Eigenheiten von Gehirn und restlichem Körper nicht immer übereinstimmen müssen. So machen neurologische Studien deutlich, dass bestimmte Hirnregionen eher einer geschlechtlichen Kategorie entsprechen, obwohl der Rest des Körpers augenscheinlich und nach „Lehrbuch“ dem Gegenteil zugeordnet würde. Für ihn als Neurobiologe ist dabei die Ausrichtung des Gehirns entscheidend. Damit erweitert Sapolsky den Diskurs über das „Sich falsch im eigenen Körper Fühlen“, der immer noch stark aus einer psychologischen Perspektive geführt wird, um eine neurobiologische Perspektive. Gleichzeitig liefert er damit der LGBTIQ*-Gemeinschaft Argumente gegen all jene, die auf politischer und medizinischer Ebene darauf hinweisen, dass sich biologisch nur zwei „Arten“ zurechnen lassen.
Nicht nur soziopsychologisch, sondern auch neurobiologisch und empirisch nachweisbar, entwickeln sich Menschen in verschiedensten Kombinationen. Was aber nicht bedeutet, dass dies – wie andere Marginalisierungen wie Rassismus oder Sexismus – im jeweiligen Kontext nicht dennoch zu psychischen Belastungen führen kann. Für Sapolsky ist es evident, dass Menschen nie außerhalb ihres Kontextes existieren und damit nie unabhängig von ihrem soziokulturellen Umfeld stehen.
Ob eine seltene Kombination zu einer „problematisierten Normabweichung“ führt oder lediglich zu einem kurzen Aufmerken, wie bei einer besonders seltenen Augenfarbe, bleibt damit auch weiterhin eine Frage der gesellschaftlichen Diskurse.
Dieser Überblick ist lediglich ein Einstieg in das Thema und gibt den Inhalt nur verkürzt wieder; für diejenigen, die sich differenziertet damit beschäftigen möchten, steht hier das gesamte Interview zur Verfügung.