Welche Macht die Wahl von Worten für den öffentlichen Diskurs hat, wurde hier schon in mehreren Artikeln angesprochen. Nun veröffentlichte die CSU ihr neues Grundsatzprogramm.
Dabei schreibt sie sich nach Berichten der Magazin queer und Mannschaft sowie der Zeitung die Zeit unter anderem auch den Kampf gegen einen „linken Kulturkampf in Form von Identitätspolitik, Wokeness und Cancel Culture“ auf die Fahne. Bereits im Februar wurde auf echte-vielfalt.de über die problematische Rhetorik von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Zuge des politischen Aschermittwochs berichtet. Die mit der Verfassung beauftragte Grundsatzkommission scheint nun genau an der Stelle wieder anzusetzen. Am 6. Mai soll das Programm dann auf einem Parteitag verabschiedet werden.
Um zu verstehen, wie problematisch die Wortwahl von Söder und den Verantwortlichen des CSU-Grundsatzprogramms ist, hilft ein Blick in die USA. Im Zusammenhang mit dem „don’t say gay“-Gesetzentwurf in Florida hatte echte vielfalt bereits berichtet, dass nicht nur tatsächliche Sprachverbote abwerten und Realitäten schaffen. Stattdessen war es nach Angabe der Rosa-Luxemburg-Stiftung den Konservativen in Amerika gelungen, die Begriffe „political correctness“ und „woke“ zu einem Synonym für linken Autoritarismus umzudeuten. Dabei bedeutete „woke“ ursprünglich, „wachsam gegenüber Rassismus, Sexismus und anderen Unterdrückungsverhältnissen“ zu sein.
Mit der Benennung von „Kulturkampf, Wokeness und Cancel Culture“ springt die CSU auf diesen Zug auf. Dabei drängt das Argument nicht nur die berechtigte Forderung nach Anerkennung und Würde in die Ecke, sondern es schafft gleichzeitig, all jene Konservativen, die nicht auf derselben Schiene fahren wie die CSU, als einheitliche Front zu reklamieren. Unterm Strich sorgt dies dafür, dass vor allem gesellschaftliche Akzeptanz unterminiert wird, anstatt eine ernsthafte Debatte über Würde, Rechte und Bedenken zu führen. Auch dazu findet sich ein Beispiel aus einem früheren Artikel über die USA.
Grundsätzlich sind „die“ LSBTIQ* Gemeinschaft und „die“ Konservativen keine gegensätzlichen Lager. Vielmehr handelt es sich um Konstruktionen, die wiederum jederzeit relativiert werden können. Das bedeutet, dass sich gerade nicht-parteipolitische Akteure immer wieder selbst artikulieren sollten. Sowohl Menschen, die sich als LSBTIQ* verstehen, dürfen ebenso eine konservative Haltung besitzen wie Konservative eine nicht-diskriminierende Haltung.