Während Ungarns Machthaber Viktor Orbán eine vierte Amtszeit erlangte, scheiterte sein Referendum, das über das Schicksal der LGBT+-Rechte im Land entscheiden sollte. Doch für die queere Gemeinschaft war es dennoch eine Enttäuschung: Orbáns Herrschaft ist zunehmend von Angriffen auf die Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie und die Menschenrechte geprägt, darunter zahlreiche Angriffe auf die Rechte von LGBT+ und Frauen.
Bei den Parlamentswahlen am 3. April erhielt Orbáns rechtsgerichtete Fidesz-Partei 53,1 Prozent der Stimmen und zerschlug damit einen Sechs-Parteien-Block der Opposition, der sich zusammengeschlossen hatte, um seine autokratische Herrschaft zu beenden.
Doch während Orbán aus den Wahlen als Sieger hervorging, scheiterte in der gleichen Nacht ein Referendum der Regierung, das sich gegen eine LGBT-integrative Bildung richtete. In dem Referendum waren die Wähler*innen nach ihrer Meinung zu einem Gesetzesvorschlag gefragt worden, der den Unterricht über LGBT+-Themen und -Identitäten in Schulen einschränken sollte, nachdem Orbán ein so genanntes „LGBT+-Propaganda-Gesetz“ erlassen hatte. Es enthielt vier Fragen, in denen die Öffentlichkeit gefragt wurde, ob sie das Zeigen von Medieninhalten zur Geschlechtsumwandlung für Minderjährige unterstütze, sowie weitere Fragen zu Sexualerziehungsprogrammen in Schulen. Orbáns Regierung hatte die Öffentlichkeit dazu aufgefordert, „Nein“ zu solchen Fragen zu sagen, und neun von zehn Ungarn stimmten im Einklang mit der Anti-LGBT+-Kampagne der Regierung.
Die Umfrage hatte jedoch nicht genügend Wähler angezogen, um sie rechtsverbindlich zu machen. Nach Angaben des Nationalen Wahlbüros nahmen nur 3,5 Millionen der acht Millionen registrierten Wähler*innen Ungarns teil – die Hälfte der Wahlberechtigten hätte sich beteiligen müssen, damit die Abstimmung verbindlich ist. Mehr als 1,5 Millionen Stimmen, also 20 Prozent, waren ungültig. Eine von Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International Ungarn und Budapest Pride durchgeführte Kampagne hatte dazu aufgefordert, ungültige Stimmen abzugeben, indem sie bei jeder Frage sowohl „Ja“ als auch „Nein“ ankreuzten.
Orbán hatte das Referendum als die jüngste Konfrontation Ungarns mit der Europäischen Union dargestellt. Die EU kämpft seit 12 Jahren gegen Orbáns hartes Durchgreifen gegen die Rechte von LGBT+, die Presse und das Justizsystem. Er schlug das Referendum im Juli vor, um die Kritik am Verbot der Diskussion über LGBT+ Menschen in Schulen und der Presse zu entschärfen. Parlamentarier*innen hatten fast einstimmig dafür gestimmt, die LGBT+-Gemeinschaft mit einem Gesetz zum Schweigen zu bringen, das dem russischen Gesetz über „Schwulenpropaganda“ ähnelt.