Echte Vielfalt

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Nach dem Inkrafttreten des Anti-Homosexuellen-Gesetz in Uganda scheint sich die Lage weiter zuzuspitzen. Das aktuelle Gesetz stuft homosexuelle Handlungen als Kapitalverbrechen ein, was in „Extremfällen“ sogar die Todesstrafe rechtfertigt. Als neuste Eskalationsstufe entschied die ugandische Regierung, das „host country agreement“ mit den Vereinten Nationen (UN) auslaufen zu lassen.

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Als Resultat mussten die UN daraufhin am 6. August ihr Büro in Uganda schließen. Wie es allerdings auf der Webseite der Organisation heißt, sehe der UN-Hochkommissar für Menschenrechte (Volker Türk) sich weiterhin über sein globales Mandat verpflichtet, sich für das Land zu engagieren. „On our part, the UN human rights office remains committed to working on human rights in Uganda, in line with my global mandate”.

Der Stellenwert dieser Schließung wird vom Magazin schwulissimo auf den Punkt gebracht: „Die mühsam aufgebauten LGBTIQ*-Zentren sowie die HIV-Beratungsstationen sind inzwischen allesamt geschlossen, nun stehen Schwulen und Lesben als letzte Anlaufstelle auch die UN-Büros nicht mehr zur Verfügung.“ Damit wird die LGBTIQ*-Gemeinschaft in dem Land nicht nur kriminalisiert, sondern ihr wird sukzessive jeglicher sozialer, gesundheitlicher und politischer Schutz entzogen. Wie bedrohlich dabei die indirekten Folgen des Gesetzes sein können, haben wir im Falle der HIV-Beratungsstationen bereits in einem früheren Artikel thematisiert.

Als Reaktion kündigte nun auch die Weltbank an, keine neuen Angebote zur Finanzierung vorzulegen, solange Uganda nicht wirksame und überprüfte Maßnahme ergreift, die die Umwelt- und Sozialstandards sicherstellen. Das beinhaltet u.a. das Gewähren von „nicht Diskriminierung“. Nimmt die Weltbank dabei ihre eigene Formulierung ernst, würde das nichts weniger als die Rücknahme des Gesetzes verlangen. Währenddessen kündete Ugandas Präsident Yoweri Museveni am 10. August an, sich nach alternativen Finanzquellen umzuschauen, so die Nachrichtenagentur Reuters. Während schwulissimo auf den geplanten Einstieg ins Ölgeschäft und neue Goldfunde verweist, gab es bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes internationale Geldgeber, die bereit waren und sind, ihre politische Agenda mit Geld zu untermauern.

Wie der Tagesspiegel mit Verweis auf eine Studie des „Institute for Journalism and Social Change“ berichtet, sei bereits viel Geld aus der westlichen Welt geflossen, um Anti-LGBTIQ* Medienkampagnen zu finanzieren. Insbesondere die US-amerikanischen Evangelikalen sind dabei große Finanzgeber für politische Kampagnen gegen die LGBTIQ*-Gemeinschaft, so ein Ergebnis der Studie. Dabei werden religiöse Anti-LGBTIQ*-Gruppen in Uganda in diversen von mit Hilfsgeldern finanzierten Projekten genannt, mit einem Gesamtwert von mehr als 75 Millionen Dollar in den letzten zehn Jahren. Mehrere dieser Projekte wurden dabei sogar unter dem Deckmantel zum Schutz von Frauenrechten und zur Gleichstellung der Geschlechter vergeben. „Zu den ermittelten Strömen gehören einige laufende Finanzierungen und Beziehungen zwischen den Befürwortern des Anti-LGBTQI-Gesetzes und Regierungen von Norwegen und den Niederlanden bis hin zu den Vereinigten Staaten […] und dem Vereinigten Königreich“

Das Fundament für die Verbindungen der religiösen Dogmatiker*innen wurde bereits in der Kolonialzeit gelegt und macht keineswegs an den Grenzen Ugandas halt. Wie Foreign policy berichtet, haben sowohl Evangelikale als auch Puritaner*innen bereits über Jahre von Ghana bis Kenia und Nigeria ihren Einfluss geltend gemacht.

Hält man sich diese internationale Spannweite vor Augen, lässt sich die Frage aufwerfen, welche Organisationen auch vor der eigenen Haustür agieren.

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Durch die Queer Theory wurde die Bezeichnung "queer", die lange Zeit als beleidigend galt, in einer positiven Weise umgedeutet. Sie wird nun als Kategorie verwendet, die Heteronormativität infrage stellt.

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Heteronormativität wird dabei so verstanden, dass sie die Gesellschaft zu einem Großteil prägt und somit auch Lebensbereiche betrifft, die nicht ausschließlich mit Sexualität zu tun haben. Eine der zentralen Fragen der Queer Theory ist, auf welcher Basis man sich auf Identitäten und Differenzen beziehen kann.

Die Queer Theory ist jedoch keine einheitliche Theorie. Die Strömung hat sich in den USA in den 1990er Jahren entwickelt und war stark geprägt von den zu der Zeit aktivistischen Bewegungen der LSBTIQ*-Community. Vor allem die Anti-AIDS Bewegung um die Gruppe „ACT UP“ in New York hatte großen Einfluss darauf, wie Sexualität verstanden wurde. Denn bei ACT UP wurde weniger Fokus auf fixe Identitäten gesetzt und mehr auf sexuelle Praktiken. Dies ist eine der wichtigsten Grundlage der queeren Theorie.

Judith Butler hat in ihrem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ von 1990 die Auffassung verschriftlicht, dass Sexualität und Geschlecht (diskursive) Praktiken sind, anstelle von festgesetzten Kategorien. Als eine der bekanntesten Vertreter*innen der Queer Theory hat Butler auch maßgeblich zu einer Wende in feministischen Diskursen beigetragen: weg von der starren Kategorie „Frau“ zu der Frage, wie politische Kämpfe auf Basis von geteilten Erfahrungen geführt werden können. Deshalb ist Butlers Werk für die queere Gemeinschaft so zentral. Essentialistische oder naturalistische Vorstellungen von Geschlecht werden abgelehnt.

Neben Werken, die sich viel mit Konzepten wie Macht und Diskurs beschäftigen und dadurch dem Poststrukturalismus zugeordnet werden, gibt es die Queer of Color Critique als zweite prägnante Ausprägung der Queer Theory. Diese verhandelt die Beziehung zwischen Sexualität, Geschlecht und race und bezieht sich dabei vor allem auf lesbische Autorinnen of color, wie Audre Lorde und Gloría Anzaldúa. Die Queer of Color Critique untersucht mitunter, inwiefern Rassismus in der Konstruktion von Sexualität eine Rolle spielt. Somit wird mithilfe der Queeren Theorie ebenfalls die Überschneidung verschiedener Diskriminierungsformen betrachtet, was als Intersektionalität bezeichnet wird.

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Am 23.07.2023 wurde in Spanien ein neues Parlament gewählt. Die amtierende sozialdemokratische Minderheitsregierung um Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte aufgrund der Ergebnisse der Kommunalwahlen im Mai parlamentarische Neuwahlen angesetzt. Bereits im Vorfeld zur Wahl waren dabei Befürchtungen über eine rechtsextrem-konservative Koalition lautgeworden.

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Nun ist die konservative Volkspartei (PP) tatsächlich stärkste Kraft geworden, zu einer Regierungsbildung mit der rechtsnationalen VOX reicht es allerdings nicht. Dass sie dazu bereit war, habe die PP, nach einem Bericht des Guardian, auf kommunaler Ebene unter Beweis gestellt.

Die Parlamentswahl hat – wie schon in den vorigen Jahren – unklare Verhältnisse hervorgebracht und so versucht sich Pedro Sánchez an einer Neuauflage seiner Regierung, bei der er wieder auf viele regionale Kleinparteien angewiesen ist. Darunter auch die Partei Junts des geflohenen katalanischen Separatistenführers Carles Puigdemont, der im Exil in Waterloo (Belgien) lebt, so ein Artikel der Tagesschau.

Während der Deutschlandfunk Kultur über die Erleichterung unter den Kulturschaffenden berichtet, dass es die rechtskonservative Koalition nicht zur Mehrheit gebracht habe, schafft VOX in den Bezirken, in denen sie als Sieger hervorgegangen ist, bereits Fakten. Der Sender stellt fest: Gleichstellungsbüros wurden aufgelöst, Theaterprogramme geändert (Orlando von Virginia Woolf) und Disneyfilme verboten (Lightyear). Letzterer mit der Begründung, es küssen sich dort zwei Frauen. Die Madrider Schriftstellerin Marta Sanz sieht darin das Durchbrechen der immer noch existierenden „rigiden Sexualmoral“ aus der Zeit der Franko-Diktatur, wie sie gegenüber dem Deutschlandfunk erklärt. Für Sanz ist es keine Überraschung, dass VOX seinen Kampf vor allem auf dem Gebiet der Kultur umzusetzen versucht. Es ginge um die Dämonisierung von Kulturmedien als „kritisches politisches Instrument der Befreiung“. Die Rechten verstünden Kultur hingegen nur als Zierde und zur Unterhaltung, so Sanz weiter.

Diese Kritik kann weiter geführt werden, so können auch Auslassungen politisch sein. Auch rechtsextremistische Politiker*innen werden sich dessen bewusst sein. In sogenannten sozialen Medien bildet VOX laut Tagesschau die Partei mit der höchsten Anzahl an zumeist jungen Followern. Dabei gehe es um „einfache“ Botschaften von Ordnung, Sicherheit und Klarheit. Dass diese Botschaften bei jungen Menschen verfangen können, ist bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 28 % nicht zu unterschätzen. Darüber hinaus bekräftigte VOX bereits vor den Wahlen ihr Vorhaben, den Eltern bei der Bestimmung von Schulinhalten mehr Mitspracherecht in Bezug auf LGBTIQ* Themen geben zu wollen. Das weckt Erinnerungen an Floridas Gesetz zur Einschränkung des Lehrplans.

Rechtspopulist*innen bekommen – nicht nur in Spanien – Zulauf, wenn es dem Staat und der Gesellschaft nicht gelingt, ausreichende sozioökonomische Sicherheit zu bieten. In der Folge werden Menschen marginalisiert und an den Rand gedrängt.

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Suchte man im deutschsprachigen Internet in den letzten Monaten nach LGBTIQ*-relevanten Themen, so tauchte immer wieder auch der Begriff Pinkwashing auf. Zunächst bekommt man den Eindruck, dass Unternehmen den Pride Month (Juni) zum Anlass nahmen, ihre Werbestrategien dahingehend auszurichten. Auch konnte eine höhere Präsenz von regenbogenfarbiger Werbung und Produktgestaltung auffallen. Aber ist das gleich ein Problem?

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Als Pinkwashing werden Werbe- und/oder Imagekampagnen bezeichnet, die LGBTIQ*-Farben und -Symbole verwenden, ohne diese intern oder allgemein mit strukturellen Anpassungen ernsthaft zu verfolgen. Anders als es jedoch beim Greenwashing der Fall ist, wirkt Werbung als Symbol für Sichtbarkeit, egal ob die werbetreibende Instanz dahintersteht oder nicht. Andreas Witolla, Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbandes Schleswig-Holstein e. V., bemerkt gegenüber dem Deutschlandfunk, dass diese Werbung grundsätzlich erst einmal zu begrüßen sei, da sie jede Menge Sichtbarkeit schaffe. Dennoch ist auch beim Pinkwashing Aufmerksamkeit notwendig, denn es sei immer zu hinterfragen, was die Firmen damit bezwecken wollen, ob es nur ein Zeichen nach außen ist oder ob sie auch intern oder für ihre Produkte insgesamt in der ganzen Lieferkette etwas tun.

Sichtbarkeit wird dann zum Problem, wenn sie dafür sorgt, dass sie die Konsument*innen bzw. die Öffentlichkeit blendet. Ein Beispiel hierfür ist BMW. Der Autokonzern hatte laut Deutschlandfunk vor einigen Jahren seine Firmenprofile in den Sozialen Medien in Regenbogenfarben gestaltet. Allerdings nicht in Ländern, in denen eine solche Solidarität entsprechend schlecht ankommen würde. Eine solche Strategie konterkariert allerdings genau das, was der Begriff „Solidarität“ bedeutet.

Was für die Käufer*innen eines BMW eine ärgerliche Täuschung darstellt, kann an anderer Stelle dazu führen, dass politische Haltungen verschleiert werden, die eigentlich einer öffentlichen Kritik bedürften. In diesem Sinne schreibt der Tagesspiegel: „Hat etwa ein großes Medienhaus auf dem CSD einen eigenen Truck am Start, profitiert es vom positiven Image des CSD. Es kann hoffen, neue Sympathien und neue Kunden zu gewinnen. […] Hetzen Journalist_innen in den Medien dieses Hauses aber nun gegen [LGBTIQ*], ist der Auftritt auf dem CSD nichts als ‚Pinkwashing‘: In kommerzieller Absicht maskiert er die wahre Ausrichtung des Medienhauses.“ Dabei stellt der Stern fest: „Einer McKinsey-Studie zufolge sind Unternehmen, die sich für Diversity einsetzen, um 25 Prozent rentabler.“

Aber auch hier muss genau hingesehen werden. Ob ein Unternehmen wegen seiner Diversität rentabler ist oder rentablere Unternehmen häufiger divers sind, ist damit noch nicht geklärt. Gibt es möglicherweise für einige Unternehmen strukturelle Schwierigkeiten, die sie zögern lassen oder dafür sorgen, dass das Thema erst gar keine Relevanz erlangt? Sichtbarkeit ist wichtig, darf aber nicht zu dem Irrglauben führen, dass allein Regenbogenfarben strukturelle Probleme verhinderten.

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Italiens rechte Regierung gegen lesbische Elternschaft Die rechtsextreme italienische Regierung setzt derzeit eine queerfeindliche Familienpolitik um, für die Präsidentin Georgia Meloni bereits im Wahlkampf einstand. Schon im März dieses Jahres wurden Gemeinden dazu aufgefordert, damit aufzuhören, gleichgeschlechtliche Eltern in Geburtsurkunden einzutragen. Ein neuer Gesetzesentwurf sieht nun das allumfassende Verbot von Leihmutterschaft vor, was als Angriff auf Regenbogenfamilien verstanden wird.

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Das Vorhaben, homosexuelle Eltern nicht offiziell anzuerkennen, soll auch rückwirkend umgesetzt werden. Einige lesbische Eltern in der norditalienischen Stadt Padua wurden informiert, dass die Geburtsurkunde ihrer Kinder geändert werden soll. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtet, dass bereits bei 33 Geburtsurkunden von Kindern lesbischer Eltern der Name einer Mutter aus dem Dokument entfernt werden soll, sodass nur noch diejenige Mutter rechtlich als solche anerkannt wird, die das Kind ausgetragen hat. Auch bei schwulen Elternpaaren soll zukünftig nur noch ein Vater eingetragen sein.

Jetzt wurde ein weiterer Gesetzentwurf von Melonis rechtsextremer Partei Fratelli d'Italia (FDI) verabschiedet, der die Inanspruchnahme einer Leihmutter im Ausland verbieten soll. Ein Aktivist beklagt, dass mit dem Gesetz „staatliche Homophobie“ verfolgt werde (queer.de berichtet). Obwohl Leihmutterschaft zum Großteil von heterosexuellen Paare beansprucht wurde, wird dieser Gesetzesentwurf als ein Angriff auf die queere Community gesehen. Denn bis heute dürfen homosexuelle Paare in Italien nicht heiraten. Auch Adoption ist ihnen vorenthalten und reproduktive Technologien wie in-vitro Befruchtung nur für heterosexuelle Paare erlaubt, weshalb viele lesbische Paare solche Prozeduren im Ausland gemacht haben. Jetzt droht jedoch diesen Müttern, dass ein Elternteil die Rechte für ihr Kind verliert.

Human Rights Watch betont das Ausmaß Melonis Politik für LSBTIQ*-Personen. Denn das Recht, eine Familie zu gründen, sei ein Menschenrecht. Außerdem gehöre der Zugang zu reproduktiven Technologien und die Rechte lesbischer Mütter zu den wichtigsten Anliegen lesbischer, bisexueller und queerer Frauen. Somit bedeuten diese Einschränkungen tiefe Einschnitte in die Rechte der queeren Community Italiens. Auch für die Kinder der betroffenen Paare könnte die Entscheidung negative Folgen haben, wenn nur ein Elternteil die rechtliche Verantwortung für sie hat.

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Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland in der Entwicklung der Geschlechterforschung hinterher. Doch das inter- und transdisziplinäre Forschungsfeld wird in Zukunft für viele Bereiche immer bedeutsamer sein. Der Wissenschaftsrat empfiehlt deshalb eine breitere Verankerung des Feldes an Hochschulen und in außerhochschulischen Forschungseinrichtungen.

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In den „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geschlechterforschung in Deutschland[1] betont der Wissenschaftsrat:

Geschlecht und Geschlechterverhältnisse sind für jede Gesellschaft und für jeden einzelnen Menschen relevant, weil jeder Mensch in ganz unmittelbarer Weise von Geschlechterfragen betroffen ist, sowohl in seiner Person als auch als Teil der Gesellschaft. So sind Fragen des Geschlechts sowie der Geschlechterdifferenzierung und -verhältnisse für das Selbstverständnis eines jedes Individuums und für das Selbstverständnis und die Selbstaufklärung einer jeden Gesellschaft von zentraler Bedeutung.“

Deshalb sei die Geschlechterforschung als Feld, welches sich inhaltlich mit allen Fragen rund um Geschlecht[2] und Geschlechterverhältnisse beschäftigt, für viele gesellschaftliche und wissenschaftliche Bereiche relevant. Die Erkenntnisse der Geschlechterforschung können für die Medizin, Psychologie und Sozialwissenschaften von Bedeutung sein, ebenso wie für Bereiche der Gesetzgebung, Gleichstellungsarbeit, Pflege und Wirtschaft. Somit habe das Feld eine hohe Transferrelevanz.

In der Erhebung des aktuellen Stands der Geschlechterforschung in Deutschland ist aufgefallen, dass zum Beispiel an Hochschulen und Universitäten vonseiten der Studierenden zwar ein hohes Interesse an dem Feld besteht, es im Gegenzug jedoch nur eine geringe Zahl an Professuren mit Geschlechterdenomination gebe. Während die Geschlechterforschung in den Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften gut verankert sei, ist sie in anderen Disziplinen wie beispielsweise in den MINT-Fächern noch unzureichend institutionalisiert. Deshalb empfiehlt der Wissenschaftsrat das Auf- und Ausbauen von Professuren mit (Teil-)Denomination in der Geschlechterforschung vor allem in Fächern, in denen das bisher unterrepräsentiert ist. Außerdem müsse eine bessere Ausstattung von hochschulischen Einrichtungen der Geschlechterforschung gesichert werden. Auch im außerhochschulischen Bereich soll die Geschlechterforschung stärker vorangetrieben werden, dort sieht der Wissenschaftsrat eine große Chance, „innovative […] Themenkomplexe zu besetzen und in der Kooperation mit Hochschulen voranzutreiben“. Zusätzlich müssten Forschungsdaten aus den verschiedenen Disziplinen in einer Datenbank zusammengeführt und diese weiter ausgebaut werden.

Mit der Umsetzung dieser Empfehlungen soll die Geschlechterforschung fest in Forschung und Lehre verankert und das Wissen langfristig gesichert und erweitert werden, denn das Feld sei von gesellschaftlicher Bedeutung. Besorgt schaut der Wissenschaftsrat auf die politische und gesellschaftliche Debatte rund um das Thema und warnt vor einem „Klima gesellschaftlicher Polarisierung“ sowie „massive[n] Diffamierungen und Drohungen“. Hier könnte sich der Wissenschaftsrat auf rechte und konservative Gruppierungen beziehen, die gegen vermeintliche „Gender-Ideologien“ wettern. Im Rahmen dieses sogenannten „Kulturkampfes“ kommt es immer häufiger auch zu Angriffen auf wissenschaftliche Felder wie den Gender Studies oder der Queer Theory.

[1] Wissenschaftsrat (2023): Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geschlechterforschung in Deutschland; Köln. https://doi.org/10.57674/9z3k-1y81

[2] Dies umfasst das biologische sowie das soziale Geschlecht. Die Unterscheidung zwischen sex und gender erklärt echte vielfalt in diesem Artikel.

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Erst vor einigen Tagen wurde Alfonso Pantisano (SPD) von der schwarz-roten Landesregierung Berlins zum ersten Queerbeauftragen der Hauptstadt ernannt. Als eine der ersten Amtshandlungen stellte Pantisano Strafanzeige gegen den Ex-Chefredakteur der „Bild“ Julian Reichelt sowie weitere Personen in dessen Umfeld. Dadurch befindet sich der neue Queerbeauftragte nun mitten im „Kulturkampf“.

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In Reaktion auf ein Bild der Polizei Berlin, auf dem Polizist*innen die Regenbogenflagge hissten und vor ihr posierten, schrieb Julian Reichelt am 14. Juli auf Twitter: „Jeder vernünftige Mensch in diesem Land würde sich wünschen, dass vor der Polizei und vor den düsteren Fassaden unserer Geschichte nie wieder die Flaggen einer politischen Bewegung gehisst würden.“ Dieser Tweet war der Auslöser für die Anzeige, mit der Bezeichnung der Pride-Flagge als Teil einer „totalitären Ideologie“ und dem NS-Vergleich betreibe Reichelt in Pantisanos Augen Volksverhetzung.

Ebenfalls angezeigt wurde die ehemalige „Bild“-Kolumnistin Judith Sevinç Basad aufgrund der Dokumentation „Trans ist Trend: Wie eine Ideologie unser Land verändert“ des Medienportals NIUS, für das auch Reichelt arbeitet. Zusätzlich seien das Medienunternehmen, zu dem NIUS gehört, sowie dessen geschäftsführende Direktoren Christian Opitz und Christian Storch von der Anzeige betroffen. Die Video-Dokumentation, die sich als kritische Auseinandersetzung mit Transaktivismus betitelt, verbreite „unzählige volksverhetzende Falsch- und Desinformationen gegen die queere Community, vor allem gegen trans* Männer und trans* Frauen“, so Pantisano auf Facebook. Queerer Aktivismus wird darin unter anderem mit einer Sekte verglichen. Solche Arten der Desinformation über queere und insbesondere trans Personen würden im Netz immer mehr ansteigen, wie aus einem Bericht der Tagesschau herausgeht.

Reichelt und Basad nehmen die Anzeige als Bestätigung ihres verzerrten Bildes über die „totalitären Wahnsinnigen“ und positionieren sich im Netz als politisch Verfolgte. Auf Twitter wird die Pressefreiheit beklagt, Journalist*innen würden mundtot gemacht werden. Ebendiese Rhetorik und historisch fragwürdigen Vergleiche, die Pantisano in Reichelts ursprünglichem Tweet zur Regenbogenfahne beklagte, wird auf Twitter fortgeführt. In Reaktion auf die Anzeige schreibt der ehemalige „Bild“-Chefredakteur vom „Alfonso-Pantisano-Zuchthaus“, in dem er sich zukünftig mit den Machern von „Trans ist Trend“ aufhalten werde. Die Debatte verläuft also höchst polemisch, das demokratische Amt von Pantisano wird in Frage gestellt. Ob die Äußerungen von Reichelt & Co als Volksverhetzung gelten, wird nun erstmal von Sicherheits- und Ermittlungsbehörden geprüft. Unabhängig davon, wie das Urteil ausgeht, war es nicht das erste Mal, dass Reichelt mit seiner Queerfeindlichkeit eine rechtliche Debatte auslöste (queer.de berichtete).

Pantisano äußerte sich zu seinem neuen Amt gegenüber der Berliner Zeitung: „Es ist die gesellschaftliche Akzeptanz, die oft noch fehlt und nach wie vor verbesserungswürdig ist. Minderheiten sind Teil des großen Wirs. Und ihnen steht ein berechtigter Platz am Inklusionstisch zu. Dafür müssen andere aber zusammenrücken und Platz machen, und ganz wichtig, Minderheiten auch einen Stuhl anbieten. Wir müssen es hinbekommen, dass alle Menschen, auch Minderheiten, gleichberechtigt wahrgenommen werden.“ Dies scheint insbesondere in den rechtspopulistischen Kreisen von Reichelt, Basad und Kolleg*innen nicht angekommen zu sein.

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„Tradwife“ ist ein relatv junger Trend auf Plattformen wie TikTok, Instagram oder auch YouTube. Bereits 2020 berichtete der Guardian ausführlich über das Phänomen in Großbritannien und den USA, aber auch in Deutschland finden sich immer wieder Berichte zu diesem Begriff - zuletzt am 12. April dieses Jahres im Deutschlandfunk. Doch worum geht es dabei?

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Der Begriff „Tradwife“ setzt sich auch den Begriffen „Tradition“ und „Wife“ (Englisch für Ehefrau) zusammen. Gemeint sind damit explizit Frauen, die ein konservatives Rollenbild propagieren. So schreibt Zeit Online: „Sie präsentieren sich in Petticoats und High Heels wie aus Hausfrauenwerbungen der Fünfzigerjahre, halten Selbstgebackenes in die Kamera, geben Tipps für ein gelingendes Eheleben und vertreten ihr Recht, als sogenannte Tradwives zu leben.“

Einige von ihnen halten sich dabei für die wahren Feministinnen, wie der Guardian berichtet. Sie behaupten, es „dem System“ zu zeigen, indem sie sich nicht in die Zwänge der doppelten Arbeit (Care-Arbeit und Job) einspannen lassen. Denn Frauen sind immer noch diejenigen, die den Großteil der Care-Arbeit leisten, aufgrund dessen häufiger in Teilzeit arbeiten und entsprechend weniger verdienen bei doppelter Belastung. Allerdings liegt das Problem vor allem in immer noch existierenden Rollenvorstellungen. „Doch statt Gleichberechtigung zu fordern, fliehen manche Frauen in eine längst vergangene Zeit: die Fünfzigerjahre“, so die Feststellung der Welt. Aber es sind nicht per se Frauen, die sich hier falsch entscheiden, sondern eher anhaltend verkrustete Strukturen, die dazu führen, dass eine „Flucht“ attraktiv erscheint. Und genau an dieser Stelle trifft es vor allem jene, die anfällig sind für vermeintlich einfache Botschaften. Wie der Guardian treffend feststellt, beruht das gesamte Ideal darauf, dass der Mann genug verdient. Damit entsteht eine Abhängigkeit, die Ungleichheiten hinter einer Fassade der vermeintlich „freien“ Entscheidung versteckt. Aber noch ein weiteres Versteckspiel ist hier zu finden - sind es doch insbesondere die erfolgreichen Tradwife-Influencerinnen, die ein gar nicht traditionelles eigenes Unternehmen als „Influencerin“ betreiben…

Doch das Problem reicht noch tiefer: So verweisen alle oben genannten Quellen auf die große Schnittmenge zwischen der Tradwife-Bewegung und der „Alt-Right"-Bewegung in den USA. Insbesondere die „white supremacists" fördern dabei die Botschaft, dass weiße Frauen sich ihren Männern unterordnen und sich auf die Geburt möglichst vieler weißer Kinder konzentrieren sollen.

Dabei sind nicht automatisch alle Tradwives der rechten Bewegung zuzuordnen. Aber selbst wenn sie sich davon distanzieren (oder sich dessen nicht bewusst sind), machen sie mit ihrem Verhalten dennoch „Werbung“ für diese Rollen mit all ihren Assoziationen. Wie die Kommunikationswissenschaftlerin Julia Stüve gegenüber dem Deutschlandfunk erklärt, ist es dabei insbesondere die Weiße Rechte, egal wo auf der Welt, die dieses „hübsch verpackte“ Rollenbild nutzt, um gezielt junge Frauen von ihren eigentlich frauenfeindlichen Ideologien zu überzeugen. Auch wenn es sich dabei bis jetzt „nur“ um ein Randphänomen handelt, sollte ein solcher Trend nicht abgetan werden.

Aber nicht nur für Frauen geht es um Emanzipation und die notwendige Kritik an den immer noch existierenden Ungleichheiten. Auch die LGBTIQ* Gemeinschaft sollte die Entwicklung aufmerksam beobachten, bedeutet doch ein Zurück zum „traditionellen“ Rollenbild eine gleichzeitige Rückkehr zu einem binären Verständnis von Geschlecht und sexueller Identität. Dabei sind es insbesondere in den USA oftmals dieselben konservativen politischen Akteure, auf deren Kampf gegen die Rechte und Würde der LGBTIQ* Gemeinschaft hier bereits in früheren Artikeln aufmerksam gemacht wurde, die diesen Trend befürworten.

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Das Projekt Peer4Queer unterstützt queere Jugendliche durch Mentoring in ihrer Identitätsfindung in Bezug auf ihre sexuelle und romantische Orientierung sowie geschlechtliche Identität. Dafür werden queere Menschen zu Mentor*innen ausgebildet, damit sie als Vorbilder junge Menschen ein Jahr lang begleiten und sie in ihrer Identitätsfindung unterstützen können.

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Echte Vielfalt hatte dazu bereits im November 2022 berichtet.

Das Eins-zu-eins-Mentoring richtet sich an Jugendliche und Jungerwachsene im Alter von 14 bis 25 Jahren aus Hamburg und Umgebung, die sich nichtheterosexuell und/oder nicht-cis-geschlechtlich fühlen oder dies gerade für sich herausfinden und sich eine Vertrauensperson wünschen, um diese Themen zu besprechen.

Sie bilden als Mentees gemeinsam mit einer*m persönlichen queere*n Mentor*in (zwischen 18 - 29 Jahren) ein Tandem. Innerhalb des Tandems können die Mentees ihre Fragen stellen, sich austauschen, Bestärkung finden und sich vernetzen. Die Mentor*innen können ihre Mentees auf vielerlei Art bei der Identitätsfindung unterstützen. Sie können von eigenen Erfahrungen berichten, zuhören, das Selbstwertgefühl des Mentees stärken, ihr*ihm dabei helfen, sich besser zu verstehen, sich über queere Themen austauschen…

Das Mentoring im Tandem ist für ein Jahr angelegt.

Die Teilnahme ist kostenfrei.

Mehr Informationen gibt es bei Instagram, auf der Homepage sowie auf diesem Plakat: Peer4Queer sucht Mentees Das Plakat darf gerne ausgehängt oder anderweitig verbreitet werden!

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Am 21. März verabschiedete das Parlament in Uganda einen folgenschweren Gesetzesentwurf. War Homosexualität bereits vorher verboten, sollte der neue Entwurf auch deren Nichtanzeigen unter Strafe stellen und sogar die Todesstrafe in „besonders schweren Fällen“ in Betracht ziehen.

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Nachdem das Gesetz am 20. April Präsident Yoweri Museveni zur Unterzeichnung vorgelegt wurde, ließ dieser es jedoch zunächst mit Verbesserungsvorschlägen zurückgehen. Dabei ging es dem Präsidenten allerdings weniger um das Strafmaß als um die Berücksichtigung von Rehabilitation und möglicher rechtlicher Anfechtbarkeit. Dennoch gab es dadurch zumindest minimal Hoffnung auf Abmilderung durch den Einfluss internationaler Akteure. So drohten bspw. die USA mit Wirtschaftssanktionen, sollte das Gesetz in Kraft treten, wie der Tagesspiegel damals berichtete. Ende Mai unterzeichnete Museveni dann den überarbeiteten Entwurf, womit das Gesetz Gültigkeit erlangte, was zu einem internationalen Aufschrei des Entsetzens führte, so die Tagesschau. Als Reaktion kündigte US-Präsident Joe Biden an: „Die US-Regierung werde unter anderem ein Handelsabkommen überprüfen, das Uganda für viele Produkte zollfreien Zugang zum US-Markt einräumt“. Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze betonte, dass neben den Verstößen gegen das Menschenrecht „[…] das Gesetz auch Auswirkungen auf die Arbeit internationaler Partner vor Ort“ habe, die zu prüfen seien. Über den Status dieser zu prüfenden (Handels-)Beziehungen ist es seit dem Aufschrei allerdings ruhig geworden.

Nach Angaben des Tagesspiegel, des ZDF und der Tagesschau sieht das aktuelle ugandische Gesetz nun vor, homosexuelle Handlungen als Kapitalverbrechen einzustufen. Damit können Strafen bis zur lebenslangen Haft verhängt werden und in „besonders schweren Fällen“ - wenn z. B. eine Person mit HIV infiziert ist - kann sogar die Todesstrafe drohen. Auch Personen und Vereine, die „wissentlich Homosexualität fördern“, können mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden. Vor dieser Drohkulisse und der damit verbundenen gesellschaftlichen Ächtung ist es wenig hilfreich, dass die Selbstbezeichnung als homosexuell nicht unter Strafe gestellt wurde. Ebenfalls von einer Strafe ausgenommen ist das Nichtanzeigen „mutmaßlicher homosexuelle Handlungen“ bei der Polizei. Letzteres entschärft damit zumindest die Gefahr einer Gesellschaft der Denunziation innerhalb von Familien.

Blickt man jedoch auf den Gesundheitssektor, verschärft sich die bedrohliche Lage: So befürchten Beobachter*innen des Gesundheitssystems eine weitere Zerrüttung zwischen Ärzt*innen und Patient*innen. Immer weniger Menschen ließen demnach mögliche Infektionskrankheiten behandeln. Und auch die medizinischen Fachkräfte sind besorgt, könnte ihre Tätigkeit der Hilfe als „wissentliche Förderung“ von Homosexualität ausgelegt werden. Wie der Tagesspiegel in einem weiteren Artikel vom 28. Juni 2023 betont, war Uganda bis jetzt sehr erfolgreich in der Bekämpfung von HIV. Dies könnte sich allerdings nach Befürchtung der Vereinten Nationen (UN) ändern. Einige Geldgeber, wie etwas das US-Aids-Programm PEPFAR kündigte bereits im Vorfeld an, seine Finanzierung zurückzunehmen, sollte das Land nicht damit aufhören, Homosexuelle systematisch zu verfolgen. Uganda erhält 80% seiner Gelder zur Aids-Bekämpfung aus dem Ausland.

Damit kann das Gesetz neben seiner Menschenverachtung und den damit verbundenen gesellschaftlichen Verwerfungen zusätzlich zu einer möglichen Gesundheitskrise führen.

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