Die Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2024 liegt nun einige Tage zurück, und so bietet es sich an, aus Sicht der LGBTIQ*-Gemeinschaft Bilanz zu ziehen. Die Spiele von Paris standen ganz unter dem Motto „Games Wide Open“ und sollten die Vielfalt des Sports und seiner Teilnehmer*innen unterstreichen.
Wie das Magazin L-Mag schreibt, „kämpf[t]en in den Frauenwettbewerben über 150 lesbische, bisexuelle und queere Frauen sowie vier nichtbinäre/trans Athletinnen um Medaillen.“ Wer sich hierfür im Detail interessiert, findet auf outsports.com eine vollständige Liste aller LGBTIQ*-Teilnehmer*innen nach Ländern und Sportarten sowie den gewonnenen Medaillen. Insgesamt gewannen LGBTIQ*-Sportler*innen 43 Medaillen, davon 16-mal Gold, 13-mal Silber und 14-mal Bronze.
Für Julia Monro, Bundesvorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD), stellen die Spiele nach einem Zitat der Süddeutschen Zeitung eine Chance für eine größere Akzeptanz queerer Lebensweisen dar. Gleichzeitig kritisiert sie, dass die Entscheidung, ob Transsportlerinnen starten dürfen, weiterhin den jeweiligen Fachverbänden überlassen bleibt. Zwar sieht die IOC-Leitlinie explizit vor, dass „niemand wegen seiner Identität als Transperson vom Sport ausgeschlossen werde, solange ein fairer und sicherer Wettkampf gewährleistet werden könne. Unter welchen Bedingungen eine Transperson am Wettkampf teilnehmen darf, obliegt den Fachverbänden.“ Damit bestünde de facto ein Bann, so Monro. Immerhin konnten Athletinnen, die in ihren Ländern Gefahr von Verfolgung und Strafe ausgesetzt sind, unter dem Banner des IOC-Flüchtlingsteams an den Start gehen.
Den großen Skandal um transgeschlechtliche Teilnehmer*innen gab es allerdings in der Sportart, die nicht von einem Fachverband, sondern vom IOC selbst ausgerichtet wurde. Auslöser war die Teilnahme der Boxerinnen Imane Khelif aus Algerien und Lin Yu-ting aus Taiwan am Frauenturnier. Wie das Magazin Blick zusammenfasst, wurden beide bei den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr aufgrund nicht bestandener Geschlechtstests vom Box-Weltverband IBA disqualifiziert. Das IOC hatte diese Disqualifizierung für Olympia nicht erneuert. Mit der Aufgabe von Khelifs erster Gegnerin Angela Carini nach nur 46 Sekunden entbrannte die Frage: „Haben die beiden Boxerinnen einen Vorteil gegenüber den anderen Frauen?“ Dem widerspricht IOC-Sprecher Mark Adams: „Es gab nie einen Zweifel, dass Khelif und Lin Frauen sind“, zitiert Blick und fügt hinzu: Laut Adams handele es sich um eine „Attacke auf die Menschenrechte dieser Athletinnen.“ Hierzu ausführlicher der Artikel auf echte-vielfalt.de vom 13. August.
Am 28. August haben nun die Paralympics begonnen und bereits jetzt wird wieder diskutiert. Laut einem Artikel von Queer wird die Italienerin Valentina Petrillo als erste trans Person bei den Paralympischen Spielen teilnehmen. An der neuen Diskussion zeigt sich, dass nichts geklärt ist. Ihre deutsche Konkurrentin Katrin Müller-Rottgardt äußerte Bedenken, dass Petrillo aufgrund ihrer biologischen Vergangenheit möglicherweise einen unfairen Vorteil haben könnte. Laut einer Studie des IOC lässt sich allerdings nicht pauschal sagen, dass Transsportler*innen anderen Frauen überlegen seien. Petrillo erfülle darüber hinaus alle Regularien des Verbands.
Vorsicht bei der Bewertung: Die Aussagen von Adams klären die Fragen um Fairness und Transgender im Sport nicht abschließend. Solange das IOC die Entscheidung den Fachverbänden überlässt, bleibt die Problematik ungelöst. Während andere Veranstaltungen wie die Commonwealth Games, nach einem Artikel von schwulissimo, Länder ausschließen, die Homosexualität kriminalisieren, schweigt das IOC zu solchen Maßnahmen. Wer tiefer in die Themen rund um Olympia, das IOC und dessen Politik eintauchen möchte, dem sei das Interview des Sportjournalisten Jens Weinreich bei Jung und Naiv empfohlen.