Echte Vielfalt

2. Februar 2023

Verfolgung von queeren Menschen in Deutschland: Kontinuitäten und Forschungslücken

Dieses Jahr legte der Bundestag am Holocaust-Gedenktag erstmals den Fokus auf die queeren Opfer des Nationalsozialismus. Im Rahmen der Debatte um die Verfolgung sexueller Minderheiten in Deutschland werden die Kontinuitäten dieser Praxis in der deutschen Geschichte betont sowie auf Wissenslücken hingewiesen.

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Auf Basis des Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches wurden während des Nationalsozialismus rund 50.000 Menschen wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität verurteilt. Bis zu 15.000 von ihnen wurden in ein Konzentrationslager gebracht, viele davon für medizinische Experimente herangezogen und ermordet. Wie der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) darlegt, wurde die Verfolgung mit dem Ende der NS-Zeit jedoch noch lange nicht eingestellt. Eine umfassende Kriminalisierung von Homosexualität fand bis 1969 statt und erst im Jahr 1994 wurde der sogenannte „Schandparagraf“ gestrichen. Mit diesem bestand in Deutschland über 123 Jahre ein rechtlicher Legitimationsrahmen für die Kriminalisierung und Verfolgung homosexueller Menschen. Deshalb sei eine ausdrückliche Anerkennung dieser Gruppe im Rahmen des Holocaust-Gedenktages umso wichtiger.

Neben der bisherigen Vernachlässigung dieser Opfergruppe in der deutschen Erinnerungskultur gebe es nicht genug differenziertes Wissen zum Thema, wie der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann betont: „Die Verfolgung homo- und bisexueller Männer und Frauen, insbesondere in der NS-Zeit, aber auch ihre Kontinuität in der Bundesrepublik und der DDR, sind nicht ausreichend erforscht. Zur Geschichte von trans- und intergeschlechtlichen Menschen gibt es kaum Forschung.“ Bisher wurde sich in der Geschichtswissenschaft vorrangig auf die Verfolgung schwuler Männer konzentriert. Dass auch lesbische Frauen betroffen waren und von den Nazis als ‚Asoziale‘ inhaftiert wurden, konnte erst spät nachgewiesen werden.

Der Historiker und Initiator der Petition für das Gedenken an homosexuelle Opfer des NS-Regimes Lutz van Dijk äußert in einem Interview mit ZEIT ONLINE, dass die Erinnerung an queere Opfer der NS-Zeit am Holocaust-Gedenktag einen Anstoß für weitere Forschungsvorhaben liefern soll. Auch der LSVD erwartet ein gründliches Aufarbeiten dieser Geschichte der Bundesrepublik und der DDR, wie in einem älteren Artikel von echte-vielfalt nachgelesen werden kann. Dafür müssten Bund, Länder und Kommunen Mittel bereitstellen. Denn „Erinnerung setzt Wissen voraus“, so der Verband.

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