Echte Vielfalt

Allgemein

Am 11. September stellt die AfD ihren Antrag zur Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes im Bundestag vor. Von der Union wird zudem ein Sonderregister für trans Menschen geplant. Queere Verbände und Initiativen rufen deshalb zum bundesweiten Protesttag auf.

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Unter dem Motto "Selbstbestimmungsgesetz verteidigen und Sonderregister für queere Menschen verhindern!" ruft die Gruppe Queermany zu Demonstrationen in ganz Deutschland auf. In Berlin soll vor dem Bundestag protestiert werden, wo ab 14:55 Uhr die Debatte über das Selbstbestimmungsrecht ansteht. Anlass ist der von der AfD eingebrachte Gesetzentwurf zur Abschaffung des Gesetzes (Bundestag).

Bereits im Wahlkampf wurde Stimmung gegen das Gesetz gemacht – nicht nur durch die als rechtsextrem eingestufte AfD. Auch CDU und CSU sprachen sich für eine Abschaffung aus (Tagesspiegel berichtete). Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist eine Evaluierung des Gesetzes über die Selbstbestimmung vorgesehen, gleichzeitig verpflichteten sich die Koalitionspartner*innen dazu, die Rechte von trans und inter Personen zu wahren.

Queere Initiativen sehen diese jedoch aktuell in Gefahr. In der Kritik steht nicht nur die Debatte über eine mögliche Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes, sondern auch die von CDU und CSU vorangetriebenen Pläne für ein Sonderregister für trans Personen. Darin sollen geänderte Namen und Geschlechtseinträge von trans Personen aufgeführt und an Behörden weitergegeben werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Intergeschlechtlichkeit (dgti) warnt, ein solches Register bedeute unnötige Datenweitergabe und verletze die Privatsphäre. Auch die Rechtswissenschaftlerin Isabel Lischewski betont, dass jede Weitergabe sensibler Daten einen Grundrechtseingriff darstelle. Sie zweifelt die Notwendigkeit an, da das Selbstbestimmungsgesetz bereits Regelungen enthalte, die eine Datenweitergabe in kritischen Fällen ermöglichen (Tagesschau). Eine Online-Petition will das Sonderregister verhindern und sich gegen den Eingriff in die Privatsphäre und die Stigmatisierung von trans Personen wenden.

Im Aufruf zum Protesttag am 11. September wird außerdem auf eine Veranstaltung der „Society for Evidence-Based Gender Medicine“ (SEGM) aufmerksam gemacht.

Alva Träbert vom Bundesvorstand des LSVD+-Verband Queere Vielfalt bezeichnet die vom 11. bis 14. September in Berlin geplante Konferenz als „queerfeindliche Propagandaveranstaltung“. Mit dem Ziel „die notwendige medizinische Versorgung von queeren Jugendlichen und Erwachsenen zu delegitimieren und politische Restriktionen durchzusetzen“ würden sich dort internationale Akteur*innen versammeln, die in der Vergangenheit mit Desinformationen gegen LSBTIQ* aufgefallen sind.

Es gibt also mehrere Anlässe für den bundesweiten Protesttag für die Rechte queerer Menschen. In Berlin ist ab 15:00 Uhr eine Auftaktkundgebung vor dem Bundestag geplant. Auch in anderen deutschen Städten, darunter Hannover und Göttingen, sind Proteste angekündigt.

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Im westafrikanischen Staat Burkina Faso wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das Homosexualität verbietet. Schwulen und Lesben drohen nun Haftstrafen von bis zu fünf Jahren.

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2022 kam es in Burkina Faso zu einem Militärputsch. Seitdem regiert eine Militärjunta, die Russland nahesteht. Die 71 Mitglieder des nicht gewählten Übergangsparlaments in Burkina Faso verabschiedeten einstimmig ein neues Anti-LSBTIQ* Gesetz.

Homosexualität und damit ‚assoziierte Praktiken‘ sollen gesetzlich bestraft werden, so der Justizminister Edasso Rodrigue Bayala (zitiert in BBC). Verstöße gegen das Gesetz können mit Haftstrafen von zwei bis fünf Jahren sowie Geldstrafen geahndet werden (Zeit Online).

Mit dieser Gesetzgebung reiht sich Burkina Faso damit in eine weltweite Tendenz wachsender Queerfeindlichkeit ein. Auch auf dem afrikanischen Kontinent verabschiedeten in den letzten Jahren mehr und mehr Länder Anti-Homosexualitätsgesetze, darunter Uganda und Ghana. Nach Angaben von Zeit Online ist Homosexualität in rund 30 Ländern auf dem afrikanischen Kontinent illegalisiert. In den ehemals britisch kolonisierten Staaten stammen viele queerfeindliche Gesetze oft noch aus der Kolonialzeit.

In Burkina Faso, das französisch besetzt war, wurde Homosexualität bisher noch nicht offiziell kriminalisiert. Jedoch gilt ein Großteil der Bevölkerung als queerfeindlich. Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes erlitten LSBTIQ*-Personen Ablehnung, Diskriminierung und Gewalt im Land. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Outright International gibt es Berichte von willkürlichen Verhaftungen und Erniedrigungen queerer Menschen durch die Polizei. Trans* Personen haben keine Möglichkeit zur rechtlichen Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität und kaum Zugang zu trans*spezifischer medizinischer Versorgung.

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Für queere Menschen bedeutet der Weg ins Krankenhaus oft Angst vor Diskriminierung. Dies gilt auch in der Schwangerschaft und bei Geburten. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über Hürden und Entwicklungen für queere Menschen in der Geburtshilfe gegeben werden. Erste Studien und Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Reformen dringend nötig sind. Aber es gibt auch ermutigende Entwicklungen.

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Dass queere Schwangere im Kontext von Geburtshilfe oft diskriminierende Erfahrungen machen, wurde in einer Studie von Ska Skalden und dem Netzwerk Queere Schwangerschaften aus dem Jahr 2022 offengelegt. Dies war die erste quantitative Studie in Deutschland zum Thema.

Die Hälfte der trans* und intergeschlechtlichen Befragten gab darin an, bei der Geburt ihrer Kinder in Kliniken Gewalt oder Diskriminierung erfahren zu haben (im Vergleich: Auch 20 Prozent der cis-geschlechtlichen Befragten berichten von solchen Erfahrungen). Ökonomisch bedingter Zeitdruck und Personalmangel prägen oft die Betreuung in Krankenhäusern. Allgemeine Reformen in der klinischen Geburtshilfe würden daher auch queeren Gebärenden zugutekommen, wie in dem auf der Studie aufbauenden Policy Paper betont wird.

Darüber hinaus berichtet die Hebamme Lucie Lowitz über strukturelle Probleme für queere Schwangere: „Die Bürokratie ist heteronormativ orientiert, zum Beispiel wird die gebärende Person immer als Mutter eingetragen. Da keine männlichen Personen als Mutter eingetragen werden, kommt es häufig zur Verwendung von Deadnames.“

Lowitz erklärt, dass aus Angst vor Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitswesen manche Menschen nicht im Krankenhaus gebären wollen, sondern Hausgeburten oder Geburten mit Beleghebammen bevorzugen.

Bei queeren Paaren gibt es zudem weitere rechtliche Hürden: Bei lesbischen Paaren zum Beispiel wird die nicht gebärende Mutter, anders als bei verheirateten heterosexuellen Paaren, nicht automatisch als Elternteil eingetragen, sondern muss das Kind adoptieren. Queere Initiativen fordern seit langem eine Anpassung des Abstammungs- und Familienrechts. Eine entsprechende Reform wurde von der Ampelregierung zwar im Koalitionsvertrag festgelegt, jedoch nicht innerhalb ihrer Legislaturperiode durchgesetzt. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung ist keine derartige Reform für Regenbogenfamilien geplant (für eine Übersicht der Forderungen und Entwicklungen siehe die Webseite des LSVD+).

Im Policy Paper werden verpflichtende Fort- und Weiterbildungsangebote für Personal in der Geburtshilfe zu sexueller und geschlechtlicher Diversität gefordert. Zudem sollen Forschungsvorhaben zu geburtshilflichen Themen, die für queere Menschen relevant sind, gefördert werden.

Im Gespräch hebt Lowitz positiv hervor, dass es erste queerfeministische Hebammenpraxen sowie zunehmend queere Geburtsvorbereitungskurse gebe. Das Fortbildungskollektiv Queer*Sensible Geburtshilfe aus Hebammen und Mediziner*innen beispielweise klärt über solche Themen auf und bietet Fortbildungen für verschiedene Fachgruppen in der Geburtshilfe an.

Eine Empfehlung zum Thema: In der WRD Doku „Der Schwangere Mann begleitet die Filmemacherin Jeanie Finlay den trans* Mann Freddy über den Prozess seiner Schwangerschaft. 

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Der 37. Verbandstag des LSVD+ hat am 5. April 2025 in Berlin einen Beschluss zur Stärkung queersensibler Bildungsarbeit verabschiedet. Gefordert werden unter anderem die finanzielle Förderung von Bildungsprojekten, die Unterstützung des Qualitätssiegels „Schule der Vielfalt“, Forschungsinitiativen zu Queerfeindlichkeit sowie öffentlichkeitswirksame Kampagnen. Damit adressiert der LSVD+ Bildung, Forschung, Sichtbarkeit und Gewaltprävention in einer übergreifenden Strategie.

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Klar ist: Der Beschluss ist ein politisches Signal, kein Reformplan. Gerade deshalb drängt sich die Frage auf, welche konkreten Schritte nötig wären – und wie die LSBTIQ*-Community ihre Forderungen so schärfen kann, dass sie in der politischen Praxis Bestand haben. Hinzu kommt die föderale Struktur der deutschen Bildungspolitik: Der Bund kann finanzielle Mittel bereitstellen, über die konkrete Umsetzung entscheiden jedoch die Länder. Zusätzlich ist die Gefahr reiner Symbolpolitik kaum zu überschätzen – Kampagnen und Zertifikate reichen ohne tiefere strukturelle Veränderungen in Schule und Lehrkräfteausbildung kaum aus.

Die Komplexität queersensibler Bildungsarbeit zeigt sich im Spannungsfeld von Social Media, familiären Prägungen und politischen Gegenströmungen. Schulen stehen hier nicht nur vor der Aufgabe, Respektregeln zu vermitteln, sondern Schüler*innen Kompetenzen für den Umgang mit Desinformation, Hate Speech und gesellschaftlichen Polarisierungen an die Hand zu geben. Dazu gehören Medienkompetenz, Empathie, die Fähigkeit zur faktenbasierten Argumentation und der Mut, eigene Überzeugungen auch gegen Mehrheitsmeinungen zu vertreten. Kompetenzen, die vielen Erwachsenen fehlen und stark von den sozial-emotionalen Ressourcen abhängen, auf die die Schule wenig Einfluss hat.

Der soziale und regionale Rahmen bestimmt maßgeblich, wie anschlussfähig queersensible Bildungsarbeit überhaupt ist. Familiäre Prägungen, das soziale Umfeld und lokale Normvorstellungen wirken oft stärker auf Kinder und Jugendliche ein als schulische Programme. In ländlichen oder konservativen Regionen kann Akzeptanz deutlich schwerer vermittelt werden als in urbanen, pluralen Milieus (hier unser Artikel zum Thema Queeres Leben auf dem Land). Schulen operieren daher nicht im Vakuum, sondern in einem Umfeld, das bereits von Vorurteilen, medialen Diskursen und politischen Spannungen durchzogen ist. Damit schulische Konzepte greifen können, braucht es parallel immer auch eine grundlegende Sensibilisierung im Umfeld: in Elternhäusern, Vereinen, Peer-Groups und der kommunalen Öffentlichkeit. Erst wenn diese Voraussetzungen zumindest ansatzweise vorhanden sind, kann Schule ihre Rolle als Motor für Aufklärung und Reflexion entfalten. Dabei ist nicht zu vergessen, dass Lehrer*innen, Schulleitungen und  weitere Akteur*innen des Bildungssystems immer auch selbst Normvorstellungen und ideologischen Prägungen unterliegen.

Ob ein bundesweiter Reformschub realistisch ist, bleibt damit fraglich – schon der finanzielle Aufwand wäre enorm. Gleichzeitig eröffnet die föderale Struktur Spielräume für lokale Initiativen: Engagierte Lehrkräfte, Schulgremien und Verbände können vor Ort erste Schritte gehen und Leuchtturmprojekte schaffen. Der LSVD+ hat mit seinem Beschluss ein klares Signal gesetzt. Ob daraus mehr als Symbolpolitik wird, hängt nun davon ab, ob es gelingt, die Forderungen zu konkretisieren und sie in konkrete Bildungspraxis zu übersetzen.

Am Ende geht es weniger um große Worte als darum, Schüler*innen – aber auch Lehrkräfte - widerstandsfähig gegen Nonsens zu machen – ob der nun von Social Media, am Küchentisch oder im Parlament kommt. Dafür braucht es keine Parolen, sondern kritisches Denken und Empathie und dies setzt wiederum sozioökonomische Sicherheit voraus.

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Seit einem halben Jahrhundert gibt es das Schwule Zentrum (SchwuZ) als Tanz-Hotspot für die LSBTIQ*-Gemeinschaft in der Berliner Clubszene. Nun musste der Club Anfang August Insolvenz anmelden.

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Auf seiner Webseite erklärte das Team: „SchwuZ hat Insolvenz angemeldet – aber wir kämpfen weiter.“ Als Rettungsmaßnahme wurde die sogenannte „Unlimited-Karte“ ins Leben gerufen, mit der Unterstützer*innen dem Club finanziell unter die Arme greifen können. In der Selbstbeschreibung heißt es: „Als einer der größten queeren Clubs Europas ist SchwuZ seit fast 50 Jahren mehr als nur ein Ort zum Feiern. Es ist ein Zuhause, ein Schutzraum, ein Ort für queere Kunst, Community und Widerstand.“

Gegründet 1977 in Kreuzberg, war das SchwuZ bereits zwei Jahre später Mitinitiator der ersten Christopher Street Day-Parade in Berlin und der Gründung des queeren Magazins Siegessäule. 2013 zog der Club in größere Räumlichkeiten nach Neukölln – mit Platz für bis zu 1.000 Feiernde. Doch dieser Schritt könnte sich rückblickend als riskant erwiesen haben, so die Bilanz des Guardian.

Laut Rundfunk Berlin Brandenburg RBB teilte Insolvenzverwalterin Susanne Berner mit, dass vor allem die Folgen der Coronapandemie und das sogenannte „Clubsterben“ zur aktuellen Lage beigetragen hätten. Bereits im Mai kürzte das SchwuZ seine Öffnungszeiten, entließ ein Drittel der Belegschaft (33 Personen) und startete eine Crowdfunding-Kampagne, die lediglich 3.000 € von den angestrebten 150.000 € einbrachte.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind jedoch nicht allein pandemiebedingt. Inflation, steigende Mieten und eine sich wandelnde Partykultur setzen vielen Berliner Clubs zu. Auch Managementprobleme und eine alternde Stammkundschaft werden als Gründe genannt. In den Kommentarspalten des RBB-Artikels äußern Nutzer*innen Kritik: Die Lage des Clubs in einer dunklen Ecke Neuköllns sei abschreckend, die Preise zu hoch, die Musik veraltet.

Dabei ist das SchwuZ ist nicht der einzige Club, der in jüngster Zeit schließen musste. Der Busche Club, gegründet 1988 in Ost-Berlin, machte nach 40 Jahren dicht. Auch das Watergate am Spreeufer schloss zum Jahreswechsel 2024 und die Wilde Renate kündigte ihr Aus zum Jahresende an – wegen eines Mietstreits.

Diese Entwicklungen werfen eine grundsätzliche Frage auf: Wann wird ein Club zur Institution – und wann ist es Zeit für neue Formate? Die Antwort liegt nicht bei den Betreiber*innen, sondern bei den Nutzer*innen. Besonders bei kommerziell ausgerichteten Clubs wie dem SchwuZ muss kritisch hinterfragt werden, ob das Angebot noch zeitgemäß ist oder ob sich die Bedürfnisse der LSBTIQ*-Community verändert haben.

Hinzu kommt: Die steigenden Mietpreise sind keine natürliche Entwicklung, sondern Entscheidungen von Immobilieneigentümer*innen (bzw. Immobilienunternehmen). Die Kommerzialisierung, wie wir sie in unserem Artikel zur World Pride 2023 in Sydney kritisiert hatten, ist bei Clubs nicht zwangsläufig problematisch – solange klar ist, dass nicht jede Einrichtung einen politischen oder symbolischen Anspruch erfüllen muss.

Wenn sich Veranstalter jedoch auf die Symbolik berufen, müssen sie auch die Frage beantworten, welchen Beitrag sie über das reine Partyangebot hinaus leisten. Diese Frage stellt sich auch für potenzielle Investor*innen, die über die zukünftige Strategie des Clubs entscheiden.

Das SchwuZ steht somit exemplarisch für eine größere Frage: Wann wird eine kulturelle Einrichtung zur Institution – und wann ist es an der Zeit, neue Räume, Formate und Bedürfnisse anzuerkennen, statt alte Strukturen um jeden Preis zu bewahren? Die LSBTIQ*-Szene braucht beides: Orte der Erinnerung und Orte der Erneuerung und sie braucht den produktiven Streit darum.

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Der Begriff „queer“ – einst ein Schimpfwort im englischsprachigen Raum – wurde von Teilen der LSBTIQ*-Community bewusst umgedeutet. Heute steht „queer“ für die Fluidität und Widersprüchlichkeit von Identität und Begehren jenseits binärer Geschlechter- und Sexualitätskategorien. Dabei geht es nicht nur um die individuelle Selbstverortung, sondern stets auch um eine politische Haltung, die sich gegen starre gesellschaftliche Normen und Konventionen richtet.

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Die Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ) widmet sich in ihrer Ausgabe vom 17. Mai 2025  mit dem Titel „Queer“ umfassend diesem Begriff und eröffnet einen vielschichtigen, kritischen Zugang zu queeren Perspektiven in Geschichte, Recht, Politik und Wissenschaft.

Von den Emanzipationsbewegungen im Kaiserreich über die Freiräume der Weimarer Republik bis hin zur brutalen Verfolgung unter den Nationalsozialisten und der homofeindlichen Nachkriegskultur in Ost und West – die Geschichte sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Deutschland ist geprägt von Fortschritten und Rückschlägen. Leontien Potthoff zeigt in der Einleitung, wie eng der Schutz queeren Lebens mit demokratischen Werten wie Freiheit, Pluralität und Menschenwürde verknüpft ist. Dabei wird deutlich: Sichtbarkeit und rechtliche Anerkennung sind Errungenschaften, die engagierte Aktivist*innen mühsam erkämpfen mussten. Und dennoch bleiben Diskriminierung und Gewalt bis heute Teil unserer gesellschaftlichen Realität.

Die Beiträge der Ausgabe beleuchten diese Entwicklungen aus historischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Perspektive:

Historische Perspektiven

  • Deutsche Geschichte, queere Perspektiven“ (Maria Bühner & Benno Gammerl): Der queere Blick auf die deutsche Geschichte seit dem Kaiserreich zeigt ein komplexes Zusammenspiel von Stigmatisierung, Emanzipation und Normalisierung. Er bricht mit linearen Fortschrittsnarrativen und betont die demokratisierende Kraft queerer Bewegungen.
  • Die Weimarer Republik als erste Transgenderrepublik“ (Laurie Marhoefer): Die Weimarer Zeit war geprägt von einer lebendigen queeren Subkultur, in der trans, homo- und bisexuelle Menschen ihre Rechte nutzten und sich öffentlich organisierten – bis zur Zerschlagung durch die NS-Diktatur.

 Rechtliche und politische Debatten

  • Juristische Kritik am Selbstbestimmungsgesetz“ (Judith Froese): Das 2024 verabschiedete Gesetz wird differenziert betrachtet – zwischen Fortschritt und ungelösten Problemen. Die Autorin plädiert für eine Balance zwischen Selbst- und Fremdbestimmung.
  • Sexuelle Orientierung als Asylgrund“ (Katharina Schoenes): Trotz rechtlicher Anerkennung seit den 1980er Jahren bestehen weiterhin gravierende Missverständnisse und Lücken in der Asylpraxis.

Kulturkämpfe und gesellschaftliche Spannungen

  • Streitpunkt Queer“ (Sarah Pines): Queerness polarisiert – nicht nur im globalen Diskurs, sondern auch innerhalb feministischer Bewegungen. Der Beitrag beleuchtet ideologische Konflikte und theoretische Missverständnisse.
  • Gender und Queer Studies“ (Paula-Irene Villa): Die öffentliche Debatte um diese Studienfächer ist oft von Fehldeutungen geprägt. Der Artikel zeigt, wie vielfältig und kontrovers die Diskussionen innerhalb der Disziplinen tatsächlich sind.
  • Autoritäre Geschlechterpolitiken“ (Leinius, Martinsen & Nüthen): Die Ablehnung geschlechtlicher und sexueller Vielfalt ist ein zentrales Merkmal autoritärer Ideologien – und eine Bedrohung für demokratische Gesellschaften.

Eine klare Empfehlung für alle, die sich einen fundierten Überblick verschaffen möchten: Die Ausgabe ist verständlich und zugänglich geschrieben, fordert aber zugleich zur kritischen Auseinandersetzung heraus. Sie eignet sich besonders für Leser*innen, die die gesellschaftlichen, historischen und ideologischen Facetten von Queerness vertieft erkunden wollen – ist aber ebenso geeignet für jene, die aus Neugier einfach mal queerlesen und erste Einblicke gewinnen möchten.

Die gesamte Ausgabe gibt es kostenlos bei der Bundeszentrale für Politische Bildung unter folgendem Link: Queer APuZ 21/2025

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Am 8. August beschloss der Runde Tisch „Schutz vor queerfeindlicher Hasskriminalität“ Empfehlungen für queere Sicherheit und gegen Queerfeindlichkeit für die Landesstrategie der Hauptstadt. Die Empfehlungen sollen dem Berliner Senat später zur Abstimmung vorgelegt werden.

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Über 400 Beteiligte aus 29 Vertretungen von Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung erarbeiteten innerhalb von 17 Monaten die Empfehlungen. Das Gremium wird vom Berliner Queerbeauftragten Alfonso Pantisano (SPD) angeführt zusammen.

Für die Landesstrategie für queere Sicherheit und gegen Queerfeindlichkeit wurden dreizehn Handlungsfelder identifiziert, darunter der Umgang mit Diskriminierung innerhalb queerer Communities, die Sicherheit queerer Personen im öffentliche Raum, am Arbeitsplatz sowie im Nahverkehr, der Schutz vor Gewalt in sozialen Nahbeziehungen sowie die Sicherheit von queeren Personen im Kontext von Flucht, Migration und Rassismus.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen beinhalten die klare Erfassung queerfeindlicher Straftaten in der Polizeistatistik, der verstärkte Einsatz von Polizei und Sicherheitspersonal im öffentlichen Nahverkehr und die Ausweitung psychotherapeutischer Angebote für Betroffene in mehreren Sprachen. Auch an Schulen müssten queere Menschen besser geschützt werden, wofür Empfehlungen vorgelegt wurden wie die Einrichtung geschlechtsunspezifischer Toiletten und Umkleiden (queer.de). Auch Präventionsangebote wie Anti-Gewalt-Trainings sollen ausgebaut werden. Der Senat solle sich zudem auf Bundesebene dafür einsetzen, dass queerfeindliche Inhalte in den Sozialen Medien gelöscht werden müssen (Tagesspiegel).

Zum Beschluss der Empfehlungen erklärt Pantisano: „Gerade in diesen Zeiten bin ich stolz und dankbar, dass wir heute ein deutliches Signal in die Republik senden: Die Sicherheit und die Grundrechte queerer Menschen sind nicht verhandelbar, sie zu schützen ist staatlicher Auftrag.“

Laut der Pressemitteilung der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung sei Berlin bisher das einzige Bundesland, das einen solchen Maßnahmenkatalog entwickelt habe. Auch auf Bundesebene gebe es keine vergleichbare Strategie zum Schutz von queeren Menschen. Zu den beteiligten Institutionen und Organisationen des Runden Tisches gehörten unter anderem der LSVD Berlin-Brandenburg e.V., nonbinary.berlin, Lesbenberatung Berlin e.V./LesMigraS, TransInterQueer e.V., Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg e.V. und mehrere Senatsverwaltungen.

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Am 12. Juni 2025 stellte die Antidiskriminierungsstelle Schleswig-Holstein ihren 15. Tätigkeitsbericht für die Jahre 2023/24 vor. Trotz des Rückgangs pandemiebedingter Anfragen stieg laut Bericht die Zahl der bearbeiteten Fälle spürbar: Für den Zeitraum 2023/24 wurden insgesamt 459 neue Anfragen registriert. Die Schwerpunkte der Beratung liegen weiterhin bei Diskriminierung aufgrund von Behinderung, ethnischer Herkunft und Geschlecht. Seit ihrer Gründung im Jahr 2013 hat die Stelle bis Ende 2024 bereits 2.629 Petitionen bearbeitet – ein deutlicher Indikator für den anhaltenden Bedarf an niedrigschwelliger Unterstützung im Kampf gegen Diskriminierung.

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Der Tätigkeitsbericht hebt laut Pressemitteilung insbesondere die „vielen Anfragen zum Umgang mit sexuellen Belästigungen durch Arbeitskollegen im Privatleben und die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis“ hervor. Ein weiteres wiederkehrendes Thema ist Mobbing, das ebenfalls in den Fokus der Arbeit rückt.

Positiv bewertet wird, dass Arbeitgeber*innen sich im Rahmen von Schulungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zunehmend für diese Problematik sensibilisieren. Auch außerhalb des Arbeitsplatzes werden die Schulungen und Beratungsangebote weiterhin stark nachgefragt und als wirksame Instrumente wahrgenommen.

Gleichzeitig weist der Bericht darauf hin, dass trotz der seit 2006 gesetzlich vorgeschriebenen betrieblichen Beschwerdestellen weiterhin zahlreiche Anfragen bei der Antidiskriminierungsstelle eingehen. Zudem zeigt sich, dass das AGG in bestimmten Bereichen – etwa im schulischen Kontext, bei Behörden oder in Vereinskonflikten – häufig nicht anwendbar ist.

Vor diesem Hintergrund berät der Landtag derzeit über ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG). Eine finale Entscheidung steht noch aus. Das LADG soll sich dabei am Berliner Vorbild orientieren – bislang das einzige Landesgesetz, das Bürger*innen bei Benachteiligung durch Behörden aufgrund bestimmter Merkmale einen Schadensersatzanspruch zuspricht. Dabei läge es eigentlich im eigenen Interesse von Unternehmen, aber auch von Behörden, sich gegen Diskriminierung aufzustellen: Eine diskriminierungssensible Unternehmens- und Behördenkultur steigert laut der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Samiah El Samadoni nicht nur die Mitarbeiter*innenbindung und Fachkräftegewinnung, sondern auch das Ansehen bei Kund*innen und Geschäftspartner*innen.

Gleichzeitig warnt El Samadoni eindringlich vor einem gesellschaftlichen Klima, das durch sprachliche Verrohung und menschenverachtende Äußerungen zunehmend belastet wird – wie etwa rassistische Inhalte in Stellenanzeigen oder diskriminierende Gesänge, jüngst beobachtet auf Sylt. Um solchen Entwicklungen zu begegnen, fordert sie mehr Sensibilisierung, Gesetzeserweiterungen und aktives Engagement für eine respektvolle und vielfältige Gesellschaft, um verletzendes Verhalten nicht zu normalisieren. Dabei ist es wichtig, die Adressat*innen der Forderungen klar zu trennen.

  • Gesetzeserweiterungen richten sich eindeutig an den Landtag und die dortigen Entscheidungsträger*innen. Die Dienststelle empfiehlt ausdrücklich die Aufnahme des Vereinslebens in den Schutzbereich des AGG.
  • Sensibilisierung zielt vorrangig auf Arbeitgeber*innen und Institutionen, die Raum, Zeit und fachliche Begleitung bereitstellen sollten, um entsprechende Prozesse zu fördern.
  • Engagement für Vielfalt betrifft alle Menschen. Schon kleine Gesten – wie höflicher Umgang im öffentlichen Raum und solidarisches Verhalten über eigene Interessengruppen hinaus – leisten einen wirksamen Beitrag zu einem respektvollen Miteinander.

Hier geht es zur Pressemitteilung zum Bericht.

Hier gibt es den Jahresbericht 2024 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

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Der Eurovision Song Contest 2025 wurde in diesem Jahr in Basel, Schweiz, ausgetragen – ein Festival der Musik und Meinungen. Den Sieg holte der österreichische Künstler JJ, während Deutschland mit dem Duo Abor & Tynna und ihrem Song „Baller“ den 15. Platz belegte.

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Doch jenseits von Glamour und Bühnenshows entzündete sich eine hitzige Debatte: Insbesondere das Zuschauervoting für Israel führte laut Wikipedia zu Vorwürfen der Manipulation und Fragen zur Transparenz der Abstimmungsregeln. Bereits im Vorfeld war die Teilnahme Israels aufgrund des Gaza-Kriegs umstritten gewesen.

Der ESC ist längst mehr als eine bunte Show – er entstand nach dem Zweiten Weltkrieg als Zeichen europäischer Verständigung und wurde während des Kalten Krieges zur Bühne liberaler Werte. Die SRF-Sendung Sternstunde Philosophie vom 12. Mai griff dies auf: Moderator Yves Bossart sprach mit Kulturjournalist Jens Balzer über den ESC als Ort politischer Botschaften und als „safe space“ für Queerness und Vielfalt.

Balzer betonte, dass sich der ESC seit den 1970ern für Diversität stark mache und queere Popkultur in den Mainstream getragen habe. Gleichzeitig kritisierte er, dass sich Teile der sogenannten „woken Kultur“ in ein konsumorientiertes Spektakel verwandelt hätten, das teils erneut zur Ausbeutung und auch Ausgrenzung führe. Der Begriff „woke“ stammt aus dem afroamerikanischen Englisch und beschreibt ursprünglich ein wachsames Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit. Heute wird er oft politisch instrumentalisiert – etwa von Rechtspopulisten wie Donald Trump oder von Regierungen in Russland und Ungarn, die den ESC als Symbol für Dekadenz und Familienfeindlichkeit deuten.

Doch auch westliche EU-Staaten müssen sich Kritik gefallen lassen: Laut Balzer weigerten sie sich jahrelang, osteuropäische Länder in den Wettbewerb zu integrieren – aus Angst vor sinkenden Quoten.

Der ESC bleibt also eine Projektionsfläche: für Musikträume, gesellschaftliche Auseinandersetzung und den Wandel Europas. Das Gespräch mit Jens Balzer lädt dazu ein, den Contest, aber auch die Popkultur ganz allgemein neu zu betrachten, selbst wenn man nicht alle Aussagen teilt.

Programmtipp:

Die vollständige Sendung Der ESC – über Politik, Queerness und die Zukunft Europas aus der Reihe Sternstunde Philosophie ist auf dem YouTube-Kanal von SRF Kultur oder als Audiopodcast auf SRF.ch verfügbar.

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Am Freitag, 1. August 2025, findet der zehnte Dyke* March in Hamburg statt. Ein Tag vor der großen CSD-Demonstration in der Hafenstadt soll mit dem Dyke* March lesbische* Sichtbarkeit gestärkt werden.

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Aufgerufen sind alle Personen, die sich dem lesbischen* Spektrum zuordnen, darunter inter, trans, cis, nicht-binäre und agender Lesben*. Auch Freund*innen und Allies sind eingeladen, an der Demonstration teilzunehmen.

Die Organisator*innen erklären die Notwendigkeit, als Gemeinschaft für eine offene, diverse und faire Gesellschaft einzutreten: “[A]ls Gruppe haben wir die Ressourcen und die Sprache(n), um uns zu helfen und zu unterstützen.” (Dyke* March Hamburg)

Um 18:30 Uhr startet die Demonstration auf dem Gänsemarkt in der Hamburger Innenstadt. Dort wird es einen Redebeitrag von Maryam Blumenthal, der Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung der Freien und Hansestadt Hamburg geben. Die Demo endet mit einer Abschlusskundgebung auf dem Spielbudenplatz in St. Pauli.

In Berlin fand der Dyke* March bereits vergangenes Wochenende statt. Rund 4.500 Menschen sind in der Hauptstadt für lesbische Sichtbarkeit auf die Straße gegangen (Tagesschau).

Zur Geschichte des Dyke* March

Der erste Dyke* March fand im Jahr 1993 in Washington, D.C. statt. Dabei haben sich verschiedene lesbische und queere Gruppierungen, darunter die “Lesbian Avengers” zusammengefunden, um am Abend vor dem “LGBT March” in Washington auf die Notwendigkeit lesbischer* Organisierung und Solidarität aufmerksam zu machen. Nach dem Erfolg des Protestzugs mit über 20.000 Teilnehmenden wurde im selben Jahr in weiteren US-amerikanischen Städten zum Dyke March aufgerufen (weitere Informationen zur Geschichte auf der Webseite des NYC Dyke March).

2013 wurde in Berlin erstmals ein Dyke* March innerhalb Deutschlands veranstaltet. Im Jahr 2016 trafen sich im Rahmen eines offenen Treffens des Lesbennetzwerks Personen in Hamburg, um einen solchen lesbischen* Protestzug in der Hansestadt zu organisieren. Dieses Jahr feiert der Dyke* March Hamburg Jubiläum, da er zum zehnten Mal stattfindet.

Was ist eigentlich Dyke*?

Der ursprünglich als Beleidigung verwendete Begriff “Dyke” wird im Rahmen solcher Veranstaltungen als Selbstbezeichnung genutzt. Damit wird er neu besetzt und soll lesbische* Personen empowern.

Die Organisator*innen des Dyke* March Hamburg wollen mit dem Sternchen deutlich machen, dass trans und inter Frauen sowie nicht binäre Lesben ausdrücklich mitgemeint sind.

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