Nachdem das Amtsgericht Köln einen Strafbefehl über 4.800 Euro gegen den erzkonservativen polnischen Theologieprofessor Dariusz Oko verhängt hatte, weil sich dieser Anfang des Jahres in einem Beitrag für die deutsche Zeitschrift „Theologisches“ volksverhetzend über homosexuelle Menschen äußerte, erhebt die Regierung in Warschau Vorwürfe gegen die deutsche Justiz. So sieht Vize-Justizminister Marcin Romanowski, der der rechtsextremen Partei Solidarna Polska (Solidarisches Polen) angehört, die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik gefährdet.
Weil sich dies in eine größere Debatte der Europäischen Union um Rechtsstaatlichkeit in Polen (wie auch Ungarn) einordnen lässt, die unter anderem durch die Einführung „LGBT-freier Zonen“ in Polen angestoßen wurde, scheint die Bewertung Romanowskis „freiheitsfeindliche Tendenzen im deutschen Rechtsschutzsystem“ zu erkennen, fast ironisch. Dennoch hat Oko, der Homosexuelle als „Kolonie von Parasiten“ und „Krebsgeschwür“ bezeichnete, nach Angaben einer Gerichtssprecherin Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Damit kommt es wohl zu einem Prozess.
Im genauen wird sich dabei klären müssen, ob die „Verhängung von Strafen für wissenschaftliche Tätigkeiten“, wie Romanowski den Beitrag des Theologieprofessors bezeichnet, tatsächlich „eine Bedrohung der Grundfreiheiten und europäischen Standards“ darstellt. Oko hatte darin schwule Männer wegen ihrer sexuellen Orientierung zu einer Gefahr für die Kirche erklärt, zudem warf er Schwulen vor, Kinder eher sexuell zu missbrauchen als Heterosexuelle. Im zweiten Teil des Artikels, der offenbar noch nicht Teil des Strafbefehls ist, sprach er außerdem von „homosexuellen Raubtieren“ und behauptete, die homosexuelle Orientierung sei eine „Krankheit“.
So lässt sich in Bezug auf die Attacke Romanowskis auf die Bundesrepublik nur wiederholen, dass seine „Sorge“ um die Meinungsfreiheit in Deutschland mehr als zynisch scheint, vor Allem zwei Wochen nach der Veröffentlichung eines neuen Prüfberichts der Europäischen Kommission. Darin wurden beiden Staaten Defizite bei der Unabhängigkeit der Justiz attestiert, außerdem seien lokale Autoritäten daran gescheitert, auf die Anfragen der EU zu ihren Resolutionen für „LGBT-Ideologie-freie Zonen“, welche in mehr als 100 polnischen Dörfern und Städten verabschiedet wurden, zu reagieren. Von EU-Beamt*innen wird vermutet, dass die polnischen „LGBT-Ideologie-freie Zonen“ EU-Gesetze über Nicht-Diskriminierung brechen, weswegen die Kommission nun rechtliche Schritte gegen Polen (und Ungarn) ergriffen hat. Die beiden Länder haben nun zwei Monate Zeit, um der Kommission zu antworten. Dies ist das erste Stadium in einem EU-Sanktions-Prozess, welcher vor dem Europäischen Gerichtshof, mit der Kürzung von EU-Finanzhilfen, und sogar mit einer Strafe von täglichem Bußgeld enden könnte.
Wie der Prozess in Köln um Okos Beitrag weitergehen wird, ist noch unklar. Doch eigentlich hat das Amtsgericht Köln die Frage, ob ein katholischer Priester die Meinungsfreiheit auf seiner Seite hat, wenn er queere Menschen übel beleidigte, klar beantwortet: Nein, hat er nicht.