Echte Vielfalt

Am 05. Oktober 2023 eröffnen das Schwule Museum (SMU) und das Archiv der deutschen Jugendbewegung (AdJb) ihre Ausstellung zum Thema „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Zeichen von Emanzipation“. Die Veranstaltung wird bis zum 26. Februar 2024 im Schwulen Museum zu sehen sein.

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Als Gedächtnisorte emanzipatorischer Bewegungen finden sich in den Archiven beider Institutionen Dokumente und Zeugnisse bis hin zu „künstlerischen“ Produktionen über Verharmlosungen und ideologische Rechtfertigung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.

Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die zusammen mit dem Hauptstadtkulturfonds (HFK) die Ausstellung fördert, beschreibt, dass sich bereits seit den 1970er-Jahren Pädosexuelle für eine Straffreiheit sexueller Handlungen von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen einsetzten. Dabei instrumentalisierten sie nicht nur Bewegungen wie etwa die Schwulenbewegung, die sich damals für die Entkriminalisierung von Sex zwischen Männern einsetzte, sondern auch politische Parteien und Teile der Wissenschaft.

Ziel der Ausstellung ist ein Anstoß für eine kritische Aufarbeitung ihrer Archive. Dabei legen SMU und AdJb die Frage zugrunde, „wie dieses verstörende Kapitel der eigenen Geschichte in Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung eingearbeitet werden kann“. Mit der Aufarbeitung handeln die Veranstalter nach eigenen Angaben ausdrücklich im Auftrag von Betroffenen und ihren Verbänden. Es soll darum gehen, Täter nicht nur der Strafverfolgung zu überlassen, sondern gesellschaftliche Zusammenhänge in den Blick zu nehmen.

Dass dieses Thema emotionalisieren kann und von Gruppen außerhalb, aber auch innerhalb der LSBTIQ* Gemeinschaft zu politischen Zwecken „missbraucht“ werden könnte, unterstreicht dabei nur die Wichtigkeit einer Auseinandersetzung. Mehr noch entsteht durch die Kritik am historischen Prozess der Emanzipation selbst ein weiterer Schritt zur Emanzipation, um aktiv und kritisch am Diskurs der eigenen Vergangenheit teilzunehmen.

Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs bietet darüber hinaus ein kostenfreies und anonymes Infotelefon. „Hier können Sie sich zum Beispiel über die Arbeit der Kommission informieren oder Fragen darüber stellen, wie Sie von Ihren Erfahrungen berichten können“.

Nummer: 0800 40 300 40

Sprechzeiten:

montags, mittwochs und freitags von 9 bis 14 Uhr

sowie dienstags und donnerstags von 15 bis 20 Uhr.

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In einem offenen Brief wendet sich Pavlo Stroblja, Gründer des Netzwerks Queermentor, an den CSD Deutschland e.V. sowie alle bundesweiten CSD-Veranstalter*innen und kritisiert die zunehmende Kommerzialisierung der CSD-Veranstaltungen. Gemeinsam mit den Erstunterzeichner*innen fordert Stroblja Unternehmen dazu auf, echten Einsatz für die queere Community zu leisten, anstatt mit Regenbogenflaggen eine reine Image-Optimierung zu betreiben.

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Auch in diesem Jahr wurden zahlreiche CSD-Veranstaltungen in ganz Deutschland mit dem Ziel der Sichtbarkeit und gesellschaftlichen Akzeptanz queerer Menschen abgehalten. An den Paraden nehmen inzwischen auch große privatwirtschaftliche Unternehmen mit eigenen Trucks teil, für die recht hohe Gebühren bei den Veranstalter*innen zu zahlen sind. Während die Solidarität von Unternehmen ein wichtiges Zeichen darstellt, wird kritisiert, dass die Bekennung für LSBTIQ*-Rechte oft nicht authentisch sei, sondern der Eigenwerbung diene.

Rainbow- oder Pinkwashing findet zum Beispiel dann statt, wenn Unternehmen während des Pride-Monats in den Sozialen Medien Regenbogenflaggen posten, aber innerhalb ihrer Firma nicht gegen die Diskriminierung von queeren Menschen vorgehen. Ein weiteres prägnantes Beispiel ist, wenn Medienhäuser mit einem Truck auf dem CSD vertreten sind, obwohl dort angestellte Journalist*innen Anti-LSBTIQ* Inhalte verbreiten (echte vielfalt berichtete).

In dem offenen Brief wird betont, dass die CSD-Veranstaltungen „Schlüsselmaßnahmen für die Sichtbarkeit queerer Menschen hierzulande und weltweit – und essentieller Bestandteil unseres Kampfes für gesellschaftliche und juristische Gleichberechtigung und Akzeptanz queerer Menschen“ seien. Kleinere queere Organisationen und Netzwerke hingegen könnten sich die Gebühren für die großen, sichtbaren Trucks nicht mehr leisten. Wenn Unternehmen, die Queer Pride zu Selbstzwecken nutzen und damit kleinere queere Organisationen und Netzwerke von den Veranstaltungen verdrängen, wird der CSD immer weniger zum Ort der Emanzipation. Der RBB berichtet außerdem, dass nicht klar sei, wohin die Einnahmen des CSD-Vereins fließen, was für einen Verein mit solcher gesellschaftlichen Verantwortung problematisch sei.

Um dem Trend der Kommerzialisierung und damit einhergehenden Rainbow-Washings zu entgegnen, werden fünf konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, die Unternehmen umsetzen sollten, wenn sie am CSD teilnehmen. Dazu gehört eine ganzjährige Verpflichtung zu den Rechten von LSBTIQ*, die Übernahme einer Patenschaft für eine gemeinnützige queere Organisation und das Spenden von mindestens 20 Prozent des Pride-Budgets an diese. Ihre Logos sollen zusätzlich auf dem Truck sichtbar gemacht werden und den Mitgliedern der jeweiligen Organisation genug Platz reserviert werden. So soll der CSD nicht nur wieder gemeinnützig orientiert sein, sondern einen Ort von Solidarität und Engagement repräsentieren.

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Die LGBTIQ* Gemeinschaft wird in ihrer öffentlichen Darstellung zumeist bunt und aktiv wahrgenommen. Eine vielfältige Gemeinschaft, die sich selbstbewusst ihre Selbstverständlichkeit in der Gesellschaft erkämpft. Aber es gibt auch leise Mitglieder. Nicht nur solche, die sich dafür entscheiden, sondern auch solche, die es nicht (mehr) anders können.

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Nach einer Studie des AWO Bundesverbands e.V. von 2020 liegt die bundesdeutsche Gesamtzahl der über 65-Jährigen, die sich als LGBTIQ* identifizieren, bei geschätzt über einer Million. Hierzu wurde auf echte vielfalt bereits im November letzten Jahres ein Artikel veröffentlicht. Das Fazit dabei war, dass ein aktives Leben im Alter etwas Wünschenswertes, allerdings nicht für alle erreichbar ist. Damit muss auch in der LGBTIQ* Community im besonderen Maße ein Blick auf diejenigen gerichtet werden, die körperlich weniger aktiv sind, sich evtl. aufgrund ihrer Biografie nie geoutet haben oder beginnen, sich im Alter zurückzuziehen. Dies betrifft nicht nur den privaten, sondern auch den professionellen (Pflege-)Kontext.

Dabei sind „queersensible Pflegekräfte […] das eine - die anderen Bewohner das andere. Das verstärke die Einsamkeit noch. […]. Finde ich keinen Anschluss bei den anderen, ziehe ich mich zurück - oder ich passe mich an und verstecke mich." So Friedrich Wagey (69 Jahre) in einem Interview mit der Tagesschau. Auch wenn Friedrich Wagey selbst noch keine Pflege benötigt, so ist sein Gedanke zentral. Er macht deutlich, dass Engagement wie auch professionelle Konzepte ganzheitlich gedacht werden müssen und nicht beim Personal aufhören.

In Kiel-Ellerbek hat dieses Jahr nun das erste LGBTIQ*-freundliche Pflegeheim in Schleswig-Holstein eröffnet. Ausgezeichnet wurde die Einrichtung der AWO durch die Schwulenberatung Berlin mit dem „Qualitätssiegel Lebensort Vielfalt®“.

Wie Simon Lang, Sprecher der Schwulenberatung Berlin, gegenüber dem NDR Schleswig-Holstein Magazin beschreibt, sollte ein Rahmen geschaffen werden, der über ein bloßes Lippenbekenntnis hinausgeht. Dabei sollten auch jene Menschen mitgedacht werden, die sich nicht, nicht mehr oder noch nicht outen wollen bzw. können. Es gehe um eine proaktive Vermittlung von Sicherheit, die dazu beiträgt, dass Menschen mit Diskriminierungserfahrungen auch ohne Outing in ihren Befürchtungen ernst genommen werden und ihnen ein Umfeld geboten wird, das Willkommensein vermittelt und damit Sicherheit schafft. Eine wichtige Haltung, die sich allerdings vor dem Hintergrund des Pflegenotstands in Deutschland auch praktisch bewähren muss.

Interessierte Einrichtungen der stationären und ambulanten Altenpflege, Hospize und Krankenhäuser können als ersten Schritt auf der Seite der Schwulenberatung Berlin kostenlos und ohne Anmeldung den „Diversity Check Compact“ durchführen.

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Im Rahmen des Queerfilmfestivals, das vom 7.9. bis 13.9.2023 zum fünften Mal stattfindet, werden die besten queeren Filme des Jahres in Kinos in elf deutschen Städten und Wien gezeigt.

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In 16 Kinos laufen für eine Woche 25 internationale Filme verschiedener Genres, sowohl Dokumentationen als auch Spielfilme. Das Festivalmotto „Power to the People“ stammt aus dem Essayfilm “Orlando, meine politische Biografie”, der 25 trans und nicht-binäre Personen porträtiert sowie die Verwandlung des Filmemacher Paul B. Preciado begleitet. Der Film greift Virginia Woolfs Roman „Orlando“ (1928) auf, der die Geschichte einer Verwandlung eines jungen Mannes in eine Frau erzählt und als Schlüsseltext der queeren Literatur gilt.

Auch die anderen Filme erzählen spannende LSBTIQ*-Geschichten - es lohnt also, in das Programm des Festivals hineinzuschauen.

Übrigens gibt es im Herbst auch in Norddeutschland queere Filmfestivals: Das Hamburg international Queer Film Festival findet vom 17.10. bis 22.10.2023 statt. Auch in Bremen werden vom 24.10. bis 29.10.2023 LSBTIQ*-Geschichten auf die Leinwände gebracht – im Rahmen des 30. Jubiläums des queerfilm festival.

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Unter dem Motto „Unterstützung und Begleitung queerer junger Menschen“ findet am 13. Oktober 2023 ein digitaler Fachtag der Kinderschutzzentren statt.

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Ziel des Fachtags ist es, die Frage zu thematisieren, „[w]ie es Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe gelingen kann, Freiräume für die Persönlichkeitsentwicklung queerer Kinder und Jugendlicher zu schaffen und zu verteidigen, sie in ihrer Identität zu stärken und ihren spezifischen Bedarfen gerecht zu werden […]“. Dabei sollen neben Impulsen und einem Diskurs auch konkrete Beispiele vorgestellt werden. Für die Veranstalter*innen ist Erkennen und Verstehen der spezifischen Bedarfe die Grundlage, damit Fachkräfte dem Thema überhaupt gerecht werden können.

Der Kongress beginnt um 9:30 Uhr mit einer Begrüßung durch Sven Lehmann (Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, BMFSFJ). Im Anschluss daran gibt es einen Vortrag zum Thema „Lebenswelten queerer Jugendlicher“. Nach einer kleinen Pause können sich die Teilnehmer*innen dann entscheiden, ob sie an einem Forum zum Thema [Herausforderungen bei der] „Öffnung der Jugendhilfe für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“ teilnehmen wollen oder an einem von drei Workshops mit den Themen:

  1. Was heißt eigentlich LSBPATINQ+? – Über Geschlecht(er), Sexualität(en) und Identität(en)
  2. Beratung zu geschlechtlicher Vielfalt bei queeren Kids und ihren Eltern – Bedarfe erkennen und Prozesse begleiten
  3. Ressourcengewinn durch diversitätssensible Schutzkonzepte in der Kinder- und Jugendhilfe

Nach einer Mittagspause wird es abschließend noch einen Impulsvortrag mit „Drei Handlungsanregungen für eine queersensible Kinder- und Jugendhilfe“ geben, bevor gegen 13:30 Uhr der Fachtag endet. Den genauen Ablauf mit allen Gastredner*innen und ihren Themen findet sich unter folgendem Link.

Laut Veranstalter*innen richtet sich der Fachkongress bundesweit an alle Fach- und Leitungskräfte der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe, medizinisch-therapeutischer Einrichtungen, aber auch juristischer Handlungsfelder und der Kindertagesbetreuung sowie allen weiteren für den Kinderschutz wichtigen Arbeitsfelder.

Der Tagungsbeitrag beträgt 75 €. Studierende zahlen einen ermäßigten Beitrag von 40 €. Weitere Informationen gibt es auf der offiziellen Webseite. Dort gibt es auch den Link zum Anmeldeportal. Student*innen schicken hingegen ihre Anmeldung mit Immatrikulationsnachweis an folgende Mailadresse: anmeldung@kinderschutz-zentren.org

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Durch die Queer Theory wurde die Bezeichnung "queer", die lange Zeit als beleidigend galt, in einer positiven Weise umgedeutet. Sie wird nun als Kategorie verwendet, die Heteronormativität infrage stellt.

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Heteronormativität wird dabei so verstanden, dass sie die Gesellschaft zu einem Großteil prägt und somit auch Lebensbereiche betrifft, die nicht ausschließlich mit Sexualität zu tun haben. Eine der zentralen Fragen der Queer Theory ist, auf welcher Basis man sich auf Identitäten und Differenzen beziehen kann.

Die Queer Theory ist jedoch keine einheitliche Theorie. Die Strömung hat sich in den USA in den 1990er Jahren entwickelt und war stark geprägt von den zu der Zeit aktivistischen Bewegungen der LSBTIQ*-Community. Vor allem die Anti-AIDS Bewegung um die Gruppe „ACT UP“ in New York hatte großen Einfluss darauf, wie Sexualität verstanden wurde. Denn bei ACT UP wurde weniger Fokus auf fixe Identitäten gesetzt und mehr auf sexuelle Praktiken. Dies ist eine der wichtigsten Grundlage der queeren Theorie.

Judith Butler hat in ihrem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ von 1990 die Auffassung verschriftlicht, dass Sexualität und Geschlecht (diskursive) Praktiken sind, anstelle von festgesetzten Kategorien. Als eine der bekanntesten Vertreter*innen der Queer Theory hat Butler auch maßgeblich zu einer Wende in feministischen Diskursen beigetragen: weg von der starren Kategorie „Frau“ zu der Frage, wie politische Kämpfe auf Basis von geteilten Erfahrungen geführt werden können. Deshalb ist Butlers Werk für die queere Gemeinschaft so zentral. Essentialistische oder naturalistische Vorstellungen von Geschlecht werden abgelehnt.

Neben Werken, die sich viel mit Konzepten wie Macht und Diskurs beschäftigen und dadurch dem Poststrukturalismus zugeordnet werden, gibt es die Queer of Color Critique als zweite prägnante Ausprägung der Queer Theory. Diese verhandelt die Beziehung zwischen Sexualität, Geschlecht und race und bezieht sich dabei vor allem auf lesbische Autorinnen of color, wie Audre Lorde und Gloría Anzaldúa. Die Queer of Color Critique untersucht mitunter, inwiefern Rassismus in der Konstruktion von Sexualität eine Rolle spielt. Somit wird mithilfe der Queeren Theorie ebenfalls die Überschneidung verschiedener Diskriminierungsformen betrachtet, was als Intersektionalität bezeichnet wird.

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Das Projekt Peer4Queer unterstützt queere Jugendliche durch Mentoring in ihrer Identitätsfindung in Bezug auf ihre sexuelle und romantische Orientierung sowie geschlechtliche Identität. Dafür werden queere Menschen zu Mentor*innen ausgebildet, damit sie als Vorbilder junge Menschen ein Jahr lang begleiten und sie in ihrer Identitätsfindung unterstützen können.

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Echte Vielfalt hatte dazu bereits im November 2022 berichtet.

Das Eins-zu-eins-Mentoring richtet sich an Jugendliche und Jungerwachsene im Alter von 14 bis 25 Jahren aus Hamburg und Umgebung, die sich nichtheterosexuell und/oder nicht-cis-geschlechtlich fühlen oder dies gerade für sich herausfinden und sich eine Vertrauensperson wünschen, um diese Themen zu besprechen.

Sie bilden als Mentees gemeinsam mit einer*m persönlichen queere*n Mentor*in (zwischen 18 - 29 Jahren) ein Tandem. Innerhalb des Tandems können die Mentees ihre Fragen stellen, sich austauschen, Bestärkung finden und sich vernetzen. Die Mentor*innen können ihre Mentees auf vielerlei Art bei der Identitätsfindung unterstützen. Sie können von eigenen Erfahrungen berichten, zuhören, das Selbstwertgefühl des Mentees stärken, ihr*ihm dabei helfen, sich besser zu verstehen, sich über queere Themen austauschen…

Das Mentoring im Tandem ist für ein Jahr angelegt.

Die Teilnahme ist kostenfrei.

Mehr Informationen gibt es bei Instagram, auf der Homepage sowie auf diesem Plakat: Peer4Queer sucht Mentees Das Plakat darf gerne ausgehängt oder anderweitig verbreitet werden!

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In Köln wurde am vergangenen Wochenende der CSD unter dem Motto „Für Menschenrechte. Viele. Gemeinsam. Stark“ von 1,4 Millionen Menschen gefeiert. Damit ist die Kölner Pride-Veranstaltung die größte in Deutschland. Auch 35 Grad und Unwettterwarnung hielten die Teilnehmer*innen nicht davon ab, für die Rechte der queeren Community einzustehen und die gesellschaftliche Vielfalt zu feiern.

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Das Ziel der Cologne Pride ist die uneingeschränkte gesellschaftliche Anerkennung von LSBTIQ*-Personen in Deutschland, aber auch international. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann eröffnete die Parade am Sonntag und äußerte gegenüber dem Nachrichtenportal t-online: "Wir feiern auf dem CSD Köln den Mut von Millionen queerer Menschen auf der ganzen Welt, die sich gegen Diskriminierung verteidigen, um in Freiheit und in Würde leben und lieben zu können“.

Über 600.000 Personen und 230 Vereine, Organisationen, Unternehmen, Parteien und sonstige Gruppierungen demonstrierten dafür am Sonntag. Erstmals waren auch Vertreter*innen der evangelischen Kirche dabei, die sich für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt aussprechen. Auch Politiker*innen besuchten die Parade, darunter Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). In Hinblick auf die Gleichberechtigung queerer Menschen betont Roth: "Wir haben schon viel erreicht, aber wir sind noch nicht am Ziel" (zitiert in Ruhr Nachrichten).

Dass die LSBTIQ*-Community weiterhin von Diskriminierung und Gewalt betroffen ist, wird leider an einem Vorfall deutlich, der sich am Wochenende im Rahmen der Veranstaltung abgespielt hat. Nach Angaben von queer.de wurden zwei CSD-Besucher in der Nacht von Samstag auf Sonntag mit einer vollen Bierflasche beworfen sowie verbal und körperlich angegriffen. Der Staatsschutz ermittelt nun auf Verdacht einer Straftat zum Nachteil queerer Menschen. Ähnliche Taten wurden bereits auf anderen CSD-Veranstaltungen gemeldet, wie unter anderem in Hannover (echte vielfalt berichtete).

Ansonsten sei der Kölner CSD, der zu den drei größten Pride-Veranstaltungen in ganz Europa zählt, jedoch friedlich verlaufen. Es gab eine kurze Unterbrechung des Bühnenprogramms aufgrund der Unwetterwarnung, die Veranstaltung ging jedoch weiter, als klar war, dass die Vorhersage nicht eintritt. Während der Parade gab Gesundheitsminister Lauterbach den Teilnehmenden Tipps, um die Hitze gut zu überstehen.

Am Samstag, 22. Juli findet der CSD in Berlin statt, es wird mit circa 500.000 Teilnehmenden gerechnet. Mehr zur Geschichte und Hintergrund des Christopher Street Days gibt es in einem früheren Artikel von echte vielfalt.

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Am 16. Juni 2023 fand in Berlin die Frühjahrskonferenz der Innenminister*innen von Bund und Ländern (IMK) statt. Dabei kamen die Minister*innen überein, die Bekämpfung von Hass und Gewalt gegen LSBTIQ* kontinuierlich verbessern zu wollen.

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In seiner Sitzung 22. Juni beschloss nun der Bundestag den von der Bundesregierung in diesem Zuge eingebrachten Entwurf „[…] zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“, so der offizielle Titel.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wird u. a. der § 46 des Strafgesetzbuches um den Begriff „geschlechtsspezifisch“ ergänzt. Laut BMFSFJ werden damit nun explizite Hasstaten gegen Frauen und LSBTIQ* in die Strafzumessung mit aufgenommen:

„Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische, geschlechtsspezifische, gegen die sexuelle Orientierung gerichtete oder sonstige menschenverachtende [Beweggründe und Ziele des Täters]“.

Wie der bereits vorab veröffentlichte Abschlussbericht des Arbeitskreises „Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt“ festhält, lässt sich seit Jahren eine eindeutige Zunahme von „[…] Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Personen (LSBTIQ*) in polizeilichen und zivilgesellschaftlichen Statistiken verzeichne[n]“. Auch wenn die Community mittlerweile immer häufiger und selbstbewusster Fälle zu Anzeige bringt, vermutet der Bericht ein Dunkelfeld von um die 90%, mit einem nicht zu unterschätzenden Anteil von Hasskriminalität auch aus dem nahen sozialen Umfeld der Betroffenen.

Auf der Seite des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSVD) findet sich zu diesem Thema ein umfangreicher Artikel mit Zahlen und Erklärungen zum gesamten Komplex. So stieg etwa die Anzahl an „sexuell orientierten“ Straftaten im Bereich Hasskriminalität von 870 im Jahr 2021 auf 1.005 im Jahr 2022 um 15,52% an. 2022 waren 638 davon keiner bestimmten politischen Motivation zuzuordnen, allerdings gingen 321 auf rechts motivierte Gewalt als häufigster politischer Hintergrund zurück. Auf religiöse Motive als dritthäufigster Hintergrund entfielen noch 20 Fälle. Daran anschließend betont der Abschlussbericht, dass die Wahrscheinlichkeit, Opfer von Hasskriminalität zu werden, für Menschen zunimmt, die aufgrund mehrerer Merkmale Diskriminierung erfahren. Für die Verfasser*innen des Berichts war es daher essenziell, Maßnahmen gegen unterschiedliche Menschenfeindlichkeit miteinander zu verknüpfen. Nicht zuletzt stellen sie dabei fest: „LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität ist auch eine Gefahr für die innere Sicherheit und für unsere Gesellschaft.“ Ein Argument, das in der politischen Arbeit für die Rechte der LSBTIQ*-Gemeinschaft durchaus aufgegriffen werden sollte.

Dass also nun eine Gesetzesanpassung kam, war nicht nur überfällig, sondern sollte im vollen Interesse einer jeden demokratischen Partei liegen. Wie sich die Anpassung auf die Praxis auswirkt, bleibt dabei zu beobachten.

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Am 2. September 2023 findet in Hannover ein Fachtag zum Thema „Geschlechtliche Vielfalt in der Gesundheitsversorgung“ statt. Die Veranstaltung richtet sich an Personen, die im medizinischen Bereich und in der Pflege tätig sind oder darin ausgebildet werden, um sie auf die Anliegen von trans*, inter* und nicht-binären Personen zu sensibilisieren.

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Auf der Webseite des Queeren Netzwerk Niedersachsen e.V., welches die Veranstaltung mitorganisiert, wird dargelegt, warum insbesondere im Gesundheitsbereich mehr Aufklärung zur geschlechtlichen Vielfalt stattfinden muss:

„Mit wach­sen­der Akzep­tanz in unse­rer Gesell­schaft wer­den trans* und inter* Per­so­nen, also Men­schen, die nicht der klas­si­schen Vor­stel­lung von männ­lich oder weib­lich ent­spre­chen, immer sicht­ba­rer. Wäh­rend die­se Per­so­nen­grup­pe[n] auch um mehr recht­li­che und gesell­schaft­li­che Aner­ken­nung kämp­fen, ist ein The­ma für trans* und inter* Men­schen ganz zen­tral: das der Gesund­heits­ver­sor­gung. Dazu zählt nicht nur die Endo­kri­no­lo­gie, die Hor­mon­prä­pa­ra­te bereit­stellt oder die Geburts­hil­fe, die eine Inter­ge­schlecht­lich­keit fest­stellt. Men­schen mit ganz unter­schied­li­chen Kör­pern und Geschlecht­lich­kei­ten benö­ti­gen wie alle ande­ren auch, die Regel­ver­sor­gung in Kran­ken­häu­sern, nie­der­ge­las­se­nen Pra­xen oder neh­men ande­re Ange­bo­te im Rah­men der Gesund­heits­ver­sor­gung in Anspruch. Dort erle­ben sie oft­mals, dass das medi­zi­ni­sche Per­so­nal nur wenig über ihre Kör­per und Bedürf­nis­se weiß, wodurch sie immer wie­der Dis­kri­mi­nie­rung aus­ge­setzt sind.

Gleich­zei­tig sind trans*, inter* und nicht-binä­re Per­so­nen von erhöh­ten Gesund­heits­kri­sen betrof­fen, denn Dis­kri­mi­nie­rung und Min­der­hei­ten­stress machen krank! Die weni­gen Stu­di­en dazu zei­gen, dass trans*, inter* und nicht-binä­re Per­so­nen gerin­ge­re Chan­cen auf ein gesun­des Leben und ein erhöh­tes Risi­ko von psy­chi­schen Erkran­kun­gen haben. Die Kom­bi­na­ti­on von erhöh­tem Gesund­heits­ri­si­ko, erschwer­tem Zugang zum Gesund­heits­sys­tem, sowie Vor­be­hal­te auf­grund nega­ti­ver eige­ner und/oder his­to­ri­scher Erfah­run­gen ist hoch­gra­dig pro­ble­ma­tisch.“

Im Rahmen von Workshops und Fragerunden wird medizinischem und Pflegepersonal die Möglichkeit geboten, sich über diese Themen zu informieren und auszutauschen. Unter folgendem Link finden Sie das Tagungsprogram (PDF).

Eine Anmeldung ist möglich, solange Plätze frei sind. Weitere Informationen sowie die Anmeldung selbst über die Webseite des Queeren Netzwerk Niedersachsen e.V.

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