Echte Vielfalt

Anfang letzter Woche wurde der Republikaner J.D. Vance als Donald Trumps Vize im Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft ernannt. LGBTIQ* Organisationen machen besorgt auf die queerfeindliche Haltung des Senators aus Ohio aufmerksam.

Weiterlesen

Bereits die Verkündung von Trump als offizieller Präsidentschaftskandidat auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee ist keine gute Nachricht für die queere Community in den USA – auch wenn dies kaum überraschend kam. Dass Vance nun als sein Vize ernannt wurde, gibt nun noch mehr Anlass zur Sorge.

Vor seiner Zeit als Senator wurde Vance 2016 mit seinem Buch „Hillibilly-Elegie“ bekannt, die ZEIT beschreibt es als „Trump-Erklärbuch“ mit „großformatigem Patriotismus“. Vor einigen Jahren war er noch ein großer Trump-Kritiker, doch nun gehört er zu seinen engsten Unterstützer*innen. Mit dem 39-jährigen Kandidaten soll die „America First“-Bewegung in der republikanischen Partei auch langfristig verankert werden.

J.D. Vances politische Karriere sei „eine Aufzeichnung von Homophobie und Transphobie“, wie die LGBTIQ*-Zeitung Advocate kritisiert. Der Senator machte mehrfach mit queerfeindlichen Aussagen und Gesetzesentwürfen auf sich aufmerksam – darunter der „Protect Children’s Innocence Act“, der eine starke Kriminalisierung von genderaffirmierenden Operationen vorsieht. Wie die Organisation GLAAD berichtet, sei der Gesetzesentwurf voller Lügen über die Gesundheitsversorgung von trans Personen.

Der Senator ist gegen die Ehe für alle und gegen Abtreibung. In den Sozialen Medien habe er mehrfach falsche Aussagen mit queerfeindlichen Inhalten gepaart. Außerdem sei Vance Unterstützer eine konservativen Elternbewegung („Parental rights movement“), die das Zwangsouten von Schüler*innen befürwortet und jegliche Bildung und Aufklärung zu oder über LGBTIQ* aus den Schulen verbannen will (them).

Zum Parteitag in Milwaukee forderte GLAAD Medien dazu auf, die Anti-LGBTIQ* Haltung von Vance in ihren Berichten bekannt zu machen. GLAADs Präsidentin und CEO Sarah Kate Elliserklärt: „Unsere Anliegen sind kein Nebenschauplatz des 'Kulturkriegs' - sie sind von zentraler Bedeutung für die Kernfragen dieser Wahl und die Freiheiten, die alle Amerikaner*innen bewahren und schützen wollen.“ Die queerpolitische Organisation hat bereits Trumps Haltung zu verschiedenen LGBTIQ*-Themen öffentlich gemacht.

Bei der Haltung von Trump und Vance zu LGBTIQ* sowie anderen marginalisierten Gruppen ist es kaum verwunderlich, dass die Menschenrechtsorganisation Human Rights Campaign dazu aufruft, die Demokraten zu unterstützen. Auf ihrer Facebook-Seite erklärt HRC: „Wir können uns eine Trump-Vance-Regierung nicht leisten. Wir müssen unsere hart erkämpften Rechte, unsere Demokratie und unsere Zukunft verteidigen.“

 

Bild: Pixabay

Schließen


In seiner ersten Rede, die Keir Starmer am 3. Juli 2024 vor dem britischen Parlament hielt, betonte er die Vielfalt seines Parlaments. "Wir sind stolz auf die Vielfalt dieses Hauses, das die größte Vertretung von LGBT+-Menschen weltweit hat", erklärte Großbritanniens neuer Premierminister.

Weiterlesen

In der Berichterstattung des Guardian findet sich die Rede im Original: Darin heißt es auch, Starmer hoffe, dass das neue Parlament eine Politik der “performance“ durch eine Politik des „service“ ersetzen werde. Im Klartext: Weniger Populismus und mehr nachhaltige und konkrete politische Handlungen. Allerdings sollte diese durchaus positive Gegebenheit nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Starmer ein langjähriger Politiker ist, der weiß, wie man sich verkauft.

Im Gegensatz zum Guardian kommentiert der Advocate die Position Starmers daher kritisch. In Großbritannien gibt es erhebliche Kontroversen um die Rechte von LGBTIQ* und insbesondere Transgender-Personen. Auch auf echte vielfalt wurde schon des Öfteren darüber berichtet.

Erst kürzlich äußerte Starmer in einem Interview mit der Times, dass trans Frauen, die keine geschlechtsangleichende Operation durchlaufen haben, keinen Zugang zu reinen Frauenräumen haben sollten. Des Weiteren sprach sich Starmer nach einem Artikel des Independent gegen die Lehre von „Gender-Ideologien“ in Schulen aus. Bei einem Besuch einer Schule in Kettering antwortete Starmer auf die Frage, ob er das entsprechende Verbot aufheben würde, mit: „Nein, ich bin nicht dafür, dass in unseren Schulen Ideologie über Geschlecht gelehrt wird“. Aktuell sollen Schüler*innen über die Gesetzesgrundlage zur Geschlechtsumwandlung aufgeklärt werden, aber wenn sie zum Thema Geschlechtsidentität gefragt werden, sollten Schulen „die Fakten über das biologische Geschlecht lehren und keine Materialien verwenden, die umstrittene Ansichten als Tatsache darstellen, einschließlich der Ansicht, dass Geschlecht ein Spektrum ist“, so das Zitat des Independent [Übersetzungen durch d. Verf.]. Mit beiden Positionen steht Starmer deutlich im Widerspruch zu seinen früheren Aussagen, in denen er laut Advocate explizit eine LGBTIQ*-inklusive Bildung befürwortet hatte.

Traditionell gilt die Labour-Partei als eine Fraktion, die sich stets für LGBTIQ*-Rechte eingesetzt hat. Hinzu kommt, dass Starmer insbesondere mit dem hohen Wahlerfolg nun an der Spitze einer gestärkten Labour-Partei steht, die 412 von 650 Sitzen im Parlament gewonnen hat und von dem er betont, wie vielfältig es sei.

Am Ende war diese Rede zuallererst nur eine weitere politische „performance“. Wie nun der „service“ der kommenden Monate und Jahre aussieht und ob Starmer sich vielleicht doch auf eine offenere Bildung einlässt, wird wohl auch weiterhin vom öffentlichen Druck der Organisationen und Vertreter*innen der LGBTIQ*-Gemeinschaft in Großbritannien abhängen. Bis jetzt scheint mit dem Wahlsieg von „Labour“ aus Sicht von LGBTIQ* wenig gewonnen.

Schließen


[Pressemitteilung] Da die kürzlich veröffentlichten Fallzahlen im Bereich der Hasskriminalität gegen queere Menschen auf einem neuen, beunruhigenden Höchststand sind, ist es Zeit zu handeln!

Weiterlesen

velspol Schleswig-Holstein, das queere Netzwerk von Beschäftigten in Polizei, Justiz, Zoll und der Ordnungsbehörden, hat aus diesem Grund die Präventions- & Empowermentkampagne „STOP the
HATE“ entwickelt. Die Webseite https://stop-the-hate.de bietet eine umfassende Informationsbasis, die Transparenz schafft und über bestehende Rechte aufklärt. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung über Hate Crimes und deren Auswirkungen. Zusätzlich bereitet die Kampagne auf mögliche Interaktionen mit der Polizei vor und unterstreicht die Bedeutung, das Dunkelfeld solcher Straftaten aufzuhellen.
Darüber hinaus wird STOP the HATE eine Vielzahl von Maßnahmen umfassen, wie z.B. Aufklärungsveranstaltungen und Workshops für lokale queere Gemeinschaften sowie Sensibilisierungsmaßnahmen auf den Prides in Schleswig-Holstein. Außerdem beabsichtigt velspol, an berufsbildenden Schulen in Schleswig-Holstein Awareness-Workshops in Bezug auf Hate Crime
durchzuführen.
Die Hauptziele sind, die Bemühungen zur Stärkung der queeren Community zu intensivieren und durch Präventionsarbeit das Bewusstsein für Straftaten gegen Queers zu schärfen.

STOP the HATE wird aus Mitteln des Landesdemokratiezentrums beim Landespräventionsrat Schleswig-Holstein sowie durch das Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport des
Landes Schleswig-Holstein gefördert.

Schließen


An jedem zweiten Sonntag in jedem zweiten Monat wird im Café Bi uns to Huus in Kellinghusen queer gebruncht.

Weiterlesen

Der Queer Brunch ist aus zwei Ideen entstanden: Zum einen brunchen die Veranstalter*innen gerne und zum anderen möchten sie einen Raum anbieten für alle Menschen aus Kellinghusen und Umgebung, die sich als Queer begreifen oder Fragen dazu haben. Für alle, die queere Themen vor Ort unterstützen möchten. Es gibt die Möglichkeit für Austausch, Infos und Vernetzung - dabei gilt: Die Besucher*innen müssen nichts offenbaren oder erzählen, sie dürfen einfach sein.

Der Queer Brunch Kellinghusen ist ein offenes und geselliges Treffen. Interessierte können einfach spontan dazukommen, einen Kaffee trinken, erfahren, was gerade so los ist im Landkreis, in netter Runde gemütlich den Sonntag genießen.

Gerne kann etwas zum Frühstück mitgebracht werden, zum Beispiel Brotbeläge und -aufstriche, Salat, Kuchen, Eier, Obst, Gemüse – was der Kühlschrank so hergibt. Genauso wie das Publikim ist auch das Essen vielfältig: Es gibt Veganes, Vegetarisches und meist auch Bio-Wurst.

Aber auch ohne Mitbringsel ist jede*r herzlich willkommen! Es ist immer etwas leckeres Ess- und Trinkbares vor Ort.

Der Brunch findet in der Regel jeden zweiten Sonntag jeden zweiten Monat von 10.30 – 12.30 Uhr im Café Bi uns to Huus direkt am Marktplatz in Kellinghusen statt.

Kalte und warme Getränke können vor Ort gekauft werden, Brötchen und Butter sind ebenfalls vorhanden.

ORT
Café Bi uns to Huus
Hauptstr.11
25548 Kellinghusen

Kommende TERMINE 2024

Treffen auf dem CSD in Itzehoe am 29.06.

14. Juli

08. September

10. November

Und das Dezember- Special: auf dem Kellinghusener Weihnachtsmarkt 14.12.2024

Schließen


Die Europawahl vom 9. Juni 2024 liegt jetzt über eine Woche zurück und ihr Ausgang war auch für die LGBTIQ*-Gemeinschaft eine Katastrophe. Im Europaparlament ist die Europäische Volkspartei (EVP) weiterhin stärkste Kraft und auch die rechtskonservative „Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR) sowie die extrem rechte „Fraktion Identität und Demokratie“ (ID) haben dazugewonnen.

Weiterlesen

Ein Blick auf die offiziellen Ergebnisse der Europawahl 2024 zeigt die EVP mit 190 von insgesamt 720 Sitzen. Bei der EKR sind es 76 Sitze, sieben Sitze mehr als bei der letzten Wahl,  die ID hat mit 58 Sitzen einen Zuwachs von neun Sitzen . Bereits vor der Wahl hatte die „International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association“ (ILGA)-Europe nach einem Bericht von Euro News Alarm geschlagen: Ein Rechtsruck würde die Situation für die LGBTIQ*-Gemeinschaft verschlechtern.

In ihrem aktuellen Blog vom 14. Juni 2024 zeigt die ILGA, dass die Ergebnisse der Europawahlen trotz Zugewinnen keinen „radikalen“ Rechtsruck zeigen, sondern aus Sicht von LGBTIQ*-Rechtsaktivist*innen ein gemischtes Bild vermitteln. In Ungarn erzielte Péter Magyar, ein ehemaliger Insider der Regierungspartei und jetzt Rivale, mit seiner Tisza-Partei bedeutende Sitzgewinne. Seine Haltung zum Thema LGBTIQ* bleibt allerdings unklar. In Italien mobilisierten LGBTIQ*-Aktivist*innen erfolgreich, was zu einer stärkeren Präsenz von LGBTIQ*-Verbündeten im Europäischen Parlament führte.

Trotz der starken rechten Einflüsse bietet der Anstieg progressiver Stimmen Hoffnung auf zukünftige politische Veränderungen. Dennoch stellt der Stimmengewinn der rechtsextremen Parteien in Europa eine direkte Bedrohung für die Menschenrechte, insbesondere für die LGBTIQ*-Gemeinschaft, dar. Kim van Sparrentak und Marc Angel (wiedergewählte Abgeordnete und Co-Vorsitzende der LGBTI Intergroup) betonten auf der Seite von ILGA-Europe die Notwendigkeit starker Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Aktivist*innen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Es sei wichtig, die stille Mehrheit zu mobilisieren, um gegen rechtsextreme Rhetorik zu kämpfen und inklusive Politiken zu unterstützen, so die beiden. Internationale Solidarität und die Unterstützung durch europäische Institutionen seien entscheidend für den Fortschritt der LGBTIQ*-Rechte in Europa.

Jedoch wird ein Kampf auf rhetorischer Ebene vermutlich nicht mehr ausreichen. So mahnte der Lesben- und Schwulenverband Deuschland (LSVD) in seinen EU-Wahlprüfsteinen, dass insbesondere die Haltung zum Schutz von asylsuchenden LGBTIQ* bei der CDU/CSU-Fraktion geradezu gefährlich sei. Die CDU/CSU-Fraktion ist wiederum Teil der EVP auf europäischer Ebene. Eine ähnlich gefährliche Haltung findet sich nur noch bei der AfD. Das deckt sich mit der rigorosen Asylpolitik der EVP, wie ein weiterer Bericht von Euro News zeigt. Bereits vor einem Jahr hatten wir darüber berichtet, dass LGBTIQ* ein blinder Fleck in der Europäischen Asylpolitik ist. Mit der jetzigen Wahl bleibt zu bezweifeln, dass sich daran etwas ändern wird.

Dabei geht es nicht nur um Asylpolitik. Auch in unserem Artikel zum Thema LGBTIQ* mit Behinderung hatten wir das Thema der Mehrfachdiskriminierung und ihre Bedeutung aufgegriffen. Insbesondere geht es darum, diejenigen mitzudenken, die nicht wissen, wohin sie sich wenden können, und die nicht aktiv Kontakte knüpfen.

Ja, die Wähler*innen haben gewählt, aber die Verantwortung für die politische Umsetzung hatten und haben die Funktionsträger*innen und Politiker*innen in ihren Ämtern. Gegen strukturell diskriminierende Sozialpolitik, die Arme und Arbeitslose ebenso problematisiert wie Migrant*innen, muss die Frage gestellt werden: Stimmt das soziale Fundament? Diese Frage bleibt untrennbar mit der Forderung nach einer Gesellschaft verwoben, in der LGBTIQ*-Sein selbstverständlich ist.

Bild (EU-Ausschnitt) von rawpixel.com auf Freepik

Schließen


Der Bundesverband Trans* lädt am 2. und 3. November zu den (Online-)Fachtagen 2024 unter dem Thema „Wissenstrans*formation – Forschung von und für Trans*communities“ ein. Die Veranstaltung findet zum zweiten Mal statt und möchte den Austausch über Projekte fördern, die sich mit diskriminierungskritischer Forschung zu trans* und nicht-binären Personen beschäftigen.

Weiterlesen

Während der Fachtagung 2024 sollen sowohl akademische als auch nicht-akademische Forscher*innen und Denker*innen zusammenkommen, die sich mit den Lebensrealitäten von trans* und nicht-binären Personen befassen. Ziel ist es, über Forschungsprojekte und andere wissenschaftliche Arbeiten zu diskutieren, die gemäß der Veranstaltungsbeschreibung „wichtiges Wissen für Trans* und nicht-binäre Communities partizipativ zusammengetragen haben“.

Thematisch sind die Fachtage breit aufgestellt und wollen Perspektiven aus verschiedenen Bereichen wie Medizin, Recht, Trans* & Gender Studies, KI, IT, Soziologie, Community-Dynamiken, Antidiskriminierung und Gewaltschutz, Medien oder gesellschaftspolitische Repräsentation abdecken.

Bis zum 07. Juli werden gibt es noch die Möglichkeit, sich in die Veranstaltung einzubringen – ob als Referent*in zu einem bestimmten (Forschungs-)Projekt im Rahmen eines Panels oder in einem offenen Format. Auch Moderator*innen werden noch gesucht. Für weitere Informationen siehe den Call for Contributions. Unter dem Link befindet sich auch ein Formular, über das die Bewerbung eingereicht werden kann.

Der Bundesverband Trans* vertritt seit 2015 die Interessen von trans* Personen und fordert beispielsweise eine Reform des Familien- und Abstammungsrechts, Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung und setzt sich gegen die Stigmatisieurng von trans* und anderen genderqueeren Menschen ein.

Formate wie die Fachtagung liefern einen wichtigen Raum für queere Bildung und das Teilen von Erkenntnissen, dies auf einer Forschung basieren, die im Austausch mit der Community steht und sensibilisiert auf die Lebensumstände queerer Personen ist. Denn auch in der Wissenschaft werden häufig Stereotypen und Vorurteile (re-)produziert. Immer mehr Projekte und Initiativen setzen sich inzwischen für geschlechter- und diversitätssensible Forschung und Lehre ein (beispielsweise das Zentrum Gender & Diversity in Hamburg). Die Verbreitung von diskriminierungsfreiem Wissen soll auch mehr Verständnis in der Gesellschaft über die Realitäten queerer Personen schaffen, womit wiederum Diskriminierung abgebaut werden kann.

Schließen


Die Aufarbeitung der Geschichte queerer Verfolgter im Nationalsozialismus weist noch Lücken auf, wie Historiker*innen und queere Verbände kritisieren.

Weiterlesen

Schließen

Der LSVD forderte schon vor einigen Jahren mehr Forschung zur Verfolgung von Lesben sowie trans, inter und anderen queeren Personen unter dem deutschen Faschismus. Erst 2022 erinnerte der Deutsche Bundestag erstmals am internationalen Holocaust-Gedenktag offiziell auch an die queeren Verfolgten des NS-Regimes. Dieser Beitrag soll eine (unvollständige) Übersicht über den aktuellen Forschungsstand zu insbesondere weiblichen queeren Verfolgten des Nationalsozialismus liefern. Denn vor allem die Geschichten queerer Frauen im Holocaust haben in der deutschen Erinnerungskultur noch nicht genug Aufmerksamkeit bekommen, wie einige Historiker*innen betonen. Diese Unsichtbarkeit spiegelt sich in der historischen Aufarbeitung um Homosexualität und Nationalsozialismus wieder, in der Frauen oft marginal bleiben, so Sébastian Tremblay: „Da sich der Großteil der Erinnerungspolitik auf den §175 StGB und die Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichem Begehren und Sexualitäten in der Vergangenheit konzentrierte, erlaubte das Fehlen eines solchen ‚gespenstischen‘ Abschnitts des Strafgesetzbuchs für queere weibliche Sexualitäten queeren (meist) männlichen Historikern, neue Formen des Erinnerungsaktivismus zurückzuweisen.“ Die Historiker*innen Claudia Schoppenmann und Christian-Alexander Wäldner weisen im Portal „Lesbengeschichte“ ebenfalls auf die systematische Unsichtbarkeit lesbischer Frauen in den Archiven hin, was mitunter aus einer anhaltenden Tabuisierung weiblicher Homosexualität rühren könnte. Dennoch scheint sich in den letzten Jahrzehnten etwas in der Forschung getan zu haben: Wichtige Beiträge zur Erforschung der Verfolgung von lesbischen und anderen queeren Frauen im Holocaust lieferte Schoppmann u.a. mit ihrem Buch „Nationalsozialistische Sexualpolitik und weibliche Homosexualität“ von 1997 (Springer Verlag). Eine weitere Vorreiterin in dem Forschungsfeld ist die Holocausthistorikerin Anna Hájková, die neben ihrer eigenen wichtigen Forschung[1] im Rahmen des Projekts „Sexuality and Holocaust“ eine Literaturliste mit Beiträgen zusammengestellt hat, die die Verfolgung von lesbischen und trans Frauen in der NS-Zeit erforschen. Die bereits veröffentlichten Werke sollen Anstöße dazu liefern, dass weiter zu dem Thema geforscht wird. Denn es wird gleichzeitig auf die Lücken hingewiesen, die es insbesondere im deutschsprachigen akademischen Diskurs zum Thema gibt. Unter die gelisteten Publikationen fallen diverse Beitragsformen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: von biographischen Spurensuchen[2] zu Analysen der medizinischen, rechtlichen und politischen Diskurse um homosexuelle Frauen und die damit einhergehende Stereotypisierung weiblicher Homosexualität[3]. Die deutschsprachige Forschung zu trans Frauen in der NS-Zeit scheint noch weniger vorangeschritten zu sein, dennoch bieten Beiträge wie u.a. von Ingeborg Boxhammer und Christiane Leidinger[4] wichtige Perspektiven, um dieses Thema weiter zu ergründen. Das Projekt „Sexuality and Holocaust“ ruft auch dazu auf, weitere Beiträge zum Forschungsfeld, die noch nicht in der Literaturliste aufgenommen sind, zu ergänzen. Solche öffentlichen und kollektiven Projekte sind wichtig, um ein möglichst breites Wissen um die Situation lesbischer, trans, inter und anderer queerer Frauen unter den Schrecken des Nationalsozialismus zu sammeln und zu verbreiten. [1] Um nur wenige zu nennen: Queere Geschichte und der Holocaust. In: APuZ, 38–39, 2018, S. 42-47; Menschen ohne Geschichte sind Staub, Wallstein Verlag, 2024. In München veranstaltet das Forum Queeres Archiv gemeinsam mit dem Buchladen Rauch & König am 27.06.2024 eine Lesung mit Anna Hájková zuihrem Buch „Menschen ohne Geschichte sind Staub“, das erst kürzlich in zweiter erweiterter Ausgabe erschienen ist. Zur Veranstaltung. [2] Tamara Breitbach: Lea Gertrud Schloß – Jüdin, Lesbe, Schriftstellerin und Sozialdemokratin: Biografischer Essay. In: Gertrud Schloß: Die Nacht des Eisens: Gedichte, Éditions trèves, 2019, S. 41-87. [3] Brunner, Andreas & Sulzenbacher, Hannes: Homosexualität und Nationalsozialismus in Wien. Mandelbaum Verlag, 2023. [4] Sexismus, Heteronormativität und (staatliche) Öffentlichkeit im Nationalsozialismus. Eine queer-feministische Perspektive auf die Verfolgung von Lesben und/oder Trans* in (straf-)rechtlichen Kontexten, in Michael Schwartz: Homosexuelle im Nationalsozialismus: Neue Forschungsperspektiven zu Lebenssituationen von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Menschen 1933 bis 1945, De Gruyter, 2014.

Der Bundestag hat am Donnerstag, 6. Juni 2024, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts angenommen. Enthalten hatte sich lediglich die AfD. Ziel des Gesetzes ist die Verbesserung der juristischen Verfolgung in Deutschland von Verbrechen, die im Ausland begangen wurden und gegen das Völkerrecht verstoßen.

Weiterlesen

„In den vergangenen Jahren hat [das Völkerstrafrecht] sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene zunehmend an Bedeutung gewonnen. Vor allem der massive Einsatz sexualisierter Gewalt hat zu einem gesteigerten Bewusstsein für die Lückenhaftigkeit des bestehenden deutschen Völkerstrafrechts geführt“, so heißt es zur Begründung des Gesetzes in seiner angenommenen Fassung. Auch die „‚sexuelle Orientierung‘ für die Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe“ soll dabei in den Tatbestand als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§7 VStGB) aufgenommen werden.

Wie das Magazin queer in ihrem Artikel dazu betont, fasst das Gesetz den Begriff des 'Geschlechts' weit, um sämtliche geschlechtliche Identitäten „insbesondere auch die nicht-binäre Geschlechtsidentität sowie die trans- und intergeschlechtliche Identität“ zu integrieren. In unserem Artikel zur neuen FRA-Studie haben wir bereits auf den Umstand hingewiesen, dass insbesondere inter*, trans*, nicht-binäre und genderdiverse Personen häufig Belästigungen und Gewalt ausgesetzt sind. Was für Europa bereits zu verurteilen ist, wiegt im Falle, dass das Völkerrecht ins Spiel kommt, besonders schwer.

Das neue Gesetz legt Wert darauf, dass richterliche Entscheidungen den Kontext und den Standpunkt der Betroffenen berücksichtigen sollten. So heißt es: „As noted […], an 'act of sexual nature' must be seen in context. It may be informed by the survivor’s point of view.” Damit wird die Liste der explizierten Straftaten, die in §7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB erweitert wurde (die aktuelle Fassung steht auf Seite 4 der Gesetzesfassung), zusätzlich um einen unbestimmten Rechtsbegriff ergänzt. Somit erfüllt „jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere“ ebenfalls den völkerrechtlichen Straftatbestand. Hinzu kommt, dass mit dem neuen Gesetz Opfer von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Möglichkeit erhalten, als Nebenkläger*innen aktiv am Prozess teilzunehmen. Auch ein Anspruch auf psychosoziale Betreuung ist zu gewähren.

Wie Sven Lehman (Queerbeauftragter der Bundesregierung) auf seiner offiziellen Webseite hervorhebt, wird „im Völkerstrafgesetzbuch […] nun unmissverständlich klargestellt, dass im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung auch die Verfolgung von LSBTIQ* ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt. […]Eine Strafbarkeitslücke wird endlich geschlossen. Das erleichtert eine effektive Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen gegen LSBTIQ*.“

Insgesamt stärkt das Gesetz also das Recht, um gegen solche Verbrechen, die auf deutschem Boden verhandelt werden, besser vorzugehen. „Ferner [so der Bundestag,] wird im Gerichtsverfassungsgesetz nunmehr klargestellt, dass die sogenannte ‚funktionelle Immunität‘ eine Verfolgung von Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht hindert“. Das heißt, Amtsträger*innen (bspw. Diplomat*innen oder Minister*innen anderer Länder etc.) sind nicht aufgrund ihres Status immun.

Wie wir allerdings schon in früheren Artikeln zu grenzüberschreitendem Recht erwähnt haben, wird es am Ende auf dessen Anwendung ankommen. Dennoch liefert das neue Gesetz eine rechtliche Handhabe für die deutschen Behörden, aber auch für NGOs und weitere zivile Akteure. Darüber hinaus erkennt der Bundestag durch seine Verabschiedung explizit an, dass sexualisierte Gewalt und Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und  ein akutes Problem darstellen.

Schließen


Das Thema „Queer im Alter“ wird seitens queerpolitischer Akteur*innen und Initiativen immer mehr in den Vordergrund gerückt. Gerade ältere LSBTIQ*-Personen brauchen Räume, in denen sie sich über geteilte Erfahrungen austauschen und Diskriminierung im Alltag entgehen können. Neben Ansätzen in der Offenen Senior*innenarbeit gibt es in ganz Deutschland immer mehr Wohnprojekte für queere Senior*innen, die einen solchen Safer Space schaffen wollen.

Weiterlesen

In Berlin gibt es bereits mehrere solcher Projekte. Darunter fallen die zwei Lebensorte Vielfalt der Schwulenberatung Berlin, die sich explizit an LSBTIQ* Personen richten.  Hier können Senior*innen zusammenkommen, die beispielsweise aufgrund der anhaltenden Kriminalisierung von Homosexualität in der BRD bis in die 1990er oder des Verlustes von Freund*innen aufgrund von HIV und Aids Erfahrungen teilen, wie der Tagesspiegel berichtet. Außerdem gibt es Pflege- und Betreuungsangebote, verschiedene Hilfen im Alltag und auch kulturelle sowie Bildungsangebote.

Einen ähnlichen, aber intergenerationellen Ansatz verfolgt der Verein Queerer Leuchtturm St. Pauli in Hamburg, welcher altersgerechtes Wohnen mit queerer Kultur, Beratung und Pflege im Hamburger Stadtteil St. Pauli verbinden möchte und dabei generationsübergreifende (Wohn-)Angebote schafft.

Die AWO (Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.) hat im Rahmen des Modellprojekts „Queer im Alter“ ebenfalls Angebote für LSBTIQ*-Senior*innen an sechs Standorten in Deutschland initiiert. Dabei sind die Angebote nicht ausschließlich für queere Ältere gedacht, sondern möchten das Zusammenleben verschiedener Personen fördern und LSBTIQ*-sensible Ansätze verfolgen. Mit der Einrichtung Kiel-Ellerbek hat die AWO das erste LSBTIQ*-freundliche Pflegeheim in Schleswig-Holstein geschaffen (echte-vielfalt berichtete).

Alle diese Projekte zeigen wichtige Ansätze, um die Einsamkeit von älteren queeren Personen vorzubeugen und diskriminierungsarme Räume zu schaffen, die gleichzeitig die Bedarfe von Senior*innen abdecken. Dabei muss jedoch betont werden, dass die Angebote bei weitem nicht ausreichen. Nach Angaben des Tagesspiegel stehen derzeit 900 Personen allein auf der Warteliste des Lebensort Vielfalt Südkreuz, was die Notwendigkeit solcher Wohn- und Lebensorte für queere Senior*innen deutlich macht. Auch im ländlichen Raum müssten solche Wohnkonzepte mitgedacht und von Kommunen unterstützt und gefördert werden.

 

Zum Thema noch ein Veranstaltungstipp: Anlässlich des Pride Monats und der Berliner Seniorenwoche findet am 29. Juni 2024 um 14:00 Uhr in der Begegnungsstätte Gitschiner Str. 38 in Berlin-Kreuzberg ein kostenloser Workshop zum Thema „Queeres Wohnen im Alter: Wie kommen wir von Träumen zu Tatsachen“ statt. Dabei soll über aktuelle Projekte reflektiert werden sowie über Möglichkeiten, die Lage von FLINTA* auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu verbessern, gesprochen werden. Die Veranstalter*innen bitten um vorherige Anmeldung per Telefon: 030 5058 5450. Weitere Informationen auf der Webseite des CSD Berlin.

Schließen


Der Rechtsruck „hat die Mitte der Gesellschaft erreicht“ und führt zu einer Verstärkung von rassistischer, antisemitischer, LSBTIQ*-feindlicher Hetze und demokratiefeindlichen Ideologien.

Weiterlesen

Mit diesem Ausgangspunkt will sich der Fachtag „Selbstbestimmung stärken! Demokratie leben!“ einigen zentralen zivilgesellschaftlichen Fragen rund um den Umgang der demokratischen Zivilgesellschaft mit dem Rechtsruck und seinen Auswirkungen auf marginalisierte Gruppen, insbesondere die LSBTIQ*-Community, widmen. Veranstalter ist das Kompetenznetzwerk „Selbst.verständlich Vielfalt“.

Auch wenn es sich bei der eingangs verwendeten Formulierung „hat die Mitte der Gesellschaft erreicht“ um eine gezielte Zuspitzung handelt, ist festzustellen, dass rechte Themen und ihre Vertreter*innen in der medialen Berichterstattung angekommen sind. Wieviel vorher allerdings bereits unausgesprochen in „der Mitte der Gesellschaft“ existierte, bleibt an dieser Stelle offen.

Die Veranstaltung wird am 18. Juni 2024 von 10:00 bis 16:00 Uhr abgehalten. Auf der Webseite finden sich eine Programmübersicht sowie ein Anmeldeformular. Nach Anmeldung ist die Teilnahme kostenfrei. Zudem wird der Fachtag durch Gebärdensprachdolmetschende (DGS) und ein „Awareness-Team“ begleitet.

Die Ausgangsfragen, die sich die Veranstalter*innen stellen, lauten:

  • „Wie kann die demokratische Zivilgesellschaft diesem Rechtsruck standhalten, den Zusammenhalt stärken und sich gegenseitig unterstützen?“
  • „Wie können queere Menschen in ländlichen und strukturschwachen Räumen empowert werden?“
  • „Was ist nötig, um die Regenbogenkompetenz in Bereichen wie Bildung, Sport oder in den Regelstrukturen der Wohlfahrtspflege sowie in Verwaltungen zu erhöhen?“
  • „Wie können etablierte Regelstrukturen und Selbstvertretungen der LSBTIQ*-Communitys zusammenwirken, um für ein selbstbestimmtes Leben in der Demokratie zu werben und Anfeindungen entgegenzuwirken?“

Unterstrichen wird die Bedeutung dieser Fragen durch eine starke Präsenz rechter Populist*innen in den sozialen Medien, wie wir am Beispiel Spaniens und der rechtspopulistischen VOX bereits aufgegriffen haben. Gerade vor dem Hintergrund der Jugendarbeitslosigkeit von 28% in diesem Land wird die sozialökonomische Sicherheit der breiten Bevölkerung zu einem zentralen Thema. Übertragen auf Deutschland und die gesamte EU lässt sich damit die Behauptung aufstellen, dass jegliche Frage, wie mit dem Rechtsruck umzugehen und ihm entgegenzuwirken sei, nicht ohne die Frage der sozioökonomischen Absicherung gestellt werden kann.

Neben Vorträgen und Diskursen bietet der Fachtag außerdem die Möglichkeit, an einem von vier Workshops teilzunehmen, die anschließend ihre Ergebnisse kurz präsentieren. Dabei geht es um folgende Themen:

  • Workshop 1: „TIN* – ein Thema für die Menschenrechtsbildung?“ (Mit: Silvia Rentzsch, Christin Richter, Trans-Inter-Aktiv in Mitteldeutschland e. V.)
  • Workshop 2: „Let’s Talk About Queer Spaces: Austauschformat zur Etablierung queerer Räume in ländlichen Regionen“ (Mit: Matthias Gothe, Vielfalt Leben – QueerWeg Verein für Thüringen e. V.)
  • Workshop 3: „Heilig und Teufel zugleich – Transgeschlechtlichkeit und Queerness zwischen religiöser Ehrfurcht und Anxiety“ (Mit: Dr. Leyla Jagiella, Ethnologin, Religionswissenschaftlerin und Autorin)
  • Workshop 4: „Wer organisiert Transfeindlichkeit und was organisieren wir?“ (Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena)

Alle Informationen zum Ablauf und kurze Beschreibungen der Workshops, ebenso wie das Anmeldeformular, findet Ihr unter folgendem Link.

Schließen