Der amerikanische Football ist auch in Deutschland mittlerweile mehr als nur ein Randphänomen. So sahen im Februar 2023 1,77 Millionen Menschen den Super Bowl. Insgesamt berichtet die Tagesschau von rund 99 Millionen Zuschauer*innen weltweit, eine riesige Reichweite, die sich die Werbeindustrie einiges kosten lässt.
Nach Angaben der Tagesschau kostete ein Werbespot im letzten Super Bowl über 233.000 US-Dollar pro Sekunde, was die mediale Reichweite dieses Spektakels unterstreicht. Diese mediale Macht, verbunden mit der zunehmenden Popularität in Deutschland, ist Anlass genug, sich diesen Sport und seine Haltung zur LGBTIQ*-Gemeinschaft genauer anzusehen.
Über Fußball wurde an dieser Stelle schon des Öfteren berichtet, zuletzt über den Machismo in Spaniens Führungsetage des Frauenfußballs, die ewige Diskussion über die Regenbogenfarben der Kapitänsbinde und nicht zuletzt die verachtenden Zustände in Katar bei der WM der Männer.
Verschafft man sich hingegen einen ersten Überblick zum Football, zeigt sich zumindest vordergründig ein deutlicheres Bekenntnis zur Diversität und Menschenwürde. Im Jahr 2021 outete sich mit Carl Nassib zum erstmals ein aktiver Spieler als schwul. Beim Blick auf Spiele der aktuellen Saison stößt man des Weiteren immer wieder auf Aufnäher und andere Symbole in Regenbogenfarben. Allerdings ist Football nach wie vor ein körperbetonter Leistungssport, der trotz allem immer noch Klischees von „Männlichkeit“ bedient. In einem Interview mit dem Guardian bringt es der ehemalige Spieler RK Russell auf den Punkt, wenn er sich vor seinem Coming-Out die Frage stellte, ob die Toleranz an der Stelle ende, wo die sportliche Leistung aufhöre. Eine Frage, der sich alle Leistungssportarten stellen müssen. Für die USA im Besonderen machte ihm darüber hinaus die Frage zu schaffen, wie es als schwarze Person in dieser Umgebung sein würde. Ein weiteres Thema, bei dem die Schnittstelle zwischen dem Kampf um Anerkennung von LGBTIQ* und People of Color (POC) im Football einen gemeinsamen Kristallisationspunkt findet.
Aber auch abseits des Spielfelds lassen sich positive Anekdoten entdecken. Wie die Seite Queerty im Oktober 2023 berichtete, hat sich in der NFL in den letzten Jahren eine Veränderung vollzogen, bei der männliche Cheerleader, die noch vor einem Jahrzehnt als unwahrscheinlich galten, heute fester Bestandteil der Liga sind. Allein die New Orleans Saints haben mehr als ein Dutzend männliche Cheerleader.
Auf der offiziellen Webseite der NFL heißt es zudem: „We’re committed to continuing efforts around diversity, equity, and inclusion because football is for everyone. We proudly support the LGBTQ+ community…“. In ihrem im aktuellen „Diversity and Inclusion Report“ vom März 2023 betont die Liga zudem ihr Ziel, weiter auf eine bessere Inklusion und Diversität, nicht zuletzt auch bei ihren Angestellten, hinarbeiten zu wollen.
Dabei gilt es, die Anekdoten und Bekenntnisse einer Multimilliarden-Dollarvereinigung generell mit Vorsicht zu betrachten. Immerhin geht es bei diesem Sport nicht zuletzt um Gewinnen und Gewinne. Wie hier jedoch bereits in dem Artikel „Pinkwashing – ein Problem mit zwei Seiten“ thematisiert wurde, kann auch eine kommerzialisierte Symbolik zur Sichtbarkeit und zum Schaffen von „Normalität“ beitragen. Erst einmal darf damit ein positiver Eindruck von einem zunehmend populären Sport festgehalten werden.