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Der Gesetzentwurf der Fidesz-Partei, welcher das Verbot gewisser Inhalte – die bei Minderjährigen für Homosexualität und Geschlechtstransitionen „werben“ – generell ermöglicht, wurde am Dienstag vom Ungarischen Parlament bestätigt. Es verbietet LSBTIQ*-Literatur, inklusive Bildungsmaterial, für unter-18-jährige, und besagt, dass Minderjährigen keinerlei Inhalte gezeigt werden dürfen, die Queerness „unterstützen“. Dieses Menschenrechtsverletzende Gesetz hat nun zu einer Reihe von Protesten im Land geführt.

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Wie echte-vielfalt.de in der vergangenen Woche berichtete, schränkt das Gesetz nicht nur Menschenrechte ein, sondern pathologisiert Homosexualität indem sie mit Pädophilie verglichen wird. In einem Interview letzten Herbst sagte der ungarische Premierminister Viktor Orbán folgendes: „Ungarn ist ein tolerantes, geduldiges Land was Homosexualität angeht. Aber es gibt eine rote Linie, die nicht überquert werden darf: Lasst unsere Kinder in Ruhe!“

Mit dem neuen Gesetz seiner regierenden Fidesz-Partei ist diese rote Linie nun offiziell gezogen worden – und hat in Ungarn zu einem Aufschrei ziviler Organisationen, unter anderem Amnesty International, geführt, die gegen das Vorgehen der Regierung protestieren. Es gab außerdem eine Protest-Petition, die von mehr als 100,000 Menschen unterschrieben wurde, und am Montag versammelten sich circa 10,000 Demonstrierende vor dem Parlament in Budapest. Die meisten Oppositionsparteien hatten die Abstimmung boykottiert, nur die rechts-konservative Partei Jobbik stimmte mit Orbáns regierender Fidesz-Partei für das Gesetz ab.

Weil die Formulierungen des Gesetzes vage gehalten sind, könnte nun selbst das öffentliche Aufhängen einer Regenbogenflagge strafbar sein. Es könnte auch Einfluss auf Medieninhalte im weiteren Sinne haben, wie Ungarns größter privater Fernsehsender, RTL Klub, einräumte. So könnten Filme und Serien, die sich beispielsweise mit modernem Familienleben auseinandersetzen, verboten werden.

Hiermit reiht sich das Land in ähnliche Gesetzgebung in Russland und Polen ein, wie das russische Gesetz gegen homosexuelle Propaganda, welches 2013 in Russland verabschiedet wurde. Auch in Polen führte Andrzej Duda einen dezidiert homofeindlichen Wahlkampf. In Ungarn hatte Homofeindlichkeit politisch lange keine zentrale Rolle gespielt, doch dies scheint sich verändert zu haben: Letztes Jahr wurde die Anpassung des legalen Geschlechtseintrags an die Geschlechtsidentität verboten, und die Verfassung wurde um den Satz „Die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann“ ergänzt. Folglich sind gleichgeschlechtliche Paare nun auch von Adoption ausgeschlossen.

Andras Bozoki, ein ungarischer Politikwissenschaftler, sagte der Deutschen Welle, dass das Gesetz eindeutige gegen EU-Werte verstoße und wahrscheinlich von einem Europäischen Gericht für illegal erklärt werden würde. Die Frage, was dies in Ungarn wird verändern können, bleibt jedoch erhalten.

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Das kontroverse ungarische Kinderbuch ‚Wonderland Is For Everyone‘ (Dt.: ‚Wunderland ist für Alle‘), welches Minderheitenrechte fördert und fordert, indem es Märchencharaktere mit beispielsweise Roma and Queeren besetzt, hat letztes Jahr in der rechtskonservativen Regierung für eine Welle von Kritik gesorgt. Viktor Orbans regierende nationalistische Partei ‚Fidesz‘ bezeichnete es als „homosexuelle Propaganda“ und verbot es an Schulen.

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Wie die BBC berichtet hat nun die Fidesz-Partei einen Gesetzentwurf eingereicht, welches das Verbot gewisser Inhalte generell ermöglichen soll. Die beträfe vor allem Inhalte, die bei Minderjährigen für Homosexualität und Geschlechtstransitionen „werben“. Der Entwurf würde LSBTIQ*-Literatur, inklusive Bildungsmaterial, für unter-18-jährige verbieten. Er besagt, dass jungen Menschen unter 18 keinerlei Inhalte gezeigt werden dürfen, die Queerness „unterstützen“, und ist dabei in einer Regierungsvorlage enthalten, die Pädophilie bestraft. So werden Homosexualität und nicht-konforme Geschlechtsidentitäten institutionell pathologisiert, während die ungarische Verfassung propagiert, dass die Ehe für hetero-Paare ist, und Adoption für homo-Paare unterbindet.

Einige Menschenrechtsorganisationen haben dieses Vorgehen bereits kritisiert und es mit den russischen Restriktionen von LSBTIQ*-Aktivitäten verglichen. Die Fidesz-Regierung (wie Polens PiS-Regierung) steht für den Vorwurf mehrfacher Brüche von EU-Rechtsstaatlichkeits-Standards unter formaler EU-Investigation. Gleichzeitig läuft sich Orbans Fidesz-Partei gerade für die ungarischen Wahlen Anfang 2022 warm. Obwohl Orban von der EU als tolerant gegenüber Antisemitismus, für die Einschränkung der Rechte von Migrant*innen und anderer Minderheiten, und für die Politisierung der Gerichte und Medien kritisiert wird, wird der euroskeptische Nationalist seit 2010 mit einer großen Mehrheit wiedergewählt. Er behauptet dabei Ungarns christliche Werte gegen ein vom linkem Liberalismus dominierten Europa zu verteidigen.

So bleibt Fidesz die stärkste Kraft im ungarischen Parlament und in den Medien – eine neue Oppositionskoalition fasst jedoch laut Meinungsforschung Fuß. Außerdem werden auch verschiedene ungarische LSBTIQ*-Gruppen wie die Hatter Society laut gegen Fidesz‘ Entwurf und prangerten an, dass er „die Meinungsfreiheit und Kinderrechte schwerwiegend einschränken würde“. Budapest Pride, eine Allianz verschiedener Ungarischer LSBTIQ*-Gruppen, drängte Aktivist*innen den US-Präsidenten Joe Biden zu beeinflussen, die Angelegenheit nächste Woche bei seinem Besuch bei Orban zu thematisieren.

Und mit der Bewusstsein des Privilegs, in Deutschland problemlos dafür werben und darüber sprechen zu können, finden Sie hier fünf queere Buchempfehlungen für Kinder.

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Im Park am Gleisdreieck in Berlin-Kreuzberg wurden in der Nacht von Samstag auf Sonntag eine 14- und eine 17-Jährige von drei Unbekannten lesbenfeindlich beschimpft, mit Fäusten geschlagen, und getreten. Sie erlitten beide ernsthafte Verletzungen.

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Die Polizei meldete der Hauptstadt am Sonntag, dass die jugendlichen Frauen zunächst homofeindlich beleidigt und diskriminiert, und anschließend brutal geschlagen wurden. Wie queer.de berichtete, hielten sich die jungen Frauen gerade im Park am Gleisdreieck auf, als die drei unbekannten Täter*innen auf sie zukamen, mit Fäusten auf sie einschlugen und nach ihnen traten. Die 14-Jährige erlitt hierbei Verletzungen an den Rippen und am Rücken, ihre Begleiterin im Gesicht und am Hinterkopf. Bevor die Schläger*innen sich vom Tatort entfernten, entrissen sie der 14-Jährigen die Handtasche mit Portemonnaie und Handy, wobei letzteres mutwillig beschädigt wurde.

Anschließend erstatteten die beiden verletzten Jugendlichen auf einem Polizeiabschnitt Anzeige gegen Unbekannt und haben vor, sich selbst in ärztliche Behandlung begeben.

Wie bei Hasskriminalität üblich, führt der Polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen wegen des homophoben Übergriffs, nähere Angaben zu den drei Angreifer*innen wurden im Polizeibericht nicht gemacht. Weil Hassverbrechen aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität von der Berliner Polizei gezielt publiziert werden, werden diese vergleichsweise häufig der Öffentlichkeit gemeldet.

Nach wie vor besteht hier allerdings eine große Dunkelziffer, nicht nur was körperliche, sondern auch verbale Angriffe anbelangt. Weil es jedoch sehr wichtig ist, dass diese Verbrechen sichtbar und geahndet werden, gibt es bei der Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft eigene Ansprechstellen für LGBTI. Unterstrichen wird dies mit der Aussage: „Nehmen Sie Gewalt und Diskriminierung nicht hin! Holen Sie sich Unterstützung! Erstatten Sie Anzeige!“.

Erfahren Sie hier mehr über eine Untersuchung zu lesbenfeindlicher Gewalt in Berlin.

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Trans* Frauen müssen sich oft der Frage stellen, woran sie Weiblichkeit festmachen und was es für sie ausmacht, eine Frau zu sein. Dank des veralteten „Transsexuellengesetzes“ in Deutschland müssen sie (und trans* Männer natürlich auch) sich sogar psychologischen Gutachten unterziehen und diese Position verteidigen, um ihr gesetzliches Geschlecht ändern oder eine geschlechtsangleichende Operation vornehmen lassen zu können. Cis-Frauen dagegen müssen sich nicht dafür rechtfertigen eine Frau zu sein, um ihren gesetzlichen Eintrag als „weiblich“ behalten zu dürfen. Ist das fair?

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Die Autorin und Musikerin Iva Moor stellte kürzlich auf Twitter die folgende Frage: „Liebe Cis-Frauen in der Bubble: Woher wisst ihr, dass ihr cis seid? Ist Weiblichkeit/Frausein ein bestimmtes Gefühl für euch? Gerade, wenn ihr mit Rollen(erwartungen) clasht: Woran macht ihr euer Frausein fest?“. Dem trug sie nach: „Ich frage mich halt, ob es generell Leute gibt, die ein explizites Gefühl für ihr Geschlecht haben und es daher einfach wissen, und andere haben dieses Gefühl einfach nicht?“.

Die Antworten auf diese Fragen variierten stark, und die Lektüre des Twitter-Threads ist für Interessierte durchaus empfehlenswert. Wichtiger jedoch ist, dass Menschen sich diese Fragen selbst stellen, und sich bewusst machen, woher die Diversität in den Antworten kommt: Nämlich davon, dass Geschlecht ein gesellschaftliches Konstrukt ist, mit dem man sich auf viele Weisen verbunden, oder eben nicht verbunden, fühlen kann. Wie die Politikwissenschaftlerin Felicia Ewert in ihrem Buch „Trans.Frau.Sein“ schreibt, gilt dabei auch, dass Cisgeschlechtliche Menschen nicht „normal“ sind, sondern eben Cis. In diesem Kontext schreibt der Blogger Captain Cato: „Es gibt keine Tabelle, in der man uns einteilen kann und das ist vollkommen okay so. Wir müssen nicht auf einer Skala von Mann bis Frau existieren, damit es greifbarer für binäre Menschen ist“. Demnach muss man vielleicht auch nicht unbedingt wissen, was einen zu einer Cis-Person macht – genauso wenig müssen das aber eben auch trans* und nicht-binäre Personen.

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Immer mehr finden queere Geschichten in der Mainstream Literatur Platz, und endlich landen auch Autor*innen of Color regelmäßig auf Bestsellerlisten. Dass sich dieser Wandel weg von ausschließlich weißen, heteronormativen Geschichten wegbewegt, ist gut und wichtig, denn queere Geschichten of Color kennt die Mehrheitsgesellschaft nicht gut genug. Hier finden Sie daher fünf queere Romanempfehlungen von Autor*innen of Color – neuere Werke, aber auch ältere Klassiker, die an Aktualität nichts verloren haben.

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  1. Giovannis Room – James Baldwin (1956) 

Keine Liebe ist jemals unschuldig. Im Paris der Fünfzigerjahre lernt David, amerikanischer Expat, in einer Bar den reizend überheblichen, löwenhaften Giovanni kennen. Die beiden beginnen eine Affäre - und Verlangen und auch Scham brechen in David los wie ein Sturm. Dann kehrt plötzlich seine Verlobte zurück. David bringt nicht den Mut auf, sich zu outen. Im Glauben, sich selbst retten zu können, stürzt er Giovanni in ein Unglück, das tödlich endet. (Quelle: Thalia)

  1. Eine neue Schreibweise meines Namens – Audre Lorde (1982)

Audre Lorde wächst im New Yorker Harlem als dritte Tochter von Einwanderern aus der Karibik auf. Stolz und mütterliche Abschirmung hindern die Eltern, rassistische Diskriminierung als System zu erklären, sie verstehen sie als Unzulänglichkeiten nicht ernstzunehmender Mitmenschen. Mit 17 Jahren löst sich Lorde von der Familie und bewegt sich in einer Gruppe junger, unkonventioneller Frauen. Die McCarthy Ära bricht an und sie ist u.a. in Aktivitäten gegen die Verurteilung der Rosenbergs engagiert. Lordes lebendige Schilderung der New Yorker Lesben-Subkultur der fünfziger Jahre ist ein Stück feministischer Geschichtsschreibung. Lorde entwickelt ihre Identität als Schwarze Lesbe aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer lesbischen Community, die vornehmlich weiß und oft rassistisch ist und einer Schwarzen Community, die häufig sexistisch und homophob ist. (Quelle: Thalia)

  1. Auf Erden sind wir kurz Grandios – Ocean Vuong (2019) 

Ein Roman, der die amerikanische Identität neu definiert. Und der Brief eines Sohnes an die vietnamesische Mutter, die ihn nie lesen wird: Die Tochter eines amerikanischen Soldaten und eines vietnamesischen Bauernmädchens ist Analphabetin, kann kaum Englisch und arbeitet in einem Nagelstudio. Sie ist das Produkt eines vergessenen Krieges. Der Sohn, ein schmächtiger Außenseiter, erzählt – von der Krankheit der Großmutter, den geschundenen Händen der prügelnden Mutter und seiner tragischen ersten Liebe zu einem amerikanischen Jungen. Ocean Vuong schreibt mit traumhafter Klarheit von einem Leben, in dem Gewalt und Zartheit aufeinanderprallen. (Quelle: Thalia)

  1. Mädchen, Frau, etc. – Bernardine Evaristo (2019)

Die Dramatikerin Amma steht kurz vor dem Durchbruch. In ihrer ersten Inszenierung am Londoner National Theatre setzt sie sich mit ihrer Identität als schwarze, lesbische Frau auseinander. Ihre gute Freundin Shirley hingegen ist nach jahrzehntelanger Arbeit an unterfinanzierten Londoner Schulen ausgebrannt. Carole hat Shirley, ihrer ehemaligen Lehrerin, viel zu verdanken, sie arbeitet inzwischen als erfolgreiche Investmentbankerin. Caroles Mutter Bummi will ebenfalls auf eigenen Füßen stehen und gründet eine Reinigungsfirma. Sie ist in Nigeria in armen Verhältnissen aufgewachsen und hat ihrer Tochter Carole aus guten Gründen einen englischen Vornamen gegeben. Auch wenn die Frauen, ihre Rollen und Lebensgeschichten in Bernardine Evaristos Mädchen, Frau etc. sehr unterschiedlich sind, ihre Entscheidungen, ihre Kämpfe, ihre Fragen stehen niemals nur für sich, sie alle erzählen von dem Wunsch, einen Platz in dieser Welt zu finden. (Quelle: Thalia)

  1. Ministerium der Träume – Hengameh Yaghoobifarah (2021) 

Als die Polizei vor ihrer Tür steht, bricht für Nas eine Welt zusammen: ihre Schwester Nushin ist tot. Autounfall, sagen die Beamten. Suizid, ist Nas überzeugt. Gemeinsam haben sie alles überstanden: die Migration nach Deutschland, den Verlust ihres Vaters, die emotionale Abwesenheit ihrer Mutter, Nushins ungeplante Mutterschaft. Obwohl ein Kind nicht in ihr Leben passt, nimmt Nas ihre Nichte auf. Selbst als sie entdeckt, dass Nushin Geheimnisse hatte, schluckt Nas den Verrat herunter, gibt alles dafür, die Geschichte ihrer Schwester zu rekonstruieren – und erkennt, dass Nushin sie niemals im Stich gelassen hätte. (Quelle: Thalia)

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Jeden Juni ist Pride Month („Stolz Monat“), ein Monat, indem weltweit LSBTQI+ Communities zusammenkommen und die Freiheit feiern, sie selbst sein zu können – oder gegen die Unfreiheit dies zu tun, protestieren. Auch während einer Pandemie geht es dabei um Sichtbarkeit und Gemeinschaft. Aber woher kommt dieser Monat eigentlich?

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Pride Versammlungen sind in den mühsamen Geschichten unterdrückter Gruppen verwurzelt, die seit Jahrhunderten darum kämpfen von der Gesellschaft akzeptiert zu werden und Vorurteile zu überwinden.

Warum im Juni?

Die ursprünglichen Organisator*innen wählten diesen Monat, um die Stonewall-Aufstände im Juni 1969 in New York City zu ehren, welche unter anderem die moderne Gay Rights („Schwule/Lesbische Rechte“) Bewegung entfacht haben. Bei den Stonewall-Aufständen veranstaltete die Polizei in den frühen Stunden des 28. Junis eine Razzia in der Schwulenbar „Stonewall Inn“, und begann Kund*innen nach draußen zu schleppen. Als diese sich der Verhaftung widersetzten und eine Gruppe von Unbeteiligten begann, die Polizei mit Flaschen und Münzen zu bewerfen eskalierten die Spannungen schnell. New Yorks schwule und lesbische Community, die seit Jahren von der Polizei schikaniert worden war, brach in Nachbarschaftsaufständen aus, die drei Tage lang anhielten. So wurden sie zu einem Katalysator für aufstrebende Gay Rights Bewegungen, indem sich Organisationen wie die Gay Liberation Front und die Gay Activists Alliance formierten, modelliert nach der Bürgerrechtsbewegung und der Frauenrechtsbewegung. Mitglieder veranstalteten Proteste, trafen sich mit Politiker*innen und unterbrachen öffentliche Veranstaltungen um dieselben Politiker*innen zum Handeln zu bringen. Ein Jahr nach den Stonewall-Aufständen fanden in den USA die ersten Gay Pride Märsche statt. 2016 wurde der Bereich um das Stonewall-Inn als nationales Monument gekürt. Daher finden bis heute noch die meisten Pride Veranstaltungen im Juni statt, wobei es natürlich Ausnahmen gibt. Im Jahr 2020 wurden viele dieser Veranstaltungen wegen der Pandemie abgesagt, aber Umzüge und andere Feierlichkeiten werden dieses Jahr in Hamburg, Berlin, und vielen anderen Städten höchstwahrscheinlich wieder stattfinden.

Woher kommt der Name und die Flagge?

Der Name „Pride“ wird Brenda Howard, einer bisexuellen New Yorker Aktivistin zugeschrieben, deren Spitzname die „Mutter von Pride“ ist. Sie organisierte den ersten Pride Umzug, um dem Jahrestag des Stonewall-Aufstandes zu gedenken. Die Pride-Flagge wurde 1978 von dem Künstler und Designer Gilbert Baker entworfen, der von Harvey Milk – einem der ersten offen schwulen Politikern in den USA – beauftragt wurde eine Flagge für die Pride-Feiern zu entwerfen. Baker, ein prominenter Gay Rights Aktivist, orientierte sich dabei an den Streifen der US-Amerikanischen Flagge, nutzte jedoch die Farben des Regenbogens, um die vielen verschiedenen Gruppen innerhalb der Community zu reflektieren.

Wer darf bei Pride mitfeiern?

Pride wird von Menschen zelebriert, deren sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität nicht automatisch von der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft gefeiert wird. Weil Cis-Geschlechtlichkeit, hetero-Liebe, und hetero-Sex in der Mehrheitsgesellschaft als richtig gelten, und diese Orientierungen und Identitäten ständig in den Mainstream-Medien gezeigt werden, braucht es deshalb auch keinen „Straight Pride Month“ (Hetero-Stolz Monat). Das bedeutet jedoch nicht, dass Cis-hetero Menschen nicht auch als Verbündete an den Veranstaltungen teilnehmen können – indem sie Freund*innen begleiten und sie feiern, zuhören und lernen, oder sich bei einer Gruppe freiwillig engagieren.

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Wie Echte-Vielfalt vergangene Woche berichtete, konnten die FDP- und Grünen-Anträge für ein Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung für trans Personen in einer Abstimmung am 19.05. im Bundestag nicht durchgesetzt werden. Damit bliebt das rückständische „Transsexuellengesetz“ weiter bestehen – obwohl Aktivist*innen längst eine Reform fordern.

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Denn noch immer sind trans Personen in Deutschland gezwungen, sich einer langen und teuren „Begutachtung“ auszusetzen, um ihr legales Geschlecht zu verändern. Dieser Prozess sei, so beschreibt trans Aktivistin Felicia Rolletschke im Gespräch mit der Deutschen Welle, „degradierend, teuer, und unlogisch“. Sie gehört deswegen zu den vielen Aktivist*innen, die für eine Reform des sogenannten „Transsexuellengesetzes“ kämpfen, welches den gesetzlichen Geschlechts- und Namensänderungs-Prozess für trans Personen festlegt. Während dieses nun seit vierzig Jahren in Kraft ist, haben sich trans Gesetze in anderen Ländern langsam modernisiert – sogar das Deutsche Bundesverfassungsgericht selbst hat bereits mehrmals eine Veränderung empfohlen, zuletzt im Jahr 2011. Nun hat die Regierung jedoch deutlich gemacht, dass mit solch einer Reform erstmal nicht gerechnet werden kann.

Dies hält trans Personen zurück, denn wie Rolletschke erklärt, ist es wirklich ein großer Aufwand und eine Last, den gesetzlichen Namens- und Geschlechtseintrag zu ändern – sie selbst durchlief den Prozess zwischen 2015 und 2018. Als sie im Rahmen ihrer damaligen Therapie entschied, ihren Namen zu verändern, musste sie 1600 Euro bezahlen, um den Prozess überhaupt beginnen zu können. Dieser Betrag stellt oft eine Barriere für trans Personen dar, gerade für jüngere ohne eigenes Einkommen. „Es sollte keine Voraussetzung sein, genug Geld rumliegen zu haben, um deinen gesetzlichen Namen zu verändern“. So Rolletschke.

Laut Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* (BVT) ist dies jedoch eine typische Summe: „Wir sehen oft Kosten von mehreren tausend Euro“ – „Das sind viel zu hohe Hürden“. Nach der ursprünglichen Anhörung durch eine*n Richter*in wird das Geld benötigt, um für zwei "Expert*innen-Gutachten“ (meistens durch staatlich anerkannte Psychotherapeut*innen) zu bezahlen, die unabhängig die betroffene Person „begutachten“. Rolletschke beschrieb ihre Erfahrung dessen als größtenteils basierend auf „altmodischen Geschlechterrollen“. Sie erzählte, dass beide Gutachten je zwei Stunden dauerten und ihre ganze Lebensgeschichte abdeckten: „Sie fragen nach sexuellen Erfahrungen, sexueller Orientierung, Fetischen, Familienstrukturen. Es ging um viele Themen die für Geschlecht gar nicht relevant sind.“ Außerdem bekam sie als trans Frau den Eindruck, auf Basis ihrer Konformität mit einer „stereotypisch weiblichen Erscheinung“ beurteilt zu werden: „Sie beurteilten wie gut mein Make-Up aufgetragen war. Auch, ob ich meine Beine verschränkte, wenn ich mich hinsetzte. Und sie beurteilten meine sexuelle Orientierung. Zum Beispiel, wenn du eine trans Frau bist, und nur an Männern interessiert bist, gibt das Bonus Punkte“.

Am Ende schicken die Therapeut*innen ihr Gutachten an den*die jeweilige Richter*in – und laut Hümpfner kommen sie in 99% der Fälle zum gleichen Schluss wie die betroffene trans Person selbst: „Damit sind [die Gutachten] nicht nur überflüssig, sondern können für trans Personen degradierend und invasiv sein“.

Aktivist*innen hatten deshalb gehofft, dass das veraltete, archaische, und degradierende Gesetz noch in dieser Legislaturperiode reformiert wird – doch nach dem erneuten Scheitern am 19.05. scheint dies nicht mehr möglich. Trotzdem betont Rolletschke, dass es sehr wichtig sei, dass darüber gesprochen werde.

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Alex Mariah Peter aus Köln ist die erste trans Frau in der Geschichte von „Germanys next Topmodel“ (GNTM), die den Titel gewonnen hat. „Anders sein ist so viel normaler, als wir uns eigestehen“, sagte die 23-Jährige, die das Thema Inklusion in der Staffel kaum thematisierte. Dabei waren „Diversity“ und „Inklusion“ genau das, was GNTM dieses Jahr ins Zentrum rücken wollte. Zum Teil ist dies auch gelungen.

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Zweifellos hat sich etwas verändert: Frauen, die zuvor von GNTM ausgeschlossen wurden, wie trans Frauen, kurvige Frauen, kleine Frauen und geflüchtete Frauen, bekamen alle ihre Chance unter dem Rampenlicht. Allerdings lässt sich die Frage stellen, ob die jeweiligen Frauen auch die Möglichkeit hatten, hier mehr zu sein als das jeweilige Merkmal, dass sie „diverse“ macht. Ein Artikel der Zeit, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzt, betitelt einen seiner Absätze „Festgelegt auf die Fluchtgeschichte“: Er kritisiert, dass eine Kandidatin wie Soulin, die mit ihrer Familie aus Syrien flüchtete, vom Sender auf eine bestimmte Art und Weise inszeniert wurden, um dem*der Zuschauer*in einen individuellen Kampf zu liefern, dessen Sieg in einem Platz bei GNTM kulminiert – Soulin selbst spricht von einem Traum. Ohne der Kandidatin davon etwas absprechen zu wollen, muss hier jedoch angebracht werden, dass sie allein gar nicht fähig sein kann, die komplexe Realität von Flucht zu repräsentieren – genauso wenig wie Alex Mariah Peter ein Sprachrohr für alle trans Frauen sein kann.

Demnach muss der „inklusive“ Schein der „spätkapitalistischen Diversity-Industrie“ mit Vorsicht genossen werden: Wie Ellen Kollender, Mitarbeiterin an der Sozial- und Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und Mercator-Fellow am Istanbul Policy Center der Sabancı University, es formuliert: „Wir müssen alternative Erzählungen etablieren, in denen Diskriminierungserfahrungen nicht lediglich ästhetisiert werden, und ihre Bearbeitung nicht allein in die Hände der Betroffenen gelegt wird“.

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Der 21-jährige Mann, der im Oktober 2020 aus homofeindlichen Motiven ein schwules Paar in Dresden erstach, ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er war zuvor gerade aus der Jugendhaft entlassen worden, wo er gehalten worden war, weil er einen Angriff geplant und den Islamischen Staat unterstützt hatte.

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Sieben Monate nach seiner Attacke, die für einen der zwei angegriffenen Männer tödlich endete, wurde er vom Dresdner Landgericht für Mord schuldig gesprochen – und zu einem Leben in Haft verurteilt. Er war davor von Ermittler*innen als islamistische Bedrohung klassifiziert worden, weswegen die Staatsanwält*innen von dem Motiv einer religiös-motivierten Homofeindlichkeit sprachen.

Nachdem der Täter aus der Jugendhaft entlassen worden war, hatte er sich zwei neue Küchenmesser im Supermarkt gekauft, mit denen er sich auf die Mission machte, „Ungläubige zu töten“ – eine halbe Stunde später hatte er seine Opfer gefunden. Er stach beide Männer in den Rücken, einer von ihnen überlebte. Der Täter offenbarte, dass er aufgrund der schwulen Sexualität der Männer gehandelt habe – diese habe er als „schwere Sünde“ empfunden und wollte sie deswegen mit dem Tod bestrafen.

Bevor er aus der Jugendhaft entlassen worden war, war er als Hochrisiko Täter klassifiziert worden, was bei den Familien der Opfer Fragen danach, ob die Tat hätte verhindert werden können, auslöste. Seine Verteidigungs-Anwält*innen räumten ein, dass die Gefängnis-Autoritäten ihm erlaubt hätten sich zu radikalisieren, indem sie ihm keine religiöse Beratung anboten und ihn isolierten.

So wirft das schreckliche Ereignis eine allgemeinere Frage danach auf, wie mit radikal-islamischen Einstellungen Zugewanderter im besten Fall umgegangen wird. Deutlich scheint jedoch, dass ein einfaches Wegsperren keine Lösung für religiös-motivierte Homofeindlichkeit ist.

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Ein Outing in der Familie ist nicht gleich Outing in der Familie: Queere Menschen müssen sich die Frage stellen, welche Familienmitgliedern sie wie davon erzählen. Und weil sich queerfeindliche Einstellungen häufig gerade in konservativen und religiösen Familien verstärken, desto älter die Generation, kann das Coming Out vor den Großeltern eine besondere Hürde darstellen.

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Dies kann für betroffene Queers, die zu ihren Großeltern kein Verhältnis haben, in dem sie sich outen können, extrem schwierig sein. Auch dann, wenn sie vor ihren Eltern und Geschwistern längst geoutet sind. Gerade in Situationen wie Geburtstagen oder Urlauben, in denen erklärt werden müsste, wer der*die Partner*in ist, können innere Konflikte entstehen: Einerseits besteht selbstverständlich der Wunsch danach, sich frei ausleben und wie immer verhalten zu können – andererseits gibt es verschiedene Fragen: Versteht mein Großelternteil überhaupt, was ich meine, wenn ich mein*e Partner*in als solche, oder als mein*e Freund*in vorstelle? Oder muss ich mich offensiver outen? Wie reagieren sie, wenn ich der Person einen Kuss gebe? Könnte ein Streit entstehen?

Diese Sorgen können Menschen potenziell daran hindern, sich vor ihren Großeltern zu outen – was sich wie ein emotionaler Rückschlag anfühlen kann. Gerade wenn sie schon seit Jahren geoutet sind und ihre Sexualität nicht mehr groß „mitdenken“ müssen, kann das Geheimnis vor den Großeltern stark an alte Gefühle erinnern – „Und plötzlich bist du wieder im Closet“.

Das Coming Out vor den Großeltern ist also eine hochkomplizierte Angelegenheit, die oftmals viel mit Sexualitäts- und Gendervorstellungen zusammenhängen, die in einer Zeit geprägt wurden, in der sexuelle und geschlechtliche Vielfalt noch stärker unterdrückt wurden, als sie es zum Teil noch heute werden. So schmerzlich das Ergebnis daraus sein kann, so kann dies paradoxerweise auch zu Verständnis führen. Alok Vaid-Menon, Autor*in und Performer*in, sagt in einem Gedicht über das Coming Out als trans Person vor der Großmutter und ihrer negativen Reaktion darauf: „I refuse to call my Grandmother transphobic. I will not blame her for her own violence“ – auf Deutsch; „Ich weigere mich, meine Großmutter als transphob zu bezeichnen. Ich werde ihr für die Gewalt, die sie selbst erfahren hat, keine Schuld geben“. Damit bezieht sich Alok auf die noch stärkere Gender-Hierarchie und Unterdrückung geschlechtlicher Vielfalt in ihrer Generation, und findet so für sie Verständnis.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass jede Person, die sich in irgendeiner Form als queer vor ihren Großeltern outet, Verständnis für deren negative und verständnislose Reaktionen zeigen muss. Es unterstreicht nur, dass das Coming Out vor den Großeltern eben ein komplizierter, potenziell schmerzhafter Prozess sein kann, der die Geschichte einer heteronormativen Gesellschaft spiegelt – aber eben auch, wie sich diese gerade in Teilen verändert und verändern kann.

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