Echte Vielfalt

Lebensbereiche

Seitdem die internationale LGBTIQ*-Bewegung Ende November 2023 vom Obersten Gerichtshof in Russland als „extremistisch“ eingestuft wurde, hat sich die Situation für die queere Community im Land weiter verschlechtert. Das Urteil verbietet jegliche Form von LGBTIQ*-Aktivismus und schränkt damit die Handlungsfähigkeit von queeren Personen stark ein. Ein Monat nach dem Beschluss wird bereits deutlich, welche Auswirkungen das Verbot für die queere Gemeinschaft in Russland hat.

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Wie bereits in einem früheren Artikel auf echte-vielfalt.de betont wurde, ist das Fatale an dem Verbot die generelle Kriminalisierung von LGBTIQ*, da es sich nicht gegen eine bestimmte Organisation oder Gruppierung richtet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stellt fest, dass mit diesem pauschalen Verbot die Rechte auf Vereinigungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit sowie das Recht auf Nichtdiskriminierung verletzt werden.

So drängt das Verbot queere Aktivist*innen, die nochmals verstärkt mit politischer Verfolgung, Repressionen und Haftstrafen rechnen, in die Flucht. Denn die Teilnahme in oder Finanzierung von „extremistischen“ Organisationen kann bis zu zwölf Jahren Haftstrafe bedeuten. Allein das Tragen von Symbolen, die mit diesen Gruppierungen verbunden sind, kann bei wiederholtem Verstoß mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden.

Aber nicht nur Aktivist*innen müssen fatale Konsequenzen fürchten. Bereits nach der Verschärfung des Gesetzes zu „LGBTIQ* Propaganda“ im Jahr 2022 beklagte die junge Russin Yaroslava gegenüber CNN, dass ihre reine Existenz kriminalisiert werde. Als lesbische Mutter mit Kind würden sie und ihre Familie nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen propagieren. Durch das Gesetz würden Menschen und Familien wie sie in die Illegalität gedrängt werden. Mit der pauschalen Einstufung der LGBTIQ*-Bewegung als „extremistisch“ werden nicht-heterosexuelle Lebensweisen nun weitreichend als politische Gefahr konstruiert. So scheinen queere Personen generell zur Zielscheibe von Putins Regierung zu werden.

Das Urteil wirkt demnach in viele Lebensbereiche queerer Personen. Zusätzlich zur bereits durch das Propaganda-Gesetz veranlassten „Reinigung“ von Inhalten und Symbolen, die mit LGBTIQ* in Kunst und Kultur verbunden sind, kam es nur einen Tag nach Bekanntgabe des Verbots zu Razzien in queeren Clubs in Moskau. Unter dem Vorwand einer Anti-Drogen-Kontrolle habe die Polizei die Ausweise der Clubbesucher*innen kontrolliert und fotografiert. Nach Angaben von queer.de könnte dies als Einschüchterungsmaßnahme interpretiert werden. Das Eindringen der staatlichen Gewalt in die Räume von LGBTIQ* – womöglich waren auch private Partys von den Razzien betroffen – löst große Sorgen innerhalb der queeren Gemeinschaft aus.

Mit der rechtlichen Verschärfung wird auch eine Zunahme an queerfeindlicher Gewalt befürchtet. Bereits nach dem "Propaganda" -Gesetz, das ursprünglich im Jahr 2013 verabschiedet wurde, kam es zu einem Anstieg an Gewalttaten gegenüber LGBTIQ*. Ein ähnlicher Trend wird auch mit der neueren Entscheidung des Obersten Gerichtshofes befürchtet. Das gesamte Ausmaß des Urteils wird sich wohl noch abzeichnen.

Die Organisation Human Rights Watch fordert nun die Internationale Gemeinschaft auf, russische LGBTIQ*-Aktivist*innen zu unterstützen. Insbesondere EU-Mitgliedsstaaten müssten aufgrund der geographischen Nähe Visa bereitstellen, wenn diese aufgrund der Lage in Russland gezwungen sind zu fliehen.

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Noch bis vor kurzem war die offizielle Position von Papst und katholischer Kirche als Welt-Institution bei der Segnung homosexueller Paare ein eindeutiges „Nein“. Aber was nach Außen als Doktrin galt, war innerhalb der katholischen Kirche schon lange ein streitbares Thema.

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Bereits die deutsche Synode, über die echte vielfalt im September 2022 berichtete, hatte die Spaltung der Kirche deutlich gemacht. Damals zeigte sich zumindest in der deutschen katholischen Kirche eine Mehrheit der Bischöfe und Funktionsträger reformbereit. Zunächst wurde eine innerdeutsche Reform allerdings von einer kleinen Gruppe konservativer Bischöfe verhindert, während der Aachener Bischof Helmut Dieser, der den damaligen Co-Vorsitz innehatte, bereits im Vorfeld betonte, für sein Bistum gelte schon länger die Haltung, dass es eine Gewissensentscheidung des einzelnen Seelsorgers sei (zum Artikel).

Am 18. November 2022 fand dann in Rom ein Treffen von Vertretern verschiedener zentraler Behörden der katholischen Kirche statt, unter anderem mit der Beteiligung der 62 deutschen Bischöfe und Papst Franziskus. Dabei wurden u.a. auch die Themen „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ und „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft” aufgegriffen. Im Ergebnis wurde damals vieles besprochen, ohne eine Entscheidung zu treffen. Mit Verweis auf die verschiedenen Interessengruppen innerhalb der katholischen Kirche schlussfolgerten wir damals, dass der so gehaltene Schwebezustand vermutlich gewollt war.

Nun die Überraschung: Exakt ein Jahr und einen Monat, nachdem die Kirchenfunktionäre in Rom zusammengetreten waren und ergebnislos wieder auseinandergingen, unterschreibt der Papst die Möglichkeit zur allgemeinen Segnung. Der Deutschlandfunk stellt dazu passend fest: „Dass homosexuelle Paare sich nun ganz offiziell den römisch-katholischen Segen abholen dürfen, das kommt überraschend – nicht nur inhaltlich, sondern auch vom Zeitpunkt her. Kurz vor Weihnachten erwartet man von einem Papst nicht unbedingt, dass er ein kirchenpolitisch so brisantes Thema platziert.“

Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Lehmann (Grüne), sieht diesen Schritt als „längst überfällig“. Und auch von Seiten der deutschen katholischen Kirche ließen sich Stimmen vernehmen, die diese überraschende Änderung begrüßten. „Es sei ein weiterer Schritt“, zitiert der Deutschlandfunk.

Kardinal Fernandez, Präfekt der Glaubensbehörde, gab zur Begründung an, die Kirche habe ihr Verständnis über die Eigenschaft des Segens erweitert. Im offiziellen Papier „Fiducia supplicans - über die pastorale Sinngebung von Segnungen“ wird allerdings deutlich, dass „Paare in irregulären Situationen und gleichgeschlechtliche Paare“ den Segen zwar erhalten, jedoch „ohne deren Status offiziell zu konvalidieren oder die beständige Lehre der Kirche über die Ehe in irgendeiner Weise zu verändern.“ Mit anderen Worten: Segnung Ja, Ehe Nein.

Damit entsteht zwar eine offizielle, aber immer noch eine Zweiklassen-Segnung. Ob und wann sich die Kirche an den nächsten Schritt wagt, auch diese zu überwinden, bleibt offen. Ganz im Gegenteil stellt die katholische Kirche selbst im Nachgang der diesjährigen Weltsynode fest, wie unversöhnlich die Lager innerhalb der Kirche teilweise sind. Insbesondere in den USA, aber auch in Europa zwischen den „traditionsfesten“ Bistümern Osteuropas und dem deutschen Synodalen Weggehen die Reformwillen weit auseinander.

Damit bleiben die nächsten Schritte nicht nur ungewiss, sondern selbst die bereits gegangenen „überfälligen“ Schritte müssen weiter aktiv verteidigt werden. Sicherlich könnte man aus der katholischen Kirch auch austreten. Aber unabhängig vom Einzelnen haben gläubige LGBTIQ* Katholik*innen das Recht, dass sich ihre Kirche ihnen zuwendet, anstatt sie auszuschließen.

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„Coming of Age“ Filme und Serien sind nicht nur etwas für Jugendliche. Auch Erwachsene können sich oft noch mit dieser Zeit identifizieren – umso besser, dass immer mehr queere Geschichten abgebildet werden. Denn Sichtbarkeit und Repräsentation von LGBTIQ* sind in jedem Alter wichtig. 2023 haben wir drei Favoriten unter den LGBTIQ* Teenie-Serien:

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Heartstopper

Charlie und Nick, die in dieser Coming of Age-Serie den Schulalltag und die Liebe meistern müssen, stellen fest, dass zwischen ihnen mehr als pure Freundschaft entsteht. Dieses bewegende LGBTQ+-Drama über Teenagerfreundschaft und junge Liebe basiert auf der Graphic Novel von Alice Oseman (Netflix). Die absolute Feel-good Netflix-Serie ging im Jahr 2023 in die zweite Staffel und begleitet die herzerwärmende Beziehung der beiden sowie die Liebesgeschichten ihrer Freund*innen.

About Sasha

Eine der unterschätztesten LGBTIQ*-Serien des Jahres: Yaël Langmanns Coming of Age-Geschichte, die die 17-jährige Sasha begleitet, die mit der Familie aus Paris in die Provinz gezogen ist und dort als Mädchen wahrgenommen werden möchte. Begleitet von jahrelangen Operationen wurde Sasha erst als Junge großgezogen, später erfuhr sie von der Diagnose Intersexualität. Während das Thema bisher in Film und Fernsehen unterrepräsentiert ist, zeigt Langmann mit „About Sasha“, wie dies gut gelingen kann und schafft es außerdem, Teenie-Inhalte ohne Kitsch und mit schönen Bildern abzubilden. (Disney+)

Sex Education

Mit der im Herbst herausgekommenen Staffel 4 endet die gefeierte Netflix-Serie rund um die Freundschaften und Liebesgeschichten von Otis, Maeve, Eric & Co. Als Sohn einer erfolgreichen Sexualtherapeutin hat Otis sein Wissen in den letzten Jahren an der High-School verbreitet. In Staffel 4 ist die Freundesgruppe auf andere Schulen verteilt, womit neue Herausforderungen anstehen. Die letzte Staffel beeindruckt erneut mit ihrer Diversität, queerer Besetzung und LGBTIQ*-Inhalten. Auch für die sensibilisierte Darstellung von LGBTIQ*-Sexszenen wurde Sex Education gelobt.

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Das EU-Parlament will nun endlich die rechtliche Sicherheit von Kindern und ihren Eltern verbessern. Bei der Abstimmung am 14. Dezember 2023 sprachen sich die Abgeordneten mit 366 zu 145 Stimmen und23 Enthaltungen für einen Gesetzesentwurf aus, der sicherstellen soll, dass die Elternschaft, die in einem EU-Land gilt, automatisch in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird.

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Dass dieses Problem existiert, ist weder neu noch unbekannt. Bereits 2020 thematisierte Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union die Notwendigkeit einer übergreifenden Anerkennung. Zwei Jahre später, am 7. Dezember 2022, nahm die Kommission einen entsprechenden Vorschlag für das sogenannte Gleichstellungspaket an. Dessen Ziel war eine Harmonisierung der Vorschriften über die Elternschaft auf EU-Ebene.

Wie die Kommission sowohl 2022 als auch erneut 2023 festhält, können Kinder aktuell ihr Recht auf Erbschaft und Unterhalt ebenso verlieren wie das Recht, dass einer ihrer Elternteile als ihr gesetzlicher Vertreter in Angelegenheiten der medizinischen Behandlung oder Schulbildung handeln darf. Dies führt zu der Feststellung des Parlamentes in seiner aktuellen Pressemitteilung vom 14. Dezember, dass sich aktuell etwa zwei Millionen Kinder in einer Situation befinden, bei der sie formalrechtlich ihre Eltern verlieren, sollten sie in bestimmte EU-Mitgliedsstaaten einreisen.

Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht deshalb vor, dass

  • die Elternschaft automatisch in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird,
  • eine Verweigerung nur aus triftigem Grund („öffentliche Ordnung“) geschehen darf. Dabei hält das Parlament fest: „Jeder Fall muss einzeln geprüft werden, um sicherzustellen, dass es keine Diskriminierung gibt, z. B. gegenüber Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern.“ Wann allerdings ein Fall die „öffentliche Ordnung“ gefährdet, wird offengelassen.

Darüber hinaus sprachen sich die Abgeordneten für die Einführung eines Europäischen Elternschaftszertifikats aus. Dieses wird die nationalen Dokumente zwar nicht ersetzen „[…] kann aber an deren Stelle verwendet werden und wird in allen EU-Sprachen und in elektronischem Format zugänglich sein.“

Im nächsten Schritt müssen nun die EU-Regierungen „einstimmig“ über die endgültige Fassung entscheiden. Ob bzw wie diese „einstimmige“ Entscheidung ausgeht, bleibt abzuwarten. Laut Tagesspiegel hatten mehrere Länder, darunter Ungarn und Italien, bereits im Vorfeld ihre Ablehnung mitgeteilt.

Wie echte vielfalt bereits im Dezember 2022 mit Verweis auf die NGO forbidden colours berichtete, liegt das Problem weniger im mangelnden Recht. Laut eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) besteht bereits allein aus dem Recht zur Freizügigkeit die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Elternschaft aus einem anderen Mitgliedsstaat anzuerkennen. „Mitgliedstaaten wie Bulgarien und Rumänien ignorieren [bis heute] Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofs zur gegenseitigen Anerkennung der Elternschaft.“

Es wird somit auch bei dem neuen Gesetz darum gehen, ob und wie das Recht in der Praxis zur Anwendung kommt. Insbesondere wir dabei die Anwendung der Klausel zur „öffentlichen Ordnung“ zu beobachten sein.

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Seit vergangenem Sonntag werden in der Church of England auch gleichgeschlechtliche Paare gesegnet. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte bekräftigten zwei Frauen, Catherine Bond und Jane Pearce, in einem Gottesdienst ihre Beziehung vor ihrer Glaubensgemeinschaft. Für LGBTIQ*-Vertreter*innen geht die Entscheidung jedoch nicht weit genug.

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Die Church of England ist die Landeskirche, an dessen Spitze der britische König steht. Die Ehe wird darin weiterhin als Bund zwischen Mann und Frau angesehen. Der Bischof Stephen Croft, der sich für diese Veränderung in der Kirche einsetzte, erklärte gegenüber der BBC, dass mit den Segnungen – auch wenn es keine offizielle Heirat ist - ein ähnliches Gefühl von Freude und Bestätigung entstehen soll. So können gläubige gleichgeschlechtliche Paare ihre Beziehung nun auch vor Gott und ihrer Glaubensgemeinschaft feiern.

Dies stellt einen wichtigen Schritt für die Anerkennung homosexueller Paare in der Kirche dar. Dennoch gibt es Anlass für Kritik. Jayne Ozanne, ein Mitglied der Generalsynode, die sich 2015 öffentlich outete, macht kund, dass die Kirche weiterhin tiefgehend homofeindlich sei und noch einen langen Weg vor sich habe (PinkNews berichtet). Auch wenn die jetzige Entscheidung Anlass zur Freude für die LGBTIQ* Gemeinschaft gibt, darf nicht vergessen werden, dass sich die Segnungen qualitativ von Eheschließungen unterscheiden. In einem Artikel der Zeitung The Guardian wird analysiert, dass die Segnungen der homosexuellen Paare auf eine freundschaftlichen Art und Weise geschieht. Demnach bleibt fraglich, inwieweit hier tatsächlich eine Anerkennung stattfindet.

Hervorzuheben ist auch, dass die Segnungen erstmal probeweise ausgeführt werden und Geistliche die „Prayers of Love and Faith“ auf freiwilliger Basis ausüben können. So gibt es auf konservativer Seite auch Mitglieder der Kirche, die dazu raten, die Segnungen nicht durchzuführen. Auf der anderen Seite wird weiterhin dafür gekämpft, dass gleichgeschlechtliche Paare in der Kirche heiraten dürfen. Dies scheint in der Church of England vorerst nicht so schnell absehbar zu sein.

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Während das Thema Regenbogenfamilien immer mehr in den öffentlichen Diskurs gerät, gibt es weiterhin recht wenig Repräsentation von Familienmodellen mit trans* und/oder nicht-binären Elternteilen. Zudem ist es oft schwierig, an Informationen zu kommen. Um diese Wissenslücke zu füllen, hat der Bundesverband Trans* 2021 eine Broschüre herausgegeben. Darin sollen den betroffenen Eltern(-teilen) oder Personen mit Kindeswunsch einige Fragen beantwortet und deutlich gemacht werden, dass Kinderwunsch und Transgeschlechtlichkeit vereinbar sind.

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Der Bundesverband Trans* klärt in der Broschüre „Trans* mit Kind! Tipps für Trans* und Nicht-Binäre Personen mit Kind(ern) oder Kinderwunsch“ ausführlich über verschiedene Fragen auf. Dabei geht es sowohl um rechtliche Fragen wie die Anerkennung bei nicht-biologischer Elternschaft als auch um Möglichkeiten von biologischer Schwangerschaft. So geht es zum Beispiel um den Einfluss von Hormontherapien auf die Fruchtbarkeit oder Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung. Erst seit 2011 ist eine biologische Elternschaft für trans Personen möglich, bis dahin war in § 8 Absatz 3 des Transsexuellengesetzes (TSG) ein Sterilisationszwang bei der Änderung des Geschlechtseintrags angeordnet.

Ebenso werden in der Publikation verschiedene Aspekte von trans oder nicht-binärer Elternschaft diskutiert, die unter anderem auch den Umgang mit verschiedenen Institutionen wie Kita, Schule und Behörden diskutieren. Denn in diesen Situationen würden trans und nicht-binäre Eltern oft auf Unwissenheit und Unverständnis stoßen. So stellt der Bundesverband Trans* einige Tipps zusammen, wie queere Elternteile in cis-heteronormativen Strukturen handeln können, beispielsweise mit einem Musterschreiben, das Standesämter trans Vätern, die ein Kind geboren haben, ausstellen können, um den Beantragungsprozess von Kindergeld o.ä. zu erleichtern.

Auch Fragen der Erziehung und des Coming-Outs bei den eigenen Kindern werden verhandelt. Zuletzt werden auch Vernetzungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für trans und nicht-binäre Eltern aufgelistet. Auch das Regenbogenportal hat auf seiner Webseite Informationen zum Thema Trans* Elternschaft veröffentlicht.

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Mit seiner Antrittsrede am 05. Dezember 2023 drohte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ein weiteres Mal, „[…] das Gendern in Schule und Verwaltung [zu] untersagen“. Ein altes Lied, dessen Missklänge allerdings die immer noch aktuellen Problemlinien des Diskurses zum Vorschein bringen.

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Aufschluss bieten dabei die Interviews des Münchner Merkur im Nachklang der Antrittsrede mit Verantwortlichen aus Schule und Politik. So äußert sich beispielsweise Andrea Bliese, Schulleiterin am Camerloher-Gymnasium Freising gegenüber der Zeitung, dass sie zwar grundsätzlich dafür sei, dass jede Lehrkraft in Eigenverantwortung entscheide, ob sie gendern wolle. Als Germanistin sei sie allerdings noch unschlüssig, ob ein grundsätzliches Gendern gut wäre. Sollte allerdings ein Verbot kommen, müsste sich die Schule als Teil Behörde daran halten.

Allerdings ist Sprache ebenso fluide wie wirkmächtig in ihren Be- und Zuschreibungen. Die deutsche Rechtschreibung beweist, dass Sprache bereits zuvor und auch in Zukunft aktiv gestaltet werden kann und wird. Und natürlich haben sich Schulen schon jetzt an die deutsche Rechtschreibung zu halten. Echte Vielfalt hatte bereits im November letzten Jahres dazu berichtet, als es um ein Genderverbot beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ging. Laut Verfassungsgericht sind staatliche Sprach- und Schreibverbote (abgesehen von strafbaren Beleidigungen) in der privaten Kommunikation ausgeschlossen. Behörden und staatliche Einrichtungen - und damit auch Schulen - haben sich allerdings an die aktuelle Rechtschreibung zu halten.

Es Lehrer*innen selbst zu überlassen, ob sie im Unterricht eine gendergerechte Sprache verwenden, selbst wenn Bayern ein Verbot des Genderns verabschieden würde, ist damit ebenso eine Entscheidung wie die Beibehaltung der bisherigen Praktik (die rechtliche Debatte noch nicht mit einbezogen).

Ein weiteres Argument, das so alt ist wie die Debatte selbst, führt Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher in den Diskurs: „Viele Jugendliche haben bereits jetzt Sprachprobleme, da Deutsch keine so einfache Grammatik hat. Wenn sich die Schülerinnen und Schüler dann zusätzlich mit Gendern auseinandersetzen müssten, werde es noch komplizierter“, so Eschenbacher gegenüber dem Münchener Merkur und impliziert damit, dass die schulischen Leistungen ohne Gendern besser wären. Er konterkariert seine Behauptung allerdings selbst, wenn er feststellt: „In den derzeitigen Krisen wäre es mir lieber, ich bekomme pädagogisches Personal, als dass ich mit dem vorhandenen diskutiere, ob sie gendern oder nicht.“

Egal wie der Diskurs geführt wird, festzuhalten ist, dass die Umsetzung gendergerechter Sprache Zeit braucht, denn wie jedes Erlernen von Sprache bleibt es immer auch eine Frage der Gewöhnung und Wiederholung.

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Anlässlich der einjährigen Verabschiedung des Aktionsplans „Queer leben“ der Ampelregierung richten sich 36 queere Organisationen mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Scholz und alle Kabinettsmitglieder. Darin fordern sie mehr Einsatz für die LGBTIQ* Gemeinschaft in Deutschland.

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Vor etwa zwei Jahren versprach die Ampelregierung mit ihrem Koalitionsvertrag einen „queerpolitischen Aufbruch“ (queer.de berichtete). Nun ziehen queere Organisationen Bilanz zu der Umsetzung des queerpolitischen Vorhabens und befürchten sein Scheitern. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) sowie 35 weitere zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren den unzureichenden Einsatz der Regierung in den folgenden Bereichen und stellen mit ihrem offenen Brief Forderungen an die Bundesregierung:

Queerfeindlichkeit

Die Verfasser*innen äußern ihre Besorgnis über die negative Entwicklung hinsichtlich der Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, was sich sowohl in den sozialen Medien, in queerfeindlichen Gewaltdelikten sowie in den Wahlerfolgen der AfD mit ihren queerfeindlichen Parolen abzeichne.

Selbstbestimmungesetz

Das geplante Selbstbestimmungesetz müsse vollständig diskriminierungsfrei sein, im aktuellen Gesetzesentwurf sehen die queeren Organisationen noch einige Mängel. Der LSVD fordert ein Selbstbestimmungsgesetz, „das trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen in ihren Grundrechten respektiert“. Konkrete Probleme und Änderungsvorschläge zum Entwurf der Bundesregierung hat der LSVD gemeinsam mit Intergeschlechtliche Menschen e.V. (IMeV) in einer Pressemitteilung veröffentlicht.

Reform des Familien- und Abstammungsrechts

Es wird ein konkreter Zeitplan für die Umsetzung der „längst überfälligen“ Reform des Familien- und Abstammungsrechts gefordert, derzeit gebe es hier noch keine Bemühungen seitens der Ampelregierung. Dies könne noch langjährigen negativen Einfluss auf die Anerkennung von Regenbogenfamilien haben.

Lücken im Gesetz zu Konversionsbehandlungen und im OP-Verbot schließen

Die Regierung habe versprochen, die Lücken im Gesetz zu Konversionsbehandlungen zu schließen, welches bis heute Strafausnahmen beinhalte. Auch Erwachsene müssten vor Konversionsbehandlungen geschützt werden, fordert der LSVD. Zudem müssten die Lücken im Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung geschlossen werden und die Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden Maßnahmen durch die gesetzlichen Krankenkassen gestärkt werden – beides Versprechungen der Regierungen, die bisher nicht umgesetzt wurden.

Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und Ergänzung des Artikel 3 des Grundgesetzes um sexuelle und geschlechtliche Identität

Queere Personen stoßen immer noch auf Hindernisse bei der Durchsetzung ihrer Rechte gemäß dem AGG. Hier habe die Regierung noch keinen Gesetzesentwurf zur versprochenen Reform geliefert. Darüber hinaus fordern die queeren Verbände eine Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes um sexuelle und geschlechtliche Identität, sodass die Rechte von queeren Personen im Grundgesetz geschützt werden.

 

Zu den unterzeichnenden Organisationen gehören neben dem LSVD AllOut Deutschland, Deutsche Aidshilfe, BiNe – Bisexuelles Netzwerk e.V., Aktionsbündnis gegen Homophobie e.V., Lambda e.V. Jugendnetzwerk, LesbenRing e.V., QueerGrün – Bündnis 90/Die Grünen, SPD Queer, OutInChurch e.V. – Für eine Kirche ohne Angst, nonbinary.berlin und viele weitere. Zu den Forderungen, die im offenen Brief formuliert sind, haben der LSVD und AllOut gemeinsam die Petition „Schluss mit der Sabotage von Queerpolitik in Deutschland“ gestartet.

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Mit dem Verbot gegen die internationale LGBTIQ*-Bewegung durch das Oberste Gericht Russlands erreicht die langjährige Entwicklung repressiver Gesetzgebung des Landes einen neuen traurigen Höhepunkt. Das Gericht gab dabei einem Antrag des Justizministeriums statt, wodurch die internationale LGBTIQ*- Bewegung als „extremistisch“ eingestuft wird.

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Begonnen hatte diese Entwicklung bereits 2013 mit der Unterzeichnung eines Gesetzes zum Verbot von „Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" unter Minderjährigen. Im Juni 2022 fand dann eine Verschärfung statt, als das Gesetz für alle Altersstufen ausgeweitet wurde  und die Verbreitung jeglicher Inhalte verbot, die nach Ansicht der Behörden "nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen propagierten“. Echte Vielfalt berichtete über beide Entwicklung bereits in früheren Artikeln (hier und hier). Wie die Deutsche Welle (DW) zusammenfassend feststellt, mussten in der Folge „[…] viele Verlage, Buchhandlungen, Bibliotheken und Online-Kinos […] unter Androhung von Geldstrafen jegliche Erwähnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen […] entfernen“.

Aber auch große Konzerne wie TikTok und Facebook kamen nicht um Geldstrafen herum, als sie sich weigerten Inhalte zu löschen, die eine „Verzerrung traditioneller Werte“ darstellten. Allerdings muss an dieser Stelle der qualitative Unterschied zwischen einer Geldstrafe gegen TikTok von drei Millionen Rubel (etwa 51.000 Euro) und einer ähnlich hohen Geldstrafe gegen eine Buchhandlung oder Bibliothek etc. hingewiesen werden. Während es für erstere eine "symbolische Mahnung“ bedeuten mag, kann es für letztere bis zur existenziellen Bedrohung führen.

Wie die Tageschau bemerkt, sind die konkreten Auswirkungen des neuen Verbots bis jetzt allerdings noch nicht vollends abzuschätzen: „Das Verfahren, das hinter verschlossenen Türen stattfand, richtete sich nicht gegen eine bestimmte Organisation, sondern gegen einen Teil der russischen Gesellschaft.“ Wie die Deutsche Welle schreibt, wird am 10. Januar 2024 der Teil des Verbots, der Bezug auf "strukturelle Organisationen" nimmt, in Kraft treten. Maxim Olenitschew, Anwalt des Menschenrechtsprojekts "Perwyj otdel", befürchtet dazu im Interview mit der DW, dass damit alle Organisationen in Russland gemeint sein, die eine Verbindung zum Thema LGBTIQ* haben. Das Beispiel TikTok und Co. zeigt dahingehend, dass es gerade kleine Vereine und Organisationen sind, die sich in ihrer Gemeinde engagieren, auf die das Urteil besonders einschneidende Auswirkungen haben wird.

Nichtsdestoweniger wird die innerstaatliche Entwicklung ihre Symbolik auch über die Landesgrenzen hinaus entfalten. Laut Tagesschau inszeniert sich Russland mindestens seit Beginn des Ukrainekrieges „als moralisches Bollwerk gegen die angebliche Dekadenz des Westens und begründet sein Vorgehen insbesondere mit dem Schutz von Kindern.“ Eine Signalwirkung, die von den internationalen rechtspopulistischen Akteuren genaustens beobachtet wird. Die Interdependenzen zwischen nationaler Entwicklung als Signal an internationale Akteure haben wir am Beispiel USA - Uganda bereits thematisiert.

Interdependenz bedeutet allerdings auch, dass - egal aus welcher Richtung - Einmischung wirkt. Auch wenn das den Menschen und Vereinen vor Ort kurzfristig vermutlich wenig helfen wird, kann das Engagement von außen und das Schaffen von Zugang zu Informationen und Medien langfristig dennoch Hoffnung spenden.

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Dass Google, YouTube und Co. Algorithmen unterliegen, deren Suchkriterien nicht für alle sofort ersichtlich sind, ist keine Neuigkeit - auch, dass dabei die Gefahr von Selektion und Diskriminierung besteht. Aber nicht nur können die Algorithmen selbst einen Selektionsbias erzeugen, sondern über die ökonomische Notwendigkeit der Reichweite und den damit verbundenen Druck kann es zu einer vorweggenommenen Selektion durch die Content Creator kommen.

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Bereits im Juli 2021 berichtete das RedaktionsNetzwerk Deutschland (rnd) über diese Art der Selbstzensur des YouTubers Rezo. Herausgenommen hatte dieser Worte wie: „Homosexualität, homosexuell, schwul und Homophobie.“ Wie Rezo in dem Bericht beschreibt, liegt das Problem darin, Themen anzusprechen, ohne sie beim Namen zu nennen, um nicht herabgestuft zu werden. Ob dies die richtige Vorgehensweise ist oder nicht, sei an dieser Stelle dahingestellt. Laut rnd gibt es allerdings zumindest Indizien dafür, dass der YouTube-Algorithmus Videos mit den eben genannten Buzzwords herunterstufe.

Doch auch der umgekehrte Sachverhalt lässt sich bei den Algorithmen finden. Vergisst man beispielsweise auf YouTube bei der Suche nach „LGBTIQ“ das „I“ einzugeben, durch einen Tippfehler oder aus Unkenntnis, so werden vom Algorithmus unter dem Schlagwort „LGBTQ“ mit fünf von sieben Ergebnissen eindeutig rechtspopulistische und menschenverachtende Anti-LGBTIQ*-Inhalte gezeigt. Hierbei ist anzumerken, dass der PC, mit dem diese Recherche vollzogen wurde, in keinen spezifischen YouTube-Account eingeloggt war. Bei einer Wiederholung auf einem anderen Gerät und einem anderen Anschluss zeigte sich ein ähnliches Bild. Besonders für Kinder und Jugendliche, die nicht in ihrem direkten Umfeld Bezugspersonen haben, die sich mit LGBTIQ* auseinandersetzen oder selbst dazugehören, entsteht hier eine ideologische Gefahr.

Daran zeigt sich abermals die Bedeutung medialer Bildung, die über eine bloße Anwendung von Medien hinausgeht und stattdessen auch Mechanismen und Inhalte reflektiert. Gleichzeitig zeigt es die Verantwortung der großen LGBTIQ*-Verbände und Vereine sowie ihrer Träger, sich stellvertretend für die gesamte Comunity auf eine juristische Auseinandersetzung auch mit großen Konzernen wie YouTube einzustellen, um für ein Regelwerk in der digitalen Welt zu kämpfen, das die Prinzipien von Würde und Demokratie hochhält. Etwas, dass Einzelne nicht leisten können. Ein zugegebenermaßen ambitioniertes und langwieriges Unterfangen, bei dem der teilweise geäußerte Vorwurf des „Canceln“ mutmaßlich ein ständiger Begleiter bleiben wird. Aber ohne diese Auseinandersetzung wird in einer Welt der digitalen Information der Einsatz für ein neues gesellschaftliches Selbstverständnis kaum gelingen.

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